Veranstaltung: | 44. Bundesdelegiertenkonferenz Bielefeld |
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Tagesordnungspunkt: | S Satzung und Statute |
Antragsteller*in: | Bundesvorstand (dort beschlossen am: 02.09.2019) |
Status: | Zurückgezogen |
Eingereicht: | 27.09.2019, 07:44 |
S-04: Geschlechtliche Vielfalt – Änderung des Frauenstatuts
Antragstext
Die Bundesdelegiertenkonferenz beschließt folgende Änderungen im Frauenstatut:
a) Einfügung einer Präambel
Dem Frauenstatut wird eine Präambel vorangestellt.
Präambel
Die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen in der Politik ist ein politisches Ziel von
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Die Mindestquotierung von Ämtern und Mandaten ist eines der Mittel,
um dieses Ziel zu erreichen. Von dem Begriff „Frauen“ werden alle erfasst, die sich selbst
so definieren.
b) Ersetze § 1 und § 3 durch NEU § 1 „Mindestquotierung“
Die §§ 1 und 3 werden durch den folgenden Text ersetzt. § 3 wird entsprechend gestrichen
§ 1 Mindestquotierung
(1) Alle Gremien von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu beschickende
Gremien sind mindestens zur Hälfte mit Frauen zu besetzen; wobei den Frauen bei Listenwahlen
bzw. Wahlvorschlägen die ungeraden Plätze vorbehalten sind (Mindestquotierung). Die
Wahlverfahren sind so zu gestalten, dass getrennt nach Positionen für Frauen und Positionen
für alle Bewerber*innen (offene Plätze) gewählt wird. Reine Frauenlisten und -gremien sind
möglich.
(2) Sollte keine Frau auf einen Frauenplatz kandidieren oder gewählt werden, bleiben diese
Plätze unbesetzt. Über die Besetzung des offenen Platzes entscheidet die Versammlung. Nur
bei Wahllisten kann die Wahlversammlung den Frauenplatz frei geben. Die Frauen der
Versammlung haben diesbezüglich ein Vetorecht entsprechend § 4 des Frauenstatuts und können
ein Frauenvotum beantragen
c) Ersetze §2 durch NEU § 2 „Versammlungen“
§ 2 wird durch den folgenden Text ersetzt:
§ 2 Versammlungen
(1) Präsidien werden mindestquotiert besetzt. Die Versammlungsleitung wird mindestens zur
Hälfte von Frauen übernommen. Das Recht von Frauen auf mindestens die Hälfte der Redezeit
ist zu gewährleisten, dazu werden getrennte Redelisten geführt (Frauen/Offen), mindestens
jeder zweite Redebeitrag ist Frauen vorbehalten. Ist die Redeliste der Frauen erschöpft, ist
die Versammlung zu befragen, ob die Debatte fortgesetzt werden soll.
(2) Diese Regelungen sollen auch für sonstige Veranstaltungen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
gelten.“
d) Ersetze in § 5 Satz 4 das Wort „Mindestparität“ durch „Mindestquotierung“
§ 5 „Einstellung von Arbeitnehmer*innen“ lautet nun:
(1) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wird als Arbeitgeber*in die Gleichstellung von Frauen
sicherstellen. Bezahlte Stellen werden auf allen Qualifikationsebenen mindestens zur Hälfte
an Frauen vergeben. In Bereichen, in denen Frauen unterrepräsentiert sind, werden so lange
bevorzugt Frauen eingestellt, bis die Mindestquotierung erreicht ist. Bei der Vergabe von
Aufträgen wird analog verfahren
Begründung
Die folgende Begründung und eine Textsynopse zwischen der aktuellen Fassung und den beantragten Änderungen steht unter dem Link https://wolke.netzbegruenung.de/s/7XrCprN3iHLfwBs zum Download in der Grünen Wolke zur Verfügung.
Unser Grünes Frauenstatut ist in der deutschen Parteienlandschaft einmalig und eine echte feministische Erfolgsgeschichte: Seit über 30 Jahren trägt es dazu bei, dass wir Grüne einen sehr hohen Frauenanteil sowohl bei den Mitgliedern als auch in allen Fraktionen, Vorständen und anderen Gremien haben. Wir machen damit deutlich: Frauen sind die Hälfte der Bevölkerung, sie sollen auch die Hälfte der Macht bekommen. Bei allen gleichstellungspolitischen Fortschritten ist das Frauenstatut aber auch im Jahr 2019 noch so relevant wie bei seiner Verabschiedung. Die wohlvertrauten Instrumente des Frauenstatus wie Frauenquote, Frauengremien und quotierte Redelisten sind leider noch nicht überholt, sondern notwendig, um die gleichberechtigte politische Teilhabe und Sichtbarkeit von Frauen zu ermöglichen und zu sichern.
Was wir heute aber besser machen wollen als vor 30 Jahren, ist die Anerkennung geschlechtlicher Vielfalt in unserer Satzung. Grünes Selbstverständnis ist, dass trans-, intergeschlechtliche und nicht-binäre Menschen ein Recht auf geschlechtliche Selbstbestimmung haben – frei von politischen, medizinischen oder rechtlichen Pathologisierungsversuchen, Menschenrechtsverletzungen und Stigmatisierungen. Dafür kämpfen wir seit vielen Jahren in Solidarität und im Bündnis mit zivilgesellschaftlichen Organisationen und Aktivist*innen auf den unterschiedlichen politischen Ebenen.
Unsere Satzung ist jedoch noch geprägt von einem zweigeschlechtlichen, binären System der Geschlechter. Nicht alle Menschen wollen oder können sich aber einem der beiden Geschlechter zuordnen. Dies hat nicht zuletzt das Bundesverfassungsgericht mit seinem bahnbrechenden Urteil im Jahr 2017 endlich auch grundrechtlich festgestellt. Darauf haben wir bei unseren Formularen und Aufnahmeanträgen bereits reagiert.
Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 10. Oktober 2017 anerkannt, dass "die geschlechtliche Identität derjenigen, die sich dauerhaft weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen lassen", durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht geschützt ist und der Staat sie aktiv vor Diskriminierung zu bewahren hat. In der Umsetzung hat die schwarz-rote Regierungskoalition im Dezember 2018 eine Neufassung des Personenstandrechts beschlossen, das als 3. Option den Geschlechtseintrag "divers" zulässt. Auch wenn diese Novellierung moderate Verbesserungen mit sich gebracht hat, kritisieren wir sie – gerade im Zusammenspiel mit den völlig fehlgeleiteten Reformüberlegungen der Großen Koalition zum veralteten, menschenrechtswidrigen "Transsexuellengesetz" – als nicht ausreichend und als nicht menschenrechtskonform. Auch hier werden wir uns weiterhin für eine substantielle Reform einsetzen. Es gilt: gleiches Recht für jedes Geschlecht!
Mit den vorliegenden Änderungsanträgen für unsere Satzung inklusive des Frauenstatuts gehen wir nun einen ersten Schritt, um der geschlechtlichen Vielfalt nun auch in den Statuten unserer Partei Rechnung zu tragen und bekräftigen zugleich das Prinzip der Mindestquotierung für Frauen. Anschließend an die Satzungsänderung wollen wir jedoch weiter diskutieren, wie geschlechtliche Vielfalt noch stärker in der Satzung verankert und in der Partei gelebt werden kann.
Diese Änderungsanträge haben drei Ziele:
Wir verändern unsere Satzung so, dass es in Zukunft Plätze für Frauen und Plätze für alle Kandidierenden unabhängig von ihrem jeweiligen Geschlecht gibt. Damit stellen wir nun auch in unserer Satzung und im Frauenstatut klar, dass die "offenen Plätze" keine "Männerplätze" sind, sondern Menschen aller Geschlechter offenstehen. Dies gilt analog für beispielsweise Redelisten oder die Besetzung von Gremien.
Wir machen klar, dass mit dem Begriff Frauen alle erfasst werden, die sich selbst so definieren. Denn die Geschlechtsidentität kann jeder Mensch nur für sich selbst bestimmen, keine andere Person oder gar eine staatliche Institution hat das Recht hier Zuweisungen auszusprechen.
Wir stellen klar, dass Frauenplätze bei Gremienwahlen (nicht bei Listenwahlen), wenn sie nicht mit einer Frau besetzt werden können, weil sich keine Frau findet oder eine Frau nicht gewählt wird, nicht durch eine Person eines anderen Geschlechts besetzt werden können. Damit gehen wir aktuell bestehende Unklarheiten in der aktuellen Satzung an.
Die Änderung unserer Satzungsdokumente ist ein erster Schritt, um geschlechtliche Vielfalt in unserer Partei voranzubringen. Weiter wollen wir auf allen Ebenen für mehr Sensibilisierung und für ganz konkrete Verbesserungen sorgen, damit niemand aufgrund des Geschlechts diskriminiert oder ausgeschlossen wird. Dies betrifft alle Ebenen unserer Partei. Beratend stehen dabei die frauenpolitische Sprecherin, das Bundesfrauenreferat sowie die Dachstruktur QueerGrün und die BAG Frauenpolitik zur Seite.
Kommentare
Horst Schiermeyer:
Eine interessante Interpretation des Artikel 3 Grundgesetz ...
https://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_3.html
Mario Hüttenhofer:
Sind reine Frauenlisten und Frauengremien nicht diskriminierend?
Barbara Poneleit:
Ute Thoma:
Barbara Poneleit:
Tobias Balke:
der Bundesvorstand beantragt in S-04 für die Präambel des Frauenstatuts den Satz
"Von dem Begriff „Frauen“ werden alle erfasst, die sich selbst so definieren."
In der Antragsbegründung erläutert der BuVo: "Wir machen klar, dass mit dem Begriff Frauen alle erfasst werden, die sich selbst so definieren. Denn die Geschlechtsidentität kann jeder Mensch nur für sich selbst bestimmen, keine andere Person oder gar eine staatliche Institution hat das Recht hier Zuweisungen auszusprechen."
Der Satz "Von dem Begriff „Frauen“ werden alle erfasst, die sich selbst so definieren." hätte zwei Konsequenzen:
a. keine*r muss "Frau" sein, die/der das nicht will,
b. jede*r darf "Frau" sein, die/der das will.
Jedes Mitglied dürfte also nach Belieben selbst bestimmen, ob es - innerhalb von Bündnis 90/Die Grünen - als Frau gelten will oder nicht. Es dürfte sich selbst zur "Frau" erklären oder zur "Nicht-Frau". Diese Selbstdefinition wäre an keine Voraussetzung geknüpft und an keine Bedingung. Es käme einzig und allein auf den Entschluss dieses Mitglieds an. Alle anderen Mitglieder würden durch diese Selbstdefinition gebunden, niemand könnte sie wirksam bestreiten. In jeder Hinsicht müssten alle übrigen Mitglieder einem Mitglied, sobald und solange es sich selbst zur "Frau" erklärt, sämtliche besonderen Rechte gewähren, die Frauen (und nur ihnen) die Bundessatzung und das Frauenstatut garantieren. Niemand dürfte und könnte in Zukunft noch ein Mitglied daran hindern, seine Selbstermächtigung zur "Frau" zu erklären und ab sofort alle Frauenrechte für sich selbst zu beanspruchen.
Es gäbe auch keine Schranke, die irgendein Mitglied daran hindern könnte, ihre/seine Selbstdefinition zu ändern. Jedes Mitglied könnte das beliebig oft ändern, nach Wunsch und Laune, jederzeit und zwar mit sofortiger Wirkung auf seinen Satzungs-Status.
Falls Euch die Vorstellung einer täglich, ja stündlich changierenden geschlechtlichen Identität als allzu abenteuerlich vorkommt, dann werft einen Blick auf den Antrag S-07 und sein „TIN-Statut"
mit den Worten „Jede Person muss sich zu Beginn der Sitzung festlegen, welcher Gruppe sie zugeordnet werden will. D.h. cis* Männer reden auf der Männer-Liste, cis* Frauen auf der Frauen-Liste, TIN nach Selbsteinschätzung (Festlegung für die jeweilige Debatte)."
2. Demnächst kann also in jeder grünen Versammlung der Schlachtruf ertönen:
"Ich bin kein Mann, ich bin ein hermaphroditisch-omnipotentes Wesen! Jedenfalls bin ich es hier, heute und in Satzungshinsicht. Behauptungen, ich sei "eigentlich" ein Mann, weil ich so aussehe wie ein Mann, entstammen offensichtlich binärem, vorsintflutlichem Schwarzweiss-Denken. Nein-nein, hier und jetzt definiere ich mich als Frau, weil ich das so will, und Ihr müsst mich gefälligst als solche behandeln."
Diejenigen, die dann Lust bekommen, tatsächlich so aufzutreten, werden sich vermutlich zu mehreren dazu verabreden. Eventuell werden sie karnevalsbunte Perücken oder auch Perücken im britischen Gerichtsstil aufsetzen. Und sie werden hartnäckig und lautstark ihr Frauenrecht auf Frauenplätze einfordern, verbunden mit dem "freundlichen Hinweis" an die jeweils Sitzungsleitenden, die fortgesetzte Verweigerung von Mitgliedsrechten könne ohne weiteres Sanktionen gemäß § 21 (2) der Bundessatzung nach sich ziehen und das wollten die Sitzungsleitenden sich doch gewiss gerne ersparen. Falls dann die Sitzungsleitung sympathisiert oder sich einschüchtern lässt, würde die Redeliste von solchen "Perückenfrauen" geflutet. Sie würden sich wohl spasseshalber ständig hineinquotieren lassen und ihre Beiträge wiederholen und variieren, falls "echte" Frauen empört in den Schweigestreik treten.
Vermutlich würde die Mehrzahl der männlichen Mitglieder sich an einem solchen Mummenschanz nicht beteiligen, aber sie würden sich doch ein Lächeln nicht verkneifen und einige von ihnen den anwesenden Frauen (denen vom alten Typ, mit XX-Chromosomensatz usw.) sagen: "es geschieht Euch ganz recht, nun könnt Ihr auch mal sehen, wie das ist und was wir schon öfter erlebt haben".
- Falls der Antrag S-08 angenommen und in Zukunft nicht mehr die Versammlung, sondern nur noch die Frauen (bei akutem Frauenmangel auf der Redeliste) über Fortsetzung oder Abbruch einer Debatte entscheiden dürften (was wirklich unvernünftig und ungerecht wäre, siehe Begründung auf https://antraege.gruene.de/44bdk/Aenderung_des_Frauenstatuts-56455/6000 ), dann würde ein der artiges Perücken-Manöver unter grünen Männern wohl zunehmend als reine Notwehr gewertet wer den -.
Das könnte ja alles ganz lustig werden, und es soll auch niemandem die Vorfreude genommen werden. Aber bitte: bedenkt die Folgen, wenn aus lustigem Spiel politischer Ernst würde.
Überall, wo "Probevorstellungen" zuerst zu beifälligem Gelächter und später zu Achselzucken und noch später zur Gewöhnung an "umgekrempelte" Redelisten führten, könnten sich nämlich Männer versucht fühlen, eine Wahl-Premiere auf den grünen Spielplan zu setzen.
Männer (oder genauer: Mitglieder, die jetzt noch allgemein als Männer betrachtet werden) könnten auf dieser Satzungsgrundlage nämlich auch bei Wahlen und Nominierungen auf Frauenplätzen an treten.
Vorhaltungen von weiblicher Seite, da sei denn doch ein kleiner Unterschied, würden sie kontern:
"Na und? Ihr habt bloss in grauer Vorzeit mal in der genetischen Lotterie gewonnen, aber ich bin freiwillig Frau!".
Es käme dann auf die jeweilige Wahlversammlung an, ob sie diese "Innovation" akzeptieren würde oder nicht.
Es kann zwar angenommen werden: eine BDK, wie sie gegenwärtig zusammengesetzt ist, würde solche Kandidierende einfach auslachen oder ausbuhen und durchfallen lassen. Die meisten LDKen in ihren gegenwärtigen Besetzungen wohl auch, vielleicht sogar alle.
Aber wer könnte ihre/seine Hand beispielsweise für Landesmitgliederversammlungen ins Feuer legen? Da dürfen ja alle Mitglieder mit stimmen, auch wenn sie sonst überhaupt nicht aktiv sind. Und es gibt bei den Mitgliedern erheblich mehr Männer als Frauen.
Zur Warnung sei auf das Saarland hingewiesen. Dort beherrschten zwischen 1991 und 2017 Hubert Ulrich und seine Kumpane mit mafiösen Mitteln und Absichten (siehe z.B. https://www.heise.de/tp/features/Jamaika-versinkt-im-gruenen-Sumpf-3383153.html ) den saarländischen Landesverband. Immer wieder verlangte er den ersten Platz im Landesvorstand und auf den Landeslisten für Landtag und Bundestag - und immer wieder gaben die saarländischen Delegiertenmehrheiten ihm auch diese Plätze und damit teilweise die einzigen real errungenen Mandate. Die damaligen Bundesvorstände konnten oder wollten diesem fortgesetzten Satzungsbruch kein Ende machen, obwohl das Frauenstatut (plus Spiegelung im § 11) in Verbindung mit § 21 (4) und (5) der Bundessatzung eigentlich ausreichende Rechtsgrundlagen zu energischem Handeln gegeben hätte.
3. Wenn nun das Bundessatzung und das Frauenstatut sagen würden: "Von dem Begriff „Frauen“ werden alle erfasst, die sich selbst so definieren", dann gäbe es, rechtlich gesehen, nirgendwo noch eine Handhabe, um solchen Missbrauch zu unterbinden. Käme es deswegen zu Prozessen vor Landesschiedsgerichten und Bundesschiedsgericht, dann hätte der BuVo sich schützend vor den neuen Satzungswortlaut zu stellen, weil die BDK das nun mal so beschlossen hätte. Etwaige Wahlanfechtungen würden aller Voraussicht nach streng nach dem Buchstaben der veränderten Satzung abgewiesen.
Mitglieder, die jetzt noch allgemein als Frauen betrachtet werden, könnten es zwar mit einem Normenkontrollverfahren versuchen und das Bundesschiedsgericht auffordern, festzustellen, dass die BDK Bielefeld mit ihrem Beschluss von S-03 und S-04 etwas getan hätte, was selbst sie nicht durfte: nämlich kollektiv gegen den Grundkonsens ( https://cms.gruene.de/uploads/documents/Grundkonsens-1.pdf , dort vor allem Abschnitt 1.5 ) zu verstossen. Aber dann würde der BuVo vermutlich vortragen: nicht nur der Satzungsstand wäre im November 2019 veraltet gewesen, auch der Grundkonsens sei es. Er sei seinerzeit auf Grundlage "binären Denkens" verfasst worden, seine dichotomische Unterscheidung von Frauen und Männern, sein Ignorieren geschlechtlicher Vielfalt seien doch völlig überholt. Das Bundesschiedsgericht würde voraussichtlich urteilen: so ein Selbstdefinitionsrecht hätten sich zwar die Grundkonsens-Eltern sicher nicht vorgestellt, als sie die Gleichstellung von Frauen und Männern zum Grundwert erklärten. Jedoch sei der Grundkonsens, formal gesehen, auch nur ein Satzungsbeschluss. Nirgendwo stehe geschrieben, dass seine zentralen Bestimmungen "Ewigkeitscharakter" hätten.
Und so würde laut Satzung gelten: "Frau" ist Frau.
Nachdem ein paar Musterprozesse abgeschlossen sind, würde sich bald die Erkenntnis verbreiten: jede Gliederung, jedes Gremium kann auf dieser Satzungsgrundlage ungestraft jede sich selbst zur "Frau" definierende Person auf Frauenplätze wählen und nominieren, falls gewünscht.
Diese Option würden nach und nach immer mehr Mitglieder und Basisgruppen auch nutzen wollen. Erst recht, falls (parteiinterne) Frauenplätze, wie S-04 fordert, in Zukunft auch dann nicht mehr mit Nicht-Frauen besetzt werden dürfen, wenn sich keine Frau zur Kandidatur bereit findet und auch nach nochmaliger gezielter Werbung immer noch keine Frau antreten will (was wirklich ungerecht und unvernünftig wäre, siehe materielle Begründung auf https://antraege.gruene.de/44bdk/Klarstellung_gleichberechtigte_Teilhabe-37830/5988 ).
Beginnen würden einige besonders ehrgeizige Männer und vor allem solche, die die Frauenquote immer schon knacken wollten. Sie würden perückenlos aber treuherzig-augenzwinkernd die Wahlversammlung fragen: "als alter Feminist bin ich Euch doch feminin genug für einen Frauenplatz, oder?". Ihr mitgebrachter Anhang würde im Chor antworten "Aber immer doch!". In einer Reihe von Basisgliederungen könnten sie damit vermutlich auch durchkommen. Anderen Männer würde das nicht passen. Die würden dann verkünden: "..ich bin ja gern bereit, echten Frauen den Vortritt zu lassen. Aber dass ich jetzt diese Schwindel-Frau an mir vorbeiziehen lassen soll, sehe ich gar nicht ein. Das ist unlauterer Wettbewerb. Wenn das nicht gleich aufhört, dann mache ich das in Zukunft eben auch so." Es würde nicht "gleich aufhören". Es würden dann viele es "eben auch so" machen. In Kettenreaktionen würde männlich-konkurrierender Ehrgeiz erste Haarrisse in der Frauenquote ausweiten. Das ginge von unten nach oben eskalierend: mit "Pseudo-Frauen" auf Frauenplätzen durchsetzte Ortsverbands- und Kreisvorstände und Kommunalfraktionen würden sich - zur Absicherung und zur Seilschaftsprämierung - um "Pseudofrauen"-freundliche Delegiertenwahlresultate bemühen. Die Delegiertenversammlungen könnten nachfolgend von unten nach oben umschwenken, nicht sofort, aber innerhalb weniger Jahre, und mit neuartigen Delegiertenmehrheiten auch auf Landes-, Bundes- und Europaebene Frauenplätze an Mitglieder vergeben, die ausserhalb von Bündnis 90/Die Grünen schlicht und einfach als Männer gelten.
In der guten Absicht, das Frauenstatut zu modernisieren, hätte die BDK also dessen wichtigstes Instrument, die Frauenquote, faktisch durchlöchert und perspektivisch wohl ganz ausser Kraft gesetzt und entwertet.
Aber das würden viele Mitglieder nicht als gerecht betrachten und finden, das sei nicht grünes Recht, sondern grüne Rechtsfiktion. Frauen (im traditionelles Wortsinn) würden von Betrug sprechen und nach Ausschöpfung des Rechtswegs in die innere Emigration gehen oder unsere Partei gleich ganz verlassen.
Dafür würden andere Menschen neu oder wieder Mitglied werden, solche, denen die neue Satzungslage sehr gelegen käme.
Unsere Partei wäre nicht mehr die, die sie heute ist. Die Atmosphäre wäre vergiftet durch Anstreiten und Anschreien gegen eine Rechtslage, die von einem grossen Teil der gegenwärtig Aktiven als Unrecht empfunden und von einem anderen, ebenfalls grossen Teil als gute Gelegenheit fürs Beutemachen und Revanchieren betrachtet würde.
Wir würden bei diesem Streit sehr viel Energien und Zeit verschwenden und viele gute Aktive und Stammwähler*innen verlieren. Unsere ganze Partei würde aufhören, feministisch zu sein, sie würde durch einen panfeministischen Rausch in einen langen postfeministischen Katzen*jammer stürzen. Der Schaden für das Ansehen und die Stärke von Bündnis 90/Die Grünen wäre hoch und könnte viele Jahre überschatten.
Bitte stimmt gegen den Antrag S-04.
bündnisgrüne Grüße,
Tobias
(Nachtrag: Etwas sehr Gutes am S-04, den Inhalt von S-04-008 könnt Ihr nachher auch noch mit dem V-38 beschliessen, wo ja gefordert wird, „dass trans*, inter* und nicht-binäre Personen mehr Sichtbarkeit und politische Teilhabe in unseren Strukturen verdienen.“, dass darüber „in den nächsten Monaten in einem offenen und transparenten Prozess diskutiert werden soll“, dass “Vorschläge entwickelt werden“ und „ auf der nächsten Bundesdelegiertenkonferenz 2020 .. Maßnahmen zur Vielfaltsförderung“ und „ein Reformvorschlag für das Frauenstatut zur Abstimmung gestellt werden [soll], der die Situation von trans*, inter* und nicht-binären Personen in der Partei aufgreift“).
Ute Thoma:
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