Veranstaltung: | 44. Bundesdelegiertenkonferenz Bielefeld |
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Tagesordnungspunkt: | V Verschiedenes |
Antragsteller*in: | Jasper Balke (Lübeck KV) und 27 weitere Antragsteller*innen (Frauenanteil: 32%) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 04.10.2019, 21:30 |
V-45: Ehrenamt im BAföG anerkennen!
Antragstext
Der Bundesverband fordert, außerordentliches Ehrenamt bei der Bewilligung von BAföG zu
berücksichtigen. Dazu wird die Bundestagsfraktion beauftragt, entsprechende Konzepte zu
erarbeiten und sich im Bundestag dafür einzusetzen.
Dies stellt einen entscheidenden Schritt hin zu mehr Anerkennung und Förderung von
freiwilligem Engagement dar. Außerdem wird der aktuellen Zwei-Klassen-Gesellschaft, die
durch das BAföG unter Studierenden herrscht, entgegengewirkt.
Laut Engagementbericht von 2017 des 18. Bundestages sei die Förderung der gesellschaftlichen
Anerkennungskultur und öffentlichen Wahrnehmung von bürgerschaftlichem Engagement ein
Hauptziel der Politik.1 Mehr als die Aufzählung von unterschiedlichsten Preisen oder
Abzeichen für Ehrenamtler*innen oder Initiativen wird als Förderungsmittel allerdings nicht
aufgeführt.
Jedoch sollte es viel mehr Mittelpunkt Grüner Politik sein, über die im Engagementbericht
des BMFSFJ 2017 angepriesene „Anerkennung und Dank“2 heraus die tatsächlichen
Rahmenbedingungen für Ehrenamtler*innen zu stärken. Zu dieser Stärkung der tatsächlichen
Rahmenbedingungen, die zweifellos zu einer Anerkennung des Ehrenamts unter Auszubildenden
und Studierenden führen würde, gehört die Anerkennung und Rücksichtnahme von
außerordentlichem bürgerschaftlichen Engagement - ehrenamtlicher Arbeit - bei der
Bewilligung von BAföG.
Insgesamt engagieren sich 43,6% der in Deutschland lebenden Menschen freiwillig. Dabei fällt
auf, dass zwei Gruppen von Menschen mit besonders geringerem Engagement hervorstechen:
Menschen mit Migrationshintergrund (bedeutet hier nicht in Deutschland geboren zu sein und
keine Deutsche Staatsbürgerschaft zu besitzen) und Menschen mit niedrigem Bildungsabschluss.
Diesen Umstand erklären die Forscher*innen damit, „dass Menschen mit hoher Bildung einen
größeren finanziellen Spielraum haben, sich auch ohne Bezahlung zu engagieren.“3
Das Ausmaß des ehrenamtlichen Engagements hat am Ende finanzielle Gründe. Wer also
finanziell keine Probleme hat, engagiert sich tendenziell eher gesellschaftlich als Menschen
mit finanziellen Problemen. Natürlich ist darauf hinzuarbeiten, dass berufstätigen Menschen
mit finanziellen Problemen langfristig geholfen wird, auch, damit diese dann später
eventuell eine ehrenamtliche Tätigkeit ausführen können. Doch die Notwendigkeit der
Berücksichtigung von bürgerschaftlichem Engagement im BAföG bezieht sich erst einmal rein
auf Menschen, die sich in Ausbildung oder Studium befinden.
Dies ist deswegen wichtig, da sich ältere Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren, durch
ihre Tätigkeit vor allem den Kontakt zu jüngeren Generationen wünschen.4 Da BAföG-
Empfänger*innen größtenteils zur jungen Generation gehören, kann dadurch die
Generationenkommunikation gefördert werden.
Der wichtigste Punkt ist jedoch, dass ehrenamtliches Engagement immer auch zur Bildung von
Menschen beiträgt, denn laut Engagementbericht des BMFSFJ korrelieren Engagement und Bildung
in hohem Maße.5 Bildung könne dabei sowohl als eine Voraussetzung von freiwilligem
Engagement als auch eine mögliche Folge von diesem verstanden werden.6 Sogar ganz konkrete
Vorteile werden in der „freiwilligen Übernahme von Verantwortung“7 gesehen: Dazu gehört die
Ausbildung von Haltungen, Bereitschaften und Fähigkeiten zur Mitgestaltung und Mitbestimmung
in gesellschaftlichem Kontext.8 Solche Kernkompetenzen kann eine Universität oder eine
Ausbildungsstätte in der Form nicht vermitteln. Somit würde also eine weitere wichtige
Möglichkeit zur Bildung von jungen Menschen im BAföG berücksichtigt werden.
BAföG erhalten aktuell all diejenigen, die einen Antrag stellen und alle Voraussetzungen für
eine Förderung erfüllen. In fast allen Fällen spielt das Einkommen der Eltern dabei die
zentrale Rolle. Wenn die Eltern finanziell dazu in der Lage sind, ihre Kinder während der
Ausbildung ausreichend zu fördern, ist eine Förderung ausgeschlossen. Elternunabhängiges
BAföG wird aktuell nur in Ausnahmefällen bewilligt.9 Daraus ist schlusszufolgern, dass
Nicht-BAföG-berechtigte Menschen tendenziell aus Bevölkerungsgruppen ohne gravierende
finanzielle Probleme kommen. Diese befinden sich also schon in der Situation, sich eher
ehrenamtlich engagieren zu können, als Menschen, die BAföG erhalten. Denn BAföG-
Empfänger*innen kommen aus einem Elternhaus, welches nicht dazu in der Lage ist, die Kinder
ausreichend während der Ausbildung finanziell zu unterstützen.
Daraus ergibt sich, dass sich BAföG-Empfänger*innen aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer
Gruppe mit finanziellen Problemen tendenziell weniger gesellschaftlich engagieren. Dieser
Umstand wird durch die harten Kriterien des BAföGs noch verstärkt: Wer z.B. nach vier
Semestern Studium nicht alle Scheine erfüllt hat, die von der Regelstudienzeit vorgegeben
sind, erhält ab dem fünften Semester kein BAföG mehr. Die finanzielle Existenzgrundlage wird
komplett entzogen. Dadurch steigt die Hürde, sich neben dem Studium außer-universitär zu
engagieren deutlich an. Einer Gruppe, die also ohnehin schon weniger prädestiniert für die
Ausführung von freiwilligem Engagement ist, werden also durch die Sozialhilfe des Staates
zusätzlich Steine in den Weg gelegt.
Ein entsprechendes Konzept gegen diesen Umstand könnte daher die Festlegung einer
„Individualstudienzeit“ sein. Werden nämlich individualisierte Optionen geboten, wie z.B.
das Verlängern der Regelstudienzeit bei Nachweis eines zeitaufwändigen Ehrenamts (z.B.
Arbeit bei der freiwilligen Feuerwehr, der Bekleidung eines freiwilligen Amtes mit festen
Funktionen (die nicht etwa während einer Klausurenphase oder schlechten universitären
Rahmenbedingungen ruhen können)) verringert dies nicht nur die Hürde, sich unentgeltlich und
freiwillig zu engagieren, sondern fördert sogar die Bereitschaft einer Gruppe, die
eigentlich nicht für bürgerschaftliches Engagement prädestiniert ist.
Diese Menschen müssten so bei der Ausführung des Ehrenamts nicht länger ihre
Existenzgrundlage fürchten. So wird gesellschaftlicher Zusammenhalt gefördert. Engagement,
politische Teilhabe, usw. sind so nicht länger denjenigen vorenthalten, die es sich von Haus
aus leisten können.
Berücksichtigt werden soll dabei Bürgerschaftliches Engagement, welches freiwillig, nicht
auf finanzielle Vorteile ausgerichtet ist und das Gemeinwohl fördert. Dazu zählen z.B.
außerordentliches Ehrenamt, freiwillige soziale Arbeit, Nachbarschaftshilfe oder politische
Partizipation.
Angerechnet werden soll freiwilliges Engagement, welches über einen so langen Zeitraum
ausgeübt wird, dass die Eigenmotivation außer Frage gestellt und ein gesellschaftlicher
Gewinn erkennbar werden kann. Ein solcher Zeitraum kann beliebig festgelegt werden, sollte
aber nicht klar definiert sein, da die Eigenmotivation und der gesellschaftliche Gewinn in
unterschiedlichen Ehrenämtern durchaus variieren kann. Diesbezüglich sollen Konzepte
erarbeitet werden, wie BAföG in Zukunft individueller und sozialer bewilligt werden kann.
Darüber hinaus erklärt sich der Bundesverband offen gegenüber einer grundsätzlichen Reform
des BAföGs, die über eine simple Erhöhung des Höchstsatzes hinausgeht. Denn dieses fördert
aktuell nicht mehr und nicht weniger als das Bestehen von Scheinen und Klausuren in einem
oft nicht nachvollziehbaren Zeitrahmen. Dass die Menschen während ihrer Ausbildung
allerdings nicht nur um eine gewisse Menge an Wissen reicher, sondern vielmehr um fünf Jahre
älter und reifer werden sollen, wird im BAföG nicht berücksichtigt.
Der Mensch soll stärker in den Mittelpunkt gerückt werden. Die Endgültigkeit und Härte
vieler Voraussetzungen zur Bewilligung sind in Anbetracht der Tatsache, dass es sich bei
BAföG-Berechtigten ausschließlich um Menschen ohne Selbstverschuldung und Einfluss auf ihre
Lebensumstände handelt, nicht zu rechtfertigen.
Quellen:
1, 2, 5, 6, 7, 8 Engagement-Bericht des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und
Jugend, 2017
3, 4 "Deutschland, dein Ehrenamt" Süddeutsche Zeitung, 05.12.2017
(http://www.sueddeutsche.de/politik/daten-deutschland-dein-ehrenamt-1.3773523)
9 "Elternunabhängiges BAföG", Studis Online, 23.08.2019 (http://www.bafoeg-
rechner.de/FAQ/elternunabhaengig.php)
Begründung
Aktuell gibt es keine Möglichkeit, ehrenamtliches Engagement außerhalb der eigenen Universität im BAföG anerkennen zu lassen. Dies muss geändert werden.
weitere Antragsteller*innen
- Jonathan Morsch (KV Rendsburg-Eckernförde)
- Sven Gebhardt (KV Flensburg)
- Finn Petersen (Schleswig-Flensburg KV)
- Lars Nitschke (KV Groß-Gerau)
- Julian Joswig (KV Rhein-Hunsrück)
- Nele Johannsen (KV Ostholstein)
- Nils-Ole Nommensen (KV Dithmarschen)
- Uta Boßmann (KV Kiel)
- Lennard Juds (KV Kiel)
- Paul-Joachim Bomhard (KV Leipzig)
- Felix Bach (KV Braunschweig)
- Tim Demisch (KV Berlin-Treptow/Köpenick)
- Bruno Hönel (KV Lübeck)
- Jonathan Wiskandt (KV Kiel)
- Isabel Scholz (KV Lübeck)
- Axel Flasbarth (KV Lübeck)
- Arne-Matz Ramcke (KV Lübeck)
- Carola Köster-Wiens (KV Lübeck)
- Judith Bach (KV Lübeck)
- Ann-Kathrin Tranziska (Pinneberg KV)
- Lars Mussehl (KV Lübeck)
- Torben Höllman (KV Lübeck)
- Sandra Wolf (KV Lübeck)
- Anna Louisa Rogge (KV Kiel)
- Peter Schüler (KV Lübeck)
- Mayra Vriesema (KV Nordfriesland)
- Malte-Jannik Krüger (KV Steinburg)
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Thomas Wolff: