Veranstaltung: | 44. Bundesdelegiertenkonferenz Bielefeld |
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Tagesordnungspunkt: | S Satzung und Statute |
Status: | Beschluss (vorläufig) |
Beschluss durch: | Bundesdelegiertenkonferenz |
Beschlossen am: | 15.11.2019 |
Eingereicht: | 16.11.2019, 21:15 |
Antragshistorie: | Version 1 |
Zweigeschlechtlichkeit überwinden, Menschenrechtsverletzungen beenden: Gleichberechtigte Teilhabe für trans*, inter* und nicht-binäre Personen in der Gesellschaft & unserer Partei
Beschlusstext
Bündnis 90/Die Grünen erklärt sich solidarisch mit den Anliegen von trans*, inter* und
nicht-binären Personen. Spätestens seit den Debatten um die Einführung der dritten Option
ist einem breiteren Teil der Gesellschaft bewusst geworden, wie sehr ihre Menschenrechte
noch immer verletzt werden.
Ob ein selbstbestimmter Personenstand, der ohne Pathologisierung auskommt, die Anerkennung
der Elternschaft von trans* Personen, ein konsequenter Schutz gegen Diskriminierung und
Gewalt, die konsequente Umsetzung eines Verbots von geschlechtszuweisenden und -anpassenden
Operationen an intergeschlechtlichen Säuglingen und Kindern und nicht zuletzt der Weg in ein
Staatswesen und eine Gesellschaft, die anerkennen, dass nicht alle Menschen Mann oder Frau
sind und diese Identität nicht von Geburt an auf Lebenszeit fremdbestimmt werden kann. Es
bleibt noch viel zu tun für die Anerkennung geschlechtlicher Vielfalt!
Darum setzen wir uns für folgende Punkte ein:
- Eine selbstbestimmte dritte Option sowie die Option, den Geschlechtseintrag leer zu
lassen im Personenstandsrecht, die ohne Pathologisierung auskommt und nicht nur inter*
Personen, sondern auch z.B. nicht-binären Menschen offensteht
- Ein Ende der staatlichen Pathologisierung und Gutachtenpflicht
- Auf Selbstbestimmung basierende Vornamens- und Personenstandsänderung (VÄ/PÄ), die als
kostenloser Verwaltungsakt vorgenommen werden
- Die sozialrechtliche Absicherung trans*-spezifischer Gesundheitsversorgung
- Die rechtliche „Geschlechtsmündigkeit“ ab 14 (analog zur derzeit gültigen
"Sexualmündigkeit"), perspektivisch die Geschlechtsmündigkeit ab der Geburt
- Zertifizierte Beratungsstellen
- Eine geschlechtsneutrale Formulierung zur Regelung der Elternschaft in Gesetzestexten
& Dokumenten
- Die konsequente Umsetzung eines Verbots von geschlechtszuweisenden und -anpassenden
Operationenan intergeschlechtlichen Säuglingen und Kindern
- Eine Aufarbeitung der Verfolgungsgeschichte von trans* Personen in Deutschland
- Eine angemessene Entschädigung für trans* und inter* Personen, deren Menschenrechte
verletzt worden sind, in Form eines Entschädigungsfonds
- Aufklärungs- & Sensibilisierungsprogramme an öffentlichen Einrichtungen
- Ein pädogischer Leitfaden für den respektvollen Umgang mit trans*, inter* und nicht-
binären Kindern & Jugendlichen sowie ein institutioneller Leitfaden für den
respektvollen Umgang mit betroffenen Kolleg*innen & Angestellten
- Konsequentes Vorgehen gegen Gewalt
- Die Unterstützung & Aufbau queerer Jugendberatungen unter Einbeziehung spezifischer
trans*, inter* und nicht-binärer Beratung
- Die Stärkung von trans*, inter* und nicht-binären Perspektiven in Wissenschaft und
Forschung, insbesondere der Medizin und der Rechtswissenschaft
Das machen wir als Grüne Partei:
Auch für uns als Partei ist klar, dass trans*, inter* und nicht-binäre Personen mehr
Sichtbarkeit und politische Teilhabe in unseren Strukturen verdienen. Das Recht auf
Gleichbehandlung unabhängig vom Geschlecht ist elementarer Bestandteil Grüner Programmatik.
Wir Grüne wollen allen Menschen unabhängig von Ihrem Geschlecht eine gleichberechtigte
Teilhabe sowohl in der Gesellschaft als auch in unserer Partei ermöglichen. Dazu wollen wir
alte patriarchale Denkmuster durchbrechen.
Deshalb fordern wir den Bundesvorstand auf in Zusammenarbeit mit dem Arbeitskreis
Trans*Inter*Non-Binary (TINO) von QueerGrün, bei dem die fachliche Kompetenz für
geschlechtliche Vielfalt angesiedelt ist unter Einbeziehung weiterer Gremien wie dem
Bundesfrauenrat und der AG Vielfalt, einen Prozess zu starten, um die Berücksichtigung von
trans*, inter* und nicht-binäre Menschen zu stärken.
In diesem Prozess sollen Satzungen, Richtlinien etc. der Partei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
überarbeitet werden, so dass trans*, inter* und nicht-binäre Menschen berücksichtigt werden
und weitere Maßnahmen zur Förderung entwickelt werden. Insbesondere ist hierbei auf den
Personenstand „divers“ und auf Menschen ohne Geschlechtseintrag einzugehen.
Binärgeschlechtliche Stellen sollen durch Formulierungen ersetzt werden, die alle Menschen
berücksichtigen.
Bündnis 90/Die Grünen sehen in Fragen der Gleichstellungspolitik das Geschlechterspektrum
(cis* Frauen, cis* Männer, trans* Frauen, trans* Männer, intergeschlechtliche Menschen,
nicht-binäre Menschen) und die reale Diskriminierungssituation dieser Gruppen als Grundlage
ihrer Politik. Das bisher als Grundlage dienende binäre Geschlechtermodell ist faktisch,
wissenschaftlich und rechtlich unzureichend - es bildet nicht die Gesamtbevölkerung ab. Die
Grüne Partei leitet einen innerparteilichen Bildungsprozess im Dialog mit dem AK
Trans*Inter*Non-Binary (TINO) von QueerGrün ein, der es alle Menschen ermöglicht, ein
positives Verständnis für Menschen jenseits binärer Geschlechtlichkeit zu entwickeln. Weiter
fordern wir den Bundesvorstand dazu auf, diese notwendigen Überarbeitungen auch auf Landes-
und Kreisebene zu unterstützen. Die Ergebnisse des oben genannten Prozesses sollen auf der
Bundesdelegiertenkonferenz 2020, vor- und zur Abstimmung gestellt werden.