Antrag: | Kapitel 3: Fortschritt gestalten |
---|---|
Antragsteller*in: | Angela Dorn-Rancke (KV Marburg-Biedenkopf) und 20 weitere Antragsteller*innen (Frauenanteil: 38%) |
Status: | Geprüft |
Verfahrensvorschlag: | Abstimmungsblock Gentechnik |
Eingereicht: | 08.10.2020, 10:30 |
GSP.F-01-093: Kapitel 3: Fortschritt gestalten
Antragstext
Von Zeile 92 bis 94 einfügen:
Verfahren braucht es Risikoforschung. Wir halten an einem strengen Zulassungsverfahren und an der europäischen Orientierung am Vorsorgeprinzip auf Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse fest. Es darf keine Patente auf den Genpool der Natur geben. Alle Züchtungen von Pflanzen und Tieren sind unter eine Open-
Kapitel 3: Fortschritt gestalten
Wissenschaft und Forschung
(138) Im Zentrum allen Fortschritts steht der Mensch in seiner Würde und Freiheit. Der
wissenschaftliche, technologische und gesellschaftliche Wandel muss so gestaltet werden,
dass er Mensch und Umwelt nützt.
(139) Wissenschaft und Forschung schaffen Zukunft. Frei denken und experimentieren ist Basis
für neue Ideen und Kreativität. Forschungs- und Erfindungsgeist helfen, Transformationen zu
gestalten. Sie können nur in Freiheit gedeihen und genießen zu Recht besonderen Schutz.
Zukunftsentwürfe müssen sich am Gemeinwohl orientieren und sie müssen mit der Gesellschaft
für die Gesellschaft gestaltet werden. Vielfalt an Wissen und Zugängen ermöglicht
zukunftstaugliche Lösungen bei Krisen.
(140) Forschungsergebnisse sind zunächst Erkenntnisse, die freies Denken und Experimentieren
als Basis zur Entwicklung neuer Ideen brauchen. Sie bieten enorme gesellschaftliche Chancen,
tragen aber auch das Risiko, missbraucht zu werden. Technologischer Fortschritt ist nicht
über jeden Zweifel erhaben, sondern unterliegt ethischen Prinzipien wie dem Vorsorgeprinzip.
Das beinhaltet auch die Freiheit, an bestimmten Entwicklungen nicht weiterzuarbeiten, wenn
sie gegen ethische Grundprinzipien verstoßen.
(141) Mithilfe der Wissenschaft kann unsere Gesellschaft die vor uns liegenden
Herausforderungen in Angriff nehmen, wie etwa die Wasserknappheit oder die Klimakrise.
Wissenschaftlich-technologischer Fortschritt hat menschliches Leben fundamental verbessert.
Er hat aber auch zu vielen globalen Krisen beigetragen und ist zugleich ein Weg, sie zu
lösen.
(142) Um qualifiziert abwägen und entscheiden zu können, braucht es Forschung – nicht nur an
Technologien, sondern auch zu ihren Risiken und Auswirkungen. Ethische Fragen müssen in der
Wissenschaft und mit der Gesellschaft diskutiert und demokratisch verhandelt werden. Gute
Politik orientiert sich an nachprüfbaren Fakten und wissenschaftlichen Erkenntnissen.
Wissenschaft kann Politik jedoch nicht ersetzen.
(143) Gerade die freie, auf Neugier und Erkenntnis gerichtete Grundlagenforschung ist neben
der Anwendungsforschung zur Bewältigung großer gesellschaftlicher Herausforderungen
ausreichend abzusichern. Wir brauchen eine Vielzahl von Alternativen und können angesichts
der vielfältigen Krisen in der Welt keine Möglichkeit, sie zu bewältigen, von vornherein
ausschließen. Entsprechend brauchen wir mehr und strukturell gut ausfinanzierte
Grundlagenforschung innerhalb eines starken, weltoffenen und global vernetzten europäischen
Forschungs- und Hochschulraums.
(144) Grundlage für das gesellschaftliche Vertrauen in Wissenschaft sind hohe Standards
wissenschaftlicher Arbeit. Die Etablierung methodischer Standards und Überprüfung
wissenschaftlicher Ergebnisse obliegt der Gemeinschaft der Wissenschaftler*innen. Forschung
muss sich immer auch kritisch reflektieren, in allen Disziplinen Machtverhältnisse
hinterfragen und vielfältig in der Wahl von Methoden, Theorien und Arbeitsweisen sein.
Darüber hinaus sind der freie Informationsaustausch zwischen Wissenschaft und Gesellschaft,
die Überprüfbarkeit von Interessenskonflikten sowie der öffentliche Zugang zu
Forschungsergebnissen und Datengrundlagen Grundprinzipien einer demokratischen Wissenschaft.
Öffentliche Regulierung, beispielsweise der Zulassung neuartiger Technologien oder
Präparate, legitimiert sich durch demokratische Prozesse.
(145) Eine freie, auskömmlich öffentlich finanzierte Wissenschaft muss auch gegenüber der
Gesellschaft Rechenschaft ablegen können. Deswegen braucht es Transparenz darüber, wie
Forschung finanziert wird, welche Projekte und Themen beforscht werden. Forschungsförderung
darf nicht allein auf die ökonomische Verwertbarkeit ausgerichtet werden. Öffentlich
finanzierte Forschungsergebnisse müssen der Gesellschaft im Sinne der Open Science
zugänglich gemacht werden.
(146) Hochschulen und Forschungseinrichtungen sind als unabhängige öffentliche Einrichtungen
für das Entstehen sozialer und technologischer Innovationen unabdingbar. Das funktioniert
nur mit einer auskömmlichen Grundfinanzierung der Hochschulen, die eine Unabhängigkeit von
Drittmittelfinanzierung und somit freie Bildung und Forschung aus Neugierde ermöglicht.
(147) Hochschulen waren und sind auch ein Ort der kritischen Selbstreflexion unserer
Gesellschaft. Wissenschaft analysiert gesellschaftliche Veränderungen, erkennt frühzeitig
politische Umbrüche und diskutiert sie. In einer komplexer werdenden Welt gewinnen gerade
Geistes- und Sozialwissenschaften sowie interdisziplinäres Arbeiten und Forschen an
Bedeutung.
(148) Wissenschaftler*innen und Studierende brauchen zeitliche und inhaltliche Freiräume, um
aus dem Studium mehr mitzunehmen als nur berufsbezogenes Wissen. Das Studium soll
grundsätzlich gebührenfrei sein. Es braucht die Möglichkeit des von sozialer Herkunft
unabhängigen Studierens. Personengruppen und Perspektiven, die bislang in Wissenschaft und
Forschung unterrepräsentiert sind, sollen gezielt eingebunden und gefördert werden.
Forschung braucht Vielfalt an Talenten. In einer demokratischen Hochschulkultur haben alle
Statusgruppen ein angemessenes Mitbestimmungsrecht. Dafür bedarf es sozial verträglicher
Arbeitsbedingungen und verlässlicher Beschäftigungsverhältnisse an den Hochschulen.
Bioethik
(149) Im medizinischen Bereich stellen sich ethische Fragen nach den Grenzen des Handelns
ganz besonders. Vor allem dort, wo durch Veränderungen des Erbguts auch das Leben künftiger
Generationen betroffen ist. Eingriffe in die menschliche Keimbahn sollen ausgeschlossen und
der strenge Embryonenschutz soll beibehalten werden.
(150) In der Medizin braucht es eine vorausschauende Ethik mit klaren Kriterien:
Menschenwürde, Freiheit und Selbstbestimmung sowie Verantwortung gegenüber den nachfolgenden
Generationen. Vorausschauend können zum Beispiel Moratorien sein, um ethische Grenzfragen
genauer beurteilen sowie Risiken, Gefahren und Auswirkungen auf künftige Generationen
exakter abschätzen zu können oder Forschungen auch gar nicht durchzuführen. Das Klonen von
Menschen ist auszuschließen.
(151) Menschen sollen selbstbestimmt Entscheidungen über ihren Körper und ihr Leben treffen
können. Voraussetzung dafür ist eine umfassende Information, damit Vor- und Nachteile
abgewogen werden können.
(152) Reproduktionsmedizin bietet die Möglichkeit zur selbstbestimmten Elternschaft. Dabei
müssen Frauen frei von patriarchaler Bevormundung und ökonomischem Druck entscheiden können,
ob und welche Möglichkeiten sie in Anspruch nehmen. Alle Kinder benötigen einen klaren
Rechtsstatus.
(153) Auch wenn die Versprechen der klassischen Gentechnik bis heute nicht eingelöst sind,
so sind alte und neue gentechnische Verfahren doch in der Welt. Unser Kompass zum Umgang mit
ihnen ist wie bei jeder Technologie, die Folgen der jeweiligen Anwendung für Mensch und
Umwelt zu beurteilen. Nicht die Technologie, sondern ihre Chancen, Risiken und Folgen stehen
im Zentrum. Forschung zu neuer Gentechnik soll ebenso gestärkt werden wie alternative
Ansätze, die auf traditionelle Züchtungsverfahren setzen. Auch bei neuen gentechnischen
Verfahren braucht es Risikoforschung. Wir halten an einem strengen Zulassungsverfahren und
an der europäischen Orientierung am Vorsorgeprinzip auf Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse fest. Es darf keine Patente auf den
Genpool der Natur geben. Alle Züchtungen von Pflanzen und Tieren sind unter eine Open-
Source-Lizenz zu stellen, die eine Patentierung ausschließt.
Digitalisierung
(154) Digitalisierung kann genutzt werden, um Großartiges zu leisten, aber auch, um
Gesellschaften zu manipulieren bis hin zu digitalen Diktaturen. Sie kann zu Engagement
motivieren und neue Solidarität stiften, aber auch zur Passivität und zur Vereinsamung
führen. Sie hat das Potential, das Gesundheitssystem zu unterstützen, Energie einzusparen
oder Verkehr effizienter zu lenken. Politik hat die Aufgabe, die Digitalisierung so zu
gestalten, dass sie Freiheitsgrade und Selbstbestimmung verstärkt und nicht eingrenzt. Dazu
ist es unerlässlich, neben Technologiefirmen und staatlichen Stellen auch die
Zivilgesellschaft zentral in die Entwicklung und den Ausbau der digitalen Infrastruktur
einzubeziehen.
(155) Ein Mensch ohne Privatsphäre ist niemals selbstbestimmt. Informationelle
Selbstbestimmung und informationstechnische Sicherheit sind zu gewährleisten genauso wie die
Möglichkeit, Daten im Internet auch wieder zu löschen (Recht auf Vergessenwerden).
(156) Jeder Mensch hat ein Recht, sich frei zu informieren und frei zu kommunizieren. Die
digitale Transformation kann allen Individuen mehr Macht verleihen. Sie bringt eine neue
Welle der Aufklärung mit sich. Menschen werden von Nutzer*innen zu Gestalter*innen. Dabei
müssen die alten Fragen der Moderne nach Freiheit, Gleichberechtigung, Vernunft und Moral
neu beantwortet werden.
(157) Der Umgang mit Daten muss von klaren Kriterien geleitet sein: Nachvollziehbarkeit,
Transparenz, Nichtdiskriminierung, Chancengleichheit, Schutz von Privatheit und Freiheit im
Netz. Das bedeutet auch, eine angemessene Vergütung für Künstler*innen und Kulturschaffende
sicherzustellen.
(158) Übermäßige Datenmacht und Datenmonopole gilt es zu verhindern und aufzubrechen.
Unternehmen und Behörden, die über viele Daten verfügen, müssen ihre Daten außerhalb von
B2B- oder Industrieplattformen der Allgemeinheit anonymisiert zur Verfügung stellen. Open
Source, Open Data und höchste Daten- und Verbraucher*innen-Schutz-Standards sind die
europäische Antwort, um einer unkontrollierten Datenmacht von Staaten wie von Unternehmen
entgegenzuwirken.
(159) Datenverarbeitende und selbstlernende Systeme greifen teils direkt in die Lebenswelt
der Menschen ein und treffen eigene Entscheidungen. Deshalb braucht es für diese Systeme
klare Haftungsregeln. Digitale Prozesse, wie beispielsweise Algorithmen, müssen
nachvollziehbar sein, damit sie kontrolliert werden können.
(160) Ethisch-normative Prinzipien dürfen nur von Menschen aufgestellt werden.
Automatisierte Entscheidungen müssen von natürlichen oder juristischen Personen verantwortet
werden. Entscheidungen über Leben und Tod dürfen nur von Menschen getroffen werden, nicht
von Maschinen und Algorithmen. Es muss gesetzlich sichergestellt werden, dass algorithmische
Entscheidungen Vorurteile und Benachteiligungen nicht in die Zukunft tragen, systematisieren
oder gar verstärken.
(161) Frauen sollen die digitale Welt gleichberechtigt mitgestalten. Es gilt,
geschlechtsspezifische Stereotype sowie von männlichen Erwerbsmodellen dominierte
Machtstrukturen und Arbeitsformen in den Digitalunternehmen aufzubrechen, damit Frauen sich
deutlich stärker in der Digitalwirtschaft etablieren und Vorbilder sein können. Dabei spielt
auch das Bildungssystem eine entscheidende Rolle.
(162) Kinder, Heranwachsende, benachteiligte und verletzliche Menschen benötigen in der
digitalen Welt speziellen Schutz. Ihre selbstbestimmte Teilhabe an der digitalen Welt ist zu
fördern und ihr Zugang zu elementaren digitalen Gütern und Dienstleistungen zu
gewährleisten.
(163) In einer global verflochtenen Welt wird technologischer Wandel effizienter durch
internationale Kooperation. In einer Wertesystemkonkurrenz zwischen einem regulierten
kapitalistischen und einem autoritär gelenkten Fortschritt geht es um eine größere
technologische Souveränität Europas, damit sich Europas Bürger*innen auch in einer
technisierten Welt mündig, aufgeklärt und damit selbstbestimmt bewegen können. Das gilt
insbesondere für die kritische Infrastruktur. Zentrale Technologien soll Europa mit seinen
Werten mitgestalten. Es braucht daher eine starke europäische Vernetzung von
Spitzenforscher*innen, damit Europa nicht von wesentlichen Zukunftstechnologien abgehängt
wird.
(164) Der Innovationsstandort Europa soll im globalen Kontext gestärkt und ausreichend
finanziert werden. Das umfasst die stärkere Förderung offener Hard- und Software sowie
offener Standards. Dem Gedanken der Demokratie widersprechen Akkumulationen von Märkten, aus
denen weltweit agierende Konzerne hervorgehen, die mächtiger sind als Staaten.
weitere Antragsteller*innen
- Manuel Stock (KV Frankfurt)
- Johannes Geibel (KV Berlin-Steglitz/Zehlendorf)
- Michael Hack (KV Wetterau)
- Felix Beutler (KV Berlin-Lichtenberg)
- Johannes Kode (KV Berlin-Tempelhof/Schöneberg)
- Till Westermayer (KV Breisgau-Hochschwarzwald)
- Mogdeh Töbelmann (KV Berlin-Mitte)
- Tom Beyer (KV Vorpommern-Greifswald)
- Ingo Henneberg (KV Freiburg)
- Ottmar von Holtz (KV Hildesheim)
- Torsten Fiebig (KV Berlin-Neukölln)
- Arven Herr (KV Göttingen)
- Dorothea Kaufmann (KV Heidelberg)
- Paula Louise Piechotta (KV Leipzig)
- Ingo Stuckmann (KV Mülheim)
- Anna Christmann (KV Stuttgart)
- Kristian Warnholz (KV Pinneberg)
- Viola von Cramon (KV Göttingen)
- Katharina Fegebank (KV Hamburg-Nord)
- Jan Sollwedel (KV Marburg-Biedenkopf)
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Von Zeile 92 bis 94 einfügen:
Verfahren braucht es Risikoforschung. Wir halten an einem strengen Zulassungsverfahren und an der europäischen Orientierung am Vorsorgeprinzip auf Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse fest. Es darf keine Patente auf den Genpool der Natur geben. Alle Züchtungen von Pflanzen und Tieren sind unter eine Open-
Kapitel 3: Fortschritt gestalten
Wissenschaft und Forschung
(138) Im Zentrum allen Fortschritts steht der Mensch in seiner Würde und Freiheit. Der
wissenschaftliche, technologische und gesellschaftliche Wandel muss so gestaltet werden,
dass er Mensch und Umwelt nützt.
(139) Wissenschaft und Forschung schaffen Zukunft. Frei denken und experimentieren ist Basis
für neue Ideen und Kreativität. Forschungs- und Erfindungsgeist helfen, Transformationen zu
gestalten. Sie können nur in Freiheit gedeihen und genießen zu Recht besonderen Schutz.
Zukunftsentwürfe müssen sich am Gemeinwohl orientieren und sie müssen mit der Gesellschaft
für die Gesellschaft gestaltet werden. Vielfalt an Wissen und Zugängen ermöglicht
zukunftstaugliche Lösungen bei Krisen.
(140) Forschungsergebnisse sind zunächst Erkenntnisse, die freies Denken und Experimentieren
als Basis zur Entwicklung neuer Ideen brauchen. Sie bieten enorme gesellschaftliche Chancen,
tragen aber auch das Risiko, missbraucht zu werden. Technologischer Fortschritt ist nicht
über jeden Zweifel erhaben, sondern unterliegt ethischen Prinzipien wie dem Vorsorgeprinzip.
Das beinhaltet auch die Freiheit, an bestimmten Entwicklungen nicht weiterzuarbeiten, wenn
sie gegen ethische Grundprinzipien verstoßen.
(141) Mithilfe der Wissenschaft kann unsere Gesellschaft die vor uns liegenden
Herausforderungen in Angriff nehmen, wie etwa die Wasserknappheit oder die Klimakrise.
Wissenschaftlich-technologischer Fortschritt hat menschliches Leben fundamental verbessert.
Er hat aber auch zu vielen globalen Krisen beigetragen und ist zugleich ein Weg, sie zu
lösen.
(142) Um qualifiziert abwägen und entscheiden zu können, braucht es Forschung – nicht nur an
Technologien, sondern auch zu ihren Risiken und Auswirkungen. Ethische Fragen müssen in der
Wissenschaft und mit der Gesellschaft diskutiert und demokratisch verhandelt werden. Gute
Politik orientiert sich an nachprüfbaren Fakten und wissenschaftlichen Erkenntnissen.
Wissenschaft kann Politik jedoch nicht ersetzen.
(143) Gerade die freie, auf Neugier und Erkenntnis gerichtete Grundlagenforschung ist neben
der Anwendungsforschung zur Bewältigung großer gesellschaftlicher Herausforderungen
ausreichend abzusichern. Wir brauchen eine Vielzahl von Alternativen und können angesichts
der vielfältigen Krisen in der Welt keine Möglichkeit, sie zu bewältigen, von vornherein
ausschließen. Entsprechend brauchen wir mehr und strukturell gut ausfinanzierte
Grundlagenforschung innerhalb eines starken, weltoffenen und global vernetzten europäischen
Forschungs- und Hochschulraums.
(144) Grundlage für das gesellschaftliche Vertrauen in Wissenschaft sind hohe Standards
wissenschaftlicher Arbeit. Die Etablierung methodischer Standards und Überprüfung
wissenschaftlicher Ergebnisse obliegt der Gemeinschaft der Wissenschaftler*innen. Forschung
muss sich immer auch kritisch reflektieren, in allen Disziplinen Machtverhältnisse
hinterfragen und vielfältig in der Wahl von Methoden, Theorien und Arbeitsweisen sein.
Darüber hinaus sind der freie Informationsaustausch zwischen Wissenschaft und Gesellschaft,
die Überprüfbarkeit von Interessenskonflikten sowie der öffentliche Zugang zu
Forschungsergebnissen und Datengrundlagen Grundprinzipien einer demokratischen Wissenschaft.
Öffentliche Regulierung, beispielsweise der Zulassung neuartiger Technologien oder
Präparate, legitimiert sich durch demokratische Prozesse.
(145) Eine freie, auskömmlich öffentlich finanzierte Wissenschaft muss auch gegenüber der
Gesellschaft Rechenschaft ablegen können. Deswegen braucht es Transparenz darüber, wie
Forschung finanziert wird, welche Projekte und Themen beforscht werden. Forschungsförderung
darf nicht allein auf die ökonomische Verwertbarkeit ausgerichtet werden. Öffentlich
finanzierte Forschungsergebnisse müssen der Gesellschaft im Sinne der Open Science
zugänglich gemacht werden.
(146) Hochschulen und Forschungseinrichtungen sind als unabhängige öffentliche Einrichtungen
für das Entstehen sozialer und technologischer Innovationen unabdingbar. Das funktioniert
nur mit einer auskömmlichen Grundfinanzierung der Hochschulen, die eine Unabhängigkeit von
Drittmittelfinanzierung und somit freie Bildung und Forschung aus Neugierde ermöglicht.
(147) Hochschulen waren und sind auch ein Ort der kritischen Selbstreflexion unserer
Gesellschaft. Wissenschaft analysiert gesellschaftliche Veränderungen, erkennt frühzeitig
politische Umbrüche und diskutiert sie. In einer komplexer werdenden Welt gewinnen gerade
Geistes- und Sozialwissenschaften sowie interdisziplinäres Arbeiten und Forschen an
Bedeutung.
(148) Wissenschaftler*innen und Studierende brauchen zeitliche und inhaltliche Freiräume, um
aus dem Studium mehr mitzunehmen als nur berufsbezogenes Wissen. Das Studium soll
grundsätzlich gebührenfrei sein. Es braucht die Möglichkeit des von sozialer Herkunft
unabhängigen Studierens. Personengruppen und Perspektiven, die bislang in Wissenschaft und
Forschung unterrepräsentiert sind, sollen gezielt eingebunden und gefördert werden.
Forschung braucht Vielfalt an Talenten. In einer demokratischen Hochschulkultur haben alle
Statusgruppen ein angemessenes Mitbestimmungsrecht. Dafür bedarf es sozial verträglicher
Arbeitsbedingungen und verlässlicher Beschäftigungsverhältnisse an den Hochschulen.
Bioethik
(149) Im medizinischen Bereich stellen sich ethische Fragen nach den Grenzen des Handelns
ganz besonders. Vor allem dort, wo durch Veränderungen des Erbguts auch das Leben künftiger
Generationen betroffen ist. Eingriffe in die menschliche Keimbahn sollen ausgeschlossen und
der strenge Embryonenschutz soll beibehalten werden.
(150) In der Medizin braucht es eine vorausschauende Ethik mit klaren Kriterien:
Menschenwürde, Freiheit und Selbstbestimmung sowie Verantwortung gegenüber den nachfolgenden
Generationen. Vorausschauend können zum Beispiel Moratorien sein, um ethische Grenzfragen
genauer beurteilen sowie Risiken, Gefahren und Auswirkungen auf künftige Generationen
exakter abschätzen zu können oder Forschungen auch gar nicht durchzuführen. Das Klonen von
Menschen ist auszuschließen.
(151) Menschen sollen selbstbestimmt Entscheidungen über ihren Körper und ihr Leben treffen
können. Voraussetzung dafür ist eine umfassende Information, damit Vor- und Nachteile
abgewogen werden können.
(152) Reproduktionsmedizin bietet die Möglichkeit zur selbstbestimmten Elternschaft. Dabei
müssen Frauen frei von patriarchaler Bevormundung und ökonomischem Druck entscheiden können,
ob und welche Möglichkeiten sie in Anspruch nehmen. Alle Kinder benötigen einen klaren
Rechtsstatus.
(153) Auch wenn die Versprechen der klassischen Gentechnik bis heute nicht eingelöst sind,
so sind alte und neue gentechnische Verfahren doch in der Welt. Unser Kompass zum Umgang mit
ihnen ist wie bei jeder Technologie, die Folgen der jeweiligen Anwendung für Mensch und
Umwelt zu beurteilen. Nicht die Technologie, sondern ihre Chancen, Risiken und Folgen stehen
im Zentrum. Forschung zu neuer Gentechnik soll ebenso gestärkt werden wie alternative
Ansätze, die auf traditionelle Züchtungsverfahren setzen. Auch bei neuen gentechnischen
Verfahren braucht es Risikoforschung. Wir halten an einem strengen Zulassungsverfahren und
an der europäischen Orientierung am Vorsorgeprinzip auf Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse fest. Es darf keine Patente auf den
Genpool der Natur geben. Alle Züchtungen von Pflanzen und Tieren sind unter eine Open-
Source-Lizenz zu stellen, die eine Patentierung ausschließt.
Digitalisierung
(154) Digitalisierung kann genutzt werden, um Großartiges zu leisten, aber auch, um
Gesellschaften zu manipulieren bis hin zu digitalen Diktaturen. Sie kann zu Engagement
motivieren und neue Solidarität stiften, aber auch zur Passivität und zur Vereinsamung
führen. Sie hat das Potential, das Gesundheitssystem zu unterstützen, Energie einzusparen
oder Verkehr effizienter zu lenken. Politik hat die Aufgabe, die Digitalisierung so zu
gestalten, dass sie Freiheitsgrade und Selbstbestimmung verstärkt und nicht eingrenzt. Dazu
ist es unerlässlich, neben Technologiefirmen und staatlichen Stellen auch die
Zivilgesellschaft zentral in die Entwicklung und den Ausbau der digitalen Infrastruktur
einzubeziehen.
(155) Ein Mensch ohne Privatsphäre ist niemals selbstbestimmt. Informationelle
Selbstbestimmung und informationstechnische Sicherheit sind zu gewährleisten genauso wie die
Möglichkeit, Daten im Internet auch wieder zu löschen (Recht auf Vergessenwerden).
(156) Jeder Mensch hat ein Recht, sich frei zu informieren und frei zu kommunizieren. Die
digitale Transformation kann allen Individuen mehr Macht verleihen. Sie bringt eine neue
Welle der Aufklärung mit sich. Menschen werden von Nutzer*innen zu Gestalter*innen. Dabei
müssen die alten Fragen der Moderne nach Freiheit, Gleichberechtigung, Vernunft und Moral
neu beantwortet werden.
(157) Der Umgang mit Daten muss von klaren Kriterien geleitet sein: Nachvollziehbarkeit,
Transparenz, Nichtdiskriminierung, Chancengleichheit, Schutz von Privatheit und Freiheit im
Netz. Das bedeutet auch, eine angemessene Vergütung für Künstler*innen und Kulturschaffende
sicherzustellen.
(158) Übermäßige Datenmacht und Datenmonopole gilt es zu verhindern und aufzubrechen.
Unternehmen und Behörden, die über viele Daten verfügen, müssen ihre Daten außerhalb von
B2B- oder Industrieplattformen der Allgemeinheit anonymisiert zur Verfügung stellen. Open
Source, Open Data und höchste Daten- und Verbraucher*innen-Schutz-Standards sind die
europäische Antwort, um einer unkontrollierten Datenmacht von Staaten wie von Unternehmen
entgegenzuwirken.
(159) Datenverarbeitende und selbstlernende Systeme greifen teils direkt in die Lebenswelt
der Menschen ein und treffen eigene Entscheidungen. Deshalb braucht es für diese Systeme
klare Haftungsregeln. Digitale Prozesse, wie beispielsweise Algorithmen, müssen
nachvollziehbar sein, damit sie kontrolliert werden können.
(160) Ethisch-normative Prinzipien dürfen nur von Menschen aufgestellt werden.
Automatisierte Entscheidungen müssen von natürlichen oder juristischen Personen verantwortet
werden. Entscheidungen über Leben und Tod dürfen nur von Menschen getroffen werden, nicht
von Maschinen und Algorithmen. Es muss gesetzlich sichergestellt werden, dass algorithmische
Entscheidungen Vorurteile und Benachteiligungen nicht in die Zukunft tragen, systematisieren
oder gar verstärken.
(161) Frauen sollen die digitale Welt gleichberechtigt mitgestalten. Es gilt,
geschlechtsspezifische Stereotype sowie von männlichen Erwerbsmodellen dominierte
Machtstrukturen und Arbeitsformen in den Digitalunternehmen aufzubrechen, damit Frauen sich
deutlich stärker in der Digitalwirtschaft etablieren und Vorbilder sein können. Dabei spielt
auch das Bildungssystem eine entscheidende Rolle.
(162) Kinder, Heranwachsende, benachteiligte und verletzliche Menschen benötigen in der
digitalen Welt speziellen Schutz. Ihre selbstbestimmte Teilhabe an der digitalen Welt ist zu
fördern und ihr Zugang zu elementaren digitalen Gütern und Dienstleistungen zu
gewährleisten.
(163) In einer global verflochtenen Welt wird technologischer Wandel effizienter durch
internationale Kooperation. In einer Wertesystemkonkurrenz zwischen einem regulierten
kapitalistischen und einem autoritär gelenkten Fortschritt geht es um eine größere
technologische Souveränität Europas, damit sich Europas Bürger*innen auch in einer
technisierten Welt mündig, aufgeklärt und damit selbstbestimmt bewegen können. Das gilt
insbesondere für die kritische Infrastruktur. Zentrale Technologien soll Europa mit seinen
Werten mitgestalten. Es braucht daher eine starke europäische Vernetzung von
Spitzenforscher*innen, damit Europa nicht von wesentlichen Zukunftstechnologien abgehängt
wird.
(164) Der Innovationsstandort Europa soll im globalen Kontext gestärkt und ausreichend
finanziert werden. Das umfasst die stärkere Förderung offener Hard- und Software sowie
offener Standards. Dem Gedanken der Demokratie widersprechen Akkumulationen von Märkten, aus
denen weltweit agierende Konzerne hervorgehen, die mächtiger sind als Staaten.
weitere Antragsteller*innen
- Manuel Stock (KV Frankfurt)
- Johannes Geibel (KV Berlin-Steglitz/Zehlendorf)
- Michael Hack (KV Wetterau)
- Felix Beutler (KV Berlin-Lichtenberg)
- Johannes Kode (KV Berlin-Tempelhof/Schöneberg)
- Till Westermayer (KV Breisgau-Hochschwarzwald)
- Mogdeh Töbelmann (KV Berlin-Mitte)
- Tom Beyer (KV Vorpommern-Greifswald)
- Ingo Henneberg (KV Freiburg)
- Ottmar von Holtz (KV Hildesheim)
- Torsten Fiebig (KV Berlin-Neukölln)
- Arven Herr (KV Göttingen)
- Dorothea Kaufmann (KV Heidelberg)
- Paula Louise Piechotta (KV Leipzig)
- Ingo Stuckmann (KV Mülheim)
- Anna Christmann (KV Stuttgart)
- Kristian Warnholz (KV Pinneberg)
- Viola von Cramon (KV Göttingen)
- Katharina Fegebank (KV Hamburg-Nord)
- Jan Sollwedel (KV Marburg-Biedenkopf)
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