Antrag: | Kapitel 5: Demokratie stärken |
---|---|
Antragsteller*in: | BAG Europa (dort beschlossen am: 26.09.2020) |
Status: | Geprüft |
Verfahrensvorschlag: | Erledigt durch: GSP.D-01-221-3 |
Eingereicht: | 04.10.2020, 15:51 |
GSP.D-01-221-2: Kapitel 5: Demokratie stärken
Verfahrensvorschlag zu GSP.D-01-221-3: Antragstext
Von Zeile 221 bis 222:
(263) Islamismus stelltund jede andere Form von religiösem Extremismus stellen sich gegen Demokratie, Menschenrechte und Freiheit. Der Staat muss in der Lage sein, jede Form von Terror und Fundamentalismus abzuwehren. Dazu gehören neben
Kapitel 5: Demokratie stärken
Rechte und Zugänge
(226) Demokratie ermöglicht ein Leben in Würde und Freiheit. Vielfältige Demokratie
bedeutet, dass wir als Gesellschaft unsere Lebensumstände mit gleichen
Beteiligungsmöglichkeiten gemeinsam gestalten. Souverän eines demokratischen Rechtsstaates
sind die Staatsbürger*innen, der Verantwortungsbereich der Demokratie ist die gesamte
Bevölkerung. Demokratie ist nicht auf einen formalen Prozess reduzierbar, sondern
Leitprinzip für ein Miteinander in gleicher politischer Freiheit.
(227) Freiheitsrechte und Minderheitenschutz werden im demokratischen Rechtsstaat durch eine
unabhängige Justiz und die Bindung der Exekutive an Recht und Gesetz garantiert. Der freie
und gleiche Zugang zum Recht muss daher für alle gewährleistet sein.
(228) Staatliche Daseinsvorsorge, die Beseitigung von Armut und Diskriminierung, der Zugang
zu Bildung und öffentlicher Meinungs- und Willensbildung sowie ein ausreichendes Maß an Zeit
für politische Beteiligung gehören zu einer freiheitlichen und vielfältigen Demokratie.
(229) Die Folgen demokratischer Entscheidungen reichen oft über den regionalen oder
nationalen Rahmen hinaus. Daher müssen die globalen Auswirkungen in Entscheidungsprozessen
immer berücksichtigt werden. Globalisierung erfordert transnationale demokratische
Handlungsfähigkeit. Nur mit fairem Interessensausgleich und demokratischer globaler
Kooperation können wir richtige und wirksame Antworten auf globale Herausforderungen geben.
Um demokratische Handlungsfähigkeit in einer globalisierten Welt zu stärken, soll sich die
EU perspektivisch weiterentwickeln zu einer Föderalen Europäischen Republik.
(230) Demokratie ohne Meinungsfreiheit ist undenkbar. In der Demokratie kann jeder Mensch
seine Meinung frei äußern und jede*r muss Widerspruch zur eigenen Meinung aushalten. Hass
und Hetze sind nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt.
(231) Demokratie ist angewiesen auf Demokrat*innen. Die Freiräume einer starken und
lebendigen Zivilgesellschaft sind zu schützen. Demokratie beginnt vor Ort. Ohne
bürgerschaftliches Engagement und vielfältige Ehrenämter würde unser Gemeinwesen nicht
funktionieren. Demokratie lebt von Menschen, die sich für andere engagieren und unser
Gemeinwesen mitgestalten – in Bürgerinitiativen und Parteien, in Vereinen, Feuerwehren und
Kirchen, in NGOs, Gewerkschaften und Unternehmen, bei Demonstrationen, im Sportverein und in
Bewegungen. Solches Engagement ist der Kitt, der unsere pluralistische Gesellschaft
zusammenhält. Gemeinnützigkeit muss umfassend rechtlich abgesichert werden – auch
dahingehend, dass sich gemeinnützige Organisationen politisch einbringen und engagieren
können.
(232) Friedlicher zivilgesellschaftlicher Protest ist eine wichtige Ressource in einer
lebendigen Demokratie.
(233) Politische Bildung ist Grundlage für eine funktionierende Demokratie. Die Beteiligung
von Kindern und Jugendlichen, politische Bildung und partizipative Bildungsinstitutionen zur
Stärkung demokratischer Kompetenzen sind Grundlage für den Fortbestand der demokratischen
Gesellschaft.
(234) Die beste Verteidigung der parlamentarischen Demokratie ist ihre Weiterentwicklung. Es
gilt, der Verknöcherung demokratischer Institutionen und Verfahren entgegenzuwirken, um die
Demokratie lebendig zu halten. Einem Vertrauensverlust und der Dominanz einseitiger
Interessenslagen in demokratischen Prozessen kann durch Offenheit für neue
Beteiligungsmöglichkeiten begegnet werden.
(235) Um sich demokratisch engagieren und sich souverän und selbstbestimmt entscheiden zu
können, braucht es die Möglichkeit zur unabhängigen Information. Transparenzgesetze beugen
Korruption vor und sorgen für mehr Möglichkeiten der demokratischen Kontrolle. Digitale
Plattformen, die nicht von kommerziellen Interessen gesteuert sind, unabhängiger
Journalismus in freien Medien, ein unabhängiger öffentlich-rechtlicher Rundfunk sowie solide
Medienbildung von Kindesbeinen an sind Impfschutz gegen demokratiefeindliche Kampagnen und
Fake News.
(236) Voraussetzungen für Demokratie sind ein gewaltfreier Diskurs und die Akzeptanz der
Menschenwürde sowie der unverletzlichen und unveräußerlichen Grund- und Menschenrechte. Eine
Gesinnung, die der oder dem Einzelnen ihre bzw. seine individuellen Bedürfnisse und
Interessen abspricht und die definieren will, wer dazugehört und wer nicht, ist
undemokratisch. Rassismus und Ausgrenzung widersprechen der Idee von politischer Gleichheit.
Zivilcourage und rechtsstaatliche Maßnahmen gegen Hass und Entmenschlichung sind zentral für
die Wehrhaftigkeit der vielfältigen Demokratie.
(237) Die Interessen von Menschen, die sozial an den Rand gedrängt sind, die kaum Zugang zu
guter Bildung haben oder die unter den Anstrengungen von prekärer Arbeit leben, sind häufig
unterrepräsentiert. Eine Garantie auf ein Existenzminimum, ausreichend Zeit für politische
Beteiligung sowie die Möglichkeit zur sozialen und kulturellen Teilhabe sind notwendige
Bedingungen für Demokratie.
(238) Unser Wirtschaftssystem unterliegt Werten und Regeln. Wirtschaftliche
Staatsbürger*innen-Rechte sind Teil der individuellen demokratischen Rechte. Die sozial-
ökologische Marktwirtschaft ist über betriebliche Mitbestimmung, Aktionär*innen-Beteiligung
sowie gewerkschaftliche Vertretung organisiert. All das braucht starke Gewerkschaften. Im
Sinne einer Wirtschaft, die dem Gemeinwohl dient, soll selbstverständlich sein, dass alle
Stakeholder und Betroffenen ein Mitspracherecht bei wichtigen Entscheidungen erhalten.
(239) Verdeckte, einseitige Einflussnahme wirtschaftlich machtvoller Interessen gefährdet
die Demokratie. Für klare Schranken sorgen Transparenz von beispielsweise personellen
Verflechtungen oder Nebentätigkeiten politischer Entscheidungsträger*innen sowie ein
verpflichtendes Lobbyregister und die entschiedene Verfolgung von Korruption. So kann
Lobbyismus von finanzstarken Akteur*innen, der anderen Interessen politische Spielräume
nimmt und für unfaire Aushandlungsprozesse sorgt, kontrollier- und sanktionierbar werden.
(240) Die Ausbildung einer transnationalen und europäischen Öffentlichkeit ist eine wichtige
Voraussetzung für eine funktionierende Zusammenarbeit und die Demokratisierung der EU.
Repräsentanz und Beteiligung
(241) Über Repräsentation und demokratisch geregelte Verfahren können sich Meinungen,
Interessen und Vorstellungen zu Entscheidungen und Mehrheiten angemessen und gerecht
bündeln. Das ist Grundlage demokratischer Machtausübung. Die parlamentarische Demokratie
schafft so legitime Herrschaft der Menschen über sich selbst.
(242) Grundprinzip der Demokratie ist, dass diejenigen, die Entscheidungen für andere
treffen, von diesen legitimiert, also gewählt werden müssen. Repräsentationsdefizite machen
die parlamentarische Demokratie angreifbar. Ein demokratisches Miteinander muss die
Voraussetzungen für sein Fortbestehen immer wieder neu schaffen und Ausschlüssen und
Repräsentationsdefiziten in den eigenen Strukturen entgegenwirken. Eine vielfältige
Gesellschaft muss sich in ihren demokratischen Institutionen und Einrichtungen abbilden. Wer
hier dauerhaft seinen Lebensmittelpunkt hat, soll die Möglichkeit haben, an Wahlen und
Abstimmungen teilzunehmen.
(243) Frauenrechte sind der Gradmesser der Demokratie. Frauen sollen an allen demokratischen
Prozessen gleichberechtigt beteiligt und angemessen in den Parlamenten und
gesellschaftlichen Führungspositionen vertreten sein. Voraussetzung hierfür sind neben
klaren gesetzlichen Regelungen Lebensbedingungen, die es ermöglichen, Erwerbsarbeit sowie
Familien-, gesellschaftliche und politische Arbeit zu vereinbaren.
(244) Unsere Demokratie hat ein erhebliches Repräsentationsdefizit, wenn Millionen
Jugendliche und Kinder ausgeblendet werden, obwohl sie von Geburt an Staatsbürger*innen
sind. Entsprechend sollte im nächsten Schritt ein bundesweites Wahlrecht ab 16 Jahren gelten
und es sollten weitere Beteiligungsmöglichkeiten auf allen Ebenen ausgebaut werden.
(245) Parlamente sind zentrale Orte der politischen Debatte und das Rückgrat unserer
vielfältigen Demokratie. Abgeordnete brauchen Unabhängigkeit und starke Kontrollrechte
gegenüber der Regierung. Parlamentarismus braucht das Ringen um beste Lösungen zwischen
Regierung und Opposition. Gleichzeitig trägt inhaltliche Zusammenarbeit abseits von starren
Fraktionsgrenzen wie im Europaparlament und in anderen europäischen Parlamenten zum Finden
dieser Lösungen bei. Für das Vertrauen in demokratische Verfahren ist es zentral, die
Nachvollziehbarkeit von Regeln, Prozessen und Ergebnissen gewährleisten zu können.
(246) Ziel einer lebendigen Demokratie ist es, möglichst vielen Menschen die Möglichkeit zu
geben, ihre konkrete Lebensrealität und ihre Zukunft aktiv mitzugestalten. Demokratie
braucht Parteien. Sie sind der Ort, wo Menschen ihre politischen Haltungen, Interessen und
Ziele organisieren und diese in die öffentliche und parlamentarische Auseinandersetzung
tragen können. Parteien wirken bei der Meinungsbildung mit, bündeln Interessen und
Werthaltungen und treten in einen demokratischen Wettstreit zur Besetzung von Parlaments-
und Staatsämtern.
(247) Parteien brauchen eine auskömmliche staatliche Finanzierung. Parteispenden von
Unternehmen sind immer auch Einflussnahme und Lobbyismus. Spenden an Parteien von
natürlichen Personen sind mit einer jährlichen Obergrenze zu versehen, um die Unabhängigkeit
von ökonomisch mächtigen Interessen zu garantieren. Solange Unternehmensspenden erlaubt
sind, sprechen wir uns für eine Begrenzung der Wahlkampfbudgets von Parteien aus.
(248) Direkte Beteiligungsmöglichkeiten bereichern die repräsentative Demokratie. Mit
Bürger*innen-Räten soll die Möglichkeit geschaffen werden, bei ausgewählten Themen die
Alltagsexpertise von Bürger*innen noch direkter in die Gesetzgebung einfließen zu lassen.
Zufällig ausgewählte Bürger*innen beraten in einem festgelegten Zeitraum über eine konkrete
Fragestellung und erarbeiten Handlungsempfehlungen und Impulse für die öffentliche
Auseinandersetzung und die parlamentarische Entscheidung. Es gilt sicherzustellen, dass die
Teilnehmenden sich frei, gleich und fair eine Meinung bilden können und dass ihnen
ausreichend Raum für eine intensive Auseinandersetzung mit der Fragestellung gegeben wird.
Bürger*innen-Räten kommt eine rein beratende Funktion für die öffentliche Debatte und
Gesetzgebung zu. Regierung und Parlament müssen sich mit den Ergebnissen auseinandersetzen,
ihnen aber nicht folgen. Bürger*innen-Räte können auf Initiative der Regierung, des
Parlaments oder als Bürgerbegehren zu einer konkreten Fragestellung eingesetzt werden. Das
soll auch auf Bundesebene möglich sein.
Föderale Europäische Republik
(249) Die Herausforderungen unserer Zeit können wir nur gemeinsam meistern. Daher brauchen
wir eine gestärkte politische Europäische Union. Es gilt, die EU im Zuge weiterer
Integrationsschritte gemeinsam mit den europäischen Bürger*innen zu stärken und
perspektivisch zur Föderalen Europäischen Republik weiterzuentwickeln.
(250) Die Föderale Europäische Republik schafft einen Rahmen, in dem sich nicht einzelne
mächtige Interessen oder Regierungen durchsetzen, sondern das Allgemeinwohl. In ihr werden
gleiche Rechte für alle Bürger*innen über die EU-Grundrechtecharta verbindlich garantiert,
und zwar unabhängig davon, in welchem Land der Republik jemand lebt. So wird die
Souveränität der Bürger*innen gestärkt. Es gilt das Prinzip der Subsidiarität, wonach
Aufgaben und Zuständigkeiten auf der jeweils untersten möglichen Ebene – Kommune, Land,
Bund, EU – behandelt werden.
(251) Der zentrale Ort für alle europäischen Entscheidungen ist das Parlament. Es ist in
einem Zweikammersystem zusammen mit dem Rat ein gleichberechtigter Teil der gesetzgebenden
Gewalt. Das Prinzip der Mehrheitsentscheidungen soll ausgeweitet werden, so dass die EU
gemeinschaftlich handlungsfähig ist und einzelne Staaten eine gemeinsame Politik nicht
blockieren können. Das Europäische Parlament wird ermächtigt, selbst Gesetze auf den Weg zu
bringen, alle Politikbereiche der Union und das Budget zu kontrollieren. Die EU-Kommission
soll in der Föderalen Europäischen Republik Teil eines parlamentarischen Regierungssystems
sein. Der Haushalt speist sich auch aus eigenen Mitteln und wird vom Europäischen Parlament
beschlossen. Er verfügt über eigene Steuereinnahmen und ist groß genug, um makroökonomisch
zu stabilisieren und in schweren Krisen Zuschüsse in die nationalen Haushalte zu leisten.
Bundesstaat
(252) Demokratische Politik funktioniert von unten nach oben. Dörfer und Städte, in denen
wir leben, geben Halt in einer komplexen Welt, daher sind Kommunen zu stärken. Die Regionen
brauchen auf europäischer Ebene mehr Einfluss und Gewicht. Demokratische Entscheidungen
müssen so nah wie möglich an den Bürger*innen getroffen werden und immer dort, wo sie am
besten zu verwirklichen sind – in den Gemeinden und Städten, auf Landesebene, in den
Nationalstaaten oder auf Ebene der EU.
(253) Kooperationen zwischen den Ländern und zwischen den Kommunen sollen gestärkt werden.
Sinnvoll sind sie da, wo sie zu Effizienz- und ökologischen Gewinnen und gleichwertiger
Versorgung führen, etwa bei gemeinsamen Gewerbe- und Baugebieten, regionaler
Daseinsvorsorge, Klimaschutz und Bewältigung der Klimafolgen, bei Digitalisierung und
Mobilität.
(254) Städte und Gemeinden sind die Orte, an denen sich unser Zusammenleben abspielt, an
denen Demokratie anschaulich und lebendig wird. Kommunen brauchen daher eine
aufgabengerechte Finanzausstattung. „Wer bestellt, bezahlt“ – dieses Konnexitätsprinzip
gilt. Wenn Kommunen Aufgaben übertragen werden, brauchen sie dafür auch zusätzliche Mittel.
Außerdem brauchen viele Kommunen eine Altschuldenhilfe sowie ein Investitionsprogramm
Daseinsvorsorge, um vor Ort Gestaltungsspielräume zu erhalten.
Rechtsstaat und Sicherheit
(255) Erst wenn sich Menschen sicher fühlen, leben sie frei, selbstbestimmt und in Würde.
Sicherheit muss für alle gleich garantiert sein, egal, wo jemand wohnt, was jemand glaubt,
wen jemand liebt, wie jemand aussieht oder woher jemand und die eigenen Vorfahren kommen.
Erst unsere Grundrechte und ihre Durchsetzung können allen Menschen Sicherheit geben. In
einer unfreien Gesellschaft ist niemand sicher. Freiheit und Sicherheit bedingen sich.
(256) Der Rechtsstaat ist der Garant für die Gewährleistung von Bürger*innen- und
Menschenrechten sowie der vielfältigen Demokratie. Ein funktionierender Rechtsstaat
bedeutet: Alle Menschen sind gleich vor dem Gesetz und haben dieselben Rechte und Pflichten.
Der Rechtsstaat schützt die Grund- und Abwehrrechte der oder des Einzelnen gegenüber
staatlichen Eingriffen und exekutivem Handeln. Damit dieser Rechtsstaat funktioniert,
braucht es eine unabhängige und gut ausgestattete Justiz, die in der Lage ist, Recht zu
sprechen, exekutive, behördliche oder legislative Maßnahmen effektiv zu prüfen und
gegebenenfalls wirksam zu korrigieren. Vertrauen in den Rechtsstaat setzt wirksame
Rechtsdurchsetzung für alle voraus.
(257) Gleichheit vor dem Recht verlangt auch, dass sich wirtschaftliche und
gesellschaftliche Machtverhältnisse nicht im Rechtssystem fortsetzen. Der Rechtsstaat
ermöglicht kollektiven Rechtsschutz, schützt Whistleblowing, Verbraucher*innen,
Produzent*innen und kleinere Unternehmen effektiv gegen wirtschaftliche Übermacht.
(258) Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte haben mit dem Grundgesetz der
Bundesrepublik Deutschland sowie der Europäischen Grundrechtecharta ein starkes Fundament.
Doch auch ein Fundament muss gepflegt und modernisiert werden. Die Verfassung definiert
unser Gemeinwesen als wehrhafte Demokratie. Demokratie ist unsere Stärke und ihr
konsequenter Schutz ist handlungsleitend.
(259) Damit Rechtsstaatlichkeit in den europäischen Demokratien nicht noch weiter unter
Druck gerät, muss der Anwendungsbereich der EU-Grundrechtecharta auf nationales Recht
ausgeweitet werden. So erhalten alle EU-Bürger*innen die gleichen einklagbaren Grundrechte.
In Mitgliedstaaten, in denen die Unabhängigkeit der Justiz und die Freiheit der Medien nicht
ausreichend gewährleistet sind, sollen entsprechende Mittel stattdessen von der Europäischen
Kommission direkt an Kommunen und zivilgesellschaftliche Organisationen vergeben werden.
(260) Die öffentliche Sicherheit und den Schutz vor Gewalt zu gewährleisten, gehört zu den
wichtigsten Aufgaben des Rechtsstaates. Jede*r hat das Recht auf ein Leben frei von Gewalt.
Das Gewaltmonopol liegt beim Staat. Dies ernst zu nehmen bedeutet ein Ende des privaten
Besitzes von tödlichen Schusswaffen, mit Ausnahme von Jäger*innen. Illegaler Waffenbesitz
muss geahndet werden.
(261) Rechtsextremismus ist die größte Gefahr für die liberale Demokratie und die Sicherheit
in Deutschland. Rassismus, der von rechtsextremistischen Netzwerken und Verfassungsfeinden
in den und außerhalb der Parlamente geschürt wird, ist der geistige Nährboden für
terroristische Anschläge. Die Bekämpfung rechtsextremistischer Strukturen muss Priorität für
alle Sicherheitsorgane haben.
(262) Rassismus – und jede andere Form der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit – führt
dazu, dass viele Menschen in Deutschland nicht sicher sind. Damit bedroht er auch die
Grundwerte der Demokratie. Dieser Menschenverachtung muss überall entgegengetreten werden,
ob in Parlamenten, im Netz, auf der Straße oder im Alltag, auch mit den Mitteln des
Strafrechts. Es bedarf einer nachhaltigen Bildungs- und Präventionsarbeit, welche die
Ursachen von Menschen- und Demokratiefeindlichkeit erforscht und beseitigen hilft.
Diskriminierung verletzt, und zwar unabhängig davon, ob sie beabsichtigt ist oder nicht.
Antirassismus benötigt die Perspektive und Expertise von Menschen mit Rassismuserfahrung.
(263) Islamismus stelltund jede andere Form von religiösem Extremismus stellen sich gegen Demokratie, Menschenrechte und Freiheit. Der Staat muss
in der Lage sein, jede Form von Terror und Fundamentalismus abzuwehren. Dazu gehören neben
sicherheitspolitischen Maßnahmen auch Prävention und Deradikalisierungsprogramme in aktiver
Zusammenarbeit mit Schulen, Jugendeinrichtungen und Religionsgemeinschaften.
(264) Der Schutz unserer Verfassung und der Grundwerte ist unser aller Auftrag. Es gilt, die
Aufgaben des Verfassungsschutzes durch einen institutionellen Neuanfang zu trennen:
einerseits Gefahrenerkennung und Spionageabwehr mit nachrichtendienstlichen Mitteln,
andererseits die Beobachtung von demokratie- und menschenfeindlichen Bestrebungen mit
wissenschaftlichen Methoden unter der ausschließlichen Nutzung von öffentlichen Quellen. Es
braucht eine starke parlamentarische Kontrolle der Geheimdienste.
(265) Polizei und Sicherheitsorgane garantieren die Sicherheit im Innern. Sichere
öffentliche Räume ermöglichen Freiheit und Begegnung und sind damit Grundlage für den
gesellschaftlichen Zusammenhalt. Wie jede öffentliche Institution ist die Polizei auf das
Vertrauen der Bürger*innen angewiesen. Dafür braucht sie eine diskriminierungssensible Aus-
und Weiterbildung, eine gute Ausstattung und ausreichend Personal – in der Stadt und auf dem
Land. Als sichtbarer Arm des staatlichen Gewaltmonopols ist sie in besonderem Maße den
Prinzipien von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie verpflichtet. Bei Fehlverhalten müssen
Fehler, strafbares Verhalten und strukturelle Mängel ohne falsche Rücksichten aufgeklärt und
geahndet werden.
(266) Eine faktenbasierte Kriminal- und Sicherheitspolitik, die auf Prävention, Rechtsstaat
und Information setzt, ist Leitbild. Sie koordiniert Verantwortung und geht den notwendigen
Umbau der Sicherheitsarchitektur an. Anlasslose Massendatenspeicherung schränkt individuelle
Freiheitsrechte der Bürger*innen ein.
(267) Durch den grenzüberschreitenden Ausbau der Zusammenarbeit von Polizei und Justiz durch
gemeinsame europäische Polizeiteams, ein Europäisches Kriminalamt und europäische
Staatsanwaltschaften wird in der Sicherheitspolitik zunehmend europäisch koordiniert und
kooperiert. Bei der Reform der föderalen Zusammenarbeit von Sicherheitsbehörden werden
einheitliche Standards geschaffen, so dass verstärkt gemeinsam ermittelt werden kann.
(268) Strafrecht als schärfster Eingriff des Staates in die Freiheitsrechte darf nur
äußerstes Mittel sein, denn es ist nicht das Allheilmittel zur Lösung gesellschaftlicher
Probleme aller Art. Damit das Strafrecht wirkt und Sicherheit schafft, müssen Haftbefehle
zügig vollzogen werden. Zum Schutz vor Straftaten braucht es gut ausgestattete
Strafverfolgungsbehörden und Gerichte und dadurch eine hohe Entdeckungs- und
Verurteilungswahrscheinlichkeit für alle Straftäter*innen, sowohl in der analogen als auch
in der digitalen Welt. Damit die Justiz gut funktionieren kann, muss sie in der Lage sein,
sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Deswegen ist das Strafrecht zu entrümpeln, indem
Bagatellstraftaten wie Schwarzfahren entkriminalisiert werden. Straf- und Asylrecht müssen
klar voneinander getrennt werden. Im Bereich des Strafvollzugs soll Resozialisierung im
Mittelpunkt stehen.
(269) Eine wehrhafte Demokratie muss sich auch online schützen. Demokratische
Willensbildungsprozesse dürfen nicht durch intransparente Social-Media-Kampagnen, den
Einsatz von Troll-Armeen und automatisierte Computerprogramme (Bots) sowie weitreichende IT-
Angriffe von Regierungen, Geheimdiensten oder ihnen nahestehenden Gruppierungen manipuliert
werden. Hierfür braucht es Digitalkompetenz in den zuständigen Behörden, gesetzliche
Transparenzverpflichtungen, klare internationale Übereinkünfte und eine rechtsstaatliche
Verfolgung über Ländergrenzen hinweg.
(270) Die Rechtsdurchsetzung muss auch im Netz umfassend gegeben sein. Hass im Netz trifft
gerade Frauen und diskriminierte Gruppen besonders stark. Wenn sich Verbrechen ins Internet
verlagern, müssen auch die Ermittlungsfähigkeiten, entsprechend der analogen Welt, unter
Wahrung des Rechtsschutzes, auf das Netz ausgerichtet sein.
(271) Jede dritte Frau wird einmal in ihrem Leben Opfer von körperlicher oder sexualisierter
Gewalt. Bildung, Aufklärung, ein Rechtsanspruch auf Schutz und eine verlässliche
Infrastruktur aus Beratungs- und Schutzeinrichtungen können Gewalt gegen Frauen und Mädchen
verhindern. Dazu gehört auch Prävention und eine Täterarbeit, die überkomme
Männlichkeitsbilder kritisch hinterfragt. Männer, insbesondere Jungen, die von
(sexualisierter) Gewalt betroffen sind, brauchen eigene Hilfs-, Beratungs- und
Schutzangebote.
(272) Der Rechtsstaat zeigt sich in einer bürgerorientierten, leistungsstarken und für alle
zugänglichen öffentlichen Verwaltung und der Möglichkeit zu einem effektiven Rechtsweg gegen
ihre Entscheidungen. Für verlässliche, transparente Behörden braucht es regelmäßige Fort-
und Weiterbildungen und eine angemessene finanzielle, personelle und strukturelle
Ausstattung. Ein notwendiger Baustein besteht darin, dass sich die Verwaltung umfassend
qualifiziert, digitalisiert und automatisiert und ressortübergreifend arbeitet. Öffentliche
Verwaltung muss auf Augenhöhe mit finanziell mächtigen Interessen in Konzernen und Banken
agieren.
(273) Staatliche Institutionen müssen für die Vielfalt der Gesellschaft stehen.
Institutionelle Diskriminierung, insbesondere Rassismus, ist trotz formaler rechtlicher
Gleichheit für viele Bürger*innen Realität. Es bleibt eine wichtige Aufgabe, durch Vielfalt
und Repräsentanz sowie mit Sensibilisierungsprogrammen und Monitoring dafür zu sorgen, dass
staatliche Strukturen alle Bürger*innen schützen und gleich behandeln. Dabei bedarf es der
Expertise von und der Unterstützung durch rassismuskritische und postmigrantische
Organisationen.
Antragstext
Von Zeile 221 bis 222 löschen:
(263) Islamismus stellt sich gegen Demokratie, Menschenrechte und Freiheit. Der Staat muss in der Lage sein, jede Form von Terror und Fundamentalismus abzuwehren. Dazu gehören neben
Kapitel 5: Demokratie stärken
Rechte und Zugänge
(226) Demokratie ermöglicht ein Leben in Würde und Freiheit. Vielfältige Demokratie
bedeutet, dass wir als Gesellschaft unsere Lebensumstände mit gleichen
Beteiligungsmöglichkeiten gemeinsam gestalten. Souverän eines demokratischen Rechtsstaates
sind die Staatsbürger*innen, der Verantwortungsbereich der Demokratie ist die gesamte
Bevölkerung. Demokratie ist nicht auf einen formalen Prozess reduzierbar, sondern
Leitprinzip für ein Miteinander in gleicher politischer Freiheit.
(227) Freiheitsrechte und Minderheitenschutz werden im demokratischen Rechtsstaat durch eine
unabhängige Justiz und die Bindung der Exekutive an Recht und Gesetz garantiert. Der freie
und gleiche Zugang zum Recht muss daher für alle gewährleistet sein.
(228) Staatliche Daseinsvorsorge, die Beseitigung von Armut und Diskriminierung, der Zugang
zu Bildung und öffentlicher Meinungs- und Willensbildung sowie ein ausreichendes Maß an Zeit
für politische Beteiligung gehören zu einer freiheitlichen und vielfältigen Demokratie.
(229) Die Folgen demokratischer Entscheidungen reichen oft über den regionalen oder
nationalen Rahmen hinaus. Daher müssen die globalen Auswirkungen in Entscheidungsprozessen
immer berücksichtigt werden. Globalisierung erfordert transnationale demokratische
Handlungsfähigkeit. Nur mit fairem Interessensausgleich und demokratischer globaler
Kooperation können wir richtige und wirksame Antworten auf globale Herausforderungen geben.
Um demokratische Handlungsfähigkeit in einer globalisierten Welt zu stärken, soll sich die
EU perspektivisch weiterentwickeln zu einer Föderalen Europäischen Republik.
(230) Demokratie ohne Meinungsfreiheit ist undenkbar. In der Demokratie kann jeder Mensch
seine Meinung frei äußern und jede*r muss Widerspruch zur eigenen Meinung aushalten. Hass
und Hetze sind nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt.
(231) Demokratie ist angewiesen auf Demokrat*innen. Die Freiräume einer starken und
lebendigen Zivilgesellschaft sind zu schützen. Demokratie beginnt vor Ort. Ohne
bürgerschaftliches Engagement und vielfältige Ehrenämter würde unser Gemeinwesen nicht
funktionieren. Demokratie lebt von Menschen, die sich für andere engagieren und unser
Gemeinwesen mitgestalten – in Bürgerinitiativen und Parteien, in Vereinen, Feuerwehren und
Kirchen, in NGOs, Gewerkschaften und Unternehmen, bei Demonstrationen, im Sportverein und in
Bewegungen. Solches Engagement ist der Kitt, der unsere pluralistische Gesellschaft
zusammenhält. Gemeinnützigkeit muss umfassend rechtlich abgesichert werden – auch
dahingehend, dass sich gemeinnützige Organisationen politisch einbringen und engagieren
können.
(232) Friedlicher zivilgesellschaftlicher Protest ist eine wichtige Ressource in einer
lebendigen Demokratie.
(233) Politische Bildung ist Grundlage für eine funktionierende Demokratie. Die Beteiligung
von Kindern und Jugendlichen, politische Bildung und partizipative Bildungsinstitutionen zur
Stärkung demokratischer Kompetenzen sind Grundlage für den Fortbestand der demokratischen
Gesellschaft.
(234) Die beste Verteidigung der parlamentarischen Demokratie ist ihre Weiterentwicklung. Es
gilt, der Verknöcherung demokratischer Institutionen und Verfahren entgegenzuwirken, um die
Demokratie lebendig zu halten. Einem Vertrauensverlust und der Dominanz einseitiger
Interessenslagen in demokratischen Prozessen kann durch Offenheit für neue
Beteiligungsmöglichkeiten begegnet werden.
(235) Um sich demokratisch engagieren und sich souverän und selbstbestimmt entscheiden zu
können, braucht es die Möglichkeit zur unabhängigen Information. Transparenzgesetze beugen
Korruption vor und sorgen für mehr Möglichkeiten der demokratischen Kontrolle. Digitale
Plattformen, die nicht von kommerziellen Interessen gesteuert sind, unabhängiger
Journalismus in freien Medien, ein unabhängiger öffentlich-rechtlicher Rundfunk sowie solide
Medienbildung von Kindesbeinen an sind Impfschutz gegen demokratiefeindliche Kampagnen und
Fake News.
(236) Voraussetzungen für Demokratie sind ein gewaltfreier Diskurs und die Akzeptanz der
Menschenwürde sowie der unverletzlichen und unveräußerlichen Grund- und Menschenrechte. Eine
Gesinnung, die der oder dem Einzelnen ihre bzw. seine individuellen Bedürfnisse und
Interessen abspricht und die definieren will, wer dazugehört und wer nicht, ist
undemokratisch. Rassismus und Ausgrenzung widersprechen der Idee von politischer Gleichheit.
Zivilcourage und rechtsstaatliche Maßnahmen gegen Hass und Entmenschlichung sind zentral für
die Wehrhaftigkeit der vielfältigen Demokratie.
(237) Die Interessen von Menschen, die sozial an den Rand gedrängt sind, die kaum Zugang zu
guter Bildung haben oder die unter den Anstrengungen von prekärer Arbeit leben, sind häufig
unterrepräsentiert. Eine Garantie auf ein Existenzminimum, ausreichend Zeit für politische
Beteiligung sowie die Möglichkeit zur sozialen und kulturellen Teilhabe sind notwendige
Bedingungen für Demokratie.
(238) Unser Wirtschaftssystem unterliegt Werten und Regeln. Wirtschaftliche
Staatsbürger*innen-Rechte sind Teil der individuellen demokratischen Rechte. Die sozial-
ökologische Marktwirtschaft ist über betriebliche Mitbestimmung, Aktionär*innen-Beteiligung
sowie gewerkschaftliche Vertretung organisiert. All das braucht starke Gewerkschaften. Im
Sinne einer Wirtschaft, die dem Gemeinwohl dient, soll selbstverständlich sein, dass alle
Stakeholder und Betroffenen ein Mitspracherecht bei wichtigen Entscheidungen erhalten.
(239) Verdeckte, einseitige Einflussnahme wirtschaftlich machtvoller Interessen gefährdet
die Demokratie. Für klare Schranken sorgen Transparenz von beispielsweise personellen
Verflechtungen oder Nebentätigkeiten politischer Entscheidungsträger*innen sowie ein
verpflichtendes Lobbyregister und die entschiedene Verfolgung von Korruption. So kann
Lobbyismus von finanzstarken Akteur*innen, der anderen Interessen politische Spielräume
nimmt und für unfaire Aushandlungsprozesse sorgt, kontrollier- und sanktionierbar werden.
(240) Die Ausbildung einer transnationalen und europäischen Öffentlichkeit ist eine wichtige
Voraussetzung für eine funktionierende Zusammenarbeit und die Demokratisierung der EU.
Repräsentanz und Beteiligung
(241) Über Repräsentation und demokratisch geregelte Verfahren können sich Meinungen,
Interessen und Vorstellungen zu Entscheidungen und Mehrheiten angemessen und gerecht
bündeln. Das ist Grundlage demokratischer Machtausübung. Die parlamentarische Demokratie
schafft so legitime Herrschaft der Menschen über sich selbst.
(242) Grundprinzip der Demokratie ist, dass diejenigen, die Entscheidungen für andere
treffen, von diesen legitimiert, also gewählt werden müssen. Repräsentationsdefizite machen
die parlamentarische Demokratie angreifbar. Ein demokratisches Miteinander muss die
Voraussetzungen für sein Fortbestehen immer wieder neu schaffen und Ausschlüssen und
Repräsentationsdefiziten in den eigenen Strukturen entgegenwirken. Eine vielfältige
Gesellschaft muss sich in ihren demokratischen Institutionen und Einrichtungen abbilden. Wer
hier dauerhaft seinen Lebensmittelpunkt hat, soll die Möglichkeit haben, an Wahlen und
Abstimmungen teilzunehmen.
(243) Frauenrechte sind der Gradmesser der Demokratie. Frauen sollen an allen demokratischen
Prozessen gleichberechtigt beteiligt und angemessen in den Parlamenten und
gesellschaftlichen Führungspositionen vertreten sein. Voraussetzung hierfür sind neben
klaren gesetzlichen Regelungen Lebensbedingungen, die es ermöglichen, Erwerbsarbeit sowie
Familien-, gesellschaftliche und politische Arbeit zu vereinbaren.
(244) Unsere Demokratie hat ein erhebliches Repräsentationsdefizit, wenn Millionen
Jugendliche und Kinder ausgeblendet werden, obwohl sie von Geburt an Staatsbürger*innen
sind. Entsprechend sollte im nächsten Schritt ein bundesweites Wahlrecht ab 16 Jahren gelten
und es sollten weitere Beteiligungsmöglichkeiten auf allen Ebenen ausgebaut werden.
(245) Parlamente sind zentrale Orte der politischen Debatte und das Rückgrat unserer
vielfältigen Demokratie. Abgeordnete brauchen Unabhängigkeit und starke Kontrollrechte
gegenüber der Regierung. Parlamentarismus braucht das Ringen um beste Lösungen zwischen
Regierung und Opposition. Gleichzeitig trägt inhaltliche Zusammenarbeit abseits von starren
Fraktionsgrenzen wie im Europaparlament und in anderen europäischen Parlamenten zum Finden
dieser Lösungen bei. Für das Vertrauen in demokratische Verfahren ist es zentral, die
Nachvollziehbarkeit von Regeln, Prozessen und Ergebnissen gewährleisten zu können.
(246) Ziel einer lebendigen Demokratie ist es, möglichst vielen Menschen die Möglichkeit zu
geben, ihre konkrete Lebensrealität und ihre Zukunft aktiv mitzugestalten. Demokratie
braucht Parteien. Sie sind der Ort, wo Menschen ihre politischen Haltungen, Interessen und
Ziele organisieren und diese in die öffentliche und parlamentarische Auseinandersetzung
tragen können. Parteien wirken bei der Meinungsbildung mit, bündeln Interessen und
Werthaltungen und treten in einen demokratischen Wettstreit zur Besetzung von Parlaments-
und Staatsämtern.
(247) Parteien brauchen eine auskömmliche staatliche Finanzierung. Parteispenden von
Unternehmen sind immer auch Einflussnahme und Lobbyismus. Spenden an Parteien von
natürlichen Personen sind mit einer jährlichen Obergrenze zu versehen, um die Unabhängigkeit
von ökonomisch mächtigen Interessen zu garantieren. Solange Unternehmensspenden erlaubt
sind, sprechen wir uns für eine Begrenzung der Wahlkampfbudgets von Parteien aus.
(248) Direkte Beteiligungsmöglichkeiten bereichern die repräsentative Demokratie. Mit
Bürger*innen-Räten soll die Möglichkeit geschaffen werden, bei ausgewählten Themen die
Alltagsexpertise von Bürger*innen noch direkter in die Gesetzgebung einfließen zu lassen.
Zufällig ausgewählte Bürger*innen beraten in einem festgelegten Zeitraum über eine konkrete
Fragestellung und erarbeiten Handlungsempfehlungen und Impulse für die öffentliche
Auseinandersetzung und die parlamentarische Entscheidung. Es gilt sicherzustellen, dass die
Teilnehmenden sich frei, gleich und fair eine Meinung bilden können und dass ihnen
ausreichend Raum für eine intensive Auseinandersetzung mit der Fragestellung gegeben wird.
Bürger*innen-Räten kommt eine rein beratende Funktion für die öffentliche Debatte und
Gesetzgebung zu. Regierung und Parlament müssen sich mit den Ergebnissen auseinandersetzen,
ihnen aber nicht folgen. Bürger*innen-Räte können auf Initiative der Regierung, des
Parlaments oder als Bürgerbegehren zu einer konkreten Fragestellung eingesetzt werden. Das
soll auch auf Bundesebene möglich sein.
Föderale Europäische Republik
(249) Die Herausforderungen unserer Zeit können wir nur gemeinsam meistern. Daher brauchen
wir eine gestärkte politische Europäische Union. Es gilt, die EU im Zuge weiterer
Integrationsschritte gemeinsam mit den europäischen Bürger*innen zu stärken und
perspektivisch zur Föderalen Europäischen Republik weiterzuentwickeln.
(250) Die Föderale Europäische Republik schafft einen Rahmen, in dem sich nicht einzelne
mächtige Interessen oder Regierungen durchsetzen, sondern das Allgemeinwohl. In ihr werden
gleiche Rechte für alle Bürger*innen über die EU-Grundrechtecharta verbindlich garantiert,
und zwar unabhängig davon, in welchem Land der Republik jemand lebt. So wird die
Souveränität der Bürger*innen gestärkt. Es gilt das Prinzip der Subsidiarität, wonach
Aufgaben und Zuständigkeiten auf der jeweils untersten möglichen Ebene – Kommune, Land,
Bund, EU – behandelt werden.
(251) Der zentrale Ort für alle europäischen Entscheidungen ist das Parlament. Es ist in
einem Zweikammersystem zusammen mit dem Rat ein gleichberechtigter Teil der gesetzgebenden
Gewalt. Das Prinzip der Mehrheitsentscheidungen soll ausgeweitet werden, so dass die EU
gemeinschaftlich handlungsfähig ist und einzelne Staaten eine gemeinsame Politik nicht
blockieren können. Das Europäische Parlament wird ermächtigt, selbst Gesetze auf den Weg zu
bringen, alle Politikbereiche der Union und das Budget zu kontrollieren. Die EU-Kommission
soll in der Föderalen Europäischen Republik Teil eines parlamentarischen Regierungssystems
sein. Der Haushalt speist sich auch aus eigenen Mitteln und wird vom Europäischen Parlament
beschlossen. Er verfügt über eigene Steuereinnahmen und ist groß genug, um makroökonomisch
zu stabilisieren und in schweren Krisen Zuschüsse in die nationalen Haushalte zu leisten.
Bundesstaat
(252) Demokratische Politik funktioniert von unten nach oben. Dörfer und Städte, in denen
wir leben, geben Halt in einer komplexen Welt, daher sind Kommunen zu stärken. Die Regionen
brauchen auf europäischer Ebene mehr Einfluss und Gewicht. Demokratische Entscheidungen
müssen so nah wie möglich an den Bürger*innen getroffen werden und immer dort, wo sie am
besten zu verwirklichen sind – in den Gemeinden und Städten, auf Landesebene, in den
Nationalstaaten oder auf Ebene der EU.
(253) Kooperationen zwischen den Ländern und zwischen den Kommunen sollen gestärkt werden.
Sinnvoll sind sie da, wo sie zu Effizienz- und ökologischen Gewinnen und gleichwertiger
Versorgung führen, etwa bei gemeinsamen Gewerbe- und Baugebieten, regionaler
Daseinsvorsorge, Klimaschutz und Bewältigung der Klimafolgen, bei Digitalisierung und
Mobilität.
(254) Städte und Gemeinden sind die Orte, an denen sich unser Zusammenleben abspielt, an
denen Demokratie anschaulich und lebendig wird. Kommunen brauchen daher eine
aufgabengerechte Finanzausstattung. „Wer bestellt, bezahlt“ – dieses Konnexitätsprinzip
gilt. Wenn Kommunen Aufgaben übertragen werden, brauchen sie dafür auch zusätzliche Mittel.
Außerdem brauchen viele Kommunen eine Altschuldenhilfe sowie ein Investitionsprogramm
Daseinsvorsorge, um vor Ort Gestaltungsspielräume zu erhalten.
Rechtsstaat und Sicherheit
(255) Erst wenn sich Menschen sicher fühlen, leben sie frei, selbstbestimmt und in Würde.
Sicherheit muss für alle gleich garantiert sein, egal, wo jemand wohnt, was jemand glaubt,
wen jemand liebt, wie jemand aussieht oder woher jemand und die eigenen Vorfahren kommen.
Erst unsere Grundrechte und ihre Durchsetzung können allen Menschen Sicherheit geben. In
einer unfreien Gesellschaft ist niemand sicher. Freiheit und Sicherheit bedingen sich.
(256) Der Rechtsstaat ist der Garant für die Gewährleistung von Bürger*innen- und
Menschenrechten sowie der vielfältigen Demokratie. Ein funktionierender Rechtsstaat
bedeutet: Alle Menschen sind gleich vor dem Gesetz und haben dieselben Rechte und Pflichten.
Der Rechtsstaat schützt die Grund- und Abwehrrechte der oder des Einzelnen gegenüber
staatlichen Eingriffen und exekutivem Handeln. Damit dieser Rechtsstaat funktioniert,
braucht es eine unabhängige und gut ausgestattete Justiz, die in der Lage ist, Recht zu
sprechen, exekutive, behördliche oder legislative Maßnahmen effektiv zu prüfen und
gegebenenfalls wirksam zu korrigieren. Vertrauen in den Rechtsstaat setzt wirksame
Rechtsdurchsetzung für alle voraus.
(257) Gleichheit vor dem Recht verlangt auch, dass sich wirtschaftliche und
gesellschaftliche Machtverhältnisse nicht im Rechtssystem fortsetzen. Der Rechtsstaat
ermöglicht kollektiven Rechtsschutz, schützt Whistleblowing, Verbraucher*innen,
Produzent*innen und kleinere Unternehmen effektiv gegen wirtschaftliche Übermacht.
(258) Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte haben mit dem Grundgesetz der
Bundesrepublik Deutschland sowie der Europäischen Grundrechtecharta ein starkes Fundament.
Doch auch ein Fundament muss gepflegt und modernisiert werden. Die Verfassung definiert
unser Gemeinwesen als wehrhafte Demokratie. Demokratie ist unsere Stärke und ihr
konsequenter Schutz ist handlungsleitend.
(259) Damit Rechtsstaatlichkeit in den europäischen Demokratien nicht noch weiter unter
Druck gerät, muss der Anwendungsbereich der EU-Grundrechtecharta auf nationales Recht
ausgeweitet werden. So erhalten alle EU-Bürger*innen die gleichen einklagbaren Grundrechte.
In Mitgliedstaaten, in denen die Unabhängigkeit der Justiz und die Freiheit der Medien nicht
ausreichend gewährleistet sind, sollen entsprechende Mittel stattdessen von der Europäischen
Kommission direkt an Kommunen und zivilgesellschaftliche Organisationen vergeben werden.
(260) Die öffentliche Sicherheit und den Schutz vor Gewalt zu gewährleisten, gehört zu den
wichtigsten Aufgaben des Rechtsstaates. Jede*r hat das Recht auf ein Leben frei von Gewalt.
Das Gewaltmonopol liegt beim Staat. Dies ernst zu nehmen bedeutet ein Ende des privaten
Besitzes von tödlichen Schusswaffen, mit Ausnahme von Jäger*innen. Illegaler Waffenbesitz
muss geahndet werden.
(261) Rechtsextremismus ist die größte Gefahr für die liberale Demokratie und die Sicherheit
in Deutschland. Rassismus, der von rechtsextremistischen Netzwerken und Verfassungsfeinden
in den und außerhalb der Parlamente geschürt wird, ist der geistige Nährboden für
terroristische Anschläge. Die Bekämpfung rechtsextremistischer Strukturen muss Priorität für
alle Sicherheitsorgane haben.
(262) Rassismus – und jede andere Form der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit – führt
dazu, dass viele Menschen in Deutschland nicht sicher sind. Damit bedroht er auch die
Grundwerte der Demokratie. Dieser Menschenverachtung muss überall entgegengetreten werden,
ob in Parlamenten, im Netz, auf der Straße oder im Alltag, auch mit den Mitteln des
Strafrechts. Es bedarf einer nachhaltigen Bildungs- und Präventionsarbeit, welche die
Ursachen von Menschen- und Demokratiefeindlichkeit erforscht und beseitigen hilft.
Diskriminierung verletzt, und zwar unabhängig davon, ob sie beabsichtigt ist oder nicht.
Antirassismus benötigt die Perspektive und Expertise von Menschen mit Rassismuserfahrung.
(263) Islamismus stellt sich gegen Demokratie, Menschenrechte und Freiheit. Der Staat muss
in der Lage sein, jede Form von Terror und Fundamentalismus abzuwehren. Dazu gehören neben
sicherheitspolitischen Maßnahmen auch Prävention und Deradikalisierungsprogramme in aktiver
Zusammenarbeit mit Schulen, Jugendeinrichtungen und Religionsgemeinschaften.
(264) Der Schutz unserer Verfassung und der Grundwerte ist unser aller Auftrag. Es gilt, die
Aufgaben des Verfassungsschutzes durch einen institutionellen Neuanfang zu trennen:
einerseits Gefahrenerkennung und Spionageabwehr mit nachrichtendienstlichen Mitteln,
andererseits die Beobachtung von demokratie- und menschenfeindlichen Bestrebungen mit
wissenschaftlichen Methoden unter der ausschließlichen Nutzung von öffentlichen Quellen. Es
braucht eine starke parlamentarische Kontrolle der Geheimdienste.
(265) Polizei und Sicherheitsorgane garantieren die Sicherheit im Innern. Sichere
öffentliche Räume ermöglichen Freiheit und Begegnung und sind damit Grundlage für den
gesellschaftlichen Zusammenhalt. Wie jede öffentliche Institution ist die Polizei auf das
Vertrauen der Bürger*innen angewiesen. Dafür braucht sie eine diskriminierungssensible Aus-
und Weiterbildung, eine gute Ausstattung und ausreichend Personal – in der Stadt und auf dem
Land. Als sichtbarer Arm des staatlichen Gewaltmonopols ist sie in besonderem Maße den
Prinzipien von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie verpflichtet. Bei Fehlverhalten müssen
Fehler, strafbares Verhalten und strukturelle Mängel ohne falsche Rücksichten aufgeklärt und
geahndet werden.
(266) Eine faktenbasierte Kriminal- und Sicherheitspolitik, die auf Prävention, Rechtsstaat
und Information setzt, ist Leitbild. Sie koordiniert Verantwortung und geht den notwendigen
Umbau der Sicherheitsarchitektur an. Anlasslose Massendatenspeicherung schränkt individuelle
Freiheitsrechte der Bürger*innen ein.
(267) Durch den grenzüberschreitenden Ausbau der Zusammenarbeit von Polizei und Justiz durch
gemeinsame europäische Polizeiteams, ein Europäisches Kriminalamt und europäische
Staatsanwaltschaften wird in der Sicherheitspolitik zunehmend europäisch koordiniert und
kooperiert. Bei der Reform der föderalen Zusammenarbeit von Sicherheitsbehörden werden
einheitliche Standards geschaffen, so dass verstärkt gemeinsam ermittelt werden kann.
(268) Strafrecht als schärfster Eingriff des Staates in die Freiheitsrechte darf nur
äußerstes Mittel sein, denn es ist nicht das Allheilmittel zur Lösung gesellschaftlicher
Probleme aller Art. Damit das Strafrecht wirkt und Sicherheit schafft, müssen Haftbefehle
zügig vollzogen werden. Zum Schutz vor Straftaten braucht es gut ausgestattete
Strafverfolgungsbehörden und Gerichte und dadurch eine hohe Entdeckungs- und
Verurteilungswahrscheinlichkeit für alle Straftäter*innen, sowohl in der analogen als auch
in der digitalen Welt. Damit die Justiz gut funktionieren kann, muss sie in der Lage sein,
sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Deswegen ist das Strafrecht zu entrümpeln, indem
Bagatellstraftaten wie Schwarzfahren entkriminalisiert werden. Straf- und Asylrecht müssen
klar voneinander getrennt werden. Im Bereich des Strafvollzugs soll Resozialisierung im
Mittelpunkt stehen.
(269) Eine wehrhafte Demokratie muss sich auch online schützen. Demokratische
Willensbildungsprozesse dürfen nicht durch intransparente Social-Media-Kampagnen, den
Einsatz von Troll-Armeen und automatisierte Computerprogramme (Bots) sowie weitreichende IT-
Angriffe von Regierungen, Geheimdiensten oder ihnen nahestehenden Gruppierungen manipuliert
werden. Hierfür braucht es Digitalkompetenz in den zuständigen Behörden, gesetzliche
Transparenzverpflichtungen, klare internationale Übereinkünfte und eine rechtsstaatliche
Verfolgung über Ländergrenzen hinweg.
(270) Die Rechtsdurchsetzung muss auch im Netz umfassend gegeben sein. Hass im Netz trifft
gerade Frauen und diskriminierte Gruppen besonders stark. Wenn sich Verbrechen ins Internet
verlagern, müssen auch die Ermittlungsfähigkeiten, entsprechend der analogen Welt, unter
Wahrung des Rechtsschutzes, auf das Netz ausgerichtet sein.
(271) Jede dritte Frau wird einmal in ihrem Leben Opfer von körperlicher oder sexualisierter
Gewalt. Bildung, Aufklärung, ein Rechtsanspruch auf Schutz und eine verlässliche
Infrastruktur aus Beratungs- und Schutzeinrichtungen können Gewalt gegen Frauen und Mädchen
verhindern. Dazu gehört auch Prävention und eine Täterarbeit, die überkomme
Männlichkeitsbilder kritisch hinterfragt. Männer, insbesondere Jungen, die von
(sexualisierter) Gewalt betroffen sind, brauchen eigene Hilfs-, Beratungs- und
Schutzangebote.
(272) Der Rechtsstaat zeigt sich in einer bürgerorientierten, leistungsstarken und für alle
zugänglichen öffentlichen Verwaltung und der Möglichkeit zu einem effektiven Rechtsweg gegen
ihre Entscheidungen. Für verlässliche, transparente Behörden braucht es regelmäßige Fort-
und Weiterbildungen und eine angemessene finanzielle, personelle und strukturelle
Ausstattung. Ein notwendiger Baustein besteht darin, dass sich die Verwaltung umfassend
qualifiziert, digitalisiert und automatisiert und ressortübergreifend arbeitet. Öffentliche
Verwaltung muss auf Augenhöhe mit finanziell mächtigen Interessen in Konzernen und Banken
agieren.
(273) Staatliche Institutionen müssen für die Vielfalt der Gesellschaft stehen.
Institutionelle Diskriminierung, insbesondere Rassismus, ist trotz formaler rechtlicher
Gleichheit für viele Bürger*innen Realität. Es bleibt eine wichtige Aufgabe, durch Vielfalt
und Repräsentanz sowie mit Sensibilisierungsprogrammen und Monitoring dafür zu sorgen, dass
staatliche Strukturen alle Bürger*innen schützen und gleich behandeln. Dabei bedarf es der
Expertise von und der Unterstützung durch rassismuskritische und postmigrantische
Organisationen.
weitere Antragsteller*innen
Fehler:Du musst dich einloggen, um Änderungsanträge stellen zu können.
Von Zeile 221 bis 222:
(263) Islamismus stelltund jede andere Form von religiösem Extremismus stellen sich gegen Demokratie, Menschenrechte und Freiheit. Der Staat muss in der Lage sein, jede Form von Terror und Fundamentalismus abzuwehren. Dazu gehören neben
Kapitel 5: Demokratie stärken
Rechte und Zugänge
(226) Demokratie ermöglicht ein Leben in Würde und Freiheit. Vielfältige Demokratie
bedeutet, dass wir als Gesellschaft unsere Lebensumstände mit gleichen
Beteiligungsmöglichkeiten gemeinsam gestalten. Souverän eines demokratischen Rechtsstaates
sind die Staatsbürger*innen, der Verantwortungsbereich der Demokratie ist die gesamte
Bevölkerung. Demokratie ist nicht auf einen formalen Prozess reduzierbar, sondern
Leitprinzip für ein Miteinander in gleicher politischer Freiheit.
(227) Freiheitsrechte und Minderheitenschutz werden im demokratischen Rechtsstaat durch eine
unabhängige Justiz und die Bindung der Exekutive an Recht und Gesetz garantiert. Der freie
und gleiche Zugang zum Recht muss daher für alle gewährleistet sein.
(228) Staatliche Daseinsvorsorge, die Beseitigung von Armut und Diskriminierung, der Zugang
zu Bildung und öffentlicher Meinungs- und Willensbildung sowie ein ausreichendes Maß an Zeit
für politische Beteiligung gehören zu einer freiheitlichen und vielfältigen Demokratie.
(229) Die Folgen demokratischer Entscheidungen reichen oft über den regionalen oder
nationalen Rahmen hinaus. Daher müssen die globalen Auswirkungen in Entscheidungsprozessen
immer berücksichtigt werden. Globalisierung erfordert transnationale demokratische
Handlungsfähigkeit. Nur mit fairem Interessensausgleich und demokratischer globaler
Kooperation können wir richtige und wirksame Antworten auf globale Herausforderungen geben.
Um demokratische Handlungsfähigkeit in einer globalisierten Welt zu stärken, soll sich die
EU perspektivisch weiterentwickeln zu einer Föderalen Europäischen Republik.
(230) Demokratie ohne Meinungsfreiheit ist undenkbar. In der Demokratie kann jeder Mensch
seine Meinung frei äußern und jede*r muss Widerspruch zur eigenen Meinung aushalten. Hass
und Hetze sind nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt.
(231) Demokratie ist angewiesen auf Demokrat*innen. Die Freiräume einer starken und
lebendigen Zivilgesellschaft sind zu schützen. Demokratie beginnt vor Ort. Ohne
bürgerschaftliches Engagement und vielfältige Ehrenämter würde unser Gemeinwesen nicht
funktionieren. Demokratie lebt von Menschen, die sich für andere engagieren und unser
Gemeinwesen mitgestalten – in Bürgerinitiativen und Parteien, in Vereinen, Feuerwehren und
Kirchen, in NGOs, Gewerkschaften und Unternehmen, bei Demonstrationen, im Sportverein und in
Bewegungen. Solches Engagement ist der Kitt, der unsere pluralistische Gesellschaft
zusammenhält. Gemeinnützigkeit muss umfassend rechtlich abgesichert werden – auch
dahingehend, dass sich gemeinnützige Organisationen politisch einbringen und engagieren
können.
(232) Friedlicher zivilgesellschaftlicher Protest ist eine wichtige Ressource in einer
lebendigen Demokratie.
(233) Politische Bildung ist Grundlage für eine funktionierende Demokratie. Die Beteiligung
von Kindern und Jugendlichen, politische Bildung und partizipative Bildungsinstitutionen zur
Stärkung demokratischer Kompetenzen sind Grundlage für den Fortbestand der demokratischen
Gesellschaft.
(234) Die beste Verteidigung der parlamentarischen Demokratie ist ihre Weiterentwicklung. Es
gilt, der Verknöcherung demokratischer Institutionen und Verfahren entgegenzuwirken, um die
Demokratie lebendig zu halten. Einem Vertrauensverlust und der Dominanz einseitiger
Interessenslagen in demokratischen Prozessen kann durch Offenheit für neue
Beteiligungsmöglichkeiten begegnet werden.
(235) Um sich demokratisch engagieren und sich souverän und selbstbestimmt entscheiden zu
können, braucht es die Möglichkeit zur unabhängigen Information. Transparenzgesetze beugen
Korruption vor und sorgen für mehr Möglichkeiten der demokratischen Kontrolle. Digitale
Plattformen, die nicht von kommerziellen Interessen gesteuert sind, unabhängiger
Journalismus in freien Medien, ein unabhängiger öffentlich-rechtlicher Rundfunk sowie solide
Medienbildung von Kindesbeinen an sind Impfschutz gegen demokratiefeindliche Kampagnen und
Fake News.
(236) Voraussetzungen für Demokratie sind ein gewaltfreier Diskurs und die Akzeptanz der
Menschenwürde sowie der unverletzlichen und unveräußerlichen Grund- und Menschenrechte. Eine
Gesinnung, die der oder dem Einzelnen ihre bzw. seine individuellen Bedürfnisse und
Interessen abspricht und die definieren will, wer dazugehört und wer nicht, ist
undemokratisch. Rassismus und Ausgrenzung widersprechen der Idee von politischer Gleichheit.
Zivilcourage und rechtsstaatliche Maßnahmen gegen Hass und Entmenschlichung sind zentral für
die Wehrhaftigkeit der vielfältigen Demokratie.
(237) Die Interessen von Menschen, die sozial an den Rand gedrängt sind, die kaum Zugang zu
guter Bildung haben oder die unter den Anstrengungen von prekärer Arbeit leben, sind häufig
unterrepräsentiert. Eine Garantie auf ein Existenzminimum, ausreichend Zeit für politische
Beteiligung sowie die Möglichkeit zur sozialen und kulturellen Teilhabe sind notwendige
Bedingungen für Demokratie.
(238) Unser Wirtschaftssystem unterliegt Werten und Regeln. Wirtschaftliche
Staatsbürger*innen-Rechte sind Teil der individuellen demokratischen Rechte. Die sozial-
ökologische Marktwirtschaft ist über betriebliche Mitbestimmung, Aktionär*innen-Beteiligung
sowie gewerkschaftliche Vertretung organisiert. All das braucht starke Gewerkschaften. Im
Sinne einer Wirtschaft, die dem Gemeinwohl dient, soll selbstverständlich sein, dass alle
Stakeholder und Betroffenen ein Mitspracherecht bei wichtigen Entscheidungen erhalten.
(239) Verdeckte, einseitige Einflussnahme wirtschaftlich machtvoller Interessen gefährdet
die Demokratie. Für klare Schranken sorgen Transparenz von beispielsweise personellen
Verflechtungen oder Nebentätigkeiten politischer Entscheidungsträger*innen sowie ein
verpflichtendes Lobbyregister und die entschiedene Verfolgung von Korruption. So kann
Lobbyismus von finanzstarken Akteur*innen, der anderen Interessen politische Spielräume
nimmt und für unfaire Aushandlungsprozesse sorgt, kontrollier- und sanktionierbar werden.
(240) Die Ausbildung einer transnationalen und europäischen Öffentlichkeit ist eine wichtige
Voraussetzung für eine funktionierende Zusammenarbeit und die Demokratisierung der EU.
Repräsentanz und Beteiligung
(241) Über Repräsentation und demokratisch geregelte Verfahren können sich Meinungen,
Interessen und Vorstellungen zu Entscheidungen und Mehrheiten angemessen und gerecht
bündeln. Das ist Grundlage demokratischer Machtausübung. Die parlamentarische Demokratie
schafft so legitime Herrschaft der Menschen über sich selbst.
(242) Grundprinzip der Demokratie ist, dass diejenigen, die Entscheidungen für andere
treffen, von diesen legitimiert, also gewählt werden müssen. Repräsentationsdefizite machen
die parlamentarische Demokratie angreifbar. Ein demokratisches Miteinander muss die
Voraussetzungen für sein Fortbestehen immer wieder neu schaffen und Ausschlüssen und
Repräsentationsdefiziten in den eigenen Strukturen entgegenwirken. Eine vielfältige
Gesellschaft muss sich in ihren demokratischen Institutionen und Einrichtungen abbilden. Wer
hier dauerhaft seinen Lebensmittelpunkt hat, soll die Möglichkeit haben, an Wahlen und
Abstimmungen teilzunehmen.
(243) Frauenrechte sind der Gradmesser der Demokratie. Frauen sollen an allen demokratischen
Prozessen gleichberechtigt beteiligt und angemessen in den Parlamenten und
gesellschaftlichen Führungspositionen vertreten sein. Voraussetzung hierfür sind neben
klaren gesetzlichen Regelungen Lebensbedingungen, die es ermöglichen, Erwerbsarbeit sowie
Familien-, gesellschaftliche und politische Arbeit zu vereinbaren.
(244) Unsere Demokratie hat ein erhebliches Repräsentationsdefizit, wenn Millionen
Jugendliche und Kinder ausgeblendet werden, obwohl sie von Geburt an Staatsbürger*innen
sind. Entsprechend sollte im nächsten Schritt ein bundesweites Wahlrecht ab 16 Jahren gelten
und es sollten weitere Beteiligungsmöglichkeiten auf allen Ebenen ausgebaut werden.
(245) Parlamente sind zentrale Orte der politischen Debatte und das Rückgrat unserer
vielfältigen Demokratie. Abgeordnete brauchen Unabhängigkeit und starke Kontrollrechte
gegenüber der Regierung. Parlamentarismus braucht das Ringen um beste Lösungen zwischen
Regierung und Opposition. Gleichzeitig trägt inhaltliche Zusammenarbeit abseits von starren
Fraktionsgrenzen wie im Europaparlament und in anderen europäischen Parlamenten zum Finden
dieser Lösungen bei. Für das Vertrauen in demokratische Verfahren ist es zentral, die
Nachvollziehbarkeit von Regeln, Prozessen und Ergebnissen gewährleisten zu können.
(246) Ziel einer lebendigen Demokratie ist es, möglichst vielen Menschen die Möglichkeit zu
geben, ihre konkrete Lebensrealität und ihre Zukunft aktiv mitzugestalten. Demokratie
braucht Parteien. Sie sind der Ort, wo Menschen ihre politischen Haltungen, Interessen und
Ziele organisieren und diese in die öffentliche und parlamentarische Auseinandersetzung
tragen können. Parteien wirken bei der Meinungsbildung mit, bündeln Interessen und
Werthaltungen und treten in einen demokratischen Wettstreit zur Besetzung von Parlaments-
und Staatsämtern.
(247) Parteien brauchen eine auskömmliche staatliche Finanzierung. Parteispenden von
Unternehmen sind immer auch Einflussnahme und Lobbyismus. Spenden an Parteien von
natürlichen Personen sind mit einer jährlichen Obergrenze zu versehen, um die Unabhängigkeit
von ökonomisch mächtigen Interessen zu garantieren. Solange Unternehmensspenden erlaubt
sind, sprechen wir uns für eine Begrenzung der Wahlkampfbudgets von Parteien aus.
(248) Direkte Beteiligungsmöglichkeiten bereichern die repräsentative Demokratie. Mit
Bürger*innen-Räten soll die Möglichkeit geschaffen werden, bei ausgewählten Themen die
Alltagsexpertise von Bürger*innen noch direkter in die Gesetzgebung einfließen zu lassen.
Zufällig ausgewählte Bürger*innen beraten in einem festgelegten Zeitraum über eine konkrete
Fragestellung und erarbeiten Handlungsempfehlungen und Impulse für die öffentliche
Auseinandersetzung und die parlamentarische Entscheidung. Es gilt sicherzustellen, dass die
Teilnehmenden sich frei, gleich und fair eine Meinung bilden können und dass ihnen
ausreichend Raum für eine intensive Auseinandersetzung mit der Fragestellung gegeben wird.
Bürger*innen-Räten kommt eine rein beratende Funktion für die öffentliche Debatte und
Gesetzgebung zu. Regierung und Parlament müssen sich mit den Ergebnissen auseinandersetzen,
ihnen aber nicht folgen. Bürger*innen-Räte können auf Initiative der Regierung, des
Parlaments oder als Bürgerbegehren zu einer konkreten Fragestellung eingesetzt werden. Das
soll auch auf Bundesebene möglich sein.
Föderale Europäische Republik
(249) Die Herausforderungen unserer Zeit können wir nur gemeinsam meistern. Daher brauchen
wir eine gestärkte politische Europäische Union. Es gilt, die EU im Zuge weiterer
Integrationsschritte gemeinsam mit den europäischen Bürger*innen zu stärken und
perspektivisch zur Föderalen Europäischen Republik weiterzuentwickeln.
(250) Die Föderale Europäische Republik schafft einen Rahmen, in dem sich nicht einzelne
mächtige Interessen oder Regierungen durchsetzen, sondern das Allgemeinwohl. In ihr werden
gleiche Rechte für alle Bürger*innen über die EU-Grundrechtecharta verbindlich garantiert,
und zwar unabhängig davon, in welchem Land der Republik jemand lebt. So wird die
Souveränität der Bürger*innen gestärkt. Es gilt das Prinzip der Subsidiarität, wonach
Aufgaben und Zuständigkeiten auf der jeweils untersten möglichen Ebene – Kommune, Land,
Bund, EU – behandelt werden.
(251) Der zentrale Ort für alle europäischen Entscheidungen ist das Parlament. Es ist in
einem Zweikammersystem zusammen mit dem Rat ein gleichberechtigter Teil der gesetzgebenden
Gewalt. Das Prinzip der Mehrheitsentscheidungen soll ausgeweitet werden, so dass die EU
gemeinschaftlich handlungsfähig ist und einzelne Staaten eine gemeinsame Politik nicht
blockieren können. Das Europäische Parlament wird ermächtigt, selbst Gesetze auf den Weg zu
bringen, alle Politikbereiche der Union und das Budget zu kontrollieren. Die EU-Kommission
soll in der Föderalen Europäischen Republik Teil eines parlamentarischen Regierungssystems
sein. Der Haushalt speist sich auch aus eigenen Mitteln und wird vom Europäischen Parlament
beschlossen. Er verfügt über eigene Steuereinnahmen und ist groß genug, um makroökonomisch
zu stabilisieren und in schweren Krisen Zuschüsse in die nationalen Haushalte zu leisten.
Bundesstaat
(252) Demokratische Politik funktioniert von unten nach oben. Dörfer und Städte, in denen
wir leben, geben Halt in einer komplexen Welt, daher sind Kommunen zu stärken. Die Regionen
brauchen auf europäischer Ebene mehr Einfluss und Gewicht. Demokratische Entscheidungen
müssen so nah wie möglich an den Bürger*innen getroffen werden und immer dort, wo sie am
besten zu verwirklichen sind – in den Gemeinden und Städten, auf Landesebene, in den
Nationalstaaten oder auf Ebene der EU.
(253) Kooperationen zwischen den Ländern und zwischen den Kommunen sollen gestärkt werden.
Sinnvoll sind sie da, wo sie zu Effizienz- und ökologischen Gewinnen und gleichwertiger
Versorgung führen, etwa bei gemeinsamen Gewerbe- und Baugebieten, regionaler
Daseinsvorsorge, Klimaschutz und Bewältigung der Klimafolgen, bei Digitalisierung und
Mobilität.
(254) Städte und Gemeinden sind die Orte, an denen sich unser Zusammenleben abspielt, an
denen Demokratie anschaulich und lebendig wird. Kommunen brauchen daher eine
aufgabengerechte Finanzausstattung. „Wer bestellt, bezahlt“ – dieses Konnexitätsprinzip
gilt. Wenn Kommunen Aufgaben übertragen werden, brauchen sie dafür auch zusätzliche Mittel.
Außerdem brauchen viele Kommunen eine Altschuldenhilfe sowie ein Investitionsprogramm
Daseinsvorsorge, um vor Ort Gestaltungsspielräume zu erhalten.
Rechtsstaat und Sicherheit
(255) Erst wenn sich Menschen sicher fühlen, leben sie frei, selbstbestimmt und in Würde.
Sicherheit muss für alle gleich garantiert sein, egal, wo jemand wohnt, was jemand glaubt,
wen jemand liebt, wie jemand aussieht oder woher jemand und die eigenen Vorfahren kommen.
Erst unsere Grundrechte und ihre Durchsetzung können allen Menschen Sicherheit geben. In
einer unfreien Gesellschaft ist niemand sicher. Freiheit und Sicherheit bedingen sich.
(256) Der Rechtsstaat ist der Garant für die Gewährleistung von Bürger*innen- und
Menschenrechten sowie der vielfältigen Demokratie. Ein funktionierender Rechtsstaat
bedeutet: Alle Menschen sind gleich vor dem Gesetz und haben dieselben Rechte und Pflichten.
Der Rechtsstaat schützt die Grund- und Abwehrrechte der oder des Einzelnen gegenüber
staatlichen Eingriffen und exekutivem Handeln. Damit dieser Rechtsstaat funktioniert,
braucht es eine unabhängige und gut ausgestattete Justiz, die in der Lage ist, Recht zu
sprechen, exekutive, behördliche oder legislative Maßnahmen effektiv zu prüfen und
gegebenenfalls wirksam zu korrigieren. Vertrauen in den Rechtsstaat setzt wirksame
Rechtsdurchsetzung für alle voraus.
(257) Gleichheit vor dem Recht verlangt auch, dass sich wirtschaftliche und
gesellschaftliche Machtverhältnisse nicht im Rechtssystem fortsetzen. Der Rechtsstaat
ermöglicht kollektiven Rechtsschutz, schützt Whistleblowing, Verbraucher*innen,
Produzent*innen und kleinere Unternehmen effektiv gegen wirtschaftliche Übermacht.
(258) Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte haben mit dem Grundgesetz der
Bundesrepublik Deutschland sowie der Europäischen Grundrechtecharta ein starkes Fundament.
Doch auch ein Fundament muss gepflegt und modernisiert werden. Die Verfassung definiert
unser Gemeinwesen als wehrhafte Demokratie. Demokratie ist unsere Stärke und ihr
konsequenter Schutz ist handlungsleitend.
(259) Damit Rechtsstaatlichkeit in den europäischen Demokratien nicht noch weiter unter
Druck gerät, muss der Anwendungsbereich der EU-Grundrechtecharta auf nationales Recht
ausgeweitet werden. So erhalten alle EU-Bürger*innen die gleichen einklagbaren Grundrechte.
In Mitgliedstaaten, in denen die Unabhängigkeit der Justiz und die Freiheit der Medien nicht
ausreichend gewährleistet sind, sollen entsprechende Mittel stattdessen von der Europäischen
Kommission direkt an Kommunen und zivilgesellschaftliche Organisationen vergeben werden.
(260) Die öffentliche Sicherheit und den Schutz vor Gewalt zu gewährleisten, gehört zu den
wichtigsten Aufgaben des Rechtsstaates. Jede*r hat das Recht auf ein Leben frei von Gewalt.
Das Gewaltmonopol liegt beim Staat. Dies ernst zu nehmen bedeutet ein Ende des privaten
Besitzes von tödlichen Schusswaffen, mit Ausnahme von Jäger*innen. Illegaler Waffenbesitz
muss geahndet werden.
(261) Rechtsextremismus ist die größte Gefahr für die liberale Demokratie und die Sicherheit
in Deutschland. Rassismus, der von rechtsextremistischen Netzwerken und Verfassungsfeinden
in den und außerhalb der Parlamente geschürt wird, ist der geistige Nährboden für
terroristische Anschläge. Die Bekämpfung rechtsextremistischer Strukturen muss Priorität für
alle Sicherheitsorgane haben.
(262) Rassismus – und jede andere Form der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit – führt
dazu, dass viele Menschen in Deutschland nicht sicher sind. Damit bedroht er auch die
Grundwerte der Demokratie. Dieser Menschenverachtung muss überall entgegengetreten werden,
ob in Parlamenten, im Netz, auf der Straße oder im Alltag, auch mit den Mitteln des
Strafrechts. Es bedarf einer nachhaltigen Bildungs- und Präventionsarbeit, welche die
Ursachen von Menschen- und Demokratiefeindlichkeit erforscht und beseitigen hilft.
Diskriminierung verletzt, und zwar unabhängig davon, ob sie beabsichtigt ist oder nicht.
Antirassismus benötigt die Perspektive und Expertise von Menschen mit Rassismuserfahrung.
(263) Islamismus stelltund jede andere Form von religiösem Extremismus stellen sich gegen Demokratie, Menschenrechte und Freiheit. Der Staat muss
in der Lage sein, jede Form von Terror und Fundamentalismus abzuwehren. Dazu gehören neben
sicherheitspolitischen Maßnahmen auch Prävention und Deradikalisierungsprogramme in aktiver
Zusammenarbeit mit Schulen, Jugendeinrichtungen und Religionsgemeinschaften.
(264) Der Schutz unserer Verfassung und der Grundwerte ist unser aller Auftrag. Es gilt, die
Aufgaben des Verfassungsschutzes durch einen institutionellen Neuanfang zu trennen:
einerseits Gefahrenerkennung und Spionageabwehr mit nachrichtendienstlichen Mitteln,
andererseits die Beobachtung von demokratie- und menschenfeindlichen Bestrebungen mit
wissenschaftlichen Methoden unter der ausschließlichen Nutzung von öffentlichen Quellen. Es
braucht eine starke parlamentarische Kontrolle der Geheimdienste.
(265) Polizei und Sicherheitsorgane garantieren die Sicherheit im Innern. Sichere
öffentliche Räume ermöglichen Freiheit und Begegnung und sind damit Grundlage für den
gesellschaftlichen Zusammenhalt. Wie jede öffentliche Institution ist die Polizei auf das
Vertrauen der Bürger*innen angewiesen. Dafür braucht sie eine diskriminierungssensible Aus-
und Weiterbildung, eine gute Ausstattung und ausreichend Personal – in der Stadt und auf dem
Land. Als sichtbarer Arm des staatlichen Gewaltmonopols ist sie in besonderem Maße den
Prinzipien von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie verpflichtet. Bei Fehlverhalten müssen
Fehler, strafbares Verhalten und strukturelle Mängel ohne falsche Rücksichten aufgeklärt und
geahndet werden.
(266) Eine faktenbasierte Kriminal- und Sicherheitspolitik, die auf Prävention, Rechtsstaat
und Information setzt, ist Leitbild. Sie koordiniert Verantwortung und geht den notwendigen
Umbau der Sicherheitsarchitektur an. Anlasslose Massendatenspeicherung schränkt individuelle
Freiheitsrechte der Bürger*innen ein.
(267) Durch den grenzüberschreitenden Ausbau der Zusammenarbeit von Polizei und Justiz durch
gemeinsame europäische Polizeiteams, ein Europäisches Kriminalamt und europäische
Staatsanwaltschaften wird in der Sicherheitspolitik zunehmend europäisch koordiniert und
kooperiert. Bei der Reform der föderalen Zusammenarbeit von Sicherheitsbehörden werden
einheitliche Standards geschaffen, so dass verstärkt gemeinsam ermittelt werden kann.
(268) Strafrecht als schärfster Eingriff des Staates in die Freiheitsrechte darf nur
äußerstes Mittel sein, denn es ist nicht das Allheilmittel zur Lösung gesellschaftlicher
Probleme aller Art. Damit das Strafrecht wirkt und Sicherheit schafft, müssen Haftbefehle
zügig vollzogen werden. Zum Schutz vor Straftaten braucht es gut ausgestattete
Strafverfolgungsbehörden und Gerichte und dadurch eine hohe Entdeckungs- und
Verurteilungswahrscheinlichkeit für alle Straftäter*innen, sowohl in der analogen als auch
in der digitalen Welt. Damit die Justiz gut funktionieren kann, muss sie in der Lage sein,
sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Deswegen ist das Strafrecht zu entrümpeln, indem
Bagatellstraftaten wie Schwarzfahren entkriminalisiert werden. Straf- und Asylrecht müssen
klar voneinander getrennt werden. Im Bereich des Strafvollzugs soll Resozialisierung im
Mittelpunkt stehen.
(269) Eine wehrhafte Demokratie muss sich auch online schützen. Demokratische
Willensbildungsprozesse dürfen nicht durch intransparente Social-Media-Kampagnen, den
Einsatz von Troll-Armeen und automatisierte Computerprogramme (Bots) sowie weitreichende IT-
Angriffe von Regierungen, Geheimdiensten oder ihnen nahestehenden Gruppierungen manipuliert
werden. Hierfür braucht es Digitalkompetenz in den zuständigen Behörden, gesetzliche
Transparenzverpflichtungen, klare internationale Übereinkünfte und eine rechtsstaatliche
Verfolgung über Ländergrenzen hinweg.
(270) Die Rechtsdurchsetzung muss auch im Netz umfassend gegeben sein. Hass im Netz trifft
gerade Frauen und diskriminierte Gruppen besonders stark. Wenn sich Verbrechen ins Internet
verlagern, müssen auch die Ermittlungsfähigkeiten, entsprechend der analogen Welt, unter
Wahrung des Rechtsschutzes, auf das Netz ausgerichtet sein.
(271) Jede dritte Frau wird einmal in ihrem Leben Opfer von körperlicher oder sexualisierter
Gewalt. Bildung, Aufklärung, ein Rechtsanspruch auf Schutz und eine verlässliche
Infrastruktur aus Beratungs- und Schutzeinrichtungen können Gewalt gegen Frauen und Mädchen
verhindern. Dazu gehört auch Prävention und eine Täterarbeit, die überkomme
Männlichkeitsbilder kritisch hinterfragt. Männer, insbesondere Jungen, die von
(sexualisierter) Gewalt betroffen sind, brauchen eigene Hilfs-, Beratungs- und
Schutzangebote.
(272) Der Rechtsstaat zeigt sich in einer bürgerorientierten, leistungsstarken und für alle
zugänglichen öffentlichen Verwaltung und der Möglichkeit zu einem effektiven Rechtsweg gegen
ihre Entscheidungen. Für verlässliche, transparente Behörden braucht es regelmäßige Fort-
und Weiterbildungen und eine angemessene finanzielle, personelle und strukturelle
Ausstattung. Ein notwendiger Baustein besteht darin, dass sich die Verwaltung umfassend
qualifiziert, digitalisiert und automatisiert und ressortübergreifend arbeitet. Öffentliche
Verwaltung muss auf Augenhöhe mit finanziell mächtigen Interessen in Konzernen und Banken
agieren.
(273) Staatliche Institutionen müssen für die Vielfalt der Gesellschaft stehen.
Institutionelle Diskriminierung, insbesondere Rassismus, ist trotz formaler rechtlicher
Gleichheit für viele Bürger*innen Realität. Es bleibt eine wichtige Aufgabe, durch Vielfalt
und Repräsentanz sowie mit Sensibilisierungsprogrammen und Monitoring dafür zu sorgen, dass
staatliche Strukturen alle Bürger*innen schützen und gleich behandeln. Dabei bedarf es der
Expertise von und der Unterstützung durch rassismuskritische und postmigrantische
Organisationen.
Antragstext
Von Zeile 221 bis 222 löschen:
(263) Islamismus stellt sich gegen Demokratie, Menschenrechte und Freiheit. Der Staat muss in der Lage sein, jede Form von Terror und Fundamentalismus abzuwehren. Dazu gehören neben
Kapitel 5: Demokratie stärken
Rechte und Zugänge
(226) Demokratie ermöglicht ein Leben in Würde und Freiheit. Vielfältige Demokratie
bedeutet, dass wir als Gesellschaft unsere Lebensumstände mit gleichen
Beteiligungsmöglichkeiten gemeinsam gestalten. Souverän eines demokratischen Rechtsstaates
sind die Staatsbürger*innen, der Verantwortungsbereich der Demokratie ist die gesamte
Bevölkerung. Demokratie ist nicht auf einen formalen Prozess reduzierbar, sondern
Leitprinzip für ein Miteinander in gleicher politischer Freiheit.
(227) Freiheitsrechte und Minderheitenschutz werden im demokratischen Rechtsstaat durch eine
unabhängige Justiz und die Bindung der Exekutive an Recht und Gesetz garantiert. Der freie
und gleiche Zugang zum Recht muss daher für alle gewährleistet sein.
(228) Staatliche Daseinsvorsorge, die Beseitigung von Armut und Diskriminierung, der Zugang
zu Bildung und öffentlicher Meinungs- und Willensbildung sowie ein ausreichendes Maß an Zeit
für politische Beteiligung gehören zu einer freiheitlichen und vielfältigen Demokratie.
(229) Die Folgen demokratischer Entscheidungen reichen oft über den regionalen oder
nationalen Rahmen hinaus. Daher müssen die globalen Auswirkungen in Entscheidungsprozessen
immer berücksichtigt werden. Globalisierung erfordert transnationale demokratische
Handlungsfähigkeit. Nur mit fairem Interessensausgleich und demokratischer globaler
Kooperation können wir richtige und wirksame Antworten auf globale Herausforderungen geben.
Um demokratische Handlungsfähigkeit in einer globalisierten Welt zu stärken, soll sich die
EU perspektivisch weiterentwickeln zu einer Föderalen Europäischen Republik.
(230) Demokratie ohne Meinungsfreiheit ist undenkbar. In der Demokratie kann jeder Mensch
seine Meinung frei äußern und jede*r muss Widerspruch zur eigenen Meinung aushalten. Hass
und Hetze sind nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt.
(231) Demokratie ist angewiesen auf Demokrat*innen. Die Freiräume einer starken und
lebendigen Zivilgesellschaft sind zu schützen. Demokratie beginnt vor Ort. Ohne
bürgerschaftliches Engagement und vielfältige Ehrenämter würde unser Gemeinwesen nicht
funktionieren. Demokratie lebt von Menschen, die sich für andere engagieren und unser
Gemeinwesen mitgestalten – in Bürgerinitiativen und Parteien, in Vereinen, Feuerwehren und
Kirchen, in NGOs, Gewerkschaften und Unternehmen, bei Demonstrationen, im Sportverein und in
Bewegungen. Solches Engagement ist der Kitt, der unsere pluralistische Gesellschaft
zusammenhält. Gemeinnützigkeit muss umfassend rechtlich abgesichert werden – auch
dahingehend, dass sich gemeinnützige Organisationen politisch einbringen und engagieren
können.
(232) Friedlicher zivilgesellschaftlicher Protest ist eine wichtige Ressource in einer
lebendigen Demokratie.
(233) Politische Bildung ist Grundlage für eine funktionierende Demokratie. Die Beteiligung
von Kindern und Jugendlichen, politische Bildung und partizipative Bildungsinstitutionen zur
Stärkung demokratischer Kompetenzen sind Grundlage für den Fortbestand der demokratischen
Gesellschaft.
(234) Die beste Verteidigung der parlamentarischen Demokratie ist ihre Weiterentwicklung. Es
gilt, der Verknöcherung demokratischer Institutionen und Verfahren entgegenzuwirken, um die
Demokratie lebendig zu halten. Einem Vertrauensverlust und der Dominanz einseitiger
Interessenslagen in demokratischen Prozessen kann durch Offenheit für neue
Beteiligungsmöglichkeiten begegnet werden.
(235) Um sich demokratisch engagieren und sich souverän und selbstbestimmt entscheiden zu
können, braucht es die Möglichkeit zur unabhängigen Information. Transparenzgesetze beugen
Korruption vor und sorgen für mehr Möglichkeiten der demokratischen Kontrolle. Digitale
Plattformen, die nicht von kommerziellen Interessen gesteuert sind, unabhängiger
Journalismus in freien Medien, ein unabhängiger öffentlich-rechtlicher Rundfunk sowie solide
Medienbildung von Kindesbeinen an sind Impfschutz gegen demokratiefeindliche Kampagnen und
Fake News.
(236) Voraussetzungen für Demokratie sind ein gewaltfreier Diskurs und die Akzeptanz der
Menschenwürde sowie der unverletzlichen und unveräußerlichen Grund- und Menschenrechte. Eine
Gesinnung, die der oder dem Einzelnen ihre bzw. seine individuellen Bedürfnisse und
Interessen abspricht und die definieren will, wer dazugehört und wer nicht, ist
undemokratisch. Rassismus und Ausgrenzung widersprechen der Idee von politischer Gleichheit.
Zivilcourage und rechtsstaatliche Maßnahmen gegen Hass und Entmenschlichung sind zentral für
die Wehrhaftigkeit der vielfältigen Demokratie.
(237) Die Interessen von Menschen, die sozial an den Rand gedrängt sind, die kaum Zugang zu
guter Bildung haben oder die unter den Anstrengungen von prekärer Arbeit leben, sind häufig
unterrepräsentiert. Eine Garantie auf ein Existenzminimum, ausreichend Zeit für politische
Beteiligung sowie die Möglichkeit zur sozialen und kulturellen Teilhabe sind notwendige
Bedingungen für Demokratie.
(238) Unser Wirtschaftssystem unterliegt Werten und Regeln. Wirtschaftliche
Staatsbürger*innen-Rechte sind Teil der individuellen demokratischen Rechte. Die sozial-
ökologische Marktwirtschaft ist über betriebliche Mitbestimmung, Aktionär*innen-Beteiligung
sowie gewerkschaftliche Vertretung organisiert. All das braucht starke Gewerkschaften. Im
Sinne einer Wirtschaft, die dem Gemeinwohl dient, soll selbstverständlich sein, dass alle
Stakeholder und Betroffenen ein Mitspracherecht bei wichtigen Entscheidungen erhalten.
(239) Verdeckte, einseitige Einflussnahme wirtschaftlich machtvoller Interessen gefährdet
die Demokratie. Für klare Schranken sorgen Transparenz von beispielsweise personellen
Verflechtungen oder Nebentätigkeiten politischer Entscheidungsträger*innen sowie ein
verpflichtendes Lobbyregister und die entschiedene Verfolgung von Korruption. So kann
Lobbyismus von finanzstarken Akteur*innen, der anderen Interessen politische Spielräume
nimmt und für unfaire Aushandlungsprozesse sorgt, kontrollier- und sanktionierbar werden.
(240) Die Ausbildung einer transnationalen und europäischen Öffentlichkeit ist eine wichtige
Voraussetzung für eine funktionierende Zusammenarbeit und die Demokratisierung der EU.
Repräsentanz und Beteiligung
(241) Über Repräsentation und demokratisch geregelte Verfahren können sich Meinungen,
Interessen und Vorstellungen zu Entscheidungen und Mehrheiten angemessen und gerecht
bündeln. Das ist Grundlage demokratischer Machtausübung. Die parlamentarische Demokratie
schafft so legitime Herrschaft der Menschen über sich selbst.
(242) Grundprinzip der Demokratie ist, dass diejenigen, die Entscheidungen für andere
treffen, von diesen legitimiert, also gewählt werden müssen. Repräsentationsdefizite machen
die parlamentarische Demokratie angreifbar. Ein demokratisches Miteinander muss die
Voraussetzungen für sein Fortbestehen immer wieder neu schaffen und Ausschlüssen und
Repräsentationsdefiziten in den eigenen Strukturen entgegenwirken. Eine vielfältige
Gesellschaft muss sich in ihren demokratischen Institutionen und Einrichtungen abbilden. Wer
hier dauerhaft seinen Lebensmittelpunkt hat, soll die Möglichkeit haben, an Wahlen und
Abstimmungen teilzunehmen.
(243) Frauenrechte sind der Gradmesser der Demokratie. Frauen sollen an allen demokratischen
Prozessen gleichberechtigt beteiligt und angemessen in den Parlamenten und
gesellschaftlichen Führungspositionen vertreten sein. Voraussetzung hierfür sind neben
klaren gesetzlichen Regelungen Lebensbedingungen, die es ermöglichen, Erwerbsarbeit sowie
Familien-, gesellschaftliche und politische Arbeit zu vereinbaren.
(244) Unsere Demokratie hat ein erhebliches Repräsentationsdefizit, wenn Millionen
Jugendliche und Kinder ausgeblendet werden, obwohl sie von Geburt an Staatsbürger*innen
sind. Entsprechend sollte im nächsten Schritt ein bundesweites Wahlrecht ab 16 Jahren gelten
und es sollten weitere Beteiligungsmöglichkeiten auf allen Ebenen ausgebaut werden.
(245) Parlamente sind zentrale Orte der politischen Debatte und das Rückgrat unserer
vielfältigen Demokratie. Abgeordnete brauchen Unabhängigkeit und starke Kontrollrechte
gegenüber der Regierung. Parlamentarismus braucht das Ringen um beste Lösungen zwischen
Regierung und Opposition. Gleichzeitig trägt inhaltliche Zusammenarbeit abseits von starren
Fraktionsgrenzen wie im Europaparlament und in anderen europäischen Parlamenten zum Finden
dieser Lösungen bei. Für das Vertrauen in demokratische Verfahren ist es zentral, die
Nachvollziehbarkeit von Regeln, Prozessen und Ergebnissen gewährleisten zu können.
(246) Ziel einer lebendigen Demokratie ist es, möglichst vielen Menschen die Möglichkeit zu
geben, ihre konkrete Lebensrealität und ihre Zukunft aktiv mitzugestalten. Demokratie
braucht Parteien. Sie sind der Ort, wo Menschen ihre politischen Haltungen, Interessen und
Ziele organisieren und diese in die öffentliche und parlamentarische Auseinandersetzung
tragen können. Parteien wirken bei der Meinungsbildung mit, bündeln Interessen und
Werthaltungen und treten in einen demokratischen Wettstreit zur Besetzung von Parlaments-
und Staatsämtern.
(247) Parteien brauchen eine auskömmliche staatliche Finanzierung. Parteispenden von
Unternehmen sind immer auch Einflussnahme und Lobbyismus. Spenden an Parteien von
natürlichen Personen sind mit einer jährlichen Obergrenze zu versehen, um die Unabhängigkeit
von ökonomisch mächtigen Interessen zu garantieren. Solange Unternehmensspenden erlaubt
sind, sprechen wir uns für eine Begrenzung der Wahlkampfbudgets von Parteien aus.
(248) Direkte Beteiligungsmöglichkeiten bereichern die repräsentative Demokratie. Mit
Bürger*innen-Räten soll die Möglichkeit geschaffen werden, bei ausgewählten Themen die
Alltagsexpertise von Bürger*innen noch direkter in die Gesetzgebung einfließen zu lassen.
Zufällig ausgewählte Bürger*innen beraten in einem festgelegten Zeitraum über eine konkrete
Fragestellung und erarbeiten Handlungsempfehlungen und Impulse für die öffentliche
Auseinandersetzung und die parlamentarische Entscheidung. Es gilt sicherzustellen, dass die
Teilnehmenden sich frei, gleich und fair eine Meinung bilden können und dass ihnen
ausreichend Raum für eine intensive Auseinandersetzung mit der Fragestellung gegeben wird.
Bürger*innen-Räten kommt eine rein beratende Funktion für die öffentliche Debatte und
Gesetzgebung zu. Regierung und Parlament müssen sich mit den Ergebnissen auseinandersetzen,
ihnen aber nicht folgen. Bürger*innen-Räte können auf Initiative der Regierung, des
Parlaments oder als Bürgerbegehren zu einer konkreten Fragestellung eingesetzt werden. Das
soll auch auf Bundesebene möglich sein.
Föderale Europäische Republik
(249) Die Herausforderungen unserer Zeit können wir nur gemeinsam meistern. Daher brauchen
wir eine gestärkte politische Europäische Union. Es gilt, die EU im Zuge weiterer
Integrationsschritte gemeinsam mit den europäischen Bürger*innen zu stärken und
perspektivisch zur Föderalen Europäischen Republik weiterzuentwickeln.
(250) Die Föderale Europäische Republik schafft einen Rahmen, in dem sich nicht einzelne
mächtige Interessen oder Regierungen durchsetzen, sondern das Allgemeinwohl. In ihr werden
gleiche Rechte für alle Bürger*innen über die EU-Grundrechtecharta verbindlich garantiert,
und zwar unabhängig davon, in welchem Land der Republik jemand lebt. So wird die
Souveränität der Bürger*innen gestärkt. Es gilt das Prinzip der Subsidiarität, wonach
Aufgaben und Zuständigkeiten auf der jeweils untersten möglichen Ebene – Kommune, Land,
Bund, EU – behandelt werden.
(251) Der zentrale Ort für alle europäischen Entscheidungen ist das Parlament. Es ist in
einem Zweikammersystem zusammen mit dem Rat ein gleichberechtigter Teil der gesetzgebenden
Gewalt. Das Prinzip der Mehrheitsentscheidungen soll ausgeweitet werden, so dass die EU
gemeinschaftlich handlungsfähig ist und einzelne Staaten eine gemeinsame Politik nicht
blockieren können. Das Europäische Parlament wird ermächtigt, selbst Gesetze auf den Weg zu
bringen, alle Politikbereiche der Union und das Budget zu kontrollieren. Die EU-Kommission
soll in der Föderalen Europäischen Republik Teil eines parlamentarischen Regierungssystems
sein. Der Haushalt speist sich auch aus eigenen Mitteln und wird vom Europäischen Parlament
beschlossen. Er verfügt über eigene Steuereinnahmen und ist groß genug, um makroökonomisch
zu stabilisieren und in schweren Krisen Zuschüsse in die nationalen Haushalte zu leisten.
Bundesstaat
(252) Demokratische Politik funktioniert von unten nach oben. Dörfer und Städte, in denen
wir leben, geben Halt in einer komplexen Welt, daher sind Kommunen zu stärken. Die Regionen
brauchen auf europäischer Ebene mehr Einfluss und Gewicht. Demokratische Entscheidungen
müssen so nah wie möglich an den Bürger*innen getroffen werden und immer dort, wo sie am
besten zu verwirklichen sind – in den Gemeinden und Städten, auf Landesebene, in den
Nationalstaaten oder auf Ebene der EU.
(253) Kooperationen zwischen den Ländern und zwischen den Kommunen sollen gestärkt werden.
Sinnvoll sind sie da, wo sie zu Effizienz- und ökologischen Gewinnen und gleichwertiger
Versorgung führen, etwa bei gemeinsamen Gewerbe- und Baugebieten, regionaler
Daseinsvorsorge, Klimaschutz und Bewältigung der Klimafolgen, bei Digitalisierung und
Mobilität.
(254) Städte und Gemeinden sind die Orte, an denen sich unser Zusammenleben abspielt, an
denen Demokratie anschaulich und lebendig wird. Kommunen brauchen daher eine
aufgabengerechte Finanzausstattung. „Wer bestellt, bezahlt“ – dieses Konnexitätsprinzip
gilt. Wenn Kommunen Aufgaben übertragen werden, brauchen sie dafür auch zusätzliche Mittel.
Außerdem brauchen viele Kommunen eine Altschuldenhilfe sowie ein Investitionsprogramm
Daseinsvorsorge, um vor Ort Gestaltungsspielräume zu erhalten.
Rechtsstaat und Sicherheit
(255) Erst wenn sich Menschen sicher fühlen, leben sie frei, selbstbestimmt und in Würde.
Sicherheit muss für alle gleich garantiert sein, egal, wo jemand wohnt, was jemand glaubt,
wen jemand liebt, wie jemand aussieht oder woher jemand und die eigenen Vorfahren kommen.
Erst unsere Grundrechte und ihre Durchsetzung können allen Menschen Sicherheit geben. In
einer unfreien Gesellschaft ist niemand sicher. Freiheit und Sicherheit bedingen sich.
(256) Der Rechtsstaat ist der Garant für die Gewährleistung von Bürger*innen- und
Menschenrechten sowie der vielfältigen Demokratie. Ein funktionierender Rechtsstaat
bedeutet: Alle Menschen sind gleich vor dem Gesetz und haben dieselben Rechte und Pflichten.
Der Rechtsstaat schützt die Grund- und Abwehrrechte der oder des Einzelnen gegenüber
staatlichen Eingriffen und exekutivem Handeln. Damit dieser Rechtsstaat funktioniert,
braucht es eine unabhängige und gut ausgestattete Justiz, die in der Lage ist, Recht zu
sprechen, exekutive, behördliche oder legislative Maßnahmen effektiv zu prüfen und
gegebenenfalls wirksam zu korrigieren. Vertrauen in den Rechtsstaat setzt wirksame
Rechtsdurchsetzung für alle voraus.
(257) Gleichheit vor dem Recht verlangt auch, dass sich wirtschaftliche und
gesellschaftliche Machtverhältnisse nicht im Rechtssystem fortsetzen. Der Rechtsstaat
ermöglicht kollektiven Rechtsschutz, schützt Whistleblowing, Verbraucher*innen,
Produzent*innen und kleinere Unternehmen effektiv gegen wirtschaftliche Übermacht.
(258) Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte haben mit dem Grundgesetz der
Bundesrepublik Deutschland sowie der Europäischen Grundrechtecharta ein starkes Fundament.
Doch auch ein Fundament muss gepflegt und modernisiert werden. Die Verfassung definiert
unser Gemeinwesen als wehrhafte Demokratie. Demokratie ist unsere Stärke und ihr
konsequenter Schutz ist handlungsleitend.
(259) Damit Rechtsstaatlichkeit in den europäischen Demokratien nicht noch weiter unter
Druck gerät, muss der Anwendungsbereich der EU-Grundrechtecharta auf nationales Recht
ausgeweitet werden. So erhalten alle EU-Bürger*innen die gleichen einklagbaren Grundrechte.
In Mitgliedstaaten, in denen die Unabhängigkeit der Justiz und die Freiheit der Medien nicht
ausreichend gewährleistet sind, sollen entsprechende Mittel stattdessen von der Europäischen
Kommission direkt an Kommunen und zivilgesellschaftliche Organisationen vergeben werden.
(260) Die öffentliche Sicherheit und den Schutz vor Gewalt zu gewährleisten, gehört zu den
wichtigsten Aufgaben des Rechtsstaates. Jede*r hat das Recht auf ein Leben frei von Gewalt.
Das Gewaltmonopol liegt beim Staat. Dies ernst zu nehmen bedeutet ein Ende des privaten
Besitzes von tödlichen Schusswaffen, mit Ausnahme von Jäger*innen. Illegaler Waffenbesitz
muss geahndet werden.
(261) Rechtsextremismus ist die größte Gefahr für die liberale Demokratie und die Sicherheit
in Deutschland. Rassismus, der von rechtsextremistischen Netzwerken und Verfassungsfeinden
in den und außerhalb der Parlamente geschürt wird, ist der geistige Nährboden für
terroristische Anschläge. Die Bekämpfung rechtsextremistischer Strukturen muss Priorität für
alle Sicherheitsorgane haben.
(262) Rassismus – und jede andere Form der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit – führt
dazu, dass viele Menschen in Deutschland nicht sicher sind. Damit bedroht er auch die
Grundwerte der Demokratie. Dieser Menschenverachtung muss überall entgegengetreten werden,
ob in Parlamenten, im Netz, auf der Straße oder im Alltag, auch mit den Mitteln des
Strafrechts. Es bedarf einer nachhaltigen Bildungs- und Präventionsarbeit, welche die
Ursachen von Menschen- und Demokratiefeindlichkeit erforscht und beseitigen hilft.
Diskriminierung verletzt, und zwar unabhängig davon, ob sie beabsichtigt ist oder nicht.
Antirassismus benötigt die Perspektive und Expertise von Menschen mit Rassismuserfahrung.
(263) Islamismus stellt sich gegen Demokratie, Menschenrechte und Freiheit. Der Staat muss
in der Lage sein, jede Form von Terror und Fundamentalismus abzuwehren. Dazu gehören neben
sicherheitspolitischen Maßnahmen auch Prävention und Deradikalisierungsprogramme in aktiver
Zusammenarbeit mit Schulen, Jugendeinrichtungen und Religionsgemeinschaften.
(264) Der Schutz unserer Verfassung und der Grundwerte ist unser aller Auftrag. Es gilt, die
Aufgaben des Verfassungsschutzes durch einen institutionellen Neuanfang zu trennen:
einerseits Gefahrenerkennung und Spionageabwehr mit nachrichtendienstlichen Mitteln,
andererseits die Beobachtung von demokratie- und menschenfeindlichen Bestrebungen mit
wissenschaftlichen Methoden unter der ausschließlichen Nutzung von öffentlichen Quellen. Es
braucht eine starke parlamentarische Kontrolle der Geheimdienste.
(265) Polizei und Sicherheitsorgane garantieren die Sicherheit im Innern. Sichere
öffentliche Räume ermöglichen Freiheit und Begegnung und sind damit Grundlage für den
gesellschaftlichen Zusammenhalt. Wie jede öffentliche Institution ist die Polizei auf das
Vertrauen der Bürger*innen angewiesen. Dafür braucht sie eine diskriminierungssensible Aus-
und Weiterbildung, eine gute Ausstattung und ausreichend Personal – in der Stadt und auf dem
Land. Als sichtbarer Arm des staatlichen Gewaltmonopols ist sie in besonderem Maße den
Prinzipien von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie verpflichtet. Bei Fehlverhalten müssen
Fehler, strafbares Verhalten und strukturelle Mängel ohne falsche Rücksichten aufgeklärt und
geahndet werden.
(266) Eine faktenbasierte Kriminal- und Sicherheitspolitik, die auf Prävention, Rechtsstaat
und Information setzt, ist Leitbild. Sie koordiniert Verantwortung und geht den notwendigen
Umbau der Sicherheitsarchitektur an. Anlasslose Massendatenspeicherung schränkt individuelle
Freiheitsrechte der Bürger*innen ein.
(267) Durch den grenzüberschreitenden Ausbau der Zusammenarbeit von Polizei und Justiz durch
gemeinsame europäische Polizeiteams, ein Europäisches Kriminalamt und europäische
Staatsanwaltschaften wird in der Sicherheitspolitik zunehmend europäisch koordiniert und
kooperiert. Bei der Reform der föderalen Zusammenarbeit von Sicherheitsbehörden werden
einheitliche Standards geschaffen, so dass verstärkt gemeinsam ermittelt werden kann.
(268) Strafrecht als schärfster Eingriff des Staates in die Freiheitsrechte darf nur
äußerstes Mittel sein, denn es ist nicht das Allheilmittel zur Lösung gesellschaftlicher
Probleme aller Art. Damit das Strafrecht wirkt und Sicherheit schafft, müssen Haftbefehle
zügig vollzogen werden. Zum Schutz vor Straftaten braucht es gut ausgestattete
Strafverfolgungsbehörden und Gerichte und dadurch eine hohe Entdeckungs- und
Verurteilungswahrscheinlichkeit für alle Straftäter*innen, sowohl in der analogen als auch
in der digitalen Welt. Damit die Justiz gut funktionieren kann, muss sie in der Lage sein,
sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Deswegen ist das Strafrecht zu entrümpeln, indem
Bagatellstraftaten wie Schwarzfahren entkriminalisiert werden. Straf- und Asylrecht müssen
klar voneinander getrennt werden. Im Bereich des Strafvollzugs soll Resozialisierung im
Mittelpunkt stehen.
(269) Eine wehrhafte Demokratie muss sich auch online schützen. Demokratische
Willensbildungsprozesse dürfen nicht durch intransparente Social-Media-Kampagnen, den
Einsatz von Troll-Armeen und automatisierte Computerprogramme (Bots) sowie weitreichende IT-
Angriffe von Regierungen, Geheimdiensten oder ihnen nahestehenden Gruppierungen manipuliert
werden. Hierfür braucht es Digitalkompetenz in den zuständigen Behörden, gesetzliche
Transparenzverpflichtungen, klare internationale Übereinkünfte und eine rechtsstaatliche
Verfolgung über Ländergrenzen hinweg.
(270) Die Rechtsdurchsetzung muss auch im Netz umfassend gegeben sein. Hass im Netz trifft
gerade Frauen und diskriminierte Gruppen besonders stark. Wenn sich Verbrechen ins Internet
verlagern, müssen auch die Ermittlungsfähigkeiten, entsprechend der analogen Welt, unter
Wahrung des Rechtsschutzes, auf das Netz ausgerichtet sein.
(271) Jede dritte Frau wird einmal in ihrem Leben Opfer von körperlicher oder sexualisierter
Gewalt. Bildung, Aufklärung, ein Rechtsanspruch auf Schutz und eine verlässliche
Infrastruktur aus Beratungs- und Schutzeinrichtungen können Gewalt gegen Frauen und Mädchen
verhindern. Dazu gehört auch Prävention und eine Täterarbeit, die überkomme
Männlichkeitsbilder kritisch hinterfragt. Männer, insbesondere Jungen, die von
(sexualisierter) Gewalt betroffen sind, brauchen eigene Hilfs-, Beratungs- und
Schutzangebote.
(272) Der Rechtsstaat zeigt sich in einer bürgerorientierten, leistungsstarken und für alle
zugänglichen öffentlichen Verwaltung und der Möglichkeit zu einem effektiven Rechtsweg gegen
ihre Entscheidungen. Für verlässliche, transparente Behörden braucht es regelmäßige Fort-
und Weiterbildungen und eine angemessene finanzielle, personelle und strukturelle
Ausstattung. Ein notwendiger Baustein besteht darin, dass sich die Verwaltung umfassend
qualifiziert, digitalisiert und automatisiert und ressortübergreifend arbeitet. Öffentliche
Verwaltung muss auf Augenhöhe mit finanziell mächtigen Interessen in Konzernen und Banken
agieren.
(273) Staatliche Institutionen müssen für die Vielfalt der Gesellschaft stehen.
Institutionelle Diskriminierung, insbesondere Rassismus, ist trotz formaler rechtlicher
Gleichheit für viele Bürger*innen Realität. Es bleibt eine wichtige Aufgabe, durch Vielfalt
und Repräsentanz sowie mit Sensibilisierungsprogrammen und Monitoring dafür zu sorgen, dass
staatliche Strukturen alle Bürger*innen schützen und gleich behandeln. Dabei bedarf es der
Expertise von und der Unterstützung durch rassismuskritische und postmigrantische
Organisationen.
weitere Antragsteller*innen
Fehler:Du musst dich einloggen, um Änderungsanträge stellen zu können.
Von Zeile 221 bis 222 löschen:
(263) Islamismus stellt sich gegen Demokratie, Menschenrechte und Freiheit. Der Staat muss in der Lage sein, jede Form von Terror und Fundamentalismus abzuwehren. Dazu gehören neben
Kapitel 5: Demokratie stärken
Rechte und Zugänge
(226) Demokratie ermöglicht ein Leben in Würde und Freiheit. Vielfältige Demokratie
bedeutet, dass wir als Gesellschaft unsere Lebensumstände mit gleichen
Beteiligungsmöglichkeiten gemeinsam gestalten. Souverän eines demokratischen Rechtsstaates
sind die Staatsbürger*innen, der Verantwortungsbereich der Demokratie ist die gesamte
Bevölkerung. Demokratie ist nicht auf einen formalen Prozess reduzierbar, sondern
Leitprinzip für ein Miteinander in gleicher politischer Freiheit.
(227) Freiheitsrechte und Minderheitenschutz werden im demokratischen Rechtsstaat durch eine
unabhängige Justiz und die Bindung der Exekutive an Recht und Gesetz garantiert. Der freie
und gleiche Zugang zum Recht muss daher für alle gewährleistet sein.
(228) Staatliche Daseinsvorsorge, die Beseitigung von Armut und Diskriminierung, der Zugang
zu Bildung und öffentlicher Meinungs- und Willensbildung sowie ein ausreichendes Maß an Zeit
für politische Beteiligung gehören zu einer freiheitlichen und vielfältigen Demokratie.
(229) Die Folgen demokratischer Entscheidungen reichen oft über den regionalen oder
nationalen Rahmen hinaus. Daher müssen die globalen Auswirkungen in Entscheidungsprozessen
immer berücksichtigt werden. Globalisierung erfordert transnationale demokratische
Handlungsfähigkeit. Nur mit fairem Interessensausgleich und demokratischer globaler
Kooperation können wir richtige und wirksame Antworten auf globale Herausforderungen geben.
Um demokratische Handlungsfähigkeit in einer globalisierten Welt zu stärken, soll sich die
EU perspektivisch weiterentwickeln zu einer Föderalen Europäischen Republik.
(230) Demokratie ohne Meinungsfreiheit ist undenkbar. In der Demokratie kann jeder Mensch
seine Meinung frei äußern und jede*r muss Widerspruch zur eigenen Meinung aushalten. Hass
und Hetze sind nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt.
(231) Demokratie ist angewiesen auf Demokrat*innen. Die Freiräume einer starken und
lebendigen Zivilgesellschaft sind zu schützen. Demokratie beginnt vor Ort. Ohne
bürgerschaftliches Engagement und vielfältige Ehrenämter würde unser Gemeinwesen nicht
funktionieren. Demokratie lebt von Menschen, die sich für andere engagieren und unser
Gemeinwesen mitgestalten – in Bürgerinitiativen und Parteien, in Vereinen, Feuerwehren und
Kirchen, in NGOs, Gewerkschaften und Unternehmen, bei Demonstrationen, im Sportverein und in
Bewegungen. Solches Engagement ist der Kitt, der unsere pluralistische Gesellschaft
zusammenhält. Gemeinnützigkeit muss umfassend rechtlich abgesichert werden – auch
dahingehend, dass sich gemeinnützige Organisationen politisch einbringen und engagieren
können.
(232) Friedlicher zivilgesellschaftlicher Protest ist eine wichtige Ressource in einer
lebendigen Demokratie.
(233) Politische Bildung ist Grundlage für eine funktionierende Demokratie. Die Beteiligung
von Kindern und Jugendlichen, politische Bildung und partizipative Bildungsinstitutionen zur
Stärkung demokratischer Kompetenzen sind Grundlage für den Fortbestand der demokratischen
Gesellschaft.
(234) Die beste Verteidigung der parlamentarischen Demokratie ist ihre Weiterentwicklung. Es
gilt, der Verknöcherung demokratischer Institutionen und Verfahren entgegenzuwirken, um die
Demokratie lebendig zu halten. Einem Vertrauensverlust und der Dominanz einseitiger
Interessenslagen in demokratischen Prozessen kann durch Offenheit für neue
Beteiligungsmöglichkeiten begegnet werden.
(235) Um sich demokratisch engagieren und sich souverän und selbstbestimmt entscheiden zu
können, braucht es die Möglichkeit zur unabhängigen Information. Transparenzgesetze beugen
Korruption vor und sorgen für mehr Möglichkeiten der demokratischen Kontrolle. Digitale
Plattformen, die nicht von kommerziellen Interessen gesteuert sind, unabhängiger
Journalismus in freien Medien, ein unabhängiger öffentlich-rechtlicher Rundfunk sowie solide
Medienbildung von Kindesbeinen an sind Impfschutz gegen demokratiefeindliche Kampagnen und
Fake News.
(236) Voraussetzungen für Demokratie sind ein gewaltfreier Diskurs und die Akzeptanz der
Menschenwürde sowie der unverletzlichen und unveräußerlichen Grund- und Menschenrechte. Eine
Gesinnung, die der oder dem Einzelnen ihre bzw. seine individuellen Bedürfnisse und
Interessen abspricht und die definieren will, wer dazugehört und wer nicht, ist
undemokratisch. Rassismus und Ausgrenzung widersprechen der Idee von politischer Gleichheit.
Zivilcourage und rechtsstaatliche Maßnahmen gegen Hass und Entmenschlichung sind zentral für
die Wehrhaftigkeit der vielfältigen Demokratie.
(237) Die Interessen von Menschen, die sozial an den Rand gedrängt sind, die kaum Zugang zu
guter Bildung haben oder die unter den Anstrengungen von prekärer Arbeit leben, sind häufig
unterrepräsentiert. Eine Garantie auf ein Existenzminimum, ausreichend Zeit für politische
Beteiligung sowie die Möglichkeit zur sozialen und kulturellen Teilhabe sind notwendige
Bedingungen für Demokratie.
(238) Unser Wirtschaftssystem unterliegt Werten und Regeln. Wirtschaftliche
Staatsbürger*innen-Rechte sind Teil der individuellen demokratischen Rechte. Die sozial-
ökologische Marktwirtschaft ist über betriebliche Mitbestimmung, Aktionär*innen-Beteiligung
sowie gewerkschaftliche Vertretung organisiert. All das braucht starke Gewerkschaften. Im
Sinne einer Wirtschaft, die dem Gemeinwohl dient, soll selbstverständlich sein, dass alle
Stakeholder und Betroffenen ein Mitspracherecht bei wichtigen Entscheidungen erhalten.
(239) Verdeckte, einseitige Einflussnahme wirtschaftlich machtvoller Interessen gefährdet
die Demokratie. Für klare Schranken sorgen Transparenz von beispielsweise personellen
Verflechtungen oder Nebentätigkeiten politischer Entscheidungsträger*innen sowie ein
verpflichtendes Lobbyregister und die entschiedene Verfolgung von Korruption. So kann
Lobbyismus von finanzstarken Akteur*innen, der anderen Interessen politische Spielräume
nimmt und für unfaire Aushandlungsprozesse sorgt, kontrollier- und sanktionierbar werden.
(240) Die Ausbildung einer transnationalen und europäischen Öffentlichkeit ist eine wichtige
Voraussetzung für eine funktionierende Zusammenarbeit und die Demokratisierung der EU.
Repräsentanz und Beteiligung
(241) Über Repräsentation und demokratisch geregelte Verfahren können sich Meinungen,
Interessen und Vorstellungen zu Entscheidungen und Mehrheiten angemessen und gerecht
bündeln. Das ist Grundlage demokratischer Machtausübung. Die parlamentarische Demokratie
schafft so legitime Herrschaft der Menschen über sich selbst.
(242) Grundprinzip der Demokratie ist, dass diejenigen, die Entscheidungen für andere
treffen, von diesen legitimiert, also gewählt werden müssen. Repräsentationsdefizite machen
die parlamentarische Demokratie angreifbar. Ein demokratisches Miteinander muss die
Voraussetzungen für sein Fortbestehen immer wieder neu schaffen und Ausschlüssen und
Repräsentationsdefiziten in den eigenen Strukturen entgegenwirken. Eine vielfältige
Gesellschaft muss sich in ihren demokratischen Institutionen und Einrichtungen abbilden. Wer
hier dauerhaft seinen Lebensmittelpunkt hat, soll die Möglichkeit haben, an Wahlen und
Abstimmungen teilzunehmen.
(243) Frauenrechte sind der Gradmesser der Demokratie. Frauen sollen an allen demokratischen
Prozessen gleichberechtigt beteiligt und angemessen in den Parlamenten und
gesellschaftlichen Führungspositionen vertreten sein. Voraussetzung hierfür sind neben
klaren gesetzlichen Regelungen Lebensbedingungen, die es ermöglichen, Erwerbsarbeit sowie
Familien-, gesellschaftliche und politische Arbeit zu vereinbaren.
(244) Unsere Demokratie hat ein erhebliches Repräsentationsdefizit, wenn Millionen
Jugendliche und Kinder ausgeblendet werden, obwohl sie von Geburt an Staatsbürger*innen
sind. Entsprechend sollte im nächsten Schritt ein bundesweites Wahlrecht ab 16 Jahren gelten
und es sollten weitere Beteiligungsmöglichkeiten auf allen Ebenen ausgebaut werden.
(245) Parlamente sind zentrale Orte der politischen Debatte und das Rückgrat unserer
vielfältigen Demokratie. Abgeordnete brauchen Unabhängigkeit und starke Kontrollrechte
gegenüber der Regierung. Parlamentarismus braucht das Ringen um beste Lösungen zwischen
Regierung und Opposition. Gleichzeitig trägt inhaltliche Zusammenarbeit abseits von starren
Fraktionsgrenzen wie im Europaparlament und in anderen europäischen Parlamenten zum Finden
dieser Lösungen bei. Für das Vertrauen in demokratische Verfahren ist es zentral, die
Nachvollziehbarkeit von Regeln, Prozessen und Ergebnissen gewährleisten zu können.
(246) Ziel einer lebendigen Demokratie ist es, möglichst vielen Menschen die Möglichkeit zu
geben, ihre konkrete Lebensrealität und ihre Zukunft aktiv mitzugestalten. Demokratie
braucht Parteien. Sie sind der Ort, wo Menschen ihre politischen Haltungen, Interessen und
Ziele organisieren und diese in die öffentliche und parlamentarische Auseinandersetzung
tragen können. Parteien wirken bei der Meinungsbildung mit, bündeln Interessen und
Werthaltungen und treten in einen demokratischen Wettstreit zur Besetzung von Parlaments-
und Staatsämtern.
(247) Parteien brauchen eine auskömmliche staatliche Finanzierung. Parteispenden von
Unternehmen sind immer auch Einflussnahme und Lobbyismus. Spenden an Parteien von
natürlichen Personen sind mit einer jährlichen Obergrenze zu versehen, um die Unabhängigkeit
von ökonomisch mächtigen Interessen zu garantieren. Solange Unternehmensspenden erlaubt
sind, sprechen wir uns für eine Begrenzung der Wahlkampfbudgets von Parteien aus.
(248) Direkte Beteiligungsmöglichkeiten bereichern die repräsentative Demokratie. Mit
Bürger*innen-Räten soll die Möglichkeit geschaffen werden, bei ausgewählten Themen die
Alltagsexpertise von Bürger*innen noch direkter in die Gesetzgebung einfließen zu lassen.
Zufällig ausgewählte Bürger*innen beraten in einem festgelegten Zeitraum über eine konkrete
Fragestellung und erarbeiten Handlungsempfehlungen und Impulse für die öffentliche
Auseinandersetzung und die parlamentarische Entscheidung. Es gilt sicherzustellen, dass die
Teilnehmenden sich frei, gleich und fair eine Meinung bilden können und dass ihnen
ausreichend Raum für eine intensive Auseinandersetzung mit der Fragestellung gegeben wird.
Bürger*innen-Räten kommt eine rein beratende Funktion für die öffentliche Debatte und
Gesetzgebung zu. Regierung und Parlament müssen sich mit den Ergebnissen auseinandersetzen,
ihnen aber nicht folgen. Bürger*innen-Räte können auf Initiative der Regierung, des
Parlaments oder als Bürgerbegehren zu einer konkreten Fragestellung eingesetzt werden. Das
soll auch auf Bundesebene möglich sein.
Föderale Europäische Republik
(249) Die Herausforderungen unserer Zeit können wir nur gemeinsam meistern. Daher brauchen
wir eine gestärkte politische Europäische Union. Es gilt, die EU im Zuge weiterer
Integrationsschritte gemeinsam mit den europäischen Bürger*innen zu stärken und
perspektivisch zur Föderalen Europäischen Republik weiterzuentwickeln.
(250) Die Föderale Europäische Republik schafft einen Rahmen, in dem sich nicht einzelne
mächtige Interessen oder Regierungen durchsetzen, sondern das Allgemeinwohl. In ihr werden
gleiche Rechte für alle Bürger*innen über die EU-Grundrechtecharta verbindlich garantiert,
und zwar unabhängig davon, in welchem Land der Republik jemand lebt. So wird die
Souveränität der Bürger*innen gestärkt. Es gilt das Prinzip der Subsidiarität, wonach
Aufgaben und Zuständigkeiten auf der jeweils untersten möglichen Ebene – Kommune, Land,
Bund, EU – behandelt werden.
(251) Der zentrale Ort für alle europäischen Entscheidungen ist das Parlament. Es ist in
einem Zweikammersystem zusammen mit dem Rat ein gleichberechtigter Teil der gesetzgebenden
Gewalt. Das Prinzip der Mehrheitsentscheidungen soll ausgeweitet werden, so dass die EU
gemeinschaftlich handlungsfähig ist und einzelne Staaten eine gemeinsame Politik nicht
blockieren können. Das Europäische Parlament wird ermächtigt, selbst Gesetze auf den Weg zu
bringen, alle Politikbereiche der Union und das Budget zu kontrollieren. Die EU-Kommission
soll in der Föderalen Europäischen Republik Teil eines parlamentarischen Regierungssystems
sein. Der Haushalt speist sich auch aus eigenen Mitteln und wird vom Europäischen Parlament
beschlossen. Er verfügt über eigene Steuereinnahmen und ist groß genug, um makroökonomisch
zu stabilisieren und in schweren Krisen Zuschüsse in die nationalen Haushalte zu leisten.
Bundesstaat
(252) Demokratische Politik funktioniert von unten nach oben. Dörfer und Städte, in denen
wir leben, geben Halt in einer komplexen Welt, daher sind Kommunen zu stärken. Die Regionen
brauchen auf europäischer Ebene mehr Einfluss und Gewicht. Demokratische Entscheidungen
müssen so nah wie möglich an den Bürger*innen getroffen werden und immer dort, wo sie am
besten zu verwirklichen sind – in den Gemeinden und Städten, auf Landesebene, in den
Nationalstaaten oder auf Ebene der EU.
(253) Kooperationen zwischen den Ländern und zwischen den Kommunen sollen gestärkt werden.
Sinnvoll sind sie da, wo sie zu Effizienz- und ökologischen Gewinnen und gleichwertiger
Versorgung führen, etwa bei gemeinsamen Gewerbe- und Baugebieten, regionaler
Daseinsvorsorge, Klimaschutz und Bewältigung der Klimafolgen, bei Digitalisierung und
Mobilität.
(254) Städte und Gemeinden sind die Orte, an denen sich unser Zusammenleben abspielt, an
denen Demokratie anschaulich und lebendig wird. Kommunen brauchen daher eine
aufgabengerechte Finanzausstattung. „Wer bestellt, bezahlt“ – dieses Konnexitätsprinzip
gilt. Wenn Kommunen Aufgaben übertragen werden, brauchen sie dafür auch zusätzliche Mittel.
Außerdem brauchen viele Kommunen eine Altschuldenhilfe sowie ein Investitionsprogramm
Daseinsvorsorge, um vor Ort Gestaltungsspielräume zu erhalten.
Rechtsstaat und Sicherheit
(255) Erst wenn sich Menschen sicher fühlen, leben sie frei, selbstbestimmt und in Würde.
Sicherheit muss für alle gleich garantiert sein, egal, wo jemand wohnt, was jemand glaubt,
wen jemand liebt, wie jemand aussieht oder woher jemand und die eigenen Vorfahren kommen.
Erst unsere Grundrechte und ihre Durchsetzung können allen Menschen Sicherheit geben. In
einer unfreien Gesellschaft ist niemand sicher. Freiheit und Sicherheit bedingen sich.
(256) Der Rechtsstaat ist der Garant für die Gewährleistung von Bürger*innen- und
Menschenrechten sowie der vielfältigen Demokratie. Ein funktionierender Rechtsstaat
bedeutet: Alle Menschen sind gleich vor dem Gesetz und haben dieselben Rechte und Pflichten.
Der Rechtsstaat schützt die Grund- und Abwehrrechte der oder des Einzelnen gegenüber
staatlichen Eingriffen und exekutivem Handeln. Damit dieser Rechtsstaat funktioniert,
braucht es eine unabhängige und gut ausgestattete Justiz, die in der Lage ist, Recht zu
sprechen, exekutive, behördliche oder legislative Maßnahmen effektiv zu prüfen und
gegebenenfalls wirksam zu korrigieren. Vertrauen in den Rechtsstaat setzt wirksame
Rechtsdurchsetzung für alle voraus.
(257) Gleichheit vor dem Recht verlangt auch, dass sich wirtschaftliche und
gesellschaftliche Machtverhältnisse nicht im Rechtssystem fortsetzen. Der Rechtsstaat
ermöglicht kollektiven Rechtsschutz, schützt Whistleblowing, Verbraucher*innen,
Produzent*innen und kleinere Unternehmen effektiv gegen wirtschaftliche Übermacht.
(258) Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte haben mit dem Grundgesetz der
Bundesrepublik Deutschland sowie der Europäischen Grundrechtecharta ein starkes Fundament.
Doch auch ein Fundament muss gepflegt und modernisiert werden. Die Verfassung definiert
unser Gemeinwesen als wehrhafte Demokratie. Demokratie ist unsere Stärke und ihr
konsequenter Schutz ist handlungsleitend.
(259) Damit Rechtsstaatlichkeit in den europäischen Demokratien nicht noch weiter unter
Druck gerät, muss der Anwendungsbereich der EU-Grundrechtecharta auf nationales Recht
ausgeweitet werden. So erhalten alle EU-Bürger*innen die gleichen einklagbaren Grundrechte.
In Mitgliedstaaten, in denen die Unabhängigkeit der Justiz und die Freiheit der Medien nicht
ausreichend gewährleistet sind, sollen entsprechende Mittel stattdessen von der Europäischen
Kommission direkt an Kommunen und zivilgesellschaftliche Organisationen vergeben werden.
(260) Die öffentliche Sicherheit und den Schutz vor Gewalt zu gewährleisten, gehört zu den
wichtigsten Aufgaben des Rechtsstaates. Jede*r hat das Recht auf ein Leben frei von Gewalt.
Das Gewaltmonopol liegt beim Staat. Dies ernst zu nehmen bedeutet ein Ende des privaten
Besitzes von tödlichen Schusswaffen, mit Ausnahme von Jäger*innen. Illegaler Waffenbesitz
muss geahndet werden.
(261) Rechtsextremismus ist die größte Gefahr für die liberale Demokratie und die Sicherheit
in Deutschland. Rassismus, der von rechtsextremistischen Netzwerken und Verfassungsfeinden
in den und außerhalb der Parlamente geschürt wird, ist der geistige Nährboden für
terroristische Anschläge. Die Bekämpfung rechtsextremistischer Strukturen muss Priorität für
alle Sicherheitsorgane haben.
(262) Rassismus – und jede andere Form der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit – führt
dazu, dass viele Menschen in Deutschland nicht sicher sind. Damit bedroht er auch die
Grundwerte der Demokratie. Dieser Menschenverachtung muss überall entgegengetreten werden,
ob in Parlamenten, im Netz, auf der Straße oder im Alltag, auch mit den Mitteln des
Strafrechts. Es bedarf einer nachhaltigen Bildungs- und Präventionsarbeit, welche die
Ursachen von Menschen- und Demokratiefeindlichkeit erforscht und beseitigen hilft.
Diskriminierung verletzt, und zwar unabhängig davon, ob sie beabsichtigt ist oder nicht.
Antirassismus benötigt die Perspektive und Expertise von Menschen mit Rassismuserfahrung.
(263) Islamismus stellt sich gegen Demokratie, Menschenrechte und Freiheit. Der Staat muss
in der Lage sein, jede Form von Terror und Fundamentalismus abzuwehren. Dazu gehören neben
sicherheitspolitischen Maßnahmen auch Prävention und Deradikalisierungsprogramme in aktiver
Zusammenarbeit mit Schulen, Jugendeinrichtungen und Religionsgemeinschaften.
(264) Der Schutz unserer Verfassung und der Grundwerte ist unser aller Auftrag. Es gilt, die
Aufgaben des Verfassungsschutzes durch einen institutionellen Neuanfang zu trennen:
einerseits Gefahrenerkennung und Spionageabwehr mit nachrichtendienstlichen Mitteln,
andererseits die Beobachtung von demokratie- und menschenfeindlichen Bestrebungen mit
wissenschaftlichen Methoden unter der ausschließlichen Nutzung von öffentlichen Quellen. Es
braucht eine starke parlamentarische Kontrolle der Geheimdienste.
(265) Polizei und Sicherheitsorgane garantieren die Sicherheit im Innern. Sichere
öffentliche Räume ermöglichen Freiheit und Begegnung und sind damit Grundlage für den
gesellschaftlichen Zusammenhalt. Wie jede öffentliche Institution ist die Polizei auf das
Vertrauen der Bürger*innen angewiesen. Dafür braucht sie eine diskriminierungssensible Aus-
und Weiterbildung, eine gute Ausstattung und ausreichend Personal – in der Stadt und auf dem
Land. Als sichtbarer Arm des staatlichen Gewaltmonopols ist sie in besonderem Maße den
Prinzipien von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie verpflichtet. Bei Fehlverhalten müssen
Fehler, strafbares Verhalten und strukturelle Mängel ohne falsche Rücksichten aufgeklärt und
geahndet werden.
(266) Eine faktenbasierte Kriminal- und Sicherheitspolitik, die auf Prävention, Rechtsstaat
und Information setzt, ist Leitbild. Sie koordiniert Verantwortung und geht den notwendigen
Umbau der Sicherheitsarchitektur an. Anlasslose Massendatenspeicherung schränkt individuelle
Freiheitsrechte der Bürger*innen ein.
(267) Durch den grenzüberschreitenden Ausbau der Zusammenarbeit von Polizei und Justiz durch
gemeinsame europäische Polizeiteams, ein Europäisches Kriminalamt und europäische
Staatsanwaltschaften wird in der Sicherheitspolitik zunehmend europäisch koordiniert und
kooperiert. Bei der Reform der föderalen Zusammenarbeit von Sicherheitsbehörden werden
einheitliche Standards geschaffen, so dass verstärkt gemeinsam ermittelt werden kann.
(268) Strafrecht als schärfster Eingriff des Staates in die Freiheitsrechte darf nur
äußerstes Mittel sein, denn es ist nicht das Allheilmittel zur Lösung gesellschaftlicher
Probleme aller Art. Damit das Strafrecht wirkt und Sicherheit schafft, müssen Haftbefehle
zügig vollzogen werden. Zum Schutz vor Straftaten braucht es gut ausgestattete
Strafverfolgungsbehörden und Gerichte und dadurch eine hohe Entdeckungs- und
Verurteilungswahrscheinlichkeit für alle Straftäter*innen, sowohl in der analogen als auch
in der digitalen Welt. Damit die Justiz gut funktionieren kann, muss sie in der Lage sein,
sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Deswegen ist das Strafrecht zu entrümpeln, indem
Bagatellstraftaten wie Schwarzfahren entkriminalisiert werden. Straf- und Asylrecht müssen
klar voneinander getrennt werden. Im Bereich des Strafvollzugs soll Resozialisierung im
Mittelpunkt stehen.
(269) Eine wehrhafte Demokratie muss sich auch online schützen. Demokratische
Willensbildungsprozesse dürfen nicht durch intransparente Social-Media-Kampagnen, den
Einsatz von Troll-Armeen und automatisierte Computerprogramme (Bots) sowie weitreichende IT-
Angriffe von Regierungen, Geheimdiensten oder ihnen nahestehenden Gruppierungen manipuliert
werden. Hierfür braucht es Digitalkompetenz in den zuständigen Behörden, gesetzliche
Transparenzverpflichtungen, klare internationale Übereinkünfte und eine rechtsstaatliche
Verfolgung über Ländergrenzen hinweg.
(270) Die Rechtsdurchsetzung muss auch im Netz umfassend gegeben sein. Hass im Netz trifft
gerade Frauen und diskriminierte Gruppen besonders stark. Wenn sich Verbrechen ins Internet
verlagern, müssen auch die Ermittlungsfähigkeiten, entsprechend der analogen Welt, unter
Wahrung des Rechtsschutzes, auf das Netz ausgerichtet sein.
(271) Jede dritte Frau wird einmal in ihrem Leben Opfer von körperlicher oder sexualisierter
Gewalt. Bildung, Aufklärung, ein Rechtsanspruch auf Schutz und eine verlässliche
Infrastruktur aus Beratungs- und Schutzeinrichtungen können Gewalt gegen Frauen und Mädchen
verhindern. Dazu gehört auch Prävention und eine Täterarbeit, die überkomme
Männlichkeitsbilder kritisch hinterfragt. Männer, insbesondere Jungen, die von
(sexualisierter) Gewalt betroffen sind, brauchen eigene Hilfs-, Beratungs- und
Schutzangebote.
(272) Der Rechtsstaat zeigt sich in einer bürgerorientierten, leistungsstarken und für alle
zugänglichen öffentlichen Verwaltung und der Möglichkeit zu einem effektiven Rechtsweg gegen
ihre Entscheidungen. Für verlässliche, transparente Behörden braucht es regelmäßige Fort-
und Weiterbildungen und eine angemessene finanzielle, personelle und strukturelle
Ausstattung. Ein notwendiger Baustein besteht darin, dass sich die Verwaltung umfassend
qualifiziert, digitalisiert und automatisiert und ressortübergreifend arbeitet. Öffentliche
Verwaltung muss auf Augenhöhe mit finanziell mächtigen Interessen in Konzernen und Banken
agieren.
(273) Staatliche Institutionen müssen für die Vielfalt der Gesellschaft stehen.
Institutionelle Diskriminierung, insbesondere Rassismus, ist trotz formaler rechtlicher
Gleichheit für viele Bürger*innen Realität. Es bleibt eine wichtige Aufgabe, durch Vielfalt
und Repräsentanz sowie mit Sensibilisierungsprogrammen und Monitoring dafür zu sorgen, dass
staatliche Strukturen alle Bürger*innen schützen und gleich behandeln. Dabei bedarf es der
Expertise von und der Unterstützung durch rassismuskritische und postmigrantische
Organisationen.
Kommentare