Wie reagieren wir auf das Scheitern der Riester-Rente?
Der Entwurf des Vorstands sieht vor, das Anlagerisiko deutlich zu erhöhen, um inmitten einer andauernden Niedrigstzinsphase überhaupt noch Renditen erzielen zu können. Der (Teil-) Verlust der individuellen Ersparnisse wird dabei nicht ausgeschlossen. Zudem soll die öffentliche Förderung für die zusätzliche Altersvorsorge abgeschafft werden. Wie dann Geringverdienende aus den eigenen knappen Mitteln über den Kapitalmarkt für das Alter vorsorgen sollen, beantwortet der Entwurf nicht. Um trotz dieser Nachteile eine hohe Verbreitung des Bürgerfonds zu erreichen, soll jede und jeder automatisch einzahlen. Eine derartige Opting-Out-Regelung wäre mit dem deutschen und dem europäischen Wettbewerbsrecht nicht vereinbar und würde die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nicht überstehen.
Mit einer solchen Ausgestaltung des Bürgerfonds wäre das Sparen über Aktien und Risikokapital Teil des regulären Systems der Alterssicherung. Die Kapitalanlagerisiken würden vollständig allen Bürgerinnen und Bürgern übergeholfen, auch denjenigen, die sich kapitalgedeckte Altersvorsorge mangels Förderung, wenn überhaupt, nur mit allergrößter Mühe leisten können. Wir sollten uns fragen: Ist es die Chance auf mehr Rendite wert, das Alterssicherungssystem in diesem Sinne zu verändern? Und inwiefern besteht die Chance auf mehr Rendite eigentlich tatsächlich? In Finanzkreisen ist längst Konsens, dass ein Ende der Niedrigzinsphase nicht in Sicht ist. Renditeentwicklungen der Vergangenheit lassen sich nicht in die Zukunft fortschreiben. Auch aus der Digitalisierung und der notwendigen Ökologisierung der Wirtschaft ergeben sich große Unsicherheiten. Schließlich ist die Demographieresistenz der Kapitaldeckung ein Mythos. Wenn die Lebenserwartung steigt, muss das angesparte Kapital auf mehr Jahre aufgeteilt werden. Die monatlichen Zahlungen schrumpfen.
Die Alternative zum gescheiterten Riester-Experiment kann deshalb nicht eine Riester-Rente 2.0 mit mehr Risiko, mehr paternalistischer Verbindlichkeit für alle, aber mit weniger finanzieller Unterstützung für Geringverdienende sein – sondern nur die Stärkung der gesetzlichen Rentenversicherung. Die gesetzliche Rente ist sicherer und sie bietet ein breiteres Leistungsspektrum als jede Form der kapitalgedeckten Altersvorsorge. Zudem wird ihre interne Rendite unter anderem laut einer Studie des DIW langfristig und verlässlich deutlich positiv bleiben. Ihre Leistungsfähigkeit zu stärken und jederzeit für jede und jeden freiwillige Beiträge zu ermöglichen, sollte unsere Antwort auf die Riester-Rente sein. Dazu hat die Grüne Bundestagsfraktion kürzlich einen Antrag beschlossen: https://dserver.bundestag.de/btd/19/272/1927213.pdf
Die Antragsteller*innen befürworten ausdrücklich die Einführung eines Bürgerfonds, allerdings als freiwillige und zusätzliche Form der Altersvorsorge. Zudem sollten Geringverdienende und Menschen mit Kindern von staatlicher Seite finanziell unterstützt werden.
Als zusätzliche Begründung sei der gemeinsame Gastbeitrag von Hans-Jürgen Urban, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall, und Markus Kurth MdB empfohlen: https://www.fr.de/meinung/gastbeitraege/riesterrente-altersvorsorge-gruene-cdu-gesetztliche-rente-kapital-frauen-einwanderer-arbeitsmarkt-gesundheit-urban-kurt-90354633.html
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