Diese Erfolgsgeschichte hat zu einem Insider-Denken geführt, sodass das Schlagwort „Volksentscheid“ mit dem Verfahren verschmolz. Bei dem Bemühen, das Verfahren im Grundsatzprogramm von Bündnis 90 / Die Grünen einzuführen, wurde es wieder mit dem Schlagwort "Volksentscheid" beworben.
Wie wichtig es ist, das Insider-Denken für die Bevölkerung transparent zu machen, hat die Diskussion zu dem Verfahren, das bisher "Volksentscheid" bezeichnet wurde, bei der Bundesdelegiertenkonferenz zur Verabschiedung des Grundsatzprogramms von Bündnis 90 / die Grünen gezeigt.
Von Leuten, die nicht dem Insider-Denken verhaftet sind, wurde der Hintergrund des Schlagworts ausgeblendet und suggeriert, dass der "Volksentscheid" eine Abstimmung sei, die nur eine ja-nein-Entscheidung zulasse, und damit das Volk spalte und damit anfällig für populistische Agitation sei.
Doch lässt das "Volksgesetzgebungsverfahren" in allen Stufen Verhandlungen mit der Regierung und dem Parlament zu, um einen Ausgleich zu erzielen.
So wie jetzt mit den gelosten Bürger*innenräten ein starker Strang für eine dialogische Demokratie entsteht und der horizontalen Spaltung zwischen den Menschen und unterschiedlichen sozialen Gruppen begegnet wird, begegnet die Volksgesetzgebung der vertikalen Spaltung zwischen Macht und Ohnmacht.
Im besten Falle könnte also durch eine Kombination beider Werkzeuge eine doppelte gesellschaftliche Dynamik entstehen. Sie ermöglicht damit einen sozialen Zusammenhalt und eine Befriedung, aber auch eine Befähigung der Gesellschaft, mit komplexen und weitreichenden Krisen umzugehen.
Die Anthropologin Hagerty am Centre for the Study of Existential Risk (CSER) der Cambridge University sagt in Angesicht der Coronakrise: „Eins haben wir jetzt ganz sicher gelernt, wenn die nächste Bedrohung kommt, brauchen wir mehr Input von vielfältigeren Gruppen. Die Widerstandsfähigkeit unserer Gesellschaften ist dann am größten, wenn wir all unser soziales Wissen zusammenbringen.“ (ZEIT 17.2.21)
Die Frage, inwieweit in Deutschland populistische Agitation des Netzwerks der Demokratiefeinde einen Gesetzentwurf zu Fall bringen kann, hängt vom Thema und vom Engagement der Mehrheitsgesellschaft ab.
Die Frage, inwieweit das Netzwerk der Demokratiefeinde einen Gesetzentwurf, der die freiheitliche demokratische Grundordnung erschüttert, auf den Weg bringen und dann auch mit viel Hetze und Lügen zum Erfolg führen kann, ist schwer abzuschätzen. Sie ist auch die Frage nach der Stabilität unseres Staates.
Viel gefährlicher ist zur Zeit das Wort "Abstimmung" im Artikel 20 Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, das nicht genug abgegrenzt ist gegen Missbrauch. Es müsste durch den Begriff "Volksgesetzgebungsverfahren" ersetzt werden, dem gleichzeitig das Gesetz im Antrag zur Seite gestellt wird.
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