Das Grundgesetz setzt (mit den Wahlrechtsgrundsätzen) derzeit nur einen sehr groben Rahmen für das Wahlsystem. Theoretisch wären in diesem Rahmen neben dem heutigen personalisierten Verhältniswahlsysten auch ein reines Mehrheitswahlrecht wie in Großbritannien, ein sogenanntes Grabenwahlsystem und viele andere Systeme möglich.
Konkret festgelegt wird das aktuelle Wahlsystem im Bundeswahlgesetz, das im Bundestag mit einfacher Mehrheit geändert werden kann. Genau hier liegt auch das Problem: Von heute auf morgen wäre mit einfacher (Regierungs-) Mehrheit und ohne Zustimmung des Bundesrates eine schwerwiegende Änderung unseres Wahlsystems möglich, weil der Rahmen des Grundgesetzes – wie oben beschrieben – eine Vielzahl an Wahlsystemen zulässt.
Wenn wir uns nun vor Augen führen, dass in der Debatte zur Wahlrechtsreform von einigen CDU/CSU-Abgeordneten ein Grabenwahlsystem gefordert wurde und die mitregierende SPD darüber nicht besonders empört war, existiert zumindest eine potenzielle Gefahr. Mit einem Grabenwahlsystem hätte die CDU/CSU bei der Bundestagswahl 2017 die absolute Mehrheit der Sitze im Bundestag bekommen, obwohl sie nur von 32,9 % der Wähler*innen gewählt wurde. Das wäre alles andere als fair und keinesfalls im Sinne einer pluralistischen Demokratie.
Auch, wenn wir derzeit – besonders beim Abwärtstrend der Union – keine solche Änderung des Wahlrechts befürchten müssen, sollten wir uns schon fragen, ob wir die in Deutschland etablierte Verhältniswahl nicht lieber im Grundgesetz absichern sollten. Das politische System zu schützen, ist ja gerade der Sinn einer Verfassung.
Mit diesem Änderungsantrag wird genau das getan: Im Grundgesetz soll festgelegt werden, dass das Wahlsystem ein Verhältniswahlsystem sein muss, welches aber – wie heute der Fall – mit einer Personenwahl verbunden werden darf. Die Genauigkeiten würden dann weiterhin vom Bundeswahlgesetz geregelt werden – jedoch mit dem Unterschied, dass der Rahmen für das Wahlsystem im Grundgesetz deutlich begrenzt wird.
Einige Bundesländer haben für ihre Landtage schon eine ähnliche Regelung in ihre Landesverfassungen aufgenommen. Für den Bundestag wäre es nun auch an der Zeit – vor allem, weil das Wahlrecht in der kommenden Legislaturperiode wieder ein großes Streitthema sein wird.
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