Antrag Kapitel: | Kapitel 6: International zusammenarbeiten |
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Antragsteller*in: | Margarete Bause (KV München) und 31 weitere Antragsteller*innen (Frauenanteil: 28%) |
Status: | Geprüft |
Verfahrensvorschlag: | Erledigt durch: PB.W-01-367-2 |
Eingereicht: | 28.04.2021, 13:01 |
PB.I-01-233-2: Kapitel 6: International zusammenarbeiten
Verfahrensvorschlag zu PB.W-01-367-2: Antragstext
Von Zeile 411 bis 417 (PB.W-01: Kapitel 2: In die Zukunft wirtschaften):
souverän sein will, muss entsprechend handeln und darf die Sicherheit aller nicht unterlaufen. Wir setzen Anreize für beste IT-Sicherheit durch unabhängige Auditierungen und Zertifizierungen und wollen vor allem die KMUs sehr viel stärker durch ein dezentrales und unabhängiges IT-Beratungsnetzwerk unterstützen. Wir stärken unabhängige Aufsichtsstrukturen und schaffen neue Sanktionsmechanismen. Die IT-Sicherheit gefährdende Maßnahmen, wie den Handel und das staatliche Offenhalten von Sicherheitslücken, wollen wir beenden und eine Meldepflicht schaffen. Ein effektiver und moderner Datenschutz schützt die Menschenwürde und nimmt verstärkt auch die Gesellschaft in Gänze in den Blick, um die Abwehr auch überindividueller Risiken kollektiv zu gestalten. Wir setzen Anreize für guten Datenschutz und beste IT-Sicherheit, wollen innovative, technische Ansätze zum effektiven Schutz der Privatsphäre ausbauen und Auditierungen und europäisch einheitliche Zertifizierungen vorantreiben. Vor allem KMUs sollen sehr viel stärker durch ein dezentrales und unabhängiges IT-Beratungsnetzwerk unterstützt werden. Als Staat selbst muss dieser mit gutem Beispiel vorangehen, die wichtige Arbeit der Aufsichtsbehörden stärker unterstützen sowie ihre Kooperation im föderalen und europäischen Zusammenspiel verbessern, bis hin zur gemeinsamen Aufgabenwahrnehmung und Durchsetzung. Die Unabhängigkeit des BSI stärken wir. Bei staatlichen IT-Projekten muss IT-Sicherheit von Anfang an mitgedacht und implementiert werden. Zudem wollen wir die Entwicklung sicherer Hardware gezielt fördern. Im Sinne der Nachhaltigkeit digitaler Produkte führen wir eine Verpflichtung zu einer angemessenen, risikoorientierten und benutzerfreundlichen Bereitstellung von Sicherheitsupdates ein. Beim Ausbau digitaler Infrastrukturen, wie z.B. 5G, wollen wir die Integrität unserer kritischen Infrastruktur, die digitale Souveränität Europas und die Einhaltung der Menschenrechte wie das Recht auf Privatsphäre sicherstellen. Dafür sind einerseits höchste IT-Sicherheitsstandards für Komponenten in digitalen Infrastrukturen nötig. Andererseits wollen wir die technologische Unabhängigkeit Europas durch verstärkte Eigenentwicklungen und -produktionen, durch vielfältige digitale Ökosysteme und offene Standards stärken. Um Gefahrenlagen konkret bewerten zu können, müssen neben technischen, auch rechtliche, rechtsstaatliche, sicherheitsrelevante und geostrategische Aspekte in die Prüfung einbezogen werden. Eine Beteiligung von nicht vertrauenswürdigen Unternehmen, insbesondere aus autoritären Staaten an kritischer Infrastruktur lehnen wir ab.
Klimaneutralität ist die große Chance für den Industriestandort Deutschland. Grüne
Technologien aus Deutschland werden weltweit nachgefragt. Beim erneuerbaren Wasserstoff sind
wir Europäer*innen noch führend. Für große Teile der deutschen Industrie ist das Pariser
Klimaabkommen fester Bestandteil der Planungen geworden, unternehmerische
Investitionsstrategien sind auf Klimaschutz ausgerichtet. Die meisten wissen, dass die
Märkte der Zukunft klimaneutral sind. Und sie wissen: Deutschland kann so viel mehr. In den
Unternehmen, den Köpfen und den Strukturen stecken die Innovationskraft und der Wille, in
die Zukunft zu wirtschaften. Wir sehen, mit welcher Agilität Unternehmer*innen neue Ideen
und Geschäftsmodelle entwickeln. Und wir sind überzeugt, dass das freie und kreative
Handeln, die Dynamik eines fairen Wettbewerbs, die Stärke von gesellschaftlicher Kooperation
innovativ Probleme löst.
Allerdings steht die deutsche und europäische Wirtschaft unter großem Druck: Unser
Industrieland muss sich im globalen Wettbewerb mit autoritärem Staatskapitalismus und
weitgehend unregulierten Tech-Giganten behaupten. Die Pandemie hat viele Wirtschaftszweige
hart getroffen, einige Sektoren hatten schon zuvor die Transformation verschlafen. Die
Klimakrise und die Endlichkeit von Ressourcen verlangen ein Umsteuern. Zugleich ist unser
Verständnis von dem, was Wohlstand ist, im Wandel. Menschen bezweifeln zunehmend, dass ein
blindes Wachstum, das zu großen sozialen und ökologischen Problemen führt, richtig ist. Wenn
wir es jetzt aber klug anstellen, können wir unser Wirtschafts- und Finanzsystem neu eichen.
Wir können eine sozial-ökologische Marktwirtschaft in Europa begründen, die Wohlstand und
Wachstum mit Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit versöhnt und den Menschen dient. Sie ist
Ausgangspunkt für eine neue wirtschaftliche Dynamik, die zukunftsfähige Jobs schafft,
Lebensqualität sichert und uns Menschen freie Entfaltung ermöglicht und einen klimagerechten
Wohlstand schaffen kann.
Dafür ist eine Politik nötig, die will, die nach vorne führt und verlässlich steuert. Nicht,
weil der Staat besser wirtschaften kann, sondern weil die Wirtschaft klare Verhältnisse,
verlässliche politische Rahmenbedingungen und Anreize braucht. Nur dann haben Unternehmen
Planungssicherheit und wissen, dass sich klimaneutrales, nachhaltiges Wirtschaften lohnt.
Ungeregelte Märkte können sehr viel zerstören. Wenn wir Märkte aber nachhaltig und sozial
gestalten, können sie mit ihrer Wucht Innovationen entfachen, die wir für die Transformation
brauchen. Damit das gelingt, stellen wir die Weichen konsequent auf Klimaneutralität und
ermöglichen der Wirtschaft neue Spielräume innerhalb der planetaren Grenzen. Wir schaffen
Anreize, streichen umweltschädliche Subventionen und setzen ordnungspolitische Regeln, um
nachhaltig zu produzieren, zu handeln und zu konsumieren. Wir geben dem Wachstum eine
Richtung und bemessen Wohlstand neu. Wir starten eine umfassende Investitionsoffensive,
öffentlich wie privat, um dem immensen Investitionsstau in unserem Land zu begegnen und
Klimaschutz, Digitalisierung und Bildung deutlich zu stärken. Dafür setzen wir auf eine
vorsorgende Haushaltspolitik.
Wir gehen die Ungerechtigkeiten im Steuersystem entschlossen an und sorgen dafür, dass sich
sehr wohlhabende und reiche Menschen und große Konzerne ihrer Verantwortung stärker stellen.
Globale Konzerne sollen nicht mächtiger sein als Staaten – es gilt das Primat der
demokratischen Politik zu behaupten. Hohe Einkommen und Vermögen sollen mehr zur
Finanzierung unseres Gemeinwesens beitragen, denn Gesellschaften, in denen die Ungleichheit
gering ist, sind zufriedenere Gesellschaften.
Wirtschafts- und Finanzpolitik muss europäisch gemacht werden. Als Europäer*innen können wir
mit unserem starken gemeinsamen Binnenmarkt internationale Standards setzen und Innovationen
vorantreiben. Solange es Wettbewerbsverzerrung gibt, braucht es auch den Schutz des
europäischen Marktes und vor allem der kritischen Infrastruktur. Zugleich setzen wir uns für
eine gemeinsame strategische Außenwirtschaftspolitik ein, die Fairness zu einem Gebot des
internationalen Wettbewerbs und des freien Welthandels macht und weltweit nachhaltiges
Wirtschaften befördert. Als Europäer*innen investieren wir gemeinsam in Klimaschutz,
Forschung und den Wohlstand der Zukunft, den Weg dahin bereit ein Green New Deal. In einer
Bundesregierung werden wir alles dafür tun, dass die Europäische Union der erste CO2-freie
Wirtschaftsraum wird.
Mit all diesem legen wir die Grundlagen dafür, dass Deutschland und Europa erfolgreiche
Industriestandorte mit hoher Wertschöpfung, starkem Sozialstaat und guten Arbeitsplätzen
bleiben. Dafür, dass notwendige Innovationen in Europa entwickelt und marktfähig werden,
dass zukunftsfähige neue Jobs im Handwerk, bei Start-ups und in der Dienstleistungsbranche
entstehen – in traditionsreichen und innovativen Industrieunternehmen, im Maschinenbau, in
kleinen und mittelständischen Betrieben. Wir wollen, dass Deutschland und Europa auch bei
neuen Technologien die Spitze beanspruchen – seien es E-Autos, saubere Batterien,
Quantencomputer, Künstliche Intelligenz oder moderne Biotechnologie. Mit einer aktiven
Wirtschafts- und Industriepolitik zeigen wir eine Richtung auf und bieten zukunftsfähigen
Unternehmen gute Bedingungen. So machen wir aus der Marke „Made in Germany“ ein Gütesiegel
für zukunftsfähige Industrie in einem klimaneutralen Europa.
Wir fördern Unternehmergeist, Wettbewerb und Ideen
Ein Jahrzehnt der Zukunftsinvestitionen
Nach der Corona-Pandemie braucht unser Land einen neuen wirtschaftlichen Aufbruch. Das
Beste, was die Politik dazu beitragen kann, ist, das zu tun, was sie die letzten zehn Jahre
sträflich versäumt hat: in unsere gemeinsame Zukunft zu investieren. Nur wenn auch der Staat
seinen Teil beiträgt, wenn öffentliche und private Investitionen gemeinsam auf ein Ziel
ausgerichtet werden, wird Europa den Anschluss an moderne Zukunftstechnologien halten und
sich im Wettbewerb mit den USA und China behaupten können. Wir starten in der nächsten
Legislaturperiode eine Investitionsoffensive. In schnelles Internet, überall. In
Spitzenforschung vom Quantencomputer bis zur modernsten Biotechnologie. In klimaneutrale
Infrastrukturen, in Ladesäulen, einen Ausbau der Bahn, emissionsfreie Busse und moderne
Stadtentwicklung. Wir wollen, dass Deutschland bei den öffentlichen Investitionen im
Vergleich der Industrieländer vom Nachzügler zum Spitzenreiter wird, und in diesem Jahrzehnt
pro Jahr 50 Milliarden Euro zusätzlich investieren. So gelingt die sozial-ökologische
Transformation, so schaffen wir nachhaltigen Wohlstand und sichern die Wettbewerbsfähigkeit
unseres Landes in einer handlungsfähigen Europäischen Union.
Neustart nach der Corona-Krise
Die Corona-Pandemie hat viele Unternehmen hart getroffen. Während die einen sich hoch
verschulden mussten, haben es andere nicht durch die Krise geschafft und mussten ihr
Geschäft aufgeben. Besonders hart hat es Restaurants, Hotels, die Tourismus- und
Veranstaltungsbranche, die Kulturwirtschaft, aber auch viele Einzelhändler*innen getroffen.
Ein Neustart nach der Corona-Krise muss daher gezielt den besonders betroffenen Branchen
helfen. Damit sichern wir Existenzen, erhalten Arbeitsplätze und setzen zielgenaue
konjunkturelle Impulse. Hierfür dehnen wir den steuerlichen Verlustrücktrag aus, führen
attraktive und zeitlich begrenzte Abschreibungsbedingungen ein und helfen kleinen und
mittleren Unternehmen, sich mit vereinfachten Restrukturierungsverfahren leichter neu
aufzustellen, ohne Insolvenz anmelden zu müssen. Falls Corona-Soforthilfen zurückgezahlt
werden müssen, benötigen die Unternehmen großzügige Stundungen. Für Selbständige braucht es
vor allem sichere Aufträge durch handlungsfähige Kommunen, die wir unter anderem durch eine
abgestimmte Kulturförderpolitik stärken wollen.
Klimaschutztechnologien made in Germany
Der globale Wettbewerb um die Technologien von morgen ist in vollem Gange. Made in Germany
soll zukünftig nicht nur für Qualität, sondern noch stärker für nachhaltige und innovative
Produkte und Prozesse stehen. Digitalisierung und Klimaneutralität müssen Staat und
Unternehmen gemeinsam in Angriff nehmen. Während der Staat mehr öffentliche Investitionen
realisiert, wollen wir zugleich Anreize für mehr Investitionen durch Unternehmen setzen.
Dafür erweitern wir zielgerichtet die Spielräume für die Unternehmen: Investitionen sollen
zeitlich befristet degressiv mit mindestens 25 Prozent abgeschrieben werden können. Die
steuerliche Förderung von Forschung für KMU erhöhen wir. Öffentliche Investitionszuschüsse
sollen gerade bei neuen Technologien eine Starthilfe geben; Klimaverträge helfen, dauerhafte
Planungssicherheit für langfristige Klimaschutzinvestitionen zu geben.
Ein Gründungskapital einführen
Um den Wohlstand von morgen zu sichern, brauchen wir eine neue Gründer*innenwelle. Mit einem
unbürokratischen Gründungskapital, das Gründer*innen einen Einmalbetrag bis maximal 25.000
Euro sicherstellt, wollen wir dafür sorgen, dass keine gute Idee an zu wenig Eigenkapital
scheitert. Gründer*innen sollen es leicht haben: Statt sich durch ein Verwaltungsdickicht zu
quälen, sollen sie Information, Beratung und Anmeldung in einer zentralen Anlaufstelle
erledigen können – überall in Deutschland. In den ersten zwei Jahren sollen sie weitgehend
von Melde- und Berichtspflichten befreit werden. Frauen sind bei Gründungen noch
unterrepräsentiert, sie wollen wir gezielt fördern mit einem staatlichen Wagniskapitalfonds
nur für Frauen. Hürden sollten auch für Menschen mit Migrationsgeschichte abgebaut werden,
hier lässt unser Land ein riesiges Potenzial brachliegen. Bei der öffentlichen Vergabe
beziehen wir Start-ups besser ein und vereinfachen dafür Vergabeverfahren und Regeln zur
Eignungsprüfung. Gerade bei ausbleibender Finanzierung wollen wir die gemeinwohlorientierte
Entwicklung von digitalen Lösungen fördern.
Fairer Wettbewerb um klimaneutrale Industrietechnologien
Die energieintensiven Industrien – Stahl, Zement, Chemie – stehen für 15 Prozent des
deutschen CO2-Ausstoßes. Zugleich bieten sie hunderttausende gute Arbeitsplätze und sind
ebenso Eckpfeiler unseres Wohlstandes. Wir wollen diese Industrien zum Technologievorreiter
bei der Entwicklung klimaneutraler Prozesse machen. Der Maschinenbau kann beim weltweiten
Einsatz grüner Technologien „made in Germany“ eine Schlüsselrolle einnehmen. So bekämpfen
wir die Klimakrise und tragen zur Sicherung des deutschen Industriestandorts bei. Mit
Investitionszuschüssen und einer degressiven Abschreibung fördern wir direkt die
Transformation. Mit dem Abbau von Hürden bei der grünen Eigenstromversorgung treiben wir die
Dekarbonisierung der Prozesse voran. Klimaverträge (Carbon Contract for Difference), die die
Differenz zwischen dem aktuellen CO2-Preis und den tatsächlichen CO2-Vermeidungskosten
erstatten, sorgen für Investitionssicherheit. Und mit Quoten für den Anteil CO2-neutraler
Grundstoffe schaffen wir Leitmärkte für CO2-freie Produkte. In der Chemieindustrie wollen
wir die Transformation weg von Öl und Plastik hin zu nachwachsenden Rohstoffen voranbringen.
Automobilindustrie im Aufbruch
Die Automobilindustrie steht vor gewaltigen Umbrüchen. Weltweit läuft der Wettbewerb um das
emissionsfreie und digitale Auto der Zukunft. Nach Jahren des Stillstands hat sich auch die
Branche in Deutschland endlich auf den Weg gemacht. Jetzt braucht es Entschlossenheit und
Zusammenarbeit, damit unsere Autobauer in Zukunft wieder die Nase vorn haben. Klar ist: Der
fossile Verbrennungsmotor hat keine Zukunft. Wir wollen ab 2030 nur noch emissionsfreie
Autos neu zulassen. Wir unterstützen bei Forschung und Innovation und sichern einen
schnellen Aufbau der Ladesäuleninfrastruktur und eine weitere Förderung des Markthochlaufs
von emissionsfreien Fahrzeugen zu. Aktuell haben Deutschland und Europa den Anschluss bei
der Batteriezellenproduktion und damit viel Wertschöpfung verloren. Das darf sich bei den
Batterien der nächsten Generation, die günstiger und ressourcensparender sind, nicht
wiederholen. Wir wollen Europa zum Weltmarktführer einer ökologischen
Batteriezellenproduktion machen, zu der ein wirksames Recyclingsystem gehört sowie die
Forschung und Entwicklung der nächsten Batteriegeneration. Dazu setzen wir auf klare
Vorgaben bei den Ökostandards und ein umfassendes Forschungs- und Förderprogramm. Wir wollen
zudem die besonders betroffenen Autoregionen mit regionalen Transformationsdialogen und -
fonds unterstützen.
Europäische Halbleiterindustrie stärken
Eine erfolgreiche und weitsichtige Industriepolitik wird nur dann funktionieren, wenn auch
gesamteuropäisch gedacht wird. Gerade mit Blick auf eine nötige sektorale Strukturförderung,
wie den Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur, der Batteriezellfertigung oder Förderung der
Halbleiterindustrie, ist eine europäische Ausrichtung entscheidend. Um kritische
Abhängigkeiten zu verringern, soll die EU-Kapazität im Bereich der Halbleitertechnologie wie
von der EU-Kommission vorgeschlagen auf 20 Prozent der weltweiten Produktion ausgebaut
werden. Das gilt vor allem für die Bereiche, in denen wir bei der Halbleitertechnologie für
industrielle Anwendungen bereits eine starke europäische Stellung haben oder in denen eine
besonders dynamische zukünftige Entwicklung zu erwarten ist. Hierzu müssen Investitionen
entlang der Halbleiter-Wertschöpfungskette erhöht werden.
Kreislaufwirtschaft mit einer Reparatur- und Recyclingindustrie
Müll ist ein Designfehler und eine Verschwendung wichtiger Ressourcen und Rohstoffe – die
endlich sind und uns abhängig machen. Ob Verpackung, Auto oder Laptop – wir schaffen die
gesetzlichen Grundlagen dafür, um alle Produkte lange zu verwenden, reparieren und recyceln
zu können. Im Ergebnis heißt das bis 2050: kein Müll mehr, dafür mehr grüne Jobs vor Ort in
einer neuen europäischen Reparatur- und Recyclingindustrie, die die Abhängigkeit von
Ressourcen und Rohstoffimporten verringert. Den Weg dorthin weisen wir mit stärkeren
Herstellerverpflichtungen, ambitionierten Recyclingquoten und gezielten Förderprogrammen.
Bis 2030 werden wir alle Güter und Materialien, die auf den Markt kommen, mit einem
digitalen Produktpass ausstatten, der alle wichtigen Informationen über Design,
Reparierbarkeit und Materialien enthält, die wir für die Kreislaufwirtschaft brauchen.
Forschungsergebnisse in die Praxis bringen, Gründungskultur beleben
An unseren Hochschulen und Forschungseinrichtungen wird nach höchsten Standards geforscht.
Vielversprechende Forschungsergebnisse – gerade auch aus der Grundlagenforschung – müssen
aber noch öfter in die Praxis gelangen. Die Impfstofferfolge machen dabei Mut: Aus einer
Zufallsentdeckung wurde eine völlig neue Technologie, die in Rekordzeit die Entwicklung und
Produktion gleich mehrerer Corona-Impfstoffe ermöglicht hat. Vielfach mangelt es in der
deutschen Wissenschaft an einer lebendigen Gründungskultur, strukturelle Hemmnisse
verhindern Ausgründungen. Die bestehenden Förderprogramme reichen nicht aus. Wir wollen den
Ausbau von Förderprogrammen für Hightech-Start-ups, Gründungszentren und Entrepreneurship-
Ausbildungen vorantreiben. Statt unattraktiver Lizenzregelungen wollen wir die stille
Beteiligung der öffentlichen Institutionen zum neuen Ausgründungsstandard machen.
Frauen an die Spitze
Deutschland ist vielfältig, seine Führungsetagen sind es (noch) nicht. Dabei führen diverse
Teams Unternehmen erfolgreicher. Die Vielfalt der deutschen Gesellschaft muss sich deshalb
auch dringend in den Führungs- und Entscheidungsgremien und der Wirtschaft abbilden. Obwohl
Frauen mindestens gleich gut qualifiziert sind wie Männer, fehlen sie dort. Freiwillige
Regelungen haben nichts gebracht. Deshalb soll zukünftig mindestens ein Drittel der
Vorstandssitze größerer und börsennotierter Unternehmen bei einer Neubesetzung an eine Frau
gehen. Um das zu erleichtern, wollen wir auch Hindernisse wie fehlende Elternzeitregelungen
im Aktienrecht beseitigen. Die Aufsichtsräte dieser Unternehmen sollen bei Neubesetzungen
einen Frauenanteil von 40 Prozent anstreben. Unternehmen, die in der Hand des Bundes sind
oder an denen der Bund beteiligt ist, sollen mit klaren Plänen für paritätische
Betriebsstrukturen als gutes Beispiel vorangehen.Die Wirtschaftsförderung wollen wir
geschlechtergerechter ausgestalten und Frauen dort, wo sie unterrepräsentiert sind, mit
gezielten Maßnahmen fördern, zum Beispiel durch einen staatlichen Wagniskapitalfonds nur für
Gründerinnen.
Fachkräftemangel bekämpfen
Durch den demografischen Wandel wird in den kommenden 15 Jahren die Zahl der Menschen im
erwerbsfähigen Alter um 6 Millionen schrumpfen. Gleichzeitig erfordern die Berufe der
Zukunft ganz neue Fähigkeiten. Der Arbeits- und Fachkräftemangel wird sich verstärken. Dem
wollen wir entgegenwirken. Dafür investieren wir mehr in berufliche und berufsbegleitende
Bildung. Der Meisterbrief soll wie ein Studium kostenfrei werden. Wir lassen keine
Potenziale mehr ungenutzt: Hürden, die Frauen, Älteren, Menschen mit Behinderungen,
Jugendlichen aus einkommensarmen Elternhäusern oder Menschen mit Migrationsgeschichte oft
noch im Weg stehen, bauen wir ab. Einwanderung in unser Land erleichtern wir mit der
Einführung einer Talentkarte und einer schnelleren Anerkennung ausländischer Bildungs- und
Berufsabschlüsse, auch wechselseitig in der EU. Geflüchtete sollen die Möglichkeit zum
Spurwechsel bekommen, der ihnen während Ausbildung, Studium und Arbeit mehr Rechtssicherheit
und damit eine berufliche Perspektive in Deutschland ermöglicht. Wir unterstützen Betriebe,
die Geflüchteten und Einwander*innen eine Chance auf Ausbildung und Beschäftigung geben, bei
Bedarf durch Qualifizierung, Beratung und Begleitung.
Mittelstandspolitik ist Innovationspolitik
Der deutsche Mittelstand ist vielfältig, innovativ und international wettbewerbsfähig. Hier
entstehen die Lösungen für die Herausforderungen der Zukunft, er sichert Wertschöpfung in
den Regionen und für sie. Unsere Mittelstandspolitik setzt auf den Dreiklang aus
Verringerung bürokratischer Lasten, einer innovationsfreundlichen Steuerpolitik sowie einer
breitenwirksamen Forschungslandschaft. Mit schnelleren Planungen und Genehmigungen und einer
effizienten, digitalen Verwaltung unterstützen wir den Mittelstand bei Innovation und
Transformation. Berichtspflichten sollen vereinfacht werden. Dafür sollten Vorhaben
ausgetestet und mit Anwender*innen aus Verwaltung und Unternehmen aller Größen gemeinsam
verbessert werden. Dafür ist die konsequente Anwendung und Verbesserung sogenannter KMU-
Tests auf nationaler und europäischer Ebene erforderlich. Förderprogramme und
Investitionszuschüsse wollen wir so ausgestalten, dass sie vor allem KMU zugutekommen. Dafür
sollen sie deutlich einfacher zu beantragen und zu dokumentieren sein. Außerdem sollen
passgenaue Beratungen für Digitalisierung und Klimaschutz gefördert werden, auch über
längere Zeiträume.
Zukunftsfähigkeit eines starken Handwerks sichern
Das Handwerk ist in unserem Alltag überall präsent und unverzichtbar. Es zeichnet sich durch
eine große Heterogenität aus: vom Heizungsinstallateurbetrieb bis zur Bäckerei, vom
mittelständischen Unternehmen mit hunderten Beschäftigten bis zum Kleinstbetrieb. Das
Handwerk ist einer der wichtigsten Wirtschaftsfaktoren in Deutschland. Es bietet gerade im
ländlichen Raum jungen Menschen eine Perspektive. Gerade für sie liegen in der ökologischen
Transformation riesige Chancen – von der Gebäudesanierung bis zum Heizungstausch. Durch die
Senkung der EEG-Umlage sorgen wir für bezahlbare Strompreise. Durch Bürokratieabbau, die
Unterstützung bei Nachfolgen und die gezielte Förderung der Ausbildung im Handwerk wollen
wir die Rahmenbedingungen verbessern. Oberstes Ziel ist der Erhalt und die Zukunftsfähigkeit
der Betriebe. Damit Handwerksberufe noch attraktiver werden, setzen wir auf eine stärkere
Tarifbindung, branchenspezifische Mindestvergütungen und mehr Gleichwertigkeit von
beruflicher und akademischer Ausbildung. Die Durchlässigkeit vom Studium zum Handwerk und
zurück sollte selbstverständlich werden, genauso wie internationaler Austausch und Zugang zu
Stipendien.
Kultur schafft Wohlstand
Die Kultur- und Kreativwirtschaft ist eine der am meisten unterschätzten Branchen in
Deutschland. Vor Corona erzielten die über 1,2 Millionen Kreativen und Kulturschaffenden
allein im Jahr 2019 einen Umsatz von knapp 180 Milliarden Euro – mehr als beispielsweise die
chemische Industrie oder Finanzdienstleister. Doch die Kultur- und Kreativwirtschaft ist
durch die Corona-Krise existenziell bedroht. Nur mit gezieltem Schutz und verbesserter
Förderung werden wir große Teile unseres kulturellen Lebens vor dem Wegbrechen retten
können. Wir erweitern den Innovationsbegriff in den Programmen zur
Existenzgründungsförderung, sodass davon auch die Kultur- und Kreativwirtschaft profitiert.
Förderprogramme schneiden wir spezifisch auf die Bedürfnisse der Kultur- und
Kreativwirtschaft zu und wir bauen die Gründungsförderung aus der Arbeitslosigkeit
bedarfsgerecht aus.
Der Tourismuswirtschaft nachhaltig auf die Beine helfen
Die Reise- und Tourismuswirtschaft – ein zentraler Wirtschaftsfaktor und millionenfacher
Arbeitgeber – ist durch die Corona-Krise schwer getroffen. Wir wollen ihr wieder auf die
Beine helfen und zugleich den Nach-Corona-Tourismus klimaschonender, ökologischer und sozial
nachhaltiger gestalten. Ein ökologischer und sozial blinder Massentourismus mit
klimaschädlichen Kreuzfahrtschiffen, endloser Müllproduktion und riesigem
Ressourcenverbrauch hat keine Zukunft. In einem nachhaltigen Tourismus liegen hingegen
riesige Chancen. Nachhaltigen oder sanften Tourismus wollen wir gerade in ländlichen
Regionen gezielt entwickeln, zum Beispiel durch den Ausbau touristischer Rad- und
Wasserwege. Mit einem Jedermannsrecht in öffentlichen Gebieten, wie in Skandinavien üblich,
wollen wir Natur für alle erlebbar machen. Die Bahn soll zum Tourismus-Reisemittel Nr. 1
werden – durch ein europäisches Nachtzugnetz und die gezielte Anbindung touristischer
Regionen an das Bahnnetz. So kann der Tourismus dabei mithelfen, eine Welt zu erhalten, die
es sich auch in Zukunft noch zu bereisen lohnt.
Wir geben dem Markt einen sozial-ökologischen Rahmen
Wohlstand neu bemessen
Wohlstand definiert sich nicht allein durch Wachstum des BIP, sondern lässt sich viel
breiter als Lebensqualität verstehen. Wir wollen den wirtschaftlichen Erfolg Deutschlands
und der Unternehmen nicht nur an Wachstum und Rendite, sondern auch anhand sozialer,
ökologischer und gesellschaftlicher Kriterien messen und die Wirtschaftsförderung
entsprechend ausrichten. Dafür soll in Zukunft neben dem Jahreswirtschaftsbericht ein
Jahreswohlstandsbericht veröffentlicht werden. Dieser berücksichtigt dann zum Beispiel auch
den Beitrag des Naturschutzes, einer gerechten Einkommensverteilung oder auch guter Bildung
zum Wohlstand unserer Gesellschaft.
Den europäischen Green Deal ambitioniert gestalten
Mit dem Europäischen Green Deal hat die EU-Kommission ein Programm vorgelegt, um die
Europäische Union zum ersten klimaneutralen Kontinent zu machen. Es umfasst
Gesetzesvorschläge in den Bereichen Klima- und Umweltschutz sowie für eine gestärkte
Wettbewerbsfähigkeit, Energiesicherheit und Innovationsdynamik einer dekarbonisierten
europäischen Wirtschaft. Wir setzen uns für eine ambitionierte Ausgestaltung und eine
ehrgeizige Umsetzung auf allen Ebenen ein. Wir machen weiter Druck, damit die ökologische
Wende dazu beiträgt, Ungleichheit zu verringern. In der Landwirtschaftspolitik kämpfen wir
dafür, dass die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik und ihre Umsetzung unter die Ziele des
Green Deal gestellt werden, da sie immense Auswirkungen auf Umwelt- und Artenschutz
entfalten. In der Handelspolitik wollen wir Umwelt- und Sozialkapitel von zukünftigen
Handelsverträgen rechtsverbindlich und sanktionierbar machen.
Die Macht des europäischen Binnenmarkts für die Transformation nutzen
Der europäische Binnenmarkt ist eine Erfolgsgeschichte, die gerade im globalen Wettbewerb
auf seinen hohen Standards beruht: im Verbraucher- und Datenschutz, im Umwelt- und
Gesundheitsschutz sowie für die soziale und Produktsicherheit. Diese hohen Standards wollen
wir im Sinne einer sozial-ökologischen Transformation des Binnenmarkts erhalten und
ausbauen, denn sie stärken die Innovationskraft der Unternehmen, ermöglichen die Ausnutzung
von Skaleneffekten und begünstigen den internationalen Handel. Um die Digitalisierung zu
gestalten, müssen wir Dienstleistungen von Plattformen und ihre Marktmacht regulieren. Die
globale Lenkungswirkung des Binnenmarkts wollen wir steigern, indem wir sicherstellen, dass
Unternehmen auf dem europäischen Markt auch international Verantwortung für ihre
Produktions- und Vertriebsweise entlang der gesamten Wertschöpfungskette übernehmen. Die
Handlungsspielräume von Kommunen in Europa wollen wir erhalten und die Daseinsvorsorge vor
Liberalisierungsdruck schützen.
Sozialunternehmen und Genossenschaften stärken
Wir wollen die Bereiche der Wirtschaft stärken, in denen langfristige Nachhaltigkeit mehr
zählt als kurzfristige Rendite. Wir unterstützen insbesondere Genossenschaften und
Sozialunternehmen, weil sie gesellschaftliche Anliegen mit unternehmerischem Handeln
verbinden. Dafür schaffen wir zielgruppenspezifische Finanzierungsinstrumente und wollen die
Programme der klassischen Gründungs- und Innovationsfinanzierung ausweiten. Unser Ziel ist
eine Gründungswelle neuer Genossenschaften und von sozial-ökologisch inspirierten
Unternehmen. Dazu werden wir die Rahmenbedingungen für ihr Wirtschaften systematisch
verbessern und bestehende Benachteiligungen beseitigen. Den Gründungszuschuss der
Arbeitsagenturen wollen wir nicht allein vom wirtschaftlichen Gewinn, sondern auch von
Erfolgskriterien von Social Start-ups abhängig machen. Nicht genutzte Guthaben auf
verwaisten Konten wollen wir – sofern keine Erbansprüche vorhanden sind – für einen Fonds
nutzen, der zielgerichtet in nachhaltige und soziale Innovationen investiert.
Verantwortungseigentum stärken
Wir setzen uns für die Einführung einer Unternehmensform für Verantwortungseigentum ein.
Immer mehr Unternehmer*innen verstehen ihr Unternehmen nicht als individuell konsumierbares
Vermögen. Sie wollen, dass der Zweck ihres Unternehmens nicht dem kurzfristigen Shareholder-
Value dient, sondern langfristig dem Sinn und Zweck des Unternehmens. Dafür brauchen sie
eine Rechtsform, die eine hundertprozentige Vermögensbindung an das Unternehmen ermöglicht
und ansonsten die Flexibilität der GmbH beibehält. Gewinne werden reinvestiert oder
gespendet. Die Stimmrechte so einer „Gesellschaft mit gebundenem Vermögen“ können von den
Beschäftigten im Kollektiv oder von Einzelnen treuhänderisch gehalten werden – sie werden
nicht meistbietend verkauft, sondern, ähnlich wie in anwaltlichen Partnerschaften, immer an
aktiv mit dem Unternehmen verbundene Personen weitergegeben.
Wir bringen die Digitalisierung voran
Eine europäische Cloud-Infrastruktur
Daten sind die Schlüsselressource der digitalen Welt, insbesondere für Technologien wie die
Künstliche Intelligenz. Gerade im industriellen Bereich wollen wir neue Ansätze schaffen, um
eine gemeinsame, freiwillige Nutzung nicht personenbezogener Daten zum Beispiel aus
Entwicklungs- und Fertigungsprozessen zu verbessern und rechtssicher zu gestalten. Davon
profitiert vor allem der Mittelstand. Hierfür braucht es klare gesetzliche Spielregeln für
kooperative und dezentrale Datenpools und Datentreuhandmodelle, die eine gemeinsame und
durch Kartellbehörden überprüfbare Nutzung dieser Daten ermöglichen. Wir wollen eigene
europäische Standards und Regeln setzen. Die eigene kritische Infrastruktur wollen wir
schützen und eine gemeinsame europäische Cloud-Infrastruktur verwirklichen.
Hightech-Standort ausbauen
Die rasante Entwicklung des Corona-Impfstoffs von Wissenschaftler*innen und
Unternehmer*innen aus Mainz hat gezeigt, welche Innovationskraft in unserer Forschungs- und
Unternehmenslandschaft steckt. Eine Innovationskraft, die der Staat mit Tempo und
entschlossenen Investitionen unterstützen muss. Vor allem die Bereiche Künstliche
Intelligenz (KI), Quantencomputing-, IT-Sicherheits-, Kommunikations- und Biotechnologie
oder auch die weitere Entwicklung von ökologischen Batteriezellen wollen wir besonders
fördern, damit wir unsere technologische Souveränität sichern können und in der weltweiten
Konkurrenz vorne mitspielen. Dabei legen wir einen besonderen Fokus darauf, die ökologischen
und sozialen Potenziale der Technologien zu heben. So verbessern Innovationen die
Lebensbedingungen der Menschheit und sichern den Wohlstand von morgen. Um im internationalen
Standort-Wettbewerb mithalten zu können, bedarf es einer starken europäischen Vernetzung von
Spitzenforschung. Wir investieren in Spitzenforschung und die Bildung von Clustern in diesen
Bereichen. Den Hightech-Standort auszubauen, heißt aber auch, die dringend benötigten
Talente anzuziehen. In der Forschung bedeutet das, für Spitzenwissenschaftler*innen auch
Spitzengehälter zu zahlen.
Start-up-Wagniskapital eine Richtung geben
Wir müssen nicht nur technologisch exzellent sein, sondern bahnbrechende Technologien auch
in neue Geschäftsmodelle, Märkte, Dienstleistungen und Produkte umwandeln können.
Fördermöglichkeiten und Netzwerke für Start-ups und junge Unternehmen auf nationaler und
europäischer Ebene können den Unterschied zwischen einer guten Idee auf dem Flipchart und
einem weltweit erfolgreichen Unternehmen ausmachen. Ein staatlicher Wagniskapitalfonds kann
helfen, unseren Gründer*innen dauerhaft eine Heimat zu geben. Wir fordern, noch mehr und
noch schneller zu investieren. Es geht aber auch darum, Kapital eine Richtung zu geben. Der
Zukunftsfonds muss mehr nachhaltige Leuchtturm-Projekte finanzieren, dabei insbesondere in
Bereiche wie Greentech, Künstliche Intelligenz, nachhaltige Mobilität oder Life-Sciences,
deren hochkomplexe Geschäftsmodelle keine einfache Finanzierung am Markt bekommen.
Internetgiganten regulieren
Wir setzen uns für einen funktionierenden und fairen Wettbewerb auf digitalen Märkten ein.
Durch übermäßige Marktmacht einzelner Internetgiganten wird dieser eingeschränkt oder gar
aufgehoben. Relevante Erwerbsvorgänge von Tech-Konzernen sollten durch das Bundeskartellamt
geprüft werden, um den strategischen Aufkauf von aufkeimender Konkurrenz („Killer
Acquisitions“) zu verhindern. Dabei sollten Datenschutzbehörden eine Gelegenheit zur
Stellungnahme erhalten. Die Interoperabilität ihrer digitalen Dienste sowie
Datenportabilität sind wo immer möglich von bereits marktbeherrschenden Unternehmen
verpflichtend zu gewährleisten. Unter dem Dach eines eigenständigen europäischen Kartellamts
wollen wir deshalb eine europäische Digitalaufsicht etablieren, die als Frühwarnsystem
fungiert und sanktionsbewährte Kooperations- sowie Transparenzpflichten aussprechen kann.
Unternehmen sollen auch unabhängig von einem Missbrauch aufgespalten werden können, wenn
ihre Marktmacht zu groß wird.
Mehr Frauen in der Digitalwirtschaft
Alle sollen an der Gestaltung der digitalen Transformation beteiligt sein und ihre
Potenziale einbringen können. Deshalb werden wir eine Strategie „Frauen in der
Digitalisierung“ vorlegen und umsetzen. Mädchen sollen schon in der Grundschule für
Digitalthemen begeistert werden und ohne Technikgenderstereotype aufwachsen. Wir brauchen an
den Hochschulen eine geschlechtersensible Lehre, die gezielte Ansprache von Frauen für
Informatikstudiengänge sowie mehr Frauen in den Hochschulgremien, wo diese
Richtungsentscheidungen getroffen werden. In der Digitalbranche ist ein Kulturwandel
erforderlich, auch um unser volles Innovationspotenzial auszuschöpfen. Freiwillige und
verpflichtende Maßnahmen für die Unternehmen sind notwendig, um diskriminierungsfreie
Arbeitsplätze und einen gleichberechtigten Zugang zu Gestaltungspositionen in der digitalen
Transformation zu ermöglichen. Für staatliche Institutionen soll Diversität ein Leitprinzip
für alle Digitalstrategien sein.
Transparente Algorithmen
Datenverarbeitende und selbstlernende Systeme haben das Potenzial, neues Wissen zu
generieren und so nachhaltigeres Handeln zu ermöglichen. Autonom entscheidende Systeme sind
nicht neutral. Sie beruhen auf Daten und damit auch auf Werten und Vorurteilen aus der
analogen Welt. Wir wollen daher Transparenz, Überprüfbarkeit und Grenzen, damit
algorithmische Entscheidungssysteme nicht diskriminierend wirken. Wir schaffen einen nach
Risiken abgestuften Ordnungsrahmen für den Einsatz automatischer Systeme, klare Regeln zur
Nachvollziehbarkeit, zum Datenschutz und zur Datenqualität, um Kontrolle und Haftung zu
ermöglichen. Das bedeutet auch eine Modernisierung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes
sowie strenge Kriterien für den Einsatz von algorithmischen und automatischen
Entscheidungen, insbesondere in der öffentlichen Verwaltung. Auch Plattformanbieter müssen
ihre automatisierten Entscheidungen, Vergleiche oder Preise transparent machen und erklären
können.
IT-Sicherheit als Standortfaktor
Gute IT-Sicherheit und klare rechtsstaatliche Standards sichern Grundrechte und sind die
Voraussetzung, damit der digitale Wandel gelingt. Der Staat bleibt in der Pflicht, diese zu
gewähren. Gute IT-Sicherheit ist längst auch ein wichtiger Standortfaktor. Wer digital
souverän sein will, muss entsprechend handeln und darf die Sicherheit aller nicht
unterlaufen. Wir setzen Anreize für beste IT-Sicherheit durch unabhängige Auditierungen und
Zertifizierungen und wollen vor allem die KMUs sehr viel stärker durch ein dezentrales und
unabhängiges IT-Beratungsnetzwerk unterstützen. Wir stärken unabhängige Aufsichtsstrukturen
und schaffen neue Sanktionsmechanismen. Die IT-Sicherheit gefährdende Maßnahmen, wie den
Handel und das staatliche Offenhalten von Sicherheitslücken, wollen wir beenden und eine
Meldepflicht schaffen. Ein effektiver und moderner Datenschutz schützt die Menschenwürde und nimmt verstärkt auch die Gesellschaft in Gänze in den Blick, um die Abwehr auch überindividueller Risiken kollektiv zu gestalten. Wir setzen Anreize für guten Datenschutz und beste IT-Sicherheit, wollen innovative, technische Ansätze zum effektiven Schutz der Privatsphäre ausbauen und Auditierungen und europäisch einheitliche Zertifizierungen vorantreiben. Vor allem KMUs sollen sehr viel stärker durch ein dezentrales und unabhängiges IT-Beratungsnetzwerk unterstützt werden. Als Staat selbst muss dieser mit gutem Beispiel vorangehen, die wichtige Arbeit der Aufsichtsbehörden stärker unterstützen sowie ihre Kooperation im föderalen und europäischen Zusammenspiel verbessern, bis hin zur gemeinsamen Aufgabenwahrnehmung und Durchsetzung. Die Unabhängigkeit des BSI stärken wir. Bei staatlichen IT-Projekten muss IT-Sicherheit von Anfang an mitgedacht und implementiert werden. Zudem wollen wir die Entwicklung sicherer Hardware gezielt fördern. Im Sinne der Nachhaltigkeit digitaler Produkte führen wir eine Verpflichtung zu einer angemessenen, risikoorientierten und benutzerfreundlichen Bereitstellung von Sicherheitsupdates ein. Beim Ausbau digitaler Infrastrukturen, wie z.B. 5G, wollen wir die Integrität unserer kritischen Infrastruktur, die digitale Souveränität Europas und die Einhaltung der Menschenrechte wie das Recht auf Privatsphäre sicherstellen. Dafür sind einerseits höchste IT-Sicherheitsstandards für Komponenten in digitalen Infrastrukturen nötig. Andererseits wollen wir die technologische Unabhängigkeit Europas durch verstärkte Eigenentwicklungen und -produktionen, durch vielfältige digitale Ökosysteme und offene Standards stärken. Um Gefahrenlagen konkret bewerten zu können, müssen neben technischen, auch rechtliche, rechtsstaatliche, sicherheitsrelevante und geostrategische Aspekte in die Prüfung einbezogen werden. Eine Beteiligung von nicht vertrauenswürdigen Unternehmen, insbesondere aus autoritären Staaten an kritischer Infrastruktur lehnen wir ab.
Wir kämpfen für einen fairen und nachhaltigen Handel
Neustart für gute Handelsverträge
Handel ist eine wichtige Grundlage unseres Wohlstandes: Fairer Handel trägt zur Vertiefung
internationaler Partnerschaften und damit auch zu einer sicheren Welt bei. Gerade in Zeiten,
die zunehmend unter den Vorzeichen eines Systemwettbewerbs zwischen demokratischen Staaten
und China stehen, setzten wir auf eine proaktive Handelspolitik. Wir wollen einen
multilateralen Welthandel und Handelsabkommen, die dem Wohlstand aller Menschen dienen, die
Umwelt- und Klimaschutz einfordern und die Beziehungen mit unseren Partnern im Einsatz für
Demokratie und Freiheit stärken. Eine Zersplitterung von Handelsbeziehungen erschwert ein
internationales Miteinander. Die Chance, mit der neuen US-Administration die
Handelskonflikte beizulegen und einen transatlantischen Markt für klimaneutrale Produkte zu
schaffen, wollen wir ergreifen. Umweltschädliche Abkommen wie das EU-Mercosur-Abkommen mit
lateinamerikanischen Staaten lehnen wir ab. Europa kann aufgrund des großen gemeinsamen
Binnenmarktes selbstbewusst in Handelsverhandlungen gehen. Europäische Handelsverträge
müssen verbindliche und durchsetzbare Umwelt- und Sozialstandards enthalten. Dazu zählt, das
Pariser Klimaschutzabkommen sowie ILO-Kernarbeitsnormen zur Bedingung und einklagbar zu
machen. Handelsabkommen sollten nicht nur Rechte für Unternehmen, sondern auch ihre
Pflichten regeln. Deshalb setzen wir uns für einen multilateralen Handelsgerichtshof bei den
Vereinten Nationen ein, der beides abdeckt. Internationale Konzerne dürfen durch Handels-
und Investitionsklagen nicht noch mächtiger werden, daher lehnen wir Klageprivilegien für
ausländische Investoren ab. Die EU sollte aus dem vollkommen aus der Zeit gefallenen
Energiecharta-Vertrag aussteigen. Am CETA-Abkommen haben wir erhebliche Kritik. Wir wollen
daher das CETA-Abkommen in seiner derzeitigen Fassung nicht ratifizieren, sondern es bei der
Anwendung der derzeit geltenden Teile belassen.
Aktive Außenwirtschaftspolitik und fairer Wettbewerb
Damit gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Marktteilnehmer*innen gelten, muss Europa
reagieren können, wenn aus Drittländern mit unfairen Mitteln auf dem europäischen
Binnenmarkt agiert wird, sowie eine aktive Außenwirtschaftspolitik betreiben. Dafür müssen
Anti-Dumping- und Anti-Subventionsinstrumente weiterentwickelt werden, um ein Level Playing
Field auf globalen Märkten zu erreichen. Die Anti-Dumping-Regeln müssen noch stärker als
bisher auch bei Dumping durch niedrige ökologische und soziale Standards anwendbar sein.
Durch eine Reform des EU-Beihilferechts können Wettbewerbsverzerrungen durch staatlich
geförderte Konzerne aus anderen Weltregionen verhindert werden. Die deutsche Exportförderung
muss in Zukunft – anstelle von fossilen Anlagen und Kraftwerken – Hidden Champions
unterstützen, die Hightech für bessere Umwelt- und Lebensbedingungen herstellen. Mit der EU-
Kommission setzen wir uns für einen Grenzausgleich von CO2-Kosten ein, damit ambitionierter
Klimaschutz nicht zum Wettbewerbsnachteil wird. Fairer Wettbewerb braucht auch neue
rechtliche Instrumente gegen den wettbewerbsverzerrenden Charakter von Subventionen
ausländischer Regierungen für aufgekaufte europäische Unternehmen und deren Produktionen in
Europa.
Fairer Handel für eine nachhaltige Entwicklung im globalen Süden
Die Entwicklungschancen der Länder des globalen Südens sind stark davon abhängig, wie fair
die Handelspolitik gestaltet wird. Fairer Handel muss zum Standard werden. Dieser muss sich
am Pariser Klimaabkommen sowie an der Agenda für nachhaltige Entwicklung orientieren. Es
braucht im Sinne einer nachhaltigen globalen Strukturpolitik dringend eine gerechte
Handelspolitik mit den Ländern des globalen Südens, die regionale Wertschöpfung, regionalen
Handel und Integration fördert und ihnen genügend Raum lässt, durch Zölle und Quoten ihre
Märkte zu schützen sowie durch Exportsteuern die Ausfuhr heimischer Rohstoffe zu
beschränken. So wird der Aufbau heimischer Industrien gefördert. Zölle für
Entwicklungsländer auf verarbeitete Produkte sollen gesenkt bzw. abgeschafft werden.
Lieferkettengesetz europäisch umsetzen
Viel zu oft kaufen wir Dinge, deren Herstellung auf dem Raubbau an Mensch und Natur basiert,
obwohl wir das gar nicht wollen. Damit Unternehmen künftig Umwelt- und Sozialstandards sowie
Menschenrechte entlang der gesamten internationalen Produktions- und Lieferkette
durchsetzen, braucht es ein verbindliches und wirksames Lieferkettengesetz auf nationaler
wie europäischer Ebene. Kern einer solchen Regelung stellt eine zivilrechtliche Haftung dar,
auf deren Grundlage Unternehmen im Schadensfall zur Verantwortung gezogen werden können.
Zugleich ermöglicht ein verbindlicher Rahmen gleiche Wettbewerbsbedingungen am Markt und
schafft Rechtssicherheit. Auf EU-Ebene werden wir uns zudem für einen Importstopp für
Agrarprodukte einsetzen, die im Zusammenhang mit illegaler Entwaldung und
Menschenrechtsverletzungen wie Vertreibung stehen. Weltweit wird Wald, insbesondere so
wichtiger Tropen-, Ur- und Mangrovenwald, mit fortschreitender Geschwindigkeit abgeholzt und
abgebrannt – auch für den Anbau von Soja und Palmöl oder zur Produktion von Leder, die in
die EU importiert werden. Die EU-Holzhandelsverordnung wollen wir stärken und Strategien zur
Reduktion von Palmöl und Soja in Deutschland voranbringen. Zur Kompensation gerodeter Wälder
fördern wir hier und weltweit Wiederbewaldung und Renaturierung ohne Monokulturen.
Wir machen die Finanzmärkte stabiler und nachhaltiger
Grüne Finanzmärkte
Noch immer werden Milliarden in fossile Energien – und damit gegen unsere Zukunft –
investiert. Wir werden durchsetzen, dass sich die öffentliche Hand vollständig aus diesen
Investitionen zurückzieht. Öffentlich-rechtliche Banken und Pensionsfonds müssen eine
Vorreiterrolle bei der grünen Finanzwende und dem Divestment einnehmen. Klimarisiken sollen
offengelegt und bei Banken und Versicherungen mit Eigenkapital unterlegt werden sowie bei
Ratings berücksichtigt werden. Alle Anlagen, nicht nur grüne, müssen eine
Nachhaltigkeitsbewertung haben, die für alle Anleger*innen transparent ist. Dabei sind neben
den Klimazielen auch andere Umweltwirkungen, Menschenrechte, Arbeitsnormen und
Entwicklungsziele zu berücksichtigen. In der Anlageberatung muss diese Bewertung einfließen.
Für besonders nachhaltige Finanzprodukte wollen wir ein EU-Label schaffen. So sorgen wir
dafür, dass Kapital von schmutzigen in grüne und nachhaltige Investitionen umgelenkt wird.
Saubere Bilanzen am deutschen Kapitalmarkt
Beim Bilanzskandal Wirecard sind die zuständigen Wirtschaftsprüfer*innen und die staatliche
Aufsicht an ihrer Aufgabe gescheitert. Erst nachdem ein neues Unternehmen auf die Bilanzen
blickte, wurde ordentlich geprüft, während man die Jahre davor immer wieder Bilanzen
durchwinkte, um die eigenen Versäumnisse der Vorjahre zu vertuschen. Wir wollen, dass
Unternehmen in der Regel nach sechs Jahren ihre Wirtschaftsprüfer*in wechseln müssen.
Wirtschaftsprüfungsgesellschaften dürfen nicht gleichzeitig Unternehmen beraten, die sie
prüfen. Wirtschaftsprüfer*innen sollen nicht vom Unternehmen selbst, sondern von
Unabhängigen ausgewählt werden. Die Aufdeckung von Bilanzbetrug muss als Ziel gesetzlich
verankert werden. Wirtschaftsprüfungsgesellschaften müssen wirksam staatlich beaufsichtigt
werden. Die persönliche Haftung von Entscheider*innen in Unternehmen muss bei
Rechtsverstößen tatsächlich wirksam werden. Auch Aufsichtsräte müssen gestärkt und kompetent
besetzt werden. Die Vergütung von Vorständen muss sich am langfristigen Unternehmenserfolg
statt am kurzfristigen Börsenkurs orientieren.
Eine Finanzaufsicht mit Zähnen
Wir brauchen eine Finanzaufsicht mit Zähnen, die Missstände aufzeigt, statt sie zu
ermöglichen. Bei Wirecard hat auch die deutsche Finanzaufsicht (BaFin), wie so häufig zuvor,
kläglich versagt. Als Aufseher verbot die BaFin Leerverkäufe gegen Wirecard und zeigte
Journalist*innen an, die Unregelmäßigkeiten aufdeckten. Das kam einem Persilschein für
Wirecard gleich. Anleger*innen haben im Ergebnis nicht nur ihr Geld, sondern zugleich auch
das Vertrauen in den Finanzplatz Deutschland und seine Aufsicht verloren. Für ehrliche
Unternehmen wird die Finanzierung so künftig schwieriger und teurer. Kultur und
Selbstverständnis der BaFin müssen sich deshalb komplett ändern. Es braucht eine
Fehlerkultur innerhalb der Aufsicht und eine Kultur der Skepsis und des Hinterfragens. Wir
wollen eine Finanzpolizei mit umfassenden Prüfungsrechten schaffen, die Informationen mit
allen zuständigen Behörden im In- und Ausland austauscht.
Das Bankgeschäft muss wieder langweilig werden
Auch über zehn Jahre nach der Finanzkrise geht von Banken noch immer eine Gefahr für die
Wirtschaft aus. Noch immer ist nicht ausgeschlossen, dass im Falle einer Pleite die
Steuerzahler*innen haften. Wir wollen deshalb zurück zum „Boring Banking“. Banken sollen
nicht spekulieren, sondern die Realwirtschaft finanzieren. Statt der immer
undurchsichtigeren Regulierungsflut wollen wir einfache und harte Regeln. Die
Regulierungslücken bei Schattenbanken, Zahlungsdienstleistern und Fintechs schließen wir,
jedes Produkt und jeder Akteur muss reguliert sein. Wir werden die Schuldenbremse (Leverage
Ratio) für Banken verbindlich machen und schrittweise erhöhen. Das riskante
Investmentgeschäft muss vom Einlagen- und Kreditgeschäft getrennt werden
(Trennbankensystem). Es braucht eine starke Fusionskontrolle und zu große Banken sollen
entflochten werden. Für kleine Banken, von denen kein Risiko für das Finanzsystem ausgeht,
sollten hingegen einfachere Regeln gelten. Spekulation und Kurzfristorientierung werden wir,
unter anderem durch eine europäische Finanztransaktionssteuer mit breiter
Bemessungsgrundlage, unattraktiv machen.
Schmutziges Geld einziehen
Unser Land ist derzeit ein Paradies für Geldwäsche. Wir werden mit einer umfassenden
Strategie gegen Geldwäsche vorgehen. Bei allen Gesellschaften, Stiftungen und sonstigen
Konstrukten muss umfassende Transparenz über die wirtschaftlich Berechtigten bestehen.
Lücken und Umgehungsmöglichkeiten des Transparenzregisters werden geschlossen. Die
Finanzaufsicht muss in der Geldwäschebekämpfung eine aktive Rolle spielen, statt
Verdachtsmeldungen nur weiterzureichen. Im Nichtfinanzsektor, gerade bei Immobilien, bleibt
Geldwäsche besonders oft unentdeckt. Wir werden bundesweite Mindeststandards für Prüfungen,
Ressourcen und Personal durchsetzen. Die Zuständigkeit für die Bekämpfung der Geldwäsche
soll vollständig auf den Bund übergehen. Illegale Gelder und Vermögenswerte werden wir
umfassend abschöpfen. Das Einfrieren von verdächtigen Finanztransaktionen wollen wir
erleichtern und die Dauer von Transaktionsverboten verlängern, um die Strafverfolgung zu
sichern.
Digitalen Euro einführen
Digitales Bezahlen gewinnt in unserem Alltag stetig an Bedeutung. Es ist bequem, schnell und
kontaktlos und soll noch sicherer werden. Wir wollen, dass die Europäische Zentralbank (EZB)
einen digitalen Euro schafft. Sie gewährleistet dabei Daten- und Rechtssicherheit für
Verbraucher*innen und Unternehmen. Sie wirkt ungerechtfertigten Kosten durch Oligopole
entgegen. Private Firmen können auf dieser Grundlage Produkte und Apps aufbauen. Ein
digitaler Euro löst klassisches Bargeld nicht ab, sondern ergänzt es. Eine Aushöhlung des
Geld- und Währungsmonopols durch private Währungen lehnen wir strikt ab. Bei allen digitalen
Zahlungen und Kryptowährungen müssen die tatsächlichen wirtschaftlich Berechtigten analog zu
Regelungen beim Bargeld ab einer gewissen Schwelle ermittelt werden. Zur Bekämpfung von
Verbrechen wie Geldwäsche, Darstellung sexualisierter Gewalt gegen Kinder,
Steuerhinterziehung und Terror-Finanzierung braucht es auch für den Bereich des digitalen
Bezahlens klare Regeln.
Wir vollenden die Europäische Wirtschafts- und
Währungsunion
In Europas Zukunft investieren
Europas Gesellschaften und Unternehmen leben von einer starken öffentlichen Infrastruktur.
Daher ist es umso gefährlicher, dass in den letzten Jahren so sehr auf Verschleiß gefahren
und nicht investiert wurde. In wichtigen Zukunftsfeldern wie der Digitalisierung oder der
Batterieproduktion droht Europa den Anschluss zu verlieren. Wir werden in der EU konsequent
in Klimaschutz, Digitalisierung, Forschung und Bildung investieren. Dafür weiten wir den EU-
Haushalt deutlich aus und statten ihn mit eigenen Einnahmen aus. Die EU soll die Einnahmen
des CO2-Grenzausgleichs erhalten. Auch die Besteuerung von Plastik und Digitalkonzernen und
möglichst auch der Finanztransaktionen soll den EU-Haushalt stärken. Den neu geschaffenen
Wiederaufbaufonds verstetigen wir, integrieren ihn fest in den EU-Haushalt, ermöglichen so
eine demokratische Kontrolle und nutzen ihn auch dauerhaft, um in wichtige Zukunftsbereiche
zu investieren, etwa gemeinsame europäische Energienetze oder ein Schnellbahnnetz. Wir
wollen gemeinsam mit unseren europäischen Partnern den Stabilitäts- und Wachstumspakt so
reformieren, dass ein zu hoher Spardruck verhindert wird und Zukunftsinvestitionen in allen
Mitgliedsländern weiter erhöht werden können.
Währungsunion vollenden, Europa krisensicher aufstellen
Es war ein Fehler, dass die Konservativen jahrzehntelang eine eigene Fiskalpolitik Europas
verhindert haben. Wir wollen dafür Sorge tragen, dass die EU ein Instrument für eine
dauerhafte, eigene Fiskalpolitik erhält, dessen Einsatz im Krisenfall nicht durch einzelne
Länder blockiert werden kann, sondern das den gemeinsamen europäischen Institutionen
untersteht. Der Europäische Stabilitätsmechanismus wird zu einem europäischen Währungsfonds
weiterentwickelt. In ihm erhalten die Länder eine nicht konditionierte kurzfristige
Kreditlinie. So wird Spekulation gegen einzelne Staaten schon im Vorfeld abgewendet. Die
Bankenunion wird durch eine gemeinsame Einlagensicherung als Rückversicherung vollendet,
damit ein Euro überall gleich viel wert ist. Wir stehen zur Unabhängigkeit der Europäischen
Zentralbank und befürworten ein breiteres Mandat, das ihr erlaubt, gleichberechtigt zur
Preisstabilität auch Wohlstandsmehrung und hohe Beschäftigung anzustreben. Durch eine
gemeinsame Fiskalpolitik entlasten wir die Zentralbank und sorgen dafür, dass sie künftige
Brände nicht wieder alleine löschen muss.
Euro zur Leitwährung machen
Wir wollen, dass sich der Euro zu einer glaubwürdigen, internationalen Leitwährung
entwickelt, damit Europa seine Souveränität bewahrt und ausbaut. Langfristig soll ein
starker und stabiler Euro seinen Platz in einem kooperativen globalen Weltwährungssystem
finden. Der Euro ist ein wesentlicher Baustein einer umfassenden Strategie, die europäische
Werte auf der globalen Ebene stärkt und durchsetzt. Wir werden sichere europäische
Vermögenswerte schaffen, in denen die Welt sparen kann. In Zukunftsmärkten wie Investitionen
in Klimaschutz soll der Euro das internationale Zahlungsmittel werden. Um die internationale
Rolle des Euro zu stärken, braucht es aber auch inner-europäische Solidarität: Wir wollen
Ungleichgewichte gemeinsam in Überschuss- und Defizitländern reduzieren sowie wirtschafts-
und finanzpolitische Entscheidungen als Gemeinschaft treffen.
Wir haushalten solide, weitsichtig und gerecht
Bundeshaushalt wird zukunftstauglich
Wir wollen den Bundeshaushalt nachhaltiger und gerechter machen. Nachhaltiger wird er, wenn
wir die umweltschädlichen Subventionen endlich beenden. Immer noch subventionieren die
öffentlichen Haushalte des Landes mit über 50 Milliarden Euro klimaschädliches Verhalten,
zum Beispiel mit der Subvention für Diesel oder schwere Dienstwagen. Wir werden diese
Subventionen schrittweise abbauen und den Bundeshaushalt klimagerecht machen. In einem
ersten Schritt können wir so über 10 Milliarden Euro jährlich einnehmen und sie für die
Finanzierung von Klimaschutz und sozialer Gerechtigkeit einsetzen. Für die Ausgaben des
Bundes streben wir eine Klimaquote an, die schrittweise steigen soll. Zur Finanzierung
dieser nachhaltigen Ausgaben setzen wir auf grüne Anleihen. Mit Gender-Budgeting erreichen
wir eine konsequente Berücksichtigung und Einbeziehung von Gleichstellungsaspekten bei
finanz- und haushaltspolitischen Entscheidungen. Das macht den Haushalt gerechter.
Sorgsamer Umgang mit Steuergeld
In den vergangenen Jahren wurde im großen Umfang Geld im Bundeshaushalt verschwendet. Die
Pkw-Maut war ein Desaster mit Ansage. Das Verteidigungsministerium hat Millionen in teure
Beraterverträge versenkt. Schlecht gemachte öffentlich-private Partnerschaften haben sich
für die privaten Unternehmen als lukrativ und für die Steuerzahler*innen als teuer erwiesen.
Wir werden sorgsam mit dem Geld der Steuerzahler*innen umgehen. Wir werden künftig
Transparenz herstellen und ÖPP-Verträge veröffentlichen. Infrastruktur wird die öffentliche
Hand künftig wieder selbst finanzieren und kann so auf ÖPP-Verträge verzichten. Im
Straßenbau wollen wir ÖPP-Projekte gesetzlich ausschließen. Die Kontrolle bei Bauvorhaben
und großen öffentlichen Beschaffungen wird verbessert.
Schuldenbremse reformieren, Investitionsregel einführen
Deutschland verfügt auch nach der Corona-Krise über tragfähige Staatsfinanzen. Die Zinsen
sind historisch niedrig, das Vertrauen in deutsche Staatsanleihen ist hoch. Wir haben aber
ein Zukunftsproblem. Die Erde erhitzt sich, die Schulen verfallen und Deutschland gehört
beim schnellen Internet zu den Schlusslichtern der EU. Wir investieren zu wenig in unser
Land. Das sind Schulden, die nicht in den Büchern stehen, aber unseren Wohlstand gefährden.
Wir wollen die Schuldenbremse im Grundgesetz zeitgemäß gestalten – um die so dringenden
Investitionen zu ermöglichen. Bei konsumtiven Ausgaben bleibt es bei den derzeitigen
strikten Regelungen; bei Investitionen, die neues öffentliches Vermögen schaffen, erlauben
wir eine begrenzte Kreditaufnahme. So schaffen wir öffentliches Vermögen, das uns allen
gehört, denn die Rendite öffentlicher Investitionen ist hoch, während der Bund keine Zinsen
für seine Kredite bezahlt. Das schafft ein hohes und nachhaltiges Wirtschaftswachstum, das
sicherstellt, dass unsere Schulden im Verhältnis zur Wirtschaftskraft weiter abnehmen. Die
kluge Unternehmerin spart nicht, sie investiert. Der kluge Staat tut es ihr gleich.
Mehr Steuergerechtigkeit schaffen
Steuern sind die Grundlage für die Finanzierung unseres Gemeinwesens. Angesichts der Corona-
Krise wird die öffentliche Haushaltslage in den kommenden Jahren sehr angespannt sein. Daher
müssen alle Veränderungen im Steuerrecht mindestens aufkommensneutral sein. Ziel ist, dass
alle einen fairen Beitrag leisten. Heute aber tragen die obersten 10 Prozent der Einkommen
über Steuern und Abgaben relativ weniger bei als die mittleren Einkommen. Das ändern wir,
indem wir den Grundfreibetrag der Einkommensteuer erhöhen, um kleine und mittlere Einkommen
zu entlasten. Im Gegenzug wollen wir den Spitzensteuersatz moderat anheben. Ab einem
Einkommen von 100.000 Euro für Alleinstehende und 200.000 Euro für Paare wird eine neue
Stufe mit einem Steuersatz von 45 Prozent eingeführt. Ab einem Einkommen von 250.000 bzw.
500.000 Euro folgt eine weitere Stufe mit einem Spitzensteuersatz von 48 Prozent. Zusätzlich
werden hohe Managergehälter oberhalb von 500.000 Euro nicht mehr zum Abzug als
Betriebsausgaben zugelassen. Die Abgeltungsteuer für Kapitalerträge schaffen wir ab und
besteuern diese Einkommen wieder progressiv. Damit zahlen diejenigen mit hohen Zinseinkommen
und Spekulationsgewinnen höhere Steuern, Aktienkleinanleger*innen werden entlastet. Mit der
immer stärker steigenden Ungleichheit finden wir uns nicht ab, sondern wollen große Vermögen
nach der Corona-Krise wieder besteuern. Dafür gibt es verschiedene Instrumente. Die
Einführung einer neuen Vermögensteuer für die Länder ist unser bevorzugtes Instrument. Die
Länder sollten die Einnahmen dieser Steuer für die Finanzierung der wachsenden
Bildungsaufgaben einsetzen. Die Vermögensteuer sollte für Vermögen oberhalb von 2 Millionen
Euro pro Person gelten und jährlich 1 Prozent betragen. Begünstigungen für Betriebsvermögen
werden wir im verfassungsrechtlich erlaubten und wirtschaftlich gebotenen Umfang einführen.
Dabei streben wir Lösungen an, die zusätzliche Anreize für Investitionen schaffen und die
besondere Rolle und Verantwortung von mittelständischen und Familienunternehmen
berücksichtigen.
Konsequent gegen Steuerhinterziehung und -vermeidung vorgehen
Jedes Jahr verlieren die Steuerzahler*innen hohe Milliardenbeträge durch Steuerhinterziehung
und aggressive Steuervermeidung. Wir wollen mit einer umfassenden Strategie dagegen
vorgehen. Die europäische Anzeigepflicht für Steuergestaltungen muss um eine Verpflichtung
für rein nationale Gestaltungen ergänzt werden. Zusätzlich zur bestehenden Steuerpflicht
nach dem Wohnsitz wird eine Steuerpflicht auch nach der Nationalität eingeführt, um rein
steuerlich motivierte Wohnsitzwechsel zu verhindern. Wir werden regelmäßig die Steuerlücke
schätzen lassen. Die Steuerverwaltung muss deutlich gestärkt werden. Um Vollzugsdefizite bei
der Bekämpfung von Steuervermeidung großer Konzerne und reicher Bürger*innen zu beheben,
schaffen wir eine Spezialeinheit auf Bundesebene. Steuerhinterziehung ahnden wir härter, die
Umgehung der Grunderwerbsteuer mit Share-Deals muss endlich unterbunden werden. Cum-ex- und
Cum-cum-Geschäfte beenden wir, wo sie immer noch möglich sind.
Konzerne angemessen besteuern
Durch Buchungstricks verschieben große Konzerne ihre Gewinne in Steuersümpfe. So fehlen
Milliarden für unsere Infrastruktur, und die Firmen verschaffen sich unfaire
Wettbewerbsvorteile gegenüber kleineren Unternehmen. Wir wollen dafür sorgen, dass Konzerne
ihre Gewinne, Umsätze und Steuerzahlungen nach Ländern umfänglich öffentlich machen müssen,
und setzen uns für eine ambitionierte Ausgestaltung eines solchen Country-by-Country-
Reportings auf europäischer Ebene ein. In Europa führen wir eine gemeinsame
Bemessungsgrundlage für die Unternehmenssteuern und einen Mindeststeuersatz von
mittelfristig 25 Prozent ohne Ausnahmen ein. Google, Facebook und Co. werden mit einer
Digitalkonzernsteuer endlich angemessen besteuert. Banken und Steuerberater*innen verbieten
wir, Geschäfte in Steuersümpfen zu tätigen oder dorthin zu vermitteln. Wir setzen uns dafür
ein, auch in Steuerfragen zu Mehrheitsentscheidungen in der EU überzugehen. Soweit
europäische Einigungen nicht gelingen, gehen wir voran, in verstärkter Zusammenarbeit oder
gemeinsam mit einzelnen Staaten. National gehen wir gegen Gewinnverschiebungen mit einer
verschärften Zins- und Lizenzschranke und mit Quellensteuern vor.
Antragstext
Von Zeile 232 bis 234:
Unternehmen für ihre Produkte in Haftung nimmt. Wir werden an einer engen europäischen und transatlantischen Koordinierung gegenüber China arbeiten, besonders auch in den Bereichen. Beim 5G-Netz-Ausbau wollen wir die Integrität digitaler Infrastrukturen und Schutz kritischer Infrastrukturdie digitale Souveränität Europas sicherstellen. Dabei haben Sicherheit und die Einhaltung der Menschenrechte wie das Recht auf Privatsphäre für uns höchste Priorität. Daher lehnen wir gerade im Bereich der kritischen Infrastruktur den Einsatz von Hard- und Software nicht vertrauenswürdiger Unternehmen, insbesondere aus autoritären Staaten, ab.
Die großen Herausforderungen unserer Zeit sind global: Pandemien, die Klimakrise, Hunger,
Migration und die sozial-ökologische Transformation als besondere Aufgabe. Wir können sie
nur gemeinsam meistern. Jahrelang hat Deutschland in Europa und der Welt aber allenfalls
moderiert, oft gezögert, ist abgetaucht. Es ist Zeit, wieder eine aktive Außenpolitik zu
betreiben und als gestaltende Kraft voranzugehen im Sinne einer multilateralen und
vorsorgenden, einer kohärenten und wertegeleiteten Politik – stets europäisch und entlang
einer verlässlichen deutsch-französischen Zusammenarbeit, transatlantisch und im Rahmen der
Vereinten Nationen.
Gestützt auf die Agenda der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung, das Pariser
Klimaabkommen und die rechtebasierte internationale Ordnung setzen wir uns für eine globale
Strukturpolitik ein, die den Schutz öffentlicher Güter, eine gerechte Ressourcenverteilung
sowie Entwicklungschancen für alle als beste Vorsorge gegen Konflikte, Gewalt oder das
unermessliche Leid von Flucht und Vertreibung begreift.
Ausgangspunkt unserer Politik ist eine gestärkte und handlungsfähige Europäische Union. Die
Werte, auf denen sie gründet, wollen wir nach innen verteidigen und nach außen beherzt
vertreten: Menschenrechte, Demokratie, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit. Die EU als
Friedensmacht ist nicht nur Antwort auf eine lange und schmerzvolle Geschichte von Kriegen
und Feindseligkeiten auf unserem Kontinent, exportiert in die ganze Welt, sondern vor allem
ein Zukunftsversprechen, das es einzulösen gilt. Sie ist unser schützenswertes und
einmaliges Zuhause. Gerade weil wir überzeugte Europäer*innen sind, streiten wir für ihre
stetige Fortentwicklung. Wir arbeiten für eine europäische Wertegemeinschaft, die ihre
Abhängigkeit von Dritten in kritischen Bereichen ab- und ihre strategische Souveränität
ausbaut – in einem Gleichgewicht von Kooperation, wo möglich, und Eigenständigkeit, wo
nötig. Nur eine handlungsfähige und krisenfeste EU ist in der Lage, kritische Infrastruktur
und öffentliche Güter zu schützen, global für das Völkerrecht und die universalen
Menschenrechte einzustehen. Mit dem größten Binnenmarkt der Welt hat die EU wirtschaftlich
erheblichen Einfluss. Diesen Hebel wollen wir nutzen, um die globale Transformation gerecht
zu gestalten und ambitionierte Standards zu setzen.
Der erheblichen Widerstände und Dilemmata, die das bedeutet, sind wir uns bewusst. Das
autoritäre Hegemonialstreben einer chinesischen Regierung, das Menschen- und
Bürger*innenrechte systematisch aushebelt, zwingt Staaten nicht nur in wirtschaftliche und
politische Abhängigkeit, sondern spaltet auch Europa. Zugleich wird eine globale sozial-
ökologische Transformation ohne China, auch ohne Russland oder Brasilien, nicht möglich
sein. Das allein zeigt: Der Systemwettbewerb mit autoritären Staaten und Diktaturen ist
real, lässt bisweilen nur die Wahl zwischen Regen oder Traufe – und stellt uns vor derart
beachtliche Aufgaben, dass jede Form des Alleingangs zum Scheitern verurteilt wäre.
Wir können die vielen Widersprüche und Grenzen außen-, entwicklungs- und
sicherheitspolitischen Handelns nicht auflösen. Die Verteidigung von Menschenrechten,
Demokratie und das klare Bekenntnis zu Freiheitsbewegungen führen an die Grenzen politischer
Handlungsfähigkeit. Wir können uns aber dieser Verantwortung nicht entziehen. Umso zentraler
ist europäische Kohärenz und sind politische Bündnisse mit allen anderen Staaten, aber
gerade auch Regionen und zivilgesellschaftlichen oder zwischenstaatlichen Akteuren, für die
der Wert von Kooperation und die Stärke des Rechts ebenfalls Grundlage internationaler
Beziehungen sind. Diese Bündnisse wollen wir selbstbewusst mitgestalten. Souverän sind wir
nur gemeinsam.
Wir setzen auf den ehrlichen Interessensausgleich, die Achtung der Rechte marginalisierter
Gruppen, auf Zusammenarbeit und Rechtsstaatlichkeit, auf Konfliktprävention und
regelbasierte Konfliktbearbeitung in einer eng vernetzten Welt. Unser Ziel ist eine
Weltordnung, in der Konflikte nicht über das Recht des Stärkeren, sondern am
Verhandlungstisch gelöst werden. Und wir reichen allen die Hand, die daran teilhaben wollen.
All das tun wir im Wissen um Deutschlands Verantwortung in der Welt und im Bewusstsein um
die Verbrechen des Nationalsozialismus.
Als hochentwickelter und exportorientierter Industriestaat gehört Deutschland zu den
Hauptverursachern globaler Erwärmung und agiert als entscheidender Player einer
Globalisierung, die eben nicht nur Wohlstand und Entwicklung bedeutet, sondern auch zu
Ausbeutung von Mensch und Umwelt führt. Diese Verantwortung verstehen wir als Antrieb für
ambitionierte Veränderung und entschiedenes Handeln mit dem Ziel globaler Gerechtigkeit und
setzen dafür bei uns selbst an.
Das bedeutet auch: Wir fordern die Einhaltung und den Schutz der Menschenrechte nicht nur
von anderen ein, sondern messen uns selbst daran. Menschenrechte sind völkerrechtliche
Pflicht und unverrückbare Grundlage einer wertegeleiteten internationalen Politik. „Alle
Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren“: Artikel 1 der Allgemeinen
Erklärung der Menschenrechte ist Leitbild unseres Engagements – auch in der europäischen
Flüchtlingspolitik. Sie ist das große Versagen Europas. In keinem anderen Bereich scheitern
die europäischen Regierungen derart an den eigenen Ansprüchen von Moral, Menschenrechten und
internationalem Recht.
Das Versagen ist zugleich global: Nirgends auf der Welt wird Flucht angemessen und nach
klaren, menschenrechtsbasierten Prinzipien begegnet. Diese Regeln aber gibt es, ebenso wie
es immer wieder Momente in unserer Geschichte gab, da nach ihnen gehandelt wurde. Hier
wollen wir anknüpfen und – wenn nicht gesamteuropäisch, dann in einer humanitären Koalition
der Willigen innerhalb und außerhalb der EU – einen Paradigmenwechsel hin zur konsequenten
Vorbeugung gegen Fluchtursachen und zu einem menschenwürdigen Umgang mit Geflüchteten
vorantreiben. Wir setzen auf Rationalität und Handlungswillen, auf Humanität und
Verantwortung – und auf den unerlässlichen Pragmatismus der Nothilfe.
Die Größe und Komplexität der internationalen Herausforderungen, die da vor uns liegen,
sollte Messlatte unseres außenpolitischen Handelns sein. Die globalen Aufgaben sind
erheblich. Wagen wir die entsprechenden Antworten.
Wir treiben die sozial-ökologische Transformation voran
Schubkraft für globale Transformation
Mehr denn je bedrohen Klimaveränderungen und der Verlust von Artenvielfalt menschliche
Sicherheit und Freiheit sowie die nachhaltige Entwicklung – überall auf der Welt. Die Zeit
drängt. Darum braucht es in den nächsten Jahren einen energischen Schub für eine sozial-
ökologische Transformation. Die nachhaltigen Entwicklungsziele der Agenda 2030 und des
Klimaabkommens von Paris waren ein Aufbruch. Alle Länder sind seitdem verpflichtet, bei sich
zu Hause anzufangen und ihren Beitrag für die gemeinsame Aufgabe zu leisten – schließlich
sind es unsere Entscheidungen in Wirtschaft und Handel, bei Agrar- oder Rüstungsexporten,
die sich weltweit stark auf Klima, Artenschutz und globale Gerechtigkeit auswirken. Wir
wollen alle Politikbereiche in Deutschland auf die Transformation ausrichten und einen
Nachhaltigkeits- und Menschenrechts-TÜV einführen. Es gilt unsere internationalen Zusagen
einzuhalten und die öffentlichen Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit im Rahmen der ODA-
Quote sowie der internationalen Klimafinanzierung und Biodiversität zu erfüllen. Auch
international wollen wir neuen Schwung in die sozial-ökologische Transformation bringen,
indem wir auf eine verbindliche Transformationsquote hinwirken. Wir bündeln die Ausgaben für
Entwicklungszusammenarbeit, internationale Klimafinanzierung und Teile der humanitären
Hilfe, um eine globale Transformation entlang den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten
Nationen und den Pariser Klimazielen zu finanzieren. Deutschlands Beitrag soll die ODA-Quote
erfüllen und bis 2025 8 Milliarden Euro zur internationalen Klimafinanzierung bereitstellen.
Klimaaußenpolitik
Wir verfolgen eine ambitionierte, nachhaltige und menschenrechtskonforme Klimaaußenpolitik.
Sie ist klimapolitisch notwendig, kann nachhaltige Entwicklung fördern, Ressourcenkonflikten
vorbeugen und Frieden sichern. Klimaaußenpolitik kann zu einer Win-win-Situation für Europa,
seine Nachbarn und die Länder des globalen Sonnengürtels führen. Sie bedeutet zum einen,
dass wir Europäer*innen unseren Bedarf an grüner Energie durch Klimapartnerschaften decken
helfen: grüner Wasserstoff statt Öl- und Gasimporte. Andererseits werden wir so endlich
unserer historischen Verantwortung gerecht, indem wir Elektrifizierung und
Technologietransfers insbesondere in afrikanischen Ländern vorantreiben und den massiven
Ausbau der erneuerbaren Energien in diesen Ländern unterstützen. Nur so können wir es
schaffen, global auf den 1,5-Grad-Pfad zu kommen. Wir stärken die bestehenden Fonds für
Klimaanpassung und Klimaschutz („Adaptation and Mitigation“) und setzen uns dafür ein, dass
es auch einen Fonds zum Ausgleich von Schäden und Verlusten („Loss and Damage“) gibt. Daraus
können zum Beispiel Klimarisikoversicherungen finanziert werden. Entwicklungs- und
Investitionsbanken wie die Weltbank sollten zu Transformationsbanken umgebaut werden.
Klima- und Umweltschutz schützt Menschenrechte
Der Schutz der Menschenrechte verpflichtet zum Klima- und Umweltschutz, umgekehrt schützt
Klima- und Umweltschutz Menschenrechte. Wir treten für verbindliche Mechanismen zum Schutz
von Menschen ein, die aufgrund von Extremwetterereignissen oder schleichender
Umweltveränderung ihre Heimat verlassen müssen. Regionale Ansätze, die den Betroffenen eine
selbstbestimmte und würdevolle Migration ermöglichen, unterstützen wir. Zugleich wollen wir
jene Staaten in die Pflicht nehmen, die historisch am meisten zur Erderwärmung beigetragen
haben. Die „Task Force on Displacement“ wollen wir strukturell stärken und setzen uns dafür
ein, dass ihre Empfehlungen ebenso umgesetzt werden wie der Globale Pakt für eine sichere,
geordnete und reguläre Migration sowie der Globale Pakt für Flüchtlinge. Initiativen zur
Stärkung des Rechtswegs und das Instrument der Klimaklagen unterstützen wir. Die
französische Initiative, das Umweltvölkerrecht zu kodifizieren und zu konsolidieren, greifen
wir auf und machen uns dafür stark, in einem ersten Schritt das Recht auf saubere Umwelt in
einer Resolution der VN-Generalversammlung zu verbriefen.
Armut weltweit bekämpfen
Durch die Corona-Pandemie ist die Armut weltweit dramatisch angestiegen. Armutsbekämpfung
ist zentrales Ziel unseres internationalen Engagements. Darum setzen wir uns dafür ein, dass
Menschen weltweit sozial abgesichert werden und wollen – gemeinsam mit lokalen
Organisationen und Expert*innen – zum Aufbau und einer nachhaltigen Stärkung von sozialen
Sicherungssystemen beitragen. In einem ersten Schritt können Menschen in besonders von Armut
betroffenen Regionen durch finanzielle Direkthilfen („social cash transfers“) im Rahmen der
ODA-Mittel abgesichert werden. Grundsätzlich wollen wir, dass soziale Sicherungsprogramme
die vulnerabelsten Gruppen erreichen – und Geschlechtergerechtigkeit und sozialen
Zusammenhalt fördern.
Wir stärken die multilaterale Zusammenarbeit
Vereinte Nationen reformieren
Ohne die Vereinten Nationen ist die multilaterale Zusammenarbeit an der sozial-ökologischen
Transformation nicht zu meistern. Ihre Institutionen versorgen überall auf der Welt
Millionen von Geflüchteten, stellen Bildung, Nahrung und Gesundheit zur Verfügung. Sie
vermitteln in unzähligen Kriegen und Konflikten und sind der Rahmen, in dem die beiden
wichtigsten multilateralen Abkommen der vergangenen Jahre ausgehandelt worden sind: die
2030-Agenda für nachhaltige Entwicklung und das Pariser Klimaschutzabkommen. Das Engagement
Deutschlands und der EU für die Vereinten Nationen werden wir finanziell, personell und
diplomatisch substanziell verstärken, besser koordinieren und internationale Vereinbarungen
konsequent in nationale und europäische Politik umsetzen. So schaffen wir die
Voraussetzungen für notwendige Reformen des VN-Systems. Der Sicherheitsrat und andere Organe
der Vereinten Nationen sollten an die Realitäten des 21. Jahrhunderts angepasst werden.
Dabei geht es um eine gerechtere Repräsentation der Regionen im Sicherheitsrat. Das Konzept
der Vetomächte ist nicht mehr zeitgemäß. Wir zielen darauf, dass das Vetorecht langfristig
abgeschafft wird. Als Zwischenschritt sollte im Falle von schwersten Verbrechen gegen die
Menschlichkeit ein Veto im Sicherheitsrat mit einer Begründung und einem Alternativvorschlag
versehen werden. Wenn der Sicherheitsrat im Falle von schwersten Menschenrechtsverletzungen
anhaltend blockiert ist, soll die Generalversammlung an seiner Stelle über
friedenserzwingende Maßnahmen mit qualifizierter Mehrheit beschließen.
Resilienz gegen Epidemien erhöhen – WHO stärken
Zum Schutz vor neuen und zur Bekämpfung der alten Krankheiten setzen wir auf verstärkte
internationale Zusammenarbeit und Solidarität unter dem Dach der zu reformierenden
Weltgesundheitsorganisation als Sonderorganisation der Vereinten Nationen. Wir wollen die
WHO in ihrer Ausstattung mit deutlich höheren Beiträgen und einem klaren Mandat als
koordinierende Organisation der globalen Gesundheit stärken. In der Gruppe der G20 werden
wir uns dafür einsetzen, ihr einen formellen Sitz einzuräumen. Medikamente und Impfstoffe
müssen in allen Ländern erschwinglich und zugänglich sein, das Patentrecht muss entsprechend
flexibel sein. Monopole auf geistiges Eigentum zur Bekämpfung von Krankheiten dürfen den
Zugang zu überlebenswichtigen Schutzmaterialien, Impfstoffen und Arzneimitteln nicht
versperren.
50 Prozent Frauen in internationalen Verhandlungen
Wir wollen dem Multilateralismus neue Impulse für mehr Zusammenarbeit geben. Transformation
gelingt nur mit Kooperation, und die gelingt nur durch Einbeziehung der betroffenen
gesellschaftlichen Gruppen. Nach wie vor ist die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen der
stärkste Indikator dafür. Wir wollen schrittweise für Deutschland und Europa eine 50-
Prozent-Quote in allen diplomatischen und multilateralen Verhandlungen, für die Entsendung
in internationale Organisationen sowie auf den Umsetzungsebenen durchsetzen. Um das zu
ermöglichen, ist eine 50-Prozent-Quote für Frauen im Auswahlverfahren für das Personal in
internationalen Einsätzen, in den international arbeitenden Ministerien sowie im gehobenen
und höheren Europäischen Auswärtigen Dienst notwendig. Es braucht vergleichbare Kriterien,
Standards, Indikatoren und Zeitrahmen für die Gleichstellungspläne der Ministerien,
vergleichbar mit dem „Gender Equality Plan“ nach dem Vorbild der schwedischen Regierung.
Wir arbeiten an guten Beziehungen in einer multipolaren
Welt
Für eine aktive europäische Nachbarschaftspolitik
Die EU muss vor allem in ihrer direkten Nachbarschaft mehr Verantwortung übernehmen. Die EU-
Erweiterungspolitik ist dabei eine Erfolgsgeschichte, die wir fortschreiben wollen. Deshalb
treten wir für konkrete Fortschritte bei der europäischen Integration des westlichen Balkans
und eine Aufnahme der Beitrittsgespräche mit Albanien und Nordmazedonien auf Grundlage der
Kopenhagener Kriterien ein. In Osteuropa streiten viele mutige Menschen in Ländern wie
Armenien, Georgien, der Ukraine oder Belarus für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und
Menschenrechte. Wir unterstützen die demokratische Zivilgesellschaft und unabhängige Medien
in den östlichen Nachbarländern, wollen mehr Austausch zwischen Ost und West ermöglichen und
über die Östliche Partnerschaft der EU Justizreformen vorantreiben. Den EU-assoziierten
Ländern der Östlichen Partnerschaft wollen wir den Weg zu einem EU-Beitritt offenhalten. Im
Süden braucht es eine neue Mittelmeerpolitik, die gemeinsam Entwicklungspotenziale für die
Region realisiert und sich zugleich den enormen Herausforderungen stellt: Terrorismus,
autoritäre Regime, Staatszerfall. Gemeinsam wollen wir im Rahmen ambitionierter
Energiepartnerschaften den Mittelmeerraum zu einer Plus-Energie-Region machen. Derweil hat
zu unserem großen Bedauern mit Großbritannien erstmals ein Land das gemeinsame Haus der EU
verlassen. Es ist gut, dass mit dem Handels- und Kooperationsabkommen die Grundlage für
einen Neubeginn geschaffen wurde. Es bedarf aber weiterer Anstrengungen, um zu verhindern,
dass europäische Standards ausgehöhlt werden. Der Frieden auf der irischen Insel ohne harte
Grenze hat weiter Priorität.
USA
Die transatlantische Partnerschaft bleibt ein Stützpfeiler der deutschen Außenpolitik,
jedoch muss sie erneuert, europäisch gefasst, multilateral und an klaren gemeinsamen Werten
und demokratischen Zielen ausgerichtet werden. Als Kern einer erneuerten transatlantischen
Agenda der EU schlagen wir vor, einen gemeinsamen starken Impuls für die weltweite
Klimapolitik, ausgehend von den Pariser Klimazielen, zu geben. Wir setzen auch bei
Digitalisierung, der Stärkung des Multilateralismus, in Handelsfragen sowie bei der
Gesundheit auf eine gute Kooperation mit den USA. Wir wollen uns gemeinsam für den
weltweiten Menschenrechtsschutz und eine regelbasierte Weltordnung einsetzen. Das schließt
eine Verständigung über den Umgang mit autoritären Staaten wie China und Russland mit ein.
Der sicherheitspolitische Fokus der USA wird sich auch mit der neuen US-Regierung nicht
wieder zuvorderst auf Europa richten. Die EU und ihre Mitgliedstaaten müssen selbst mehr
außen- und sicherheitspolitische Verantwortung übernehmen. Das gilt insbesondere für die
Sicherheit der östlichen Nachbarländer der EU wie auch der baltischen Staaten und Polens.
Wir wollen die transatlantische Debatte auf vielen Ebenen führen, auch auf den jeweiligen
föderalen und lokalen, und damit nachhaltige, diverse gesellschaftliche Netzwerke knüpfen.
China
China ist Europas Wettbewerber, Partner, systemischer Rivale. Wir verlangen von China ein
Ende seiner eklatanten Menschenrechtsverletzungen etwa in Xinjiang und Tibet und zunehmend
auch in Hongkong. Es braucht dennoch einen konstruktiven Klima-Dialog mit China und wir
streben gemeinsame politische, wirtschaftliche und technologische Anstrengungen zur
Bekämpfung der Klimakrise an. Die Kooperation mit China darf nicht zu Lasten von
Drittstaaten oder von Menschen- und Bürger*innenrechten gehen. Wir halten uns an Europas
„Ein-China-Politik“ und betonen, dass Chinas Vereinigung nicht gegen den Willen der
Bevölkerung Taiwans erzwungen werden darf. Unsere Handelsbeziehungen mit China wollen wir
nutzen, um fairen Marktzugang für ausländische Investitionen, Rechtssicherheit und gleiche
Wettbewerbsbedingungen einzufordern. Wir erwarten, dass China die entscheidenden Kernnormen
der Internationalen Arbeitsorganisation ILO ratifiziert und die Zwangsarbeit beendet. Das
europäische Lieferkettengesetz muss angesichts der Menschenrechtsverletzung – etwa in
Xinjiang – Waren aus Zwangsarbeit den Zugang zum Binnenmarkt ebenso verwehren, wie es
Unternehmen für ihre Produkte in Haftung nimmt. Wir werden an einer engen europäischen und
transatlantischen Koordinierung gegenüber China arbeiten, besonders auch in den Bereichen. Beim
5G-Netz-Ausbau wollen wir die Integrität digitaler Infrastrukturen und Schutz kritischer Infrastrukturdie digitale Souveränität Europas sicherstellen. Dabei haben Sicherheit und die Einhaltung der Menschenrechte wie das Recht auf Privatsphäre für uns höchste Priorität. Daher lehnen wir gerade im Bereich der kritischen Infrastruktur den Einsatz von Hard- und Software nicht vertrauenswürdiger Unternehmen, insbesondere aus autoritären Staaten, ab.
Russland
Russland hat sich zunehmend in einen autoritären Staat gewandelt und untergräbt immer
offensiver Demokratie und Stabilität in der EU und in der gemeinsamen Nachbarschaft.
Gleichzeitig erstarkt die Demokratiebewegung in Russland. Die mutige Zivilgesellschaft, die
der immer härteren Repression durch den Kreml die Stirn bietet und für Menschenrechte,
Demokratie und Rechtsstaatlichkeit kämpft, wollen wir unterstützen und den Austausch mit ihr
intensivieren. Für eine Lockerung der Sanktionen, die wegen der völkerrechtswidrigen
Annexion der Krim und des militärischen Vorgehens gegen die Ukraine gegen Russland verhängt
wurden, hat die EU klare Bedingungen formuliert. An diesen werden wir festhalten und die
Sanktionen bei Bedarf verschärfen. Wir verlangen, dass die russische Regierung ihre Zusagen
aus dem Minsker Abkommen umsetzt. Das Pipeline-Projekt Nord Stream 2 ist nicht nur klima-
und energiepolitisch, sondern auch geostrategisch schädlich – insbesondere für die Situation
der Ukraine – und muss daher gestoppt werden.
Türkei
Wir stehen an der Seite all derer, die in der Türkei für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und
Menschenrechte kämpfen. Wir verurteilen die Menschenrechts- und Rechtsstaatsverletzungen,
fordern eine Freilassung aller politischen Gefangenen und die Rückkehr zu einem politischen
Dialog- und Friedensprozess in der kurdischen Frage. Wir weisen die aggressive Außenpolitik
der türkischen Regierung entschieden zurück und fordern sie auf, zu einer multilateralen
Außen- und Sicherheitspolitik zurückzukehren – das gilt es auch in der NATO zu
thematisieren. Die Wiederaufnahme der Gespräche über einen EU-Beitritt kann es erst geben,
wenn die Türkei eine Kehrtwende zurück zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit vollzieht. Der
bestehende EU-Türkei-Deal untergräbt internationales Asylrecht, ist gescheitert und muss
daher beendet werden. Dafür braucht es ein neues, völkerrechts- und rechtsstaatskonformes
Abkommen, das aus den Fehlern der Vergangenheit lernt, die notwendige finanzielle und
logistische Unterstützung vor Ort garantiert und eine verbindliche Kontingentzusage zur
Umsiedlung besonders schutzbedürftiger Geflüchteter in die EU enthält. Wir lehnen es
entschieden ab, dass Menschen in Deutschland mit familiären Bindungen in die Türkei von der
türkischen Regierung politisch und religiös instrumentalisiert werden, unter anderem durch
in Deutschland tätige Vereine und Staatsmedien.
Israel und Palästina
Deutschland hat eine historische Verantwortung gegenüber Israel. Die Existenz und die
Sicherheit Israels als nationale Heimstätte des jüdischen Volkes mit gleichen Rechten für
all seine Bürger*innen sind unverhandelbar. Die Fortsetzung der engen Beziehungen sowie
Frieden und Stabilität im Nahen Osten sind ein zentrales Anliegen deutscher Außen- und
Sicherheitspolitik. Die zunehmende Bedrohung Israels in seiner Nachbarschaft verurteilen
wir. Die Sicherheitslage in der Region ist fragil und darf nicht weiter eskaliert werden.
Einseitige Maßnahmen wie eine Annexion von besetzten Gebieten oder der fortschreitende
völkerrechtswidrige Siedlungsbau laufen dem Ziel einer friedlichen und politischen Lösung
des Konflikts entgegen. Für Frieden und Sicherheit braucht es eine Zweistaatenregelung mit
zwei souveränen, lebensfähigen und demokratischen Staaten für Israelis und
Palästinenser*innen. Die angekündigten Wahlen in den palästinensischen Gebieten sind ein
positives Zeichen. Die Chance der politischen und wirtschaftlichen Abkommen Israels mit
arabischen Staaten wollen wir nutzen, um einen multilateralen Friedensprozess wieder
aufleben zu lassen und einen langfristigen Frieden in der Region zu schaffen. Europa soll
sich hierfür eng mit der neuen US-Regierung koordinieren.
Nachbarschaft und Partnerschaft mit Afrika
Die afrikanischen Staaten und die Europäische Union sind regional wie historisch eng
verbunden und teilen gemeinsame Interessen. Die afrikanischen Gesellschaften sind divers und
vielfältig mit über 3.000 Sprachen in 54 Staaten. In den Beziehungen mit den afrikanischen
Staaten setzen wir uns – auf Basis einer gemeinsamen, globalen Verantwortung für Frieden,
nachhaltige Entwicklung und Gerechtigkeit – für eine in der Bundesregierung und der EU
abgestimmte und differenzierte Politik ein. Die Zukunft liegt in einer Afrikapolitik, die
sich von kolonialen und patriarchalen Denkmustern freimacht und gleichzeitig die europäische
Verantwortung gegenüber dem Kontinent ernst nimmt. Die Fortsetzung einer einseitigen
Politik, die in weiten Teilen auf Fluchtabwehr, unfairen Handelsbeziehungen und der
Ausbeutung von Rohstoffen fußt, lehnen wir ab. Anstatt für sich ewig konterkarierende
Ansätze machen wir uns für eine gemeinsame und kohärente EU-Afrika-Strategie stark, die
Zukunftsthemen wie Klimaschutz und Digitalisierung ebenso ins Zentrum rückt wie die globale
sozial-ökologische Transformation und zivile Krisenprävention. Der Afrikanischen Union
stehen wir bei der Umsetzung ihrer Agenda 2063 und der regionalen Entwicklungsagenden nach
Kräften zur Seite.
Wir verteidigen die Menschenrechte
Menschenrechtsverteidiger*innen schützen
Menschenrechtsverteidiger*innen sind Held*innen. Sie verteidigen überall auf der Welt oft
unter Lebensgefahr für sich und ihre Familien die Einhaltung der Menschenrechte an
vorderster Front. Sie bedürfen unseres Schutzes, unserer Solidarität und aktiven
Unterstützung – auf allen Ebenen. An den besonders betroffenen deutschen
Auslandsvertretungen sollten deshalb Menschenrechtsreferent*innen als extra Anlaufstelle
etabliert und sollte eine ressortübergreifende systematische Berichterstattung über die
Menschenrechtslage im Land eingeführt werden. Für Menschenrechtsverteidiger*innen, die nicht
in ihrem Land bleiben können, weil sie dort akut gefährdet sind, wollen wir schneller und
häufiger als bisher humanitäre Visa bereitstellen und die neu eingerichtete Elisabeth-
Selbert-Initiative zu ihrer temporären Aufnahme ausbauen. Auf internationaler Ebene setzen
wir uns für den Ausbau von Förderungsmöglichkeiten für zivilgesellschaftliche Initiativen
und die finanzielle Stärkung der entsprechenden Schutzinstrumente und Institutionen, wie
beispielsweise Sonderberichterstatter*innen, ein.
Kriegsverbrecher*innen zur Rechenschaft ziehen
Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Völkermord und Kriegsverbrechen dürfen nicht ungestraft
bleiben – als Zeichen der Gerechtigkeit an die Opfer, als Signal der Abschreckung, als
Voraussetzung für Frieden und Versöhnung. Das deutsche Völkerstrafrecht bietet die
Möglichkeit der Verurteilung auch hier in Deutschland. Dazu werden wir die Kapazitäten beim
Bundeskriminalamt und der Generalbundesanwaltschaft ausbauen. Die Ermittlungen in Fällen
sexualisierter Gewalt sollten verbessert und die Strafprozessordnung sollte dort reformiert
werden, wo sie den Besonderheiten von Völkerstrafrechtsverfahren noch nicht Rechnung trägt.
International setzen wir uns für die Stärkung des Internationalen Strafgerichtshofes und des
Mechanismus der Vereinten Nationen für die Untersuchung und Verfolgung von schwersten
Kriegsverbrechen in Syrien (IIIM) ein – politisch wie finanziell. Gerade Kinder und
Jugendliche, die sexualisierte und geschlechtsbasierte Gewalt, Entführungen, Rekrutierung
als Kindersoldat*innen erlebt haben, leiden unter schweren Traumata. Wird dieses Leid nicht
aufgearbeitet, beeinträchtigt es das Leben dieser Menschen und ihrer Familien sowie den
gesellschaftlichen Zusammenhalt über Generationen. Die individuelle Traumabearbeitung wollen
wir durch mehr qualifiziertes Personal und sichere Traumazentren vor Ort auch mit unseren
internationalen Partnern und in Deutschland deutlich ausbauen.
Keine Überwachungstechnologie für Diktaturen
Verschlüsselte Kommunikation rettet tagtäglich Menschenleben. In den sozialen Medien werden
Menschenrechtsverletzungen, die ansonsten unentdeckt geblieben wären, für alle sichtbar. Und
ohne Satellitenbilder ließe sich etwa die Vertreibung ganzer Dorfgemeinschaften in
Kriegsgebieten gar nicht erst nachvollziehen. Zugleich sind es oft europäische
Überwachungstools, die es autokratischen Regierungen ermöglichen, unliebsame Aktivist*innen
zu verfolgen. Wir zielen auf ein europäisches Moratorium für die Ausfuhr, den Verkauf und
die Weitergabe von Überwachungsinstrumenten an repressive Regime. Entsprechende
Schutzklauseln wollen wir in der deutschen wie europäischen Exportkontrolle verankern. Wir
fördern die Entkriminalisierung verschlüsselter Kommunikation und stärken die Multi-
Stakeholder-Governance des Internets auf internationaler Ebene. Im Rahmen unserer
internationalen Zusammenarbeit setzen wir uns für den Zugang aller zu digitaler Technologie
ein. Den freien Zugang zu Informationen als einem globalen öffentlichen Gut gilt es zu
fördern und zu schützen. Durch die Unterstützung von Trainings stärken wir die sichere
digitale Vernetzung zivilgesellschaftlicher Organisationen weltweit.
Für Selbstbestimmung von Frauen und Mädchen weltweit
Die Gleichstellung der Geschlechter ist ein Menschenrecht. Ohne Geschlechtergerechtigkeit
kann auch Armut nicht wirksam bekämpft werden. In vielen der ärmsten oder
konfliktgebeutelten Länder sind Frauen und Mädchen besonders von Armut, Hunger und Gewalt
betroffen. Wir setzen uns konsequent für die Rechte von Frauen und Mädchen weltweit ein, für
ein selbstbestimmtes Leben. Bildung und Gesundheit sind dafür die Schlüssel. Wir engagieren
uns dafür, Frauen und Mädchen den uneingeschränkten Zugang zu gleichwertiger Bildung zu
sichern sowie ihre sexuellen und reproduktiven Rechte zu schützen. Es braucht innovative
Bildungsangebote wie kompakte nachholende Grundbildung für Frauen oder Berufsbildung in
Krisen- und Post-Konfliktkontexten. Unsere internationale Zusammenarbeit werden wir darum
finanziell und konzeptionell auf diese Aufgabe hin ausrichten, die Erreichung der
Geschlechtergerechtigkeit als Querschnittsaufgabe sowie reproduktive Gesundheit und das
Recht auf Bildung in allen Projekten verankern.
Menschenrechtskonventionen umsetzen, Institutionen stärken
Um Menschenrechte tatsächlich und rechtlich durchsetzen zu können, müssen internationale
Menschenrechtskonventionen ratifiziert und Menschenrechtsinstitutionen gestärkt werden. Es
gilt insbesondere die ILO-Konvention für die Rechte indigener Völker, das
Fakultativprotokoll zum Sozialpakt und die Wanderarbeiterkonvention der Vereinten Nationen
zu ratifizieren. Das ist für Deutschland seit vielen Jahren überfällig. Auf europäischer
Ebene setzen wir uns für die Umsetzung der Urteile des Europäischen Gerichtshofs für
Menschenrechte ein. Das Instrument der gezielten EU-Sanktionen gegen
Menschenrechtsverbrecher*innen befürworten wir. Die Beauftragte der Bundesregierung für
Menschenrechtspolitik und Humanitäre Hilfe, die Nationale Stelle zur Verhütung von Folter
und das Deutsche Institut für Menschenrechte wollen wir besser ausstatten, damit sie ihre
Aufgaben planbar erfüllen können. Menschenrechte und Demokratieförderung sind Grundpfeiler
unserer entwicklungspolitischen Arbeit.
Rechte von Minderheiten schützen
Der Umgang mit Minderheiten ist der Gradmesser für den Menschenrechtsschutz in einer
Gesellschaft. Wir setzen uns dafür ein, die Rechte von Minderheiten auf internationaler
Ebene zu stärken – auch innerhalb der EU. Nach wie vor setzen die einzelnen Staaten den
durch die Vereinten Nationen vorgegebenen Minderheitenschutz in nationales Recht um, ohne
dass einheitlich kontrolliert wird, ob das umfassend genug ist. Damit ist der Schutz
lückenhaft. Wir werden außenpolitisch für die weltweite Umsetzung der Yogyakarta-Prinzipien
zum Schutz von LSBTIQ* eintreten. In der Entwicklungspolitik wollen wir hier einen neuen
Fokus setzen und unser Engagement deutlich steigern. Selbst innerhalb der EU gibt es große
Unterschiede: Es existieren keine gemeinsamen EU-Mindeststandards, kein einheitlicher
Rechtsrahmen, der den Schutz und die Förderung von Minderheiten gewährt. Das wollen wir
ändern. In der EU werden wir uns für die Verabschiedung der 5.
Antidiskriminierungsrichtlinie einsetzen, damit international anerkannte Menschenrechte in
der EU eine Rechtsgrundlage erhalten und die VN-Konvention über die Rechte von Menschen mit
Behinderungen auf europäischer Ebene rechtlich umgesetzt wird. Den EU-Aktionsplan gegen
Rassismus treiben wir national und international voran.
Wir schützen Geflüchtete
Eine menschenwürdige Flüchtlingspolitik in Europa umsetzen
Wir treten für eine Europäische Union ein, die ihre humanitäre Verantwortung, das Grundrecht
auf Asyl und die Notwendigkeit, Verfahren nach völkerrechtlichen Standards fair und zügig
durchzuführen, zusammenbringt. So schwer das derzeit in der EU der 27 auch ist. Zustände wie
in den Lagern auf den griechischen Inseln oder an der Grenze zu Kroatien bedeuten einen
Bruch mit europäischen Werten und Menschenrechten. Der Blockade einer gemeinsamen und
humanen Flüchtlingspolitik zwischen den Mitgliedstaaten begegnen wir mit folgendem Plan: In
gemeinschaftlichen von den europäischen Partnern geführten Einrichtungen innerhalb der EU an
den rechtsstaatlich und europäisch kontrollierten EU-Außengrenzen sollen die Geflüchteten
registriert werden und einen ersten Sicherheitscheck durchlaufen. So wissen wir, wer zu uns
kommt, und werden zugleich unserer humanitären Verantwortung gerecht. Die Menschen, die nach
Europa kommen, müssen medizinisch und psychologisch erstversorgt und menschenwürdig
untergebracht werden. Unter Berücksichtigung persönlicher Umstände wie familiärer Bindungen
oder der Sprachkenntnisse bestimmt die EU-Agentur für Asylfragen den Aufnahme-Mitgliedstaat.
Der zugrunde liegende Verteilmechanismus stützt sich zunächst auf die Bereitschaft von
Regionen und Städten, Geflüchtete freiwillig aufzunehmen. Wer das tut, erhält Hilfe aus
einem EU-Integrationsfonds. Reichen die Aufnahmeplätze nicht aus, weiten alle
Mitgliedstaaten im Verhältnis von Bruttoinlandsprodukt und Bevölkerungsgröße verpflichtend
ihr Angebot aus oder leisten einen mindestens gleichwertigen Beitrag zu den Gesamtkosten.
Das Asylverfahren findet im aufnehmenden Mitgliedstaat statt. Die Kommission stellt sicher,
dass die gemeinsamen Regeln und Mindeststandards eingehalten werden. Wir werden mit
handlungswilligen Ländern und Regionen vorangehen, um die derzeitige katastrophale Situation
an den Außengrenzen zu beenden. Geschlossene Lager, Transitzonen oder europäische Außenlager
in Drittstaaten lehnen wir ab.
Familien zusammenführen
Niemand sollte für das völkerrechtlich verbriefte Recht, um Asyl zu ersuchen, das eigene
Leben oder das der Familie riskieren müssen. Genau das ist aber bittere Realität: Immer noch
reichen die Möglichkeiten für sichere Zugangswege bei weitem nicht aus und Geflüchtete sind
deshalb gezwungen, auf lebensgefährliche Routen durch die Wüste oder über das Meer
auszuweichen. Wir wollen sichere und geordnete Zugangswege schaffen – und so verhindern,
dass Schlepper aus der Not und dem Leid der Geflüchteten Profit schlagen können. Dabei sind
wir dem besonderen Schutz der Familie gemäß Grundgesetz, VN-Kinderrechtskonvention und
Europäischer Menschenrechtskonvention verpflichtet und treten dafür ein, die Einschränkungen
beim Familiennachzug wieder aufzuheben. Familien gehören zusammen und das Kindeswohl hat
oberste Priorität. Auch Menschen mit subsidiärem Schutzstatus müssen deshalb ihre
Kernfamilien ohne die bisherigen Einschränkungen nachholen können und mit Geflüchteten
gleichgestellt werden. Wir wollen den Geschwisternachzug wieder ermöglichen. An deutschen
und europäischen Botschaften braucht es mehr Personal und die Möglichkeit, digital Anträge
zu stellen, um die Wartezeiten für Visa von Familienangehörigen zu verkürzen. Auch mit
humanitären Visa möchten wir Schutzbedürftigen die Möglichkeit geben, sicher nach Europa zu
kommen und hier um Asyl zu ersuchen.
Sichere Zugangswege durch humanitäre Aufnahmepartnerschaft
Im Rahmen des Resettlement-Programms des UNHCR werden durch die Vereinten Nationen
anerkannte, besonders schutzbedürftige Geflüchtete solidarisch und geordnet auf die
Aufnahmeländer verteilt, statt sie ihrem Schicksal auf gefährlichen Fluchtrouten zu
überlassen. Das rettet Leben, nimmt Schleppern die Geschäftsgrundlage und folgt einem
bewährten, planbaren Verfahren. Im Globalen Pakt für Flüchtlinge ist die Weltgemeinschaft
übereingekommen, das Resettlement zu verstärken. Doch faktisch sinkt die Zahl der
Aufnahmeplätze seit Jahren. Wir schlagen vor, zusammen mit der neuen US-Administration und
Kanada sowie anderen in einer globalen humanitären Partnerschaft die Aufnahme besonders
schutzbedürftiger Geflüchteter aus dem Resettlement-Programm deutlich auszubauen. So stärken
wir die Vereinten Nationen, schaffen Planbarkeit auf allen Seiten, gehen mit gutem Beispiel
voran und regen andere Staaten an, dem internationalen Bündnis beizutreten. Das individuelle
Asylrecht bleibt durch das Resettlement unangetastet.
Landesaufnahmeprogramme ermöglichen
Mehrere Bundesländer und über 200 Kommunen in Deutschland sind bereit, mehr Geflüchtete als
von der Bundesregierung zugesagt bei sich aufzunehmen. Dass diese weiteren Aufnahmeplätze
dringend gebraucht werden, ist angesichts der elenden Zustände in den Lagern an den EU-
Außengrenzen, etwa auf den griechischen Inseln oder an der bosnisch-kroatischen Grenze,
offensichtlich. Wir wollen eine humanitäre Aufnahmepolitik, bei der der Bund und die Länder
kooperativ zusammenarbeiten und die die Aufnahmebereitschaft von Kommunen und Ländern nicht
mehr ignoriert. Länder und Kommunen sollen mehr Mitsprache- und Gestaltungsmöglichkeiten
erhalten, wenn es um die humanitäre Aufnahme Geflüchteter geht. Mit einer Änderung der
Zustimmungsregel zwischen dem Bundesinnenministerium und den Ländern von Einvernehmen in
Benehmen wollen wir klarstellen, dass sich Bundesländer künftig über den Königsteiner
Schlüssel hinaus selbständig und frei für die Aufnahme von Geflüchteten entscheiden können.
Der Bund soll weiter die finanziellen und infrastrukturellen Aufgaben erfüllen.
Menschenrechte einhalten, Außengrenzen sichern
Ein gemeinsamer Raum der Freizügigkeit und ohne Binnengrenzen braucht kontrollierte
Außengrenzen. Eine Außengrenze muss aber auch legale Zugangswege haben. Dass tausende
Menschen jährlich im Mittelmeer ertrinken, weil europäische Regierungen ihnen nicht
ausreichend sichere Zugangswege ermöglichen und auch die Rettung aus Seenot verweigern, ist
eine Schande. Wir streiten weiter für eine zivile und flächendeckende, europäisch
koordinierte und finanzierte Seenotrettung. Da ein gemeinsames Vorgehen aller europäischen
Mitgliedstaaten derzeit nicht möglich erscheint, wollen wir mit jenen vorangehen, die die
Seenotrettung als völkerrechtliche Pflicht ernst nehmen: Gerettete müssen zum nächsten
sicheren Hafen gebracht werden. Wir stehen fest an der Seite zivilgesellschaftlicher
Rettungsinitiativen und treten dafür ein, dass die Kriminalisierung und behördliche
Behinderung ihrer Arbeit beendet wird. Wir wollen, dass die Seenotrettung explizit ins
Aufgabenprofil von Frontex aufgenommen wird, und setzen auf eine europäische Grenzkontrolle,
die den gemeinsamen Schutz der Menschenrechte zur Grundlage hat und wichtige
grenzpolizeiliche Aufgaben wahrnimmt, ohne sie zur Fluchtabwehr zu missbrauchen. Das moderne
Asylrecht beruht auf der Einzelfallprüfung, das völker- und europarechtlich verbriefte
Nichtzurückweisungsgebot gilt immer und überall. Die Genfer Flüchtlingskonvention gilt
uneingeschränkt. Ihre Aushöhlung führt weder zu mehr Sicherheit noch zu mehr europäischer
Handlungsfähigkeit in der Flüchtlingspolitik. Völkerrechtswidrige Pushbacks, von nationalen
Grenzpolizeien oder Frontex begangen, müssen geahndet werden. Das entsprechende Monitoring
durch die EU-Grundrechteagentur wollen wir ausbauen. Es bedarf einer engen parlamentarischen
Kontrolle von Frontex-Einsätzen sowie einer systematischen Menschenrechtsbeobachtung vor
Ort.
Aufnahme- und Transitländer unterstützen
Die humanitäre Versorgung von Geflüchteten außerhalb der Europäischen Union ist Bestandteil
unserer globalen Verantwortung. Wir wollen die finanzielle und logistische Unterstützung von
Erstaufnahme- und Transitländern wie der Türkei, dem Libanon, dem Sudan, Pakistan oder
Uganda sowie der dort tätigen Hilfsorganisationen ausbauen. Die deutsche und europäische
Zusammenarbeit mit Drittstaaten muss stets so erfolgen, dass Menschen- und Grundrechte sowie
internationale Asylstandards eingehalten werden. „Migrationspartnerschaften“ mit repressiven
Regimen lehnen wir ab, genauso wie die Kooperation mit der libyschen Küstenwache. Statt
„sichere Herkunftsländer“ zu definieren, brauchen wir für Rückführungen
menschenrechtskonforme Rückübernahmeabkommen. Wir wollen denjenigen Ländern, die ihren
Staatsbürger*innen nach einer Rückkehr Sicherheit garantieren, im Gegenzug über
Visaerleichterungen oder Ausbildungspartnerschaften verlässliche Aussicht auf eine geordnete
Migration eröffnen. Rückübernahmeabkommen dürfen aber nicht zur Bedingung in anderen
Politikbereichen, etwa entwicklungspolitischer oder rechtsstaatlicher Unterstützung, gemacht
werden und nicht für Drittstaatsangehörige gelten.
Fluchtursachen strukturell angehen
Wir wollen verhindern, dass Menschen überhaupt fliehen und ihre bisherige Heimat
unfreiwillig verlassen müssen. Deshalb rücken wir die strukturellen Ursachen von Vertreibung
und unsere dahingehende Verantwortung ins Zentrum unserer Politik. Denn viele politische
Entscheidungen, die wir in Deutschland und Europa treffen, haben direkte Auswirkungen auf
die Lebensbedingungen in anderen Weltregionen. Wir machen uns stark für zivile
Krisenprävention und wollen mit einer restriktiven Ausfuhrkontrolle europäische
Rüstungsexporte in Kriegs- und Krisengebiete sowie an Autokraten beenden. Wir setzen uns für
ein gerechtes Handelssystem ein, das auch den Interessen des globalen Südens dient. Wir
treiben die sozial-ökologische Transformation unserer Wirtschaft voran. Uns ist bewusst:
Nicht alle Ursachen von Vertreibung können wir beeinflussen. Viele Menschen fliehen, weil
sie verfolgt oder ihnen grundlegende Rechte vorenthalten werden. Umso entscheidender ist
konsequentes Handeln überall dort, wo auch unser Wirtschaften und Konsumieren andernorts zu
Ausbeutung oder Perspektivlosigkeit führen.
Wir streiten für eine gerechte Weltwirtschaftsordnung
Globale Krisenprävention
Die Corona-Krise führt in vielen Entwicklungsländern zu Kapitalflucht und Währungskrisen und
offenbart so die Schwächen der Währungsordnung. Unser Ziel bleibt langfristig der Aufbau
eines kooperativen Weltwährungssystems. Der IWF muss in Krisensituationen sehr viel mehr
Liquidität unkonditioniert bereitstellen können. Dafür werden wir uns für eine deutliche
Aufstockung der Sonderziehungsrechte einsetzen. Deutschland und Europa könnten vorangehen
und nicht genutzte Sonderziehungsrechte Entwicklungsländern zur Verfügung stellen, wie
Kanada es bereits getan hat. Der IWF sollte Entwicklungsländern auch bei der Einführung und
Durchführung von Kapitalverkehrskontrollen helfen und dafür mit den Staaten mit globalen
Finanzzentren zusammenarbeiten. Das Stimmengewicht muss sich zugunsten von
Entwicklungsländern verschieben. Die EU-Staaten sollten ihre Stimmrechte zusammenlegen.
Entwicklung ermöglichen, Schulden streichen
Viele Entwicklungsländer sind überschuldet. Beispielsweise gibt Pakistan 40 Prozent seines
Etats für den Schuldendienst, aber nur 2 Prozent für Gesundheit aus. Das derzeitige
Schuldenmoratorium ist richtig, verschiebt das Problem aber in die Zukunft. Wir brauchen
einen echten Schuldenerlass. Dafür muss ein international transparentes und unabhängiges
Staateninsolvenzverfahren für die Länder geschaffen werden, die nicht in ihrer eigenen
Währung verschuldet sind. Private Gläubiger müssen rechtlich dazu verpflichtet werden, an
einem Insolvenzverfahren teilzunehmen. So können wir den Zustand beenden, dass einzelne
Gläubiger eine Entschuldung blockieren, und verhindern, dass einzelne private Gläubiger wie
Geierfonds auf Kosten anderer profitieren. Damit wollen wir den zu hoch verschuldeten
Staaten im globalen Süden auch ermöglichen, ihre Gesundheitssysteme zu verbessen, sie für
alle zugänglich zu machen sowie Ansätze zum Schutz von Wasser-, Sanitärversorgung und
Hygiene voranzutreiben. Schuldenerlasse und -umwandlungen soll es für Maßnahmen im
Gesundheitsbereich sowie im Kampf gegen die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Corona-
Krise geben. Zudem werden wir uns für ein langfristiges globales Corona-Hilfspaket für
strukturschwache Länder, Krisenregionen sowie Flüchtlingslager engagieren.
Spekulation mit Nahrungsmitteln verbieten
Nahrungsmittelpreise sind oft starken Schwankungen unterworfen. Verantwortlich dafür sind
nicht nur Wetter und Ernten, sondern auch skrupellose Spekulant*innen, die fette Profite
machen, wenn Menschen hungern. Wir werden uns in der EU für striktere Regulierungen
einsetzen, um Nahrungsmittelspekulation zu unterbinden. Dafür braucht es strenge
Berichtspflichten für Händler*innen. Konsequente Preis- und Positionslimits müssen an allen
europäischen Börsen eingeführt werden. Ziel ist es, dass Derivate nur noch zur Absicherung
bestehender Risiken und nicht mehr spekulativ eingesetzt werden können.
Wir treten ein für Frieden und Sicherheit
Vorausschauend für den Frieden
Unsere Außen- und Sicherheitspolitik zielt darauf, Konflikte zu verhindern, und setzt
deshalb auf Vorausschau gemäß der VN-Agenda für nachhaltige Entwicklung. Wir ergänzen den
traditionellen Sicherheitsbegriff um die menschliche Sicherheit und rücken damit die
Bedürfnisse von Menschen in den Fokus. Den Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD) und die
Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) gilt es zu stärken. Die personellen und
finanziellen Mittel für zivile Krisenprävention sollten gezielt erhöht und langfristig
planbarer werden. Wir wollen eine permanente und schnell einsatzbereite Reserve an EU-
Mediator*innen und Expert*innen für Konfliktverhütung, Friedenskonsolidierung und Mediation
aufbauen. Die Bereiche Polizei, Justiz und Friedensförderung wollen wir mit 1.000
Fachkräften ausstatten. Wir setzen uns dafür ein, die Deutsche Stiftung Friedensforschung,
den neu eingerichteten Fachbereich an der Deutschen Hochschule der Polizei und andere
wissenschaftliche Einrichtungen zu stärken und die Bedeutung von Friedensarbeit
gesamtgesellschaftlich noch sichtbarer zu machen. Die finanzielle Förderung des Zivilen
Friedensdienstes (ZFD) wollen wir deutlich erhöhen und den kontinuierlichen Ausbau
bedarfsgerecht fördern. Darüber hinaus ist ein ressortgemeinsamer Fonds „Krisenprävention,
Konfliktbewältigung und Friedensförderung“ nötig, der angemessen ausgestattet sein muss. Es
gilt Instrumente der Krisenfrüherkennung und Analysekapazitäten zu stärken, um auch die
langfristigen Folgen der Pandemie abwenden zu können.
Internationale Politik feministisch gestalten
Wir gestalten unsere Außen-, Entwicklungs- und Sicherheitspolitik feministisch. Frauen,
Mädchen und marginalisierte Gruppen sind in besonderem Maße von Kriegen, Konflikten und
Armut betroffen. Die Wahrung ihrer Rechte und ihrer Rolle als Gestalter*innen in der
internationalen Politik fördert Frieden, Entwicklung, Stabilität und Sicherheit. Es geht
darum, die Perspektiven von Frauen, Mädchen und marginalisierten Gruppen zu stärken, zu
schützen und bei allen bi- oder multilateralen Verhandlungen immer mindestens
gleichberechtigt einzubeziehen. Dazu braucht es auch Genderanalysen für einzelne
Länderkontexte in regelmäßigen Abständen und bedarfsgerechte Strategien und Genderbudgeting.
Es gilt die Umsetzung der VN-Resolution 1325 „Frauen, Frieden, Sicherheit“ voranzutreiben,
sexualisierte und genderbasierte Gewalt entschieden einzudämmen, die reproduktiven Rechte
von Frauen zu schützen und die Sicherheit und Partizipation von Frauen und Mädchen in der
Prävention, bei der Transformation von Konflikten und in Stabilisierungsprozessen in den
Fokus zu nehmen.
Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik stärken
Gerade vor dem Hintergrund des zunehmenden Autoritarismus und der weltweiten Angriffe auf
Kunst- und Wissenschaftsfreiheit wollen wir die auswärtige Kultur- und Bildungspolitik
stärken. Sie sichert Zugänge zur Zivilgesellschaft vor allem in Krisenzeiten, stärkt
demokratischen Austausch und baut neue Partnerschaften auf. Auch die Aufarbeitung der
Verbrechen des Nationalsozialismus werden wir durch internationale Kultur- und
Jugendbegegnungen und durch zivilgesellschaftlichen Austausch stärken. Die Verantwortung für
die koloniale Vergangenheit Deutschlands wollen wir zum Beispiel in gemeinsamen
Geschichtsbuchkommissionen mit ehemaligen kolonialisierten Staaten aufarbeiten.
Kulturmittlerorganisationen, wie etwa Goethe-Institute, und die deutschen Schulen im Ausland
sollen finanziell besser ausgestattet und digital fit gemacht werden, die Programme für
verfolgte Künstler*innen und Wissenschaftler*innen sowie Maßnahmen gegen
Desinformationskampagnen wollen wir verstärken.
Europarat und OSZE stärken
Frieden in Europa bedeutet mehr als Frieden, Sicherheit und Stabilität in der EU. Damit die
Vision einer friedlichen Zukunft für alle Europäer*innen Wirklichkeit werden kann, wollen
wir die gemeinsamen, über die EU hinausreichenden europäischen Institutionen wie den
Europarat und die OSZE stärken und weiterentwickeln, um alle europäischen Staaten
einzubinden. Nur so können wir tatsächlich ein effektives und starkes System kollektiver
Sicherheit in ganz Europa schaffen. Es bleibt unser Ziel, die östlichen Nachbarn Europas auf
der Basis gemeinsamer Werte für eine solche Perspektive zu gewinnen, was gerade angesichts
der nationalistischen und rückwärtsgewandten Politik Russlands, die Europas Sicherheit und
die Selbstbestimmung der Nachbarn Russlands untergräbt, nötig ist.
Neuer Schub für Abrüstung
Abrüstung und Rüstungskontrolle bedeuten global mehr Sicherheit für alle. Unser Anspruch ist
noch immer nichts Geringeres als eine atomwaffenfreie Welt. Nach der Aufkündigung des
Vertrags über nukleare Mittelstreckensysteme (INF-Vertrag) zwischen den USA und Russland ist
eine neue Vertragsinitiative nötig. Wir wollen den transatlantischen Neustart nach der US-
Präsidentschaftswahl und das Wiederbeleben des New-START-Vertrags nutzen, um mit den USA
über Barack Obamas „Global Zero“ ins Gespräch zu kommen. Eine Welt ohne Atomwaffen gibt es
nur über Zwischenschritte: internationale Initiativen zur Reduzierung der Zahl von
Atomwaffen, einen Verzicht der NATO auf jeden Erstschlag und eine breite öffentliche Debatte
über veraltete Abschreckungsdoktrinen des Kalten Krieges. Dazu gehören ein Deutschland frei
von Atomwaffen und ein Beitritt Deutschlands zum VN-Atomwaffenverbotsvertrag. Wir wissen,
dass dafür zahlreiche Gespräche im Bündnis notwendig sind, auch mit unseren europäischen
Partnerstaaten, und vor allem die Stärkung der Sicherheit und Rückversicherung unserer
polnischen und baltischen Bündnispartner.
Keine deutschen Waffen in Kriegsgebiete und Diktaturen
Exporte von Waffen und Rüstungsgütern an Diktatoren, menschenrechtsverachtende Regime und in
Kriegsgebiete verbieten sich. Für die Reduktion von Rüstungsexporten wollen wir eine
gemeinsame restriktive Rüstungsexportkontrolle der EU mit einklagbaren strengen Regeln und
Sanktionsmöglichkeiten. Kooperationen mit dem Sicherheitssektor anderer Staaten müssen an
die Einhaltung demokratischer, rechtsstaatlicher und menschenrechtlicher Kriterien geknüpft
werden. Für Deutschland werden wir ein Rüstungsexportkontrollgesetz vorlegen und ein
Verbandsklagerecht bei Verstößen gegen das neue Gesetz einführen und für eine wirksame
Endverbleibskontrolle sorgen. Hermesbürgschaften für Rüstungsexporte darf es nicht geben.
Den Einsatz von Sicherheitsfirmen in internationalen Konflikten wollen wir streng regulieren
und private Militärfirmen verbieten.
Autonome tödliche Waffensysteme international ächten
Autonome tödliche Waffensysteme, die keiner wirksamen Steuerung mehr durch den Menschen bei
Auswahl und Bekämpfung von Zielen unterliegen, stellen eine unberechenbare Bedrohung dar. Im
Sinne von Frieden und Stabilität wollen wir Autonomie in Waffensystemen international
verbindlich regulieren und Anwendungen, die gegen ethische und völkerrechtliche Grundsätze
verstoßen, ächten und verbieten. Das gilt auch für digitale Waffen wie Angriffs- und
Spionagesoftware. Hierbei müssen Deutschland und die EU eine globale Führungsrolle
einnehmen. Um eine Militarisierung des Weltraumes zu verhindern, wollen wir
weiterentwickelte, international verbindliche Regeln auf den Weg bringen.
Sicherheit im Cyber-Raum schaffen
Digitalisierung und neue Technologien verändern die moderne Kriegsführung. Wir wollen den
Einsatz von militärischen Cyberfähigkeiten durch die Bundeswehr ausnahmslos der
parlamentarischen Kontrolle des Deutschen Bundestages unterstellen. Es braucht Leitlinien
für das Vorgehen der Bundeswehr im Cyberraum. Gleichzeitig muss die Bundeswehr
kontinuierlich an der Stärkung ihres Eigenschutzes arbeiten, ohne ihr defensives
Selbstverständnis aufzugeben. Es braucht dringend eine internationale Initiative, um
Rüstungskontrolle zu regulieren, und vertrauensbildende Maßnahmen für den Cyberraum. Wir
setzen uns für weltweit anerkannte Regeln im Cyberraum sowie eine Selbstverpflichtung ein,
zivile Infrastruktur nicht militärisch anzugreifen. Auch sollte die europäische
Zusammenarbeit im Bereich Cyberabwehr ausgebaut werden, wozu Deutschland einen Beitrag
leisten sollte.
Internationale Schutzverantwortung wahrnehmen
Es ist wichtig, frühzeitig auf Konflikte einzuwirken und zu verhindern, dass sie zu
bewaffneten Auseinandersetzungen eskalieren. Uns leitet das Konzept der Responsibility to
Prepare, Protect and Rebuild der Vereinten Nationen, das die Staatengemeinschaft
verpflichtet, Menschen vor schwersten Menschenrechtsverletzungen und Verbrechen gegen die
Menschlichkeit und Völkermord zu schützen. Die Staaten sind gleichermaßen verpflichtet, ihre
Instrumente für Prävention, Krisenreaktion und Nachsorge bzw. Wiederaufbau kriegszerstörter
Gesellschaften auszubauen. Wir bekennen uns zu internationalen Friedenseinsätzen im Rahmen
der Vereinten Nationen, die zu Stabilität, Sicherheit und Frieden beitragen. Die Anwendung
militärischer Gewalt als Ultima Ratio kann in manchen Situationen nötig sein, um Völkermord
zu verhindern und die Möglichkeit für eine politische Lösung eines Konflikts zu schaffen.
Ein Militäreinsatz braucht einen klaren und erfüllbaren Auftrag, ausgewogene zivile und
militärische Fähigkeiten und unabhängige (Zwischen‑)Evaluierungen. Bewaffnete Einsätze der
Bundeswehr im Ausland sind in ein System gegenseitiger kollektiver Sicherheit – das heißt
nicht in verfassungswidrige Koalitionen der Willigen – und in ein politisches Gesamtkonzept
einzubetten, basierend auf dem Grundgesetz und dem Völkerrecht. Bei Eingriffen in die
Souveränität eines Staates oder dort, wo staatliche Souveränität fehlt, braucht es ein
Mandat der Vereinten Nationen. Wenn das Vetorecht im Sicherheitsrat missbraucht wird, um
schwerste Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu decken, steht die Weltgemeinschaft vor
einem Dilemma, weil Nichthandeln genauso Menschenrechte und Völkerrecht schädigt wie
Handeln.
Moderne Bundeswehr
Der Auftrag und die Aufgaben der Bundeswehr müssen sich an den realen und strategisch
bedeutsamen Herausforderungen für Sicherheit und Friedenssicherung orientieren. Wir wollen
die Bundeswehr entsprechend ihrem Auftrag und ihren Aufgaben personell und materiell sicher
ausstatten. Dass Soldat*innen mit nicht ausreichender Schutzausrüstung in Einsätze gehen,
ist nicht hinnehmbar. Deutschland soll sich auf seine Bündnispartner verlassen können und
genauso sollen sich die Bündnispartner auf Deutschland verlassen können. Die
Gesamtverantwortung für den Einsatz muss begründet, Informationen über alle Operationen im
Einsatz der Verbündeten müssen vollständig zugänglich sein. Die Bundeswehr soll die Vielfalt
unserer Gesellschaft abbilden. Menschenfeindliche Ideologien und rechtsextremistische
Strukturen in der Bundeswehr werden wir konsequent verfolgen und zerschlagen. Neben der
umfassenden Aufklärung ist die Prävention entscheidend. Präventive Maßnahmen wie
verantwortungsbewusste Personalgewinnung und zeitgemäße politische Bildung sind überfällig.
Den bewaffneten Einsatz der Bundeswehr im Inneren lehnen wir ab.
NATO strategisch neu ausrichten
Die NATO leidet unter divergierenden sicherheitspolitischen Interessen innerhalb der Allianz
bis hin zur gegenseitigen militärischen Bedrohung. Ihr fehlt in dieser tiefen Krise eine
klare strategische Perspektive. Trotzdem bleibt sie aus europäischer Sicht neben der EU
unverzichtbarer Akteur, der die gemeinsame Sicherheit Europas garantieren kann und der als
Staatenbündnis einer Renationalisierung der Sicherheitspolitik entgegenwirkt. Wir brauchen
eine strategische Neuaufstellung der NATO, eine gemeinsame Bedrohungsanalyse und darauf
aufbauend eine Debatte über eine faire Lastenverteilung zwischen den Mitgliedstaaten. Das
willkürliche NATO-2-Prozent-Ziel, das vor fast 20 Jahren verabschiedet wurde, gibt darauf
keine Antwort und wir lehnen es deshalb ab. Wir setzen uns für eine neue Zielbestimmung ein,
die nicht abstrakt und statisch ist, sondern von den Aufgaben ausgeht, und werden mit den
NATO-Partnern darüber das Gespräch suchen. Durch eine stärkere militärische Zusammenarbeit
und Koordinierung innerhalb der EU und mit den europäischen NATO-Partnern wie Großbritannien
und Norwegen wollen wir erreichen, dass strategische Interessen auf Grundlage von
europäischen Werten wie Multilateralismus, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit gemeinsam
entwickelt und geschlossen und überzeugender vertreten werden.
Die EU-Sicherheitsunion vorantreiben
Gemeinsam mit den internationalen Partnern muss die Europäische Union ihrer Verantwortung
für die eigene Sicherheit und Verteidigung gerecht werden. Die gemeinsame Sicherheits- und
Verteidigungspolitik (GSVP) setzt eine gemeinsame EU-Außenpolitik voraus. Wir wollen eine
EU-Sicherheitsunion etablieren mit einer starken parlamentarischen Kontrolle und einer
gemeinsamen restriktiven Rüstungsexportpolitik. Anstatt immer mehr Geld in nationale,
militärische Parallelstrukturen zu leiten, sollte die verstärkte Zusammenarbeit der
Streitkräfte in der EU ausgebaut, sollten militärische Fähigkeiten gebündelt und allgemein
anerkannte Fähigkeitslücken geschlossen werden. Dafür ist eine geeignete Ausstattung, der
Ausbau von EU-Einheiten sowie eine Stärkung und Konsolidierung der gemeinsamen EU-
Kommandostruktur nötig. Die Umwidmung ziviler Gelder aus dem EU-Haushalt für militärische
Zwecke lehnen wir ab.
weitere Antragsteller*innen
- Kai Gehring (KV Essen)
- Ingo Henneberg (KV Freiburg)
- Reinhard Bütikofer (KV Erfurt)
- Marcel Ernst (KV Göttingen)
- Sophia Besch (KV Berlin-Friedrichshain/Kreuzberg)
- Sarah Brockmeier (KV Berlin-Pankow)
- Ssaman Mardi (KV Regensburg-Stadt)
- Andrej Ferdinand Novak (KV Forchheim)
- Samuel Moser (KV München)
- Viola von Cramon (KV Göttingen)
- Julian Joswig (KV Rhein-Hunsrück)
- Marcus Lamprecht (KV Viersen)
- Martin Münter (KV Solingen)
- Ottmar von Holtz (KV Hildesheim)
- Amelie Overmann (KV Berlin-Mitte)
- Inga Kretzschmar (KV Lippe)
- Jörg-Heinrich Penner (KV Hamburg-Harburg)
- Robin Wagener (KV Lippe)
- Julia Schmenk (KV Koblenz)
- Jörg Sauskat (KV Berlin-Steglitz/Zehlendorf)
- Ellen Ueberschär (KV Berlin-Mitte)
- Daniel Hecken (KV Hamburg-Altona)
- Mathias Raudies (KV Oder-Spree)
- Sergey Lagodinsky (KV Berlin-Pankow)
- Hannes Sturm (KV Freiburg)
- Arven Herr (KV Göttingen)
- Henrik Rubner (KV Berlin-Mitte)
- Claudius Rafflenbeul-Schaub (KV Düsseldorf)
- Tim Demisch (KV Berlin-Treptow/Köpenick)
- Tilo Fuchs (KV Berlin-Mitte)
- Johannes Mihram (KV Berlin-Mitte)
Fehler:Du musst dich einloggen, um Änderungsanträge stellen zu können.
Von Zeile 411 bis 417 (PB.W-01: Kapitel 2: In die Zukunft wirtschaften):
souverän sein will, muss entsprechend handeln und darf die Sicherheit aller nicht unterlaufen. Wir setzen Anreize für beste IT-Sicherheit durch unabhängige Auditierungen und Zertifizierungen und wollen vor allem die KMUs sehr viel stärker durch ein dezentrales und unabhängiges IT-Beratungsnetzwerk unterstützen. Wir stärken unabhängige Aufsichtsstrukturen und schaffen neue Sanktionsmechanismen. Die IT-Sicherheit gefährdende Maßnahmen, wie den Handel und das staatliche Offenhalten von Sicherheitslücken, wollen wir beenden und eine Meldepflicht schaffen. Ein effektiver und moderner Datenschutz schützt die Menschenwürde und nimmt verstärkt auch die Gesellschaft in Gänze in den Blick, um die Abwehr auch überindividueller Risiken kollektiv zu gestalten. Wir setzen Anreize für guten Datenschutz und beste IT-Sicherheit, wollen innovative, technische Ansätze zum effektiven Schutz der Privatsphäre ausbauen und Auditierungen und europäisch einheitliche Zertifizierungen vorantreiben. Vor allem KMUs sollen sehr viel stärker durch ein dezentrales und unabhängiges IT-Beratungsnetzwerk unterstützt werden. Als Staat selbst muss dieser mit gutem Beispiel vorangehen, die wichtige Arbeit der Aufsichtsbehörden stärker unterstützen sowie ihre Kooperation im föderalen und europäischen Zusammenspiel verbessern, bis hin zur gemeinsamen Aufgabenwahrnehmung und Durchsetzung. Die Unabhängigkeit des BSI stärken wir. Bei staatlichen IT-Projekten muss IT-Sicherheit von Anfang an mitgedacht und implementiert werden. Zudem wollen wir die Entwicklung sicherer Hardware gezielt fördern. Im Sinne der Nachhaltigkeit digitaler Produkte führen wir eine Verpflichtung zu einer angemessenen, risikoorientierten und benutzerfreundlichen Bereitstellung von Sicherheitsupdates ein. Beim Ausbau digitaler Infrastrukturen, wie z.B. 5G, wollen wir die Integrität unserer kritischen Infrastruktur, die digitale Souveränität Europas und die Einhaltung der Menschenrechte wie das Recht auf Privatsphäre sicherstellen. Dafür sind einerseits höchste IT-Sicherheitsstandards für Komponenten in digitalen Infrastrukturen nötig. Andererseits wollen wir die technologische Unabhängigkeit Europas durch verstärkte Eigenentwicklungen und -produktionen, durch vielfältige digitale Ökosysteme und offene Standards stärken. Um Gefahrenlagen konkret bewerten zu können, müssen neben technischen, auch rechtliche, rechtsstaatliche, sicherheitsrelevante und geostrategische Aspekte in die Prüfung einbezogen werden. Eine Beteiligung von nicht vertrauenswürdigen Unternehmen, insbesondere aus autoritären Staaten an kritischer Infrastruktur lehnen wir ab.
Klimaneutralität ist die große Chance für den Industriestandort Deutschland. Grüne
Technologien aus Deutschland werden weltweit nachgefragt. Beim erneuerbaren Wasserstoff sind
wir Europäer*innen noch führend. Für große Teile der deutschen Industrie ist das Pariser
Klimaabkommen fester Bestandteil der Planungen geworden, unternehmerische
Investitionsstrategien sind auf Klimaschutz ausgerichtet. Die meisten wissen, dass die
Märkte der Zukunft klimaneutral sind. Und sie wissen: Deutschland kann so viel mehr. In den
Unternehmen, den Köpfen und den Strukturen stecken die Innovationskraft und der Wille, in
die Zukunft zu wirtschaften. Wir sehen, mit welcher Agilität Unternehmer*innen neue Ideen
und Geschäftsmodelle entwickeln. Und wir sind überzeugt, dass das freie und kreative
Handeln, die Dynamik eines fairen Wettbewerbs, die Stärke von gesellschaftlicher Kooperation
innovativ Probleme löst.
Allerdings steht die deutsche und europäische Wirtschaft unter großem Druck: Unser
Industrieland muss sich im globalen Wettbewerb mit autoritärem Staatskapitalismus und
weitgehend unregulierten Tech-Giganten behaupten. Die Pandemie hat viele Wirtschaftszweige
hart getroffen, einige Sektoren hatten schon zuvor die Transformation verschlafen. Die
Klimakrise und die Endlichkeit von Ressourcen verlangen ein Umsteuern. Zugleich ist unser
Verständnis von dem, was Wohlstand ist, im Wandel. Menschen bezweifeln zunehmend, dass ein
blindes Wachstum, das zu großen sozialen und ökologischen Problemen führt, richtig ist. Wenn
wir es jetzt aber klug anstellen, können wir unser Wirtschafts- und Finanzsystem neu eichen.
Wir können eine sozial-ökologische Marktwirtschaft in Europa begründen, die Wohlstand und
Wachstum mit Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit versöhnt und den Menschen dient. Sie ist
Ausgangspunkt für eine neue wirtschaftliche Dynamik, die zukunftsfähige Jobs schafft,
Lebensqualität sichert und uns Menschen freie Entfaltung ermöglicht und einen klimagerechten
Wohlstand schaffen kann.
Dafür ist eine Politik nötig, die will, die nach vorne führt und verlässlich steuert. Nicht,
weil der Staat besser wirtschaften kann, sondern weil die Wirtschaft klare Verhältnisse,
verlässliche politische Rahmenbedingungen und Anreize braucht. Nur dann haben Unternehmen
Planungssicherheit und wissen, dass sich klimaneutrales, nachhaltiges Wirtschaften lohnt.
Ungeregelte Märkte können sehr viel zerstören. Wenn wir Märkte aber nachhaltig und sozial
gestalten, können sie mit ihrer Wucht Innovationen entfachen, die wir für die Transformation
brauchen. Damit das gelingt, stellen wir die Weichen konsequent auf Klimaneutralität und
ermöglichen der Wirtschaft neue Spielräume innerhalb der planetaren Grenzen. Wir schaffen
Anreize, streichen umweltschädliche Subventionen und setzen ordnungspolitische Regeln, um
nachhaltig zu produzieren, zu handeln und zu konsumieren. Wir geben dem Wachstum eine
Richtung und bemessen Wohlstand neu. Wir starten eine umfassende Investitionsoffensive,
öffentlich wie privat, um dem immensen Investitionsstau in unserem Land zu begegnen und
Klimaschutz, Digitalisierung und Bildung deutlich zu stärken. Dafür setzen wir auf eine
vorsorgende Haushaltspolitik.
Wir gehen die Ungerechtigkeiten im Steuersystem entschlossen an und sorgen dafür, dass sich
sehr wohlhabende und reiche Menschen und große Konzerne ihrer Verantwortung stärker stellen.
Globale Konzerne sollen nicht mächtiger sein als Staaten – es gilt das Primat der
demokratischen Politik zu behaupten. Hohe Einkommen und Vermögen sollen mehr zur
Finanzierung unseres Gemeinwesens beitragen, denn Gesellschaften, in denen die Ungleichheit
gering ist, sind zufriedenere Gesellschaften.
Wirtschafts- und Finanzpolitik muss europäisch gemacht werden. Als Europäer*innen können wir
mit unserem starken gemeinsamen Binnenmarkt internationale Standards setzen und Innovationen
vorantreiben. Solange es Wettbewerbsverzerrung gibt, braucht es auch den Schutz des
europäischen Marktes und vor allem der kritischen Infrastruktur. Zugleich setzen wir uns für
eine gemeinsame strategische Außenwirtschaftspolitik ein, die Fairness zu einem Gebot des
internationalen Wettbewerbs und des freien Welthandels macht und weltweit nachhaltiges
Wirtschaften befördert. Als Europäer*innen investieren wir gemeinsam in Klimaschutz,
Forschung und den Wohlstand der Zukunft, den Weg dahin bereit ein Green New Deal. In einer
Bundesregierung werden wir alles dafür tun, dass die Europäische Union der erste CO2-freie
Wirtschaftsraum wird.
Mit all diesem legen wir die Grundlagen dafür, dass Deutschland und Europa erfolgreiche
Industriestandorte mit hoher Wertschöpfung, starkem Sozialstaat und guten Arbeitsplätzen
bleiben. Dafür, dass notwendige Innovationen in Europa entwickelt und marktfähig werden,
dass zukunftsfähige neue Jobs im Handwerk, bei Start-ups und in der Dienstleistungsbranche
entstehen – in traditionsreichen und innovativen Industrieunternehmen, im Maschinenbau, in
kleinen und mittelständischen Betrieben. Wir wollen, dass Deutschland und Europa auch bei
neuen Technologien die Spitze beanspruchen – seien es E-Autos, saubere Batterien,
Quantencomputer, Künstliche Intelligenz oder moderne Biotechnologie. Mit einer aktiven
Wirtschafts- und Industriepolitik zeigen wir eine Richtung auf und bieten zukunftsfähigen
Unternehmen gute Bedingungen. So machen wir aus der Marke „Made in Germany“ ein Gütesiegel
für zukunftsfähige Industrie in einem klimaneutralen Europa.
Wir fördern Unternehmergeist, Wettbewerb und Ideen
Ein Jahrzehnt der Zukunftsinvestitionen
Nach der Corona-Pandemie braucht unser Land einen neuen wirtschaftlichen Aufbruch. Das
Beste, was die Politik dazu beitragen kann, ist, das zu tun, was sie die letzten zehn Jahre
sträflich versäumt hat: in unsere gemeinsame Zukunft zu investieren. Nur wenn auch der Staat
seinen Teil beiträgt, wenn öffentliche und private Investitionen gemeinsam auf ein Ziel
ausgerichtet werden, wird Europa den Anschluss an moderne Zukunftstechnologien halten und
sich im Wettbewerb mit den USA und China behaupten können. Wir starten in der nächsten
Legislaturperiode eine Investitionsoffensive. In schnelles Internet, überall. In
Spitzenforschung vom Quantencomputer bis zur modernsten Biotechnologie. In klimaneutrale
Infrastrukturen, in Ladesäulen, einen Ausbau der Bahn, emissionsfreie Busse und moderne
Stadtentwicklung. Wir wollen, dass Deutschland bei den öffentlichen Investitionen im
Vergleich der Industrieländer vom Nachzügler zum Spitzenreiter wird, und in diesem Jahrzehnt
pro Jahr 50 Milliarden Euro zusätzlich investieren. So gelingt die sozial-ökologische
Transformation, so schaffen wir nachhaltigen Wohlstand und sichern die Wettbewerbsfähigkeit
unseres Landes in einer handlungsfähigen Europäischen Union.
Neustart nach der Corona-Krise
Die Corona-Pandemie hat viele Unternehmen hart getroffen. Während die einen sich hoch
verschulden mussten, haben es andere nicht durch die Krise geschafft und mussten ihr
Geschäft aufgeben. Besonders hart hat es Restaurants, Hotels, die Tourismus- und
Veranstaltungsbranche, die Kulturwirtschaft, aber auch viele Einzelhändler*innen getroffen.
Ein Neustart nach der Corona-Krise muss daher gezielt den besonders betroffenen Branchen
helfen. Damit sichern wir Existenzen, erhalten Arbeitsplätze und setzen zielgenaue
konjunkturelle Impulse. Hierfür dehnen wir den steuerlichen Verlustrücktrag aus, führen
attraktive und zeitlich begrenzte Abschreibungsbedingungen ein und helfen kleinen und
mittleren Unternehmen, sich mit vereinfachten Restrukturierungsverfahren leichter neu
aufzustellen, ohne Insolvenz anmelden zu müssen. Falls Corona-Soforthilfen zurückgezahlt
werden müssen, benötigen die Unternehmen großzügige Stundungen. Für Selbständige braucht es
vor allem sichere Aufträge durch handlungsfähige Kommunen, die wir unter anderem durch eine
abgestimmte Kulturförderpolitik stärken wollen.
Klimaschutztechnologien made in Germany
Der globale Wettbewerb um die Technologien von morgen ist in vollem Gange. Made in Germany
soll zukünftig nicht nur für Qualität, sondern noch stärker für nachhaltige und innovative
Produkte und Prozesse stehen. Digitalisierung und Klimaneutralität müssen Staat und
Unternehmen gemeinsam in Angriff nehmen. Während der Staat mehr öffentliche Investitionen
realisiert, wollen wir zugleich Anreize für mehr Investitionen durch Unternehmen setzen.
Dafür erweitern wir zielgerichtet die Spielräume für die Unternehmen: Investitionen sollen
zeitlich befristet degressiv mit mindestens 25 Prozent abgeschrieben werden können. Die
steuerliche Förderung von Forschung für KMU erhöhen wir. Öffentliche Investitionszuschüsse
sollen gerade bei neuen Technologien eine Starthilfe geben; Klimaverträge helfen, dauerhafte
Planungssicherheit für langfristige Klimaschutzinvestitionen zu geben.
Ein Gründungskapital einführen
Um den Wohlstand von morgen zu sichern, brauchen wir eine neue Gründer*innenwelle. Mit einem
unbürokratischen Gründungskapital, das Gründer*innen einen Einmalbetrag bis maximal 25.000
Euro sicherstellt, wollen wir dafür sorgen, dass keine gute Idee an zu wenig Eigenkapital
scheitert. Gründer*innen sollen es leicht haben: Statt sich durch ein Verwaltungsdickicht zu
quälen, sollen sie Information, Beratung und Anmeldung in einer zentralen Anlaufstelle
erledigen können – überall in Deutschland. In den ersten zwei Jahren sollen sie weitgehend
von Melde- und Berichtspflichten befreit werden. Frauen sind bei Gründungen noch
unterrepräsentiert, sie wollen wir gezielt fördern mit einem staatlichen Wagniskapitalfonds
nur für Frauen. Hürden sollten auch für Menschen mit Migrationsgeschichte abgebaut werden,
hier lässt unser Land ein riesiges Potenzial brachliegen. Bei der öffentlichen Vergabe
beziehen wir Start-ups besser ein und vereinfachen dafür Vergabeverfahren und Regeln zur
Eignungsprüfung. Gerade bei ausbleibender Finanzierung wollen wir die gemeinwohlorientierte
Entwicklung von digitalen Lösungen fördern.
Fairer Wettbewerb um klimaneutrale Industrietechnologien
Die energieintensiven Industrien – Stahl, Zement, Chemie – stehen für 15 Prozent des
deutschen CO2-Ausstoßes. Zugleich bieten sie hunderttausende gute Arbeitsplätze und sind
ebenso Eckpfeiler unseres Wohlstandes. Wir wollen diese Industrien zum Technologievorreiter
bei der Entwicklung klimaneutraler Prozesse machen. Der Maschinenbau kann beim weltweiten
Einsatz grüner Technologien „made in Germany“ eine Schlüsselrolle einnehmen. So bekämpfen
wir die Klimakrise und tragen zur Sicherung des deutschen Industriestandorts bei. Mit
Investitionszuschüssen und einer degressiven Abschreibung fördern wir direkt die
Transformation. Mit dem Abbau von Hürden bei der grünen Eigenstromversorgung treiben wir die
Dekarbonisierung der Prozesse voran. Klimaverträge (Carbon Contract for Difference), die die
Differenz zwischen dem aktuellen CO2-Preis und den tatsächlichen CO2-Vermeidungskosten
erstatten, sorgen für Investitionssicherheit. Und mit Quoten für den Anteil CO2-neutraler
Grundstoffe schaffen wir Leitmärkte für CO2-freie Produkte. In der Chemieindustrie wollen
wir die Transformation weg von Öl und Plastik hin zu nachwachsenden Rohstoffen voranbringen.
Automobilindustrie im Aufbruch
Die Automobilindustrie steht vor gewaltigen Umbrüchen. Weltweit läuft der Wettbewerb um das
emissionsfreie und digitale Auto der Zukunft. Nach Jahren des Stillstands hat sich auch die
Branche in Deutschland endlich auf den Weg gemacht. Jetzt braucht es Entschlossenheit und
Zusammenarbeit, damit unsere Autobauer in Zukunft wieder die Nase vorn haben. Klar ist: Der
fossile Verbrennungsmotor hat keine Zukunft. Wir wollen ab 2030 nur noch emissionsfreie
Autos neu zulassen. Wir unterstützen bei Forschung und Innovation und sichern einen
schnellen Aufbau der Ladesäuleninfrastruktur und eine weitere Förderung des Markthochlaufs
von emissionsfreien Fahrzeugen zu. Aktuell haben Deutschland und Europa den Anschluss bei
der Batteriezellenproduktion und damit viel Wertschöpfung verloren. Das darf sich bei den
Batterien der nächsten Generation, die günstiger und ressourcensparender sind, nicht
wiederholen. Wir wollen Europa zum Weltmarktführer einer ökologischen
Batteriezellenproduktion machen, zu der ein wirksames Recyclingsystem gehört sowie die
Forschung und Entwicklung der nächsten Batteriegeneration. Dazu setzen wir auf klare
Vorgaben bei den Ökostandards und ein umfassendes Forschungs- und Förderprogramm. Wir wollen
zudem die besonders betroffenen Autoregionen mit regionalen Transformationsdialogen und -
fonds unterstützen.
Europäische Halbleiterindustrie stärken
Eine erfolgreiche und weitsichtige Industriepolitik wird nur dann funktionieren, wenn auch
gesamteuropäisch gedacht wird. Gerade mit Blick auf eine nötige sektorale Strukturförderung,
wie den Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur, der Batteriezellfertigung oder Förderung der
Halbleiterindustrie, ist eine europäische Ausrichtung entscheidend. Um kritische
Abhängigkeiten zu verringern, soll die EU-Kapazität im Bereich der Halbleitertechnologie wie
von der EU-Kommission vorgeschlagen auf 20 Prozent der weltweiten Produktion ausgebaut
werden. Das gilt vor allem für die Bereiche, in denen wir bei der Halbleitertechnologie für
industrielle Anwendungen bereits eine starke europäische Stellung haben oder in denen eine
besonders dynamische zukünftige Entwicklung zu erwarten ist. Hierzu müssen Investitionen
entlang der Halbleiter-Wertschöpfungskette erhöht werden.
Kreislaufwirtschaft mit einer Reparatur- und Recyclingindustrie
Müll ist ein Designfehler und eine Verschwendung wichtiger Ressourcen und Rohstoffe – die
endlich sind und uns abhängig machen. Ob Verpackung, Auto oder Laptop – wir schaffen die
gesetzlichen Grundlagen dafür, um alle Produkte lange zu verwenden, reparieren und recyceln
zu können. Im Ergebnis heißt das bis 2050: kein Müll mehr, dafür mehr grüne Jobs vor Ort in
einer neuen europäischen Reparatur- und Recyclingindustrie, die die Abhängigkeit von
Ressourcen und Rohstoffimporten verringert. Den Weg dorthin weisen wir mit stärkeren
Herstellerverpflichtungen, ambitionierten Recyclingquoten und gezielten Förderprogrammen.
Bis 2030 werden wir alle Güter und Materialien, die auf den Markt kommen, mit einem
digitalen Produktpass ausstatten, der alle wichtigen Informationen über Design,
Reparierbarkeit und Materialien enthält, die wir für die Kreislaufwirtschaft brauchen.
Forschungsergebnisse in die Praxis bringen, Gründungskultur beleben
An unseren Hochschulen und Forschungseinrichtungen wird nach höchsten Standards geforscht.
Vielversprechende Forschungsergebnisse – gerade auch aus der Grundlagenforschung – müssen
aber noch öfter in die Praxis gelangen. Die Impfstofferfolge machen dabei Mut: Aus einer
Zufallsentdeckung wurde eine völlig neue Technologie, die in Rekordzeit die Entwicklung und
Produktion gleich mehrerer Corona-Impfstoffe ermöglicht hat. Vielfach mangelt es in der
deutschen Wissenschaft an einer lebendigen Gründungskultur, strukturelle Hemmnisse
verhindern Ausgründungen. Die bestehenden Förderprogramme reichen nicht aus. Wir wollen den
Ausbau von Förderprogrammen für Hightech-Start-ups, Gründungszentren und Entrepreneurship-
Ausbildungen vorantreiben. Statt unattraktiver Lizenzregelungen wollen wir die stille
Beteiligung der öffentlichen Institutionen zum neuen Ausgründungsstandard machen.
Frauen an die Spitze
Deutschland ist vielfältig, seine Führungsetagen sind es (noch) nicht. Dabei führen diverse
Teams Unternehmen erfolgreicher. Die Vielfalt der deutschen Gesellschaft muss sich deshalb
auch dringend in den Führungs- und Entscheidungsgremien und der Wirtschaft abbilden. Obwohl
Frauen mindestens gleich gut qualifiziert sind wie Männer, fehlen sie dort. Freiwillige
Regelungen haben nichts gebracht. Deshalb soll zukünftig mindestens ein Drittel der
Vorstandssitze größerer und börsennotierter Unternehmen bei einer Neubesetzung an eine Frau
gehen. Um das zu erleichtern, wollen wir auch Hindernisse wie fehlende Elternzeitregelungen
im Aktienrecht beseitigen. Die Aufsichtsräte dieser Unternehmen sollen bei Neubesetzungen
einen Frauenanteil von 40 Prozent anstreben. Unternehmen, die in der Hand des Bundes sind
oder an denen der Bund beteiligt ist, sollen mit klaren Plänen für paritätische
Betriebsstrukturen als gutes Beispiel vorangehen.Die Wirtschaftsförderung wollen wir
geschlechtergerechter ausgestalten und Frauen dort, wo sie unterrepräsentiert sind, mit
gezielten Maßnahmen fördern, zum Beispiel durch einen staatlichen Wagniskapitalfonds nur für
Gründerinnen.
Fachkräftemangel bekämpfen
Durch den demografischen Wandel wird in den kommenden 15 Jahren die Zahl der Menschen im
erwerbsfähigen Alter um 6 Millionen schrumpfen. Gleichzeitig erfordern die Berufe der
Zukunft ganz neue Fähigkeiten. Der Arbeits- und Fachkräftemangel wird sich verstärken. Dem
wollen wir entgegenwirken. Dafür investieren wir mehr in berufliche und berufsbegleitende
Bildung. Der Meisterbrief soll wie ein Studium kostenfrei werden. Wir lassen keine
Potenziale mehr ungenutzt: Hürden, die Frauen, Älteren, Menschen mit Behinderungen,
Jugendlichen aus einkommensarmen Elternhäusern oder Menschen mit Migrationsgeschichte oft
noch im Weg stehen, bauen wir ab. Einwanderung in unser Land erleichtern wir mit der
Einführung einer Talentkarte und einer schnelleren Anerkennung ausländischer Bildungs- und
Berufsabschlüsse, auch wechselseitig in der EU. Geflüchtete sollen die Möglichkeit zum
Spurwechsel bekommen, der ihnen während Ausbildung, Studium und Arbeit mehr Rechtssicherheit
und damit eine berufliche Perspektive in Deutschland ermöglicht. Wir unterstützen Betriebe,
die Geflüchteten und Einwander*innen eine Chance auf Ausbildung und Beschäftigung geben, bei
Bedarf durch Qualifizierung, Beratung und Begleitung.
Mittelstandspolitik ist Innovationspolitik
Der deutsche Mittelstand ist vielfältig, innovativ und international wettbewerbsfähig. Hier
entstehen die Lösungen für die Herausforderungen der Zukunft, er sichert Wertschöpfung in
den Regionen und für sie. Unsere Mittelstandspolitik setzt auf den Dreiklang aus
Verringerung bürokratischer Lasten, einer innovationsfreundlichen Steuerpolitik sowie einer
breitenwirksamen Forschungslandschaft. Mit schnelleren Planungen und Genehmigungen und einer
effizienten, digitalen Verwaltung unterstützen wir den Mittelstand bei Innovation und
Transformation. Berichtspflichten sollen vereinfacht werden. Dafür sollten Vorhaben
ausgetestet und mit Anwender*innen aus Verwaltung und Unternehmen aller Größen gemeinsam
verbessert werden. Dafür ist die konsequente Anwendung und Verbesserung sogenannter KMU-
Tests auf nationaler und europäischer Ebene erforderlich. Förderprogramme und
Investitionszuschüsse wollen wir so ausgestalten, dass sie vor allem KMU zugutekommen. Dafür
sollen sie deutlich einfacher zu beantragen und zu dokumentieren sein. Außerdem sollen
passgenaue Beratungen für Digitalisierung und Klimaschutz gefördert werden, auch über
längere Zeiträume.
Zukunftsfähigkeit eines starken Handwerks sichern
Das Handwerk ist in unserem Alltag überall präsent und unverzichtbar. Es zeichnet sich durch
eine große Heterogenität aus: vom Heizungsinstallateurbetrieb bis zur Bäckerei, vom
mittelständischen Unternehmen mit hunderten Beschäftigten bis zum Kleinstbetrieb. Das
Handwerk ist einer der wichtigsten Wirtschaftsfaktoren in Deutschland. Es bietet gerade im
ländlichen Raum jungen Menschen eine Perspektive. Gerade für sie liegen in der ökologischen
Transformation riesige Chancen – von der Gebäudesanierung bis zum Heizungstausch. Durch die
Senkung der EEG-Umlage sorgen wir für bezahlbare Strompreise. Durch Bürokratieabbau, die
Unterstützung bei Nachfolgen und die gezielte Förderung der Ausbildung im Handwerk wollen
wir die Rahmenbedingungen verbessern. Oberstes Ziel ist der Erhalt und die Zukunftsfähigkeit
der Betriebe. Damit Handwerksberufe noch attraktiver werden, setzen wir auf eine stärkere
Tarifbindung, branchenspezifische Mindestvergütungen und mehr Gleichwertigkeit von
beruflicher und akademischer Ausbildung. Die Durchlässigkeit vom Studium zum Handwerk und
zurück sollte selbstverständlich werden, genauso wie internationaler Austausch und Zugang zu
Stipendien.
Kultur schafft Wohlstand
Die Kultur- und Kreativwirtschaft ist eine der am meisten unterschätzten Branchen in
Deutschland. Vor Corona erzielten die über 1,2 Millionen Kreativen und Kulturschaffenden
allein im Jahr 2019 einen Umsatz von knapp 180 Milliarden Euro – mehr als beispielsweise die
chemische Industrie oder Finanzdienstleister. Doch die Kultur- und Kreativwirtschaft ist
durch die Corona-Krise existenziell bedroht. Nur mit gezieltem Schutz und verbesserter
Förderung werden wir große Teile unseres kulturellen Lebens vor dem Wegbrechen retten
können. Wir erweitern den Innovationsbegriff in den Programmen zur
Existenzgründungsförderung, sodass davon auch die Kultur- und Kreativwirtschaft profitiert.
Förderprogramme schneiden wir spezifisch auf die Bedürfnisse der Kultur- und
Kreativwirtschaft zu und wir bauen die Gründungsförderung aus der Arbeitslosigkeit
bedarfsgerecht aus.
Der Tourismuswirtschaft nachhaltig auf die Beine helfen
Die Reise- und Tourismuswirtschaft – ein zentraler Wirtschaftsfaktor und millionenfacher
Arbeitgeber – ist durch die Corona-Krise schwer getroffen. Wir wollen ihr wieder auf die
Beine helfen und zugleich den Nach-Corona-Tourismus klimaschonender, ökologischer und sozial
nachhaltiger gestalten. Ein ökologischer und sozial blinder Massentourismus mit
klimaschädlichen Kreuzfahrtschiffen, endloser Müllproduktion und riesigem
Ressourcenverbrauch hat keine Zukunft. In einem nachhaltigen Tourismus liegen hingegen
riesige Chancen. Nachhaltigen oder sanften Tourismus wollen wir gerade in ländlichen
Regionen gezielt entwickeln, zum Beispiel durch den Ausbau touristischer Rad- und
Wasserwege. Mit einem Jedermannsrecht in öffentlichen Gebieten, wie in Skandinavien üblich,
wollen wir Natur für alle erlebbar machen. Die Bahn soll zum Tourismus-Reisemittel Nr. 1
werden – durch ein europäisches Nachtzugnetz und die gezielte Anbindung touristischer
Regionen an das Bahnnetz. So kann der Tourismus dabei mithelfen, eine Welt zu erhalten, die
es sich auch in Zukunft noch zu bereisen lohnt.
Wir geben dem Markt einen sozial-ökologischen Rahmen
Wohlstand neu bemessen
Wohlstand definiert sich nicht allein durch Wachstum des BIP, sondern lässt sich viel
breiter als Lebensqualität verstehen. Wir wollen den wirtschaftlichen Erfolg Deutschlands
und der Unternehmen nicht nur an Wachstum und Rendite, sondern auch anhand sozialer,
ökologischer und gesellschaftlicher Kriterien messen und die Wirtschaftsförderung
entsprechend ausrichten. Dafür soll in Zukunft neben dem Jahreswirtschaftsbericht ein
Jahreswohlstandsbericht veröffentlicht werden. Dieser berücksichtigt dann zum Beispiel auch
den Beitrag des Naturschutzes, einer gerechten Einkommensverteilung oder auch guter Bildung
zum Wohlstand unserer Gesellschaft.
Den europäischen Green Deal ambitioniert gestalten
Mit dem Europäischen Green Deal hat die EU-Kommission ein Programm vorgelegt, um die
Europäische Union zum ersten klimaneutralen Kontinent zu machen. Es umfasst
Gesetzesvorschläge in den Bereichen Klima- und Umweltschutz sowie für eine gestärkte
Wettbewerbsfähigkeit, Energiesicherheit und Innovationsdynamik einer dekarbonisierten
europäischen Wirtschaft. Wir setzen uns für eine ambitionierte Ausgestaltung und eine
ehrgeizige Umsetzung auf allen Ebenen ein. Wir machen weiter Druck, damit die ökologische
Wende dazu beiträgt, Ungleichheit zu verringern. In der Landwirtschaftspolitik kämpfen wir
dafür, dass die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik und ihre Umsetzung unter die Ziele des
Green Deal gestellt werden, da sie immense Auswirkungen auf Umwelt- und Artenschutz
entfalten. In der Handelspolitik wollen wir Umwelt- und Sozialkapitel von zukünftigen
Handelsverträgen rechtsverbindlich und sanktionierbar machen.
Die Macht des europäischen Binnenmarkts für die Transformation nutzen
Der europäische Binnenmarkt ist eine Erfolgsgeschichte, die gerade im globalen Wettbewerb
auf seinen hohen Standards beruht: im Verbraucher- und Datenschutz, im Umwelt- und
Gesundheitsschutz sowie für die soziale und Produktsicherheit. Diese hohen Standards wollen
wir im Sinne einer sozial-ökologischen Transformation des Binnenmarkts erhalten und
ausbauen, denn sie stärken die Innovationskraft der Unternehmen, ermöglichen die Ausnutzung
von Skaleneffekten und begünstigen den internationalen Handel. Um die Digitalisierung zu
gestalten, müssen wir Dienstleistungen von Plattformen und ihre Marktmacht regulieren. Die
globale Lenkungswirkung des Binnenmarkts wollen wir steigern, indem wir sicherstellen, dass
Unternehmen auf dem europäischen Markt auch international Verantwortung für ihre
Produktions- und Vertriebsweise entlang der gesamten Wertschöpfungskette übernehmen. Die
Handlungsspielräume von Kommunen in Europa wollen wir erhalten und die Daseinsvorsorge vor
Liberalisierungsdruck schützen.
Sozialunternehmen und Genossenschaften stärken
Wir wollen die Bereiche der Wirtschaft stärken, in denen langfristige Nachhaltigkeit mehr
zählt als kurzfristige Rendite. Wir unterstützen insbesondere Genossenschaften und
Sozialunternehmen, weil sie gesellschaftliche Anliegen mit unternehmerischem Handeln
verbinden. Dafür schaffen wir zielgruppenspezifische Finanzierungsinstrumente und wollen die
Programme der klassischen Gründungs- und Innovationsfinanzierung ausweiten. Unser Ziel ist
eine Gründungswelle neuer Genossenschaften und von sozial-ökologisch inspirierten
Unternehmen. Dazu werden wir die Rahmenbedingungen für ihr Wirtschaften systematisch
verbessern und bestehende Benachteiligungen beseitigen. Den Gründungszuschuss der
Arbeitsagenturen wollen wir nicht allein vom wirtschaftlichen Gewinn, sondern auch von
Erfolgskriterien von Social Start-ups abhängig machen. Nicht genutzte Guthaben auf
verwaisten Konten wollen wir – sofern keine Erbansprüche vorhanden sind – für einen Fonds
nutzen, der zielgerichtet in nachhaltige und soziale Innovationen investiert.
Verantwortungseigentum stärken
Wir setzen uns für die Einführung einer Unternehmensform für Verantwortungseigentum ein.
Immer mehr Unternehmer*innen verstehen ihr Unternehmen nicht als individuell konsumierbares
Vermögen. Sie wollen, dass der Zweck ihres Unternehmens nicht dem kurzfristigen Shareholder-
Value dient, sondern langfristig dem Sinn und Zweck des Unternehmens. Dafür brauchen sie
eine Rechtsform, die eine hundertprozentige Vermögensbindung an das Unternehmen ermöglicht
und ansonsten die Flexibilität der GmbH beibehält. Gewinne werden reinvestiert oder
gespendet. Die Stimmrechte so einer „Gesellschaft mit gebundenem Vermögen“ können von den
Beschäftigten im Kollektiv oder von Einzelnen treuhänderisch gehalten werden – sie werden
nicht meistbietend verkauft, sondern, ähnlich wie in anwaltlichen Partnerschaften, immer an
aktiv mit dem Unternehmen verbundene Personen weitergegeben.
Wir bringen die Digitalisierung voran
Eine europäische Cloud-Infrastruktur
Daten sind die Schlüsselressource der digitalen Welt, insbesondere für Technologien wie die
Künstliche Intelligenz. Gerade im industriellen Bereich wollen wir neue Ansätze schaffen, um
eine gemeinsame, freiwillige Nutzung nicht personenbezogener Daten zum Beispiel aus
Entwicklungs- und Fertigungsprozessen zu verbessern und rechtssicher zu gestalten. Davon
profitiert vor allem der Mittelstand. Hierfür braucht es klare gesetzliche Spielregeln für
kooperative und dezentrale Datenpools und Datentreuhandmodelle, die eine gemeinsame und
durch Kartellbehörden überprüfbare Nutzung dieser Daten ermöglichen. Wir wollen eigene
europäische Standards und Regeln setzen. Die eigene kritische Infrastruktur wollen wir
schützen und eine gemeinsame europäische Cloud-Infrastruktur verwirklichen.
Hightech-Standort ausbauen
Die rasante Entwicklung des Corona-Impfstoffs von Wissenschaftler*innen und
Unternehmer*innen aus Mainz hat gezeigt, welche Innovationskraft in unserer Forschungs- und
Unternehmenslandschaft steckt. Eine Innovationskraft, die der Staat mit Tempo und
entschlossenen Investitionen unterstützen muss. Vor allem die Bereiche Künstliche
Intelligenz (KI), Quantencomputing-, IT-Sicherheits-, Kommunikations- und Biotechnologie
oder auch die weitere Entwicklung von ökologischen Batteriezellen wollen wir besonders
fördern, damit wir unsere technologische Souveränität sichern können und in der weltweiten
Konkurrenz vorne mitspielen. Dabei legen wir einen besonderen Fokus darauf, die ökologischen
und sozialen Potenziale der Technologien zu heben. So verbessern Innovationen die
Lebensbedingungen der Menschheit und sichern den Wohlstand von morgen. Um im internationalen
Standort-Wettbewerb mithalten zu können, bedarf es einer starken europäischen Vernetzung von
Spitzenforschung. Wir investieren in Spitzenforschung und die Bildung von Clustern in diesen
Bereichen. Den Hightech-Standort auszubauen, heißt aber auch, die dringend benötigten
Talente anzuziehen. In der Forschung bedeutet das, für Spitzenwissenschaftler*innen auch
Spitzengehälter zu zahlen.
Start-up-Wagniskapital eine Richtung geben
Wir müssen nicht nur technologisch exzellent sein, sondern bahnbrechende Technologien auch
in neue Geschäftsmodelle, Märkte, Dienstleistungen und Produkte umwandeln können.
Fördermöglichkeiten und Netzwerke für Start-ups und junge Unternehmen auf nationaler und
europäischer Ebene können den Unterschied zwischen einer guten Idee auf dem Flipchart und
einem weltweit erfolgreichen Unternehmen ausmachen. Ein staatlicher Wagniskapitalfonds kann
helfen, unseren Gründer*innen dauerhaft eine Heimat zu geben. Wir fordern, noch mehr und
noch schneller zu investieren. Es geht aber auch darum, Kapital eine Richtung zu geben. Der
Zukunftsfonds muss mehr nachhaltige Leuchtturm-Projekte finanzieren, dabei insbesondere in
Bereiche wie Greentech, Künstliche Intelligenz, nachhaltige Mobilität oder Life-Sciences,
deren hochkomplexe Geschäftsmodelle keine einfache Finanzierung am Markt bekommen.
Internetgiganten regulieren
Wir setzen uns für einen funktionierenden und fairen Wettbewerb auf digitalen Märkten ein.
Durch übermäßige Marktmacht einzelner Internetgiganten wird dieser eingeschränkt oder gar
aufgehoben. Relevante Erwerbsvorgänge von Tech-Konzernen sollten durch das Bundeskartellamt
geprüft werden, um den strategischen Aufkauf von aufkeimender Konkurrenz („Killer
Acquisitions“) zu verhindern. Dabei sollten Datenschutzbehörden eine Gelegenheit zur
Stellungnahme erhalten. Die Interoperabilität ihrer digitalen Dienste sowie
Datenportabilität sind wo immer möglich von bereits marktbeherrschenden Unternehmen
verpflichtend zu gewährleisten. Unter dem Dach eines eigenständigen europäischen Kartellamts
wollen wir deshalb eine europäische Digitalaufsicht etablieren, die als Frühwarnsystem
fungiert und sanktionsbewährte Kooperations- sowie Transparenzpflichten aussprechen kann.
Unternehmen sollen auch unabhängig von einem Missbrauch aufgespalten werden können, wenn
ihre Marktmacht zu groß wird.
Mehr Frauen in der Digitalwirtschaft
Alle sollen an der Gestaltung der digitalen Transformation beteiligt sein und ihre
Potenziale einbringen können. Deshalb werden wir eine Strategie „Frauen in der
Digitalisierung“ vorlegen und umsetzen. Mädchen sollen schon in der Grundschule für
Digitalthemen begeistert werden und ohne Technikgenderstereotype aufwachsen. Wir brauchen an
den Hochschulen eine geschlechtersensible Lehre, die gezielte Ansprache von Frauen für
Informatikstudiengänge sowie mehr Frauen in den Hochschulgremien, wo diese
Richtungsentscheidungen getroffen werden. In der Digitalbranche ist ein Kulturwandel
erforderlich, auch um unser volles Innovationspotenzial auszuschöpfen. Freiwillige und
verpflichtende Maßnahmen für die Unternehmen sind notwendig, um diskriminierungsfreie
Arbeitsplätze und einen gleichberechtigten Zugang zu Gestaltungspositionen in der digitalen
Transformation zu ermöglichen. Für staatliche Institutionen soll Diversität ein Leitprinzip
für alle Digitalstrategien sein.
Transparente Algorithmen
Datenverarbeitende und selbstlernende Systeme haben das Potenzial, neues Wissen zu
generieren und so nachhaltigeres Handeln zu ermöglichen. Autonom entscheidende Systeme sind
nicht neutral. Sie beruhen auf Daten und damit auch auf Werten und Vorurteilen aus der
analogen Welt. Wir wollen daher Transparenz, Überprüfbarkeit und Grenzen, damit
algorithmische Entscheidungssysteme nicht diskriminierend wirken. Wir schaffen einen nach
Risiken abgestuften Ordnungsrahmen für den Einsatz automatischer Systeme, klare Regeln zur
Nachvollziehbarkeit, zum Datenschutz und zur Datenqualität, um Kontrolle und Haftung zu
ermöglichen. Das bedeutet auch eine Modernisierung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes
sowie strenge Kriterien für den Einsatz von algorithmischen und automatischen
Entscheidungen, insbesondere in der öffentlichen Verwaltung. Auch Plattformanbieter müssen
ihre automatisierten Entscheidungen, Vergleiche oder Preise transparent machen und erklären
können.
IT-Sicherheit als Standortfaktor
Gute IT-Sicherheit und klare rechtsstaatliche Standards sichern Grundrechte und sind die
Voraussetzung, damit der digitale Wandel gelingt. Der Staat bleibt in der Pflicht, diese zu
gewähren. Gute IT-Sicherheit ist längst auch ein wichtiger Standortfaktor. Wer digital
souverän sein will, muss entsprechend handeln und darf die Sicherheit aller nicht
unterlaufen. Wir setzen Anreize für beste IT-Sicherheit durch unabhängige Auditierungen und Ein effektiver und moderner Datenschutz schützt die Menschenwürde und nimmt verstärkt auch die Gesellschaft in Gänze in den Blick, um die Abwehr auch überindividueller Risiken kollektiv zu gestalten. Wir setzen Anreize für guten Datenschutz und beste IT-Sicherheit, wollen innovative, technische Ansätze zum effektiven Schutz der Privatsphäre ausbauen und Auditierungen und europäisch einheitliche Zertifizierungen vorantreiben. Vor allem KMUs sollen sehr viel stärker durch ein dezentrales und unabhängiges IT-Beratungsnetzwerk unterstützt werden. Als Staat selbst muss dieser mit gutem Beispiel vorangehen, die wichtige Arbeit der Aufsichtsbehörden stärker unterstützen sowie ihre Kooperation im föderalen und europäischen Zusammenspiel verbessern, bis hin zur gemeinsamen Aufgabenwahrnehmung und Durchsetzung. Die Unabhängigkeit des BSI stärken wir. Bei staatlichen IT-Projekten muss IT-Sicherheit von Anfang an mitgedacht und implementiert werden. Zudem wollen wir die Entwicklung sicherer Hardware gezielt fördern. Im Sinne der Nachhaltigkeit digitaler Produkte führen wir eine Verpflichtung zu einer angemessenen, risikoorientierten und benutzerfreundlichen Bereitstellung von Sicherheitsupdates ein. Beim Ausbau digitaler Infrastrukturen, wie z.B. 5G, wollen wir die Integrität unserer kritischen Infrastruktur, die digitale Souveränität Europas und die Einhaltung der Menschenrechte wie das Recht auf Privatsphäre sicherstellen. Dafür sind einerseits höchste IT-Sicherheitsstandards für Komponenten in digitalen Infrastrukturen nötig. Andererseits wollen wir die technologische Unabhängigkeit Europas durch verstärkte Eigenentwicklungen und -produktionen, durch vielfältige digitale Ökosysteme und offene Standards stärken. Um Gefahrenlagen konkret bewerten zu können, müssen neben technischen, auch rechtliche, rechtsstaatliche, sicherheitsrelevante und geostrategische Aspekte in die Prüfung einbezogen werden. Eine Beteiligung von nicht vertrauenswürdigen Unternehmen, insbesondere aus autoritären Staaten an kritischer Infrastruktur lehnen wir ab.
Zertifizierungen und wollen vor allem die KMUs sehr viel stärker durch ein dezentrales und
unabhängiges IT-Beratungsnetzwerk unterstützen. Wir stärken unabhängige Aufsichtsstrukturen
und schaffen neue Sanktionsmechanismen. Die IT-Sicherheit gefährdende Maßnahmen, wie den
Handel und das staatliche Offenhalten von Sicherheitslücken, wollen wir beenden und eine
Meldepflicht schaffen.
Wir kämpfen für einen fairen und nachhaltigen Handel
Neustart für gute Handelsverträge
Handel ist eine wichtige Grundlage unseres Wohlstandes: Fairer Handel trägt zur Vertiefung
internationaler Partnerschaften und damit auch zu einer sicheren Welt bei. Gerade in Zeiten,
die zunehmend unter den Vorzeichen eines Systemwettbewerbs zwischen demokratischen Staaten
und China stehen, setzten wir auf eine proaktive Handelspolitik. Wir wollen einen
multilateralen Welthandel und Handelsabkommen, die dem Wohlstand aller Menschen dienen, die
Umwelt- und Klimaschutz einfordern und die Beziehungen mit unseren Partnern im Einsatz für
Demokratie und Freiheit stärken. Eine Zersplitterung von Handelsbeziehungen erschwert ein
internationales Miteinander. Die Chance, mit der neuen US-Administration die
Handelskonflikte beizulegen und einen transatlantischen Markt für klimaneutrale Produkte zu
schaffen, wollen wir ergreifen. Umweltschädliche Abkommen wie das EU-Mercosur-Abkommen mit
lateinamerikanischen Staaten lehnen wir ab. Europa kann aufgrund des großen gemeinsamen
Binnenmarktes selbstbewusst in Handelsverhandlungen gehen. Europäische Handelsverträge
müssen verbindliche und durchsetzbare Umwelt- und Sozialstandards enthalten. Dazu zählt, das
Pariser Klimaschutzabkommen sowie ILO-Kernarbeitsnormen zur Bedingung und einklagbar zu
machen. Handelsabkommen sollten nicht nur Rechte für Unternehmen, sondern auch ihre
Pflichten regeln. Deshalb setzen wir uns für einen multilateralen Handelsgerichtshof bei den
Vereinten Nationen ein, der beides abdeckt. Internationale Konzerne dürfen durch Handels-
und Investitionsklagen nicht noch mächtiger werden, daher lehnen wir Klageprivilegien für
ausländische Investoren ab. Die EU sollte aus dem vollkommen aus der Zeit gefallenen
Energiecharta-Vertrag aussteigen. Am CETA-Abkommen haben wir erhebliche Kritik. Wir wollen
daher das CETA-Abkommen in seiner derzeitigen Fassung nicht ratifizieren, sondern es bei der
Anwendung der derzeit geltenden Teile belassen.
Aktive Außenwirtschaftspolitik und fairer Wettbewerb
Damit gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Marktteilnehmer*innen gelten, muss Europa
reagieren können, wenn aus Drittländern mit unfairen Mitteln auf dem europäischen
Binnenmarkt agiert wird, sowie eine aktive Außenwirtschaftspolitik betreiben. Dafür müssen
Anti-Dumping- und Anti-Subventionsinstrumente weiterentwickelt werden, um ein Level Playing
Field auf globalen Märkten zu erreichen. Die Anti-Dumping-Regeln müssen noch stärker als
bisher auch bei Dumping durch niedrige ökologische und soziale Standards anwendbar sein.
Durch eine Reform des EU-Beihilferechts können Wettbewerbsverzerrungen durch staatlich
geförderte Konzerne aus anderen Weltregionen verhindert werden. Die deutsche Exportförderung
muss in Zukunft – anstelle von fossilen Anlagen und Kraftwerken – Hidden Champions
unterstützen, die Hightech für bessere Umwelt- und Lebensbedingungen herstellen. Mit der EU-
Kommission setzen wir uns für einen Grenzausgleich von CO2-Kosten ein, damit ambitionierter
Klimaschutz nicht zum Wettbewerbsnachteil wird. Fairer Wettbewerb braucht auch neue
rechtliche Instrumente gegen den wettbewerbsverzerrenden Charakter von Subventionen
ausländischer Regierungen für aufgekaufte europäische Unternehmen und deren Produktionen in
Europa.
Fairer Handel für eine nachhaltige Entwicklung im globalen Süden
Die Entwicklungschancen der Länder des globalen Südens sind stark davon abhängig, wie fair
die Handelspolitik gestaltet wird. Fairer Handel muss zum Standard werden. Dieser muss sich
am Pariser Klimaabkommen sowie an der Agenda für nachhaltige Entwicklung orientieren. Es
braucht im Sinne einer nachhaltigen globalen Strukturpolitik dringend eine gerechte
Handelspolitik mit den Ländern des globalen Südens, die regionale Wertschöpfung, regionalen
Handel und Integration fördert und ihnen genügend Raum lässt, durch Zölle und Quoten ihre
Märkte zu schützen sowie durch Exportsteuern die Ausfuhr heimischer Rohstoffe zu
beschränken. So wird der Aufbau heimischer Industrien gefördert. Zölle für
Entwicklungsländer auf verarbeitete Produkte sollen gesenkt bzw. abgeschafft werden.
Lieferkettengesetz europäisch umsetzen
Viel zu oft kaufen wir Dinge, deren Herstellung auf dem Raubbau an Mensch und Natur basiert,
obwohl wir das gar nicht wollen. Damit Unternehmen künftig Umwelt- und Sozialstandards sowie
Menschenrechte entlang der gesamten internationalen Produktions- und Lieferkette
durchsetzen, braucht es ein verbindliches und wirksames Lieferkettengesetz auf nationaler
wie europäischer Ebene. Kern einer solchen Regelung stellt eine zivilrechtliche Haftung dar,
auf deren Grundlage Unternehmen im Schadensfall zur Verantwortung gezogen werden können.
Zugleich ermöglicht ein verbindlicher Rahmen gleiche Wettbewerbsbedingungen am Markt und
schafft Rechtssicherheit. Auf EU-Ebene werden wir uns zudem für einen Importstopp für
Agrarprodukte einsetzen, die im Zusammenhang mit illegaler Entwaldung und
Menschenrechtsverletzungen wie Vertreibung stehen. Weltweit wird Wald, insbesondere so
wichtiger Tropen-, Ur- und Mangrovenwald, mit fortschreitender Geschwindigkeit abgeholzt und
abgebrannt – auch für den Anbau von Soja und Palmöl oder zur Produktion von Leder, die in
die EU importiert werden. Die EU-Holzhandelsverordnung wollen wir stärken und Strategien zur
Reduktion von Palmöl und Soja in Deutschland voranbringen. Zur Kompensation gerodeter Wälder
fördern wir hier und weltweit Wiederbewaldung und Renaturierung ohne Monokulturen.
Wir machen die Finanzmärkte stabiler und nachhaltiger
Grüne Finanzmärkte
Noch immer werden Milliarden in fossile Energien – und damit gegen unsere Zukunft –
investiert. Wir werden durchsetzen, dass sich die öffentliche Hand vollständig aus diesen
Investitionen zurückzieht. Öffentlich-rechtliche Banken und Pensionsfonds müssen eine
Vorreiterrolle bei der grünen Finanzwende und dem Divestment einnehmen. Klimarisiken sollen
offengelegt und bei Banken und Versicherungen mit Eigenkapital unterlegt werden sowie bei
Ratings berücksichtigt werden. Alle Anlagen, nicht nur grüne, müssen eine
Nachhaltigkeitsbewertung haben, die für alle Anleger*innen transparent ist. Dabei sind neben
den Klimazielen auch andere Umweltwirkungen, Menschenrechte, Arbeitsnormen und
Entwicklungsziele zu berücksichtigen. In der Anlageberatung muss diese Bewertung einfließen.
Für besonders nachhaltige Finanzprodukte wollen wir ein EU-Label schaffen. So sorgen wir
dafür, dass Kapital von schmutzigen in grüne und nachhaltige Investitionen umgelenkt wird.
Saubere Bilanzen am deutschen Kapitalmarkt
Beim Bilanzskandal Wirecard sind die zuständigen Wirtschaftsprüfer*innen und die staatliche
Aufsicht an ihrer Aufgabe gescheitert. Erst nachdem ein neues Unternehmen auf die Bilanzen
blickte, wurde ordentlich geprüft, während man die Jahre davor immer wieder Bilanzen
durchwinkte, um die eigenen Versäumnisse der Vorjahre zu vertuschen. Wir wollen, dass
Unternehmen in der Regel nach sechs Jahren ihre Wirtschaftsprüfer*in wechseln müssen.
Wirtschaftsprüfungsgesellschaften dürfen nicht gleichzeitig Unternehmen beraten, die sie
prüfen. Wirtschaftsprüfer*innen sollen nicht vom Unternehmen selbst, sondern von
Unabhängigen ausgewählt werden. Die Aufdeckung von Bilanzbetrug muss als Ziel gesetzlich
verankert werden. Wirtschaftsprüfungsgesellschaften müssen wirksam staatlich beaufsichtigt
werden. Die persönliche Haftung von Entscheider*innen in Unternehmen muss bei
Rechtsverstößen tatsächlich wirksam werden. Auch Aufsichtsräte müssen gestärkt und kompetent
besetzt werden. Die Vergütung von Vorständen muss sich am langfristigen Unternehmenserfolg
statt am kurzfristigen Börsenkurs orientieren.
Eine Finanzaufsicht mit Zähnen
Wir brauchen eine Finanzaufsicht mit Zähnen, die Missstände aufzeigt, statt sie zu
ermöglichen. Bei Wirecard hat auch die deutsche Finanzaufsicht (BaFin), wie so häufig zuvor,
kläglich versagt. Als Aufseher verbot die BaFin Leerverkäufe gegen Wirecard und zeigte
Journalist*innen an, die Unregelmäßigkeiten aufdeckten. Das kam einem Persilschein für
Wirecard gleich. Anleger*innen haben im Ergebnis nicht nur ihr Geld, sondern zugleich auch
das Vertrauen in den Finanzplatz Deutschland und seine Aufsicht verloren. Für ehrliche
Unternehmen wird die Finanzierung so künftig schwieriger und teurer. Kultur und
Selbstverständnis der BaFin müssen sich deshalb komplett ändern. Es braucht eine
Fehlerkultur innerhalb der Aufsicht und eine Kultur der Skepsis und des Hinterfragens. Wir
wollen eine Finanzpolizei mit umfassenden Prüfungsrechten schaffen, die Informationen mit
allen zuständigen Behörden im In- und Ausland austauscht.
Das Bankgeschäft muss wieder langweilig werden
Auch über zehn Jahre nach der Finanzkrise geht von Banken noch immer eine Gefahr für die
Wirtschaft aus. Noch immer ist nicht ausgeschlossen, dass im Falle einer Pleite die
Steuerzahler*innen haften. Wir wollen deshalb zurück zum „Boring Banking“. Banken sollen
nicht spekulieren, sondern die Realwirtschaft finanzieren. Statt der immer
undurchsichtigeren Regulierungsflut wollen wir einfache und harte Regeln. Die
Regulierungslücken bei Schattenbanken, Zahlungsdienstleistern und Fintechs schließen wir,
jedes Produkt und jeder Akteur muss reguliert sein. Wir werden die Schuldenbremse (Leverage
Ratio) für Banken verbindlich machen und schrittweise erhöhen. Das riskante
Investmentgeschäft muss vom Einlagen- und Kreditgeschäft getrennt werden
(Trennbankensystem). Es braucht eine starke Fusionskontrolle und zu große Banken sollen
entflochten werden. Für kleine Banken, von denen kein Risiko für das Finanzsystem ausgeht,
sollten hingegen einfachere Regeln gelten. Spekulation und Kurzfristorientierung werden wir,
unter anderem durch eine europäische Finanztransaktionssteuer mit breiter
Bemessungsgrundlage, unattraktiv machen.
Schmutziges Geld einziehen
Unser Land ist derzeit ein Paradies für Geldwäsche. Wir werden mit einer umfassenden
Strategie gegen Geldwäsche vorgehen. Bei allen Gesellschaften, Stiftungen und sonstigen
Konstrukten muss umfassende Transparenz über die wirtschaftlich Berechtigten bestehen.
Lücken und Umgehungsmöglichkeiten des Transparenzregisters werden geschlossen. Die
Finanzaufsicht muss in der Geldwäschebekämpfung eine aktive Rolle spielen, statt
Verdachtsmeldungen nur weiterzureichen. Im Nichtfinanzsektor, gerade bei Immobilien, bleibt
Geldwäsche besonders oft unentdeckt. Wir werden bundesweite Mindeststandards für Prüfungen,
Ressourcen und Personal durchsetzen. Die Zuständigkeit für die Bekämpfung der Geldwäsche
soll vollständig auf den Bund übergehen. Illegale Gelder und Vermögenswerte werden wir
umfassend abschöpfen. Das Einfrieren von verdächtigen Finanztransaktionen wollen wir
erleichtern und die Dauer von Transaktionsverboten verlängern, um die Strafverfolgung zu
sichern.
Digitalen Euro einführen
Digitales Bezahlen gewinnt in unserem Alltag stetig an Bedeutung. Es ist bequem, schnell und
kontaktlos und soll noch sicherer werden. Wir wollen, dass die Europäische Zentralbank (EZB)
einen digitalen Euro schafft. Sie gewährleistet dabei Daten- und Rechtssicherheit für
Verbraucher*innen und Unternehmen. Sie wirkt ungerechtfertigten Kosten durch Oligopole
entgegen. Private Firmen können auf dieser Grundlage Produkte und Apps aufbauen. Ein
digitaler Euro löst klassisches Bargeld nicht ab, sondern ergänzt es. Eine Aushöhlung des
Geld- und Währungsmonopols durch private Währungen lehnen wir strikt ab. Bei allen digitalen
Zahlungen und Kryptowährungen müssen die tatsächlichen wirtschaftlich Berechtigten analog zu
Regelungen beim Bargeld ab einer gewissen Schwelle ermittelt werden. Zur Bekämpfung von
Verbrechen wie Geldwäsche, Darstellung sexualisierter Gewalt gegen Kinder,
Steuerhinterziehung und Terror-Finanzierung braucht es auch für den Bereich des digitalen
Bezahlens klare Regeln.
Wir vollenden die Europäische Wirtschafts- und
Währungsunion
In Europas Zukunft investieren
Europas Gesellschaften und Unternehmen leben von einer starken öffentlichen Infrastruktur.
Daher ist es umso gefährlicher, dass in den letzten Jahren so sehr auf Verschleiß gefahren
und nicht investiert wurde. In wichtigen Zukunftsfeldern wie der Digitalisierung oder der
Batterieproduktion droht Europa den Anschluss zu verlieren. Wir werden in der EU konsequent
in Klimaschutz, Digitalisierung, Forschung und Bildung investieren. Dafür weiten wir den EU-
Haushalt deutlich aus und statten ihn mit eigenen Einnahmen aus. Die EU soll die Einnahmen
des CO2-Grenzausgleichs erhalten. Auch die Besteuerung von Plastik und Digitalkonzernen und
möglichst auch der Finanztransaktionen soll den EU-Haushalt stärken. Den neu geschaffenen
Wiederaufbaufonds verstetigen wir, integrieren ihn fest in den EU-Haushalt, ermöglichen so
eine demokratische Kontrolle und nutzen ihn auch dauerhaft, um in wichtige Zukunftsbereiche
zu investieren, etwa gemeinsame europäische Energienetze oder ein Schnellbahnnetz. Wir
wollen gemeinsam mit unseren europäischen Partnern den Stabilitäts- und Wachstumspakt so
reformieren, dass ein zu hoher Spardruck verhindert wird und Zukunftsinvestitionen in allen
Mitgliedsländern weiter erhöht werden können.
Währungsunion vollenden, Europa krisensicher aufstellen
Es war ein Fehler, dass die Konservativen jahrzehntelang eine eigene Fiskalpolitik Europas
verhindert haben. Wir wollen dafür Sorge tragen, dass die EU ein Instrument für eine
dauerhafte, eigene Fiskalpolitik erhält, dessen Einsatz im Krisenfall nicht durch einzelne
Länder blockiert werden kann, sondern das den gemeinsamen europäischen Institutionen
untersteht. Der Europäische Stabilitätsmechanismus wird zu einem europäischen Währungsfonds
weiterentwickelt. In ihm erhalten die Länder eine nicht konditionierte kurzfristige
Kreditlinie. So wird Spekulation gegen einzelne Staaten schon im Vorfeld abgewendet. Die
Bankenunion wird durch eine gemeinsame Einlagensicherung als Rückversicherung vollendet,
damit ein Euro überall gleich viel wert ist. Wir stehen zur Unabhängigkeit der Europäischen
Zentralbank und befürworten ein breiteres Mandat, das ihr erlaubt, gleichberechtigt zur
Preisstabilität auch Wohlstandsmehrung und hohe Beschäftigung anzustreben. Durch eine
gemeinsame Fiskalpolitik entlasten wir die Zentralbank und sorgen dafür, dass sie künftige
Brände nicht wieder alleine löschen muss.
Euro zur Leitwährung machen
Wir wollen, dass sich der Euro zu einer glaubwürdigen, internationalen Leitwährung
entwickelt, damit Europa seine Souveränität bewahrt und ausbaut. Langfristig soll ein
starker und stabiler Euro seinen Platz in einem kooperativen globalen Weltwährungssystem
finden. Der Euro ist ein wesentlicher Baustein einer umfassenden Strategie, die europäische
Werte auf der globalen Ebene stärkt und durchsetzt. Wir werden sichere europäische
Vermögenswerte schaffen, in denen die Welt sparen kann. In Zukunftsmärkten wie Investitionen
in Klimaschutz soll der Euro das internationale Zahlungsmittel werden. Um die internationale
Rolle des Euro zu stärken, braucht es aber auch inner-europäische Solidarität: Wir wollen
Ungleichgewichte gemeinsam in Überschuss- und Defizitländern reduzieren sowie wirtschafts-
und finanzpolitische Entscheidungen als Gemeinschaft treffen.
Wir haushalten solide, weitsichtig und gerecht
Bundeshaushalt wird zukunftstauglich
Wir wollen den Bundeshaushalt nachhaltiger und gerechter machen. Nachhaltiger wird er, wenn
wir die umweltschädlichen Subventionen endlich beenden. Immer noch subventionieren die
öffentlichen Haushalte des Landes mit über 50 Milliarden Euro klimaschädliches Verhalten,
zum Beispiel mit der Subvention für Diesel oder schwere Dienstwagen. Wir werden diese
Subventionen schrittweise abbauen und den Bundeshaushalt klimagerecht machen. In einem
ersten Schritt können wir so über 10 Milliarden Euro jährlich einnehmen und sie für die
Finanzierung von Klimaschutz und sozialer Gerechtigkeit einsetzen. Für die Ausgaben des
Bundes streben wir eine Klimaquote an, die schrittweise steigen soll. Zur Finanzierung
dieser nachhaltigen Ausgaben setzen wir auf grüne Anleihen. Mit Gender-Budgeting erreichen
wir eine konsequente Berücksichtigung und Einbeziehung von Gleichstellungsaspekten bei
finanz- und haushaltspolitischen Entscheidungen. Das macht den Haushalt gerechter.
Sorgsamer Umgang mit Steuergeld
In den vergangenen Jahren wurde im großen Umfang Geld im Bundeshaushalt verschwendet. Die
Pkw-Maut war ein Desaster mit Ansage. Das Verteidigungsministerium hat Millionen in teure
Beraterverträge versenkt. Schlecht gemachte öffentlich-private Partnerschaften haben sich
für die privaten Unternehmen als lukrativ und für die Steuerzahler*innen als teuer erwiesen.
Wir werden sorgsam mit dem Geld der Steuerzahler*innen umgehen. Wir werden künftig
Transparenz herstellen und ÖPP-Verträge veröffentlichen. Infrastruktur wird die öffentliche
Hand künftig wieder selbst finanzieren und kann so auf ÖPP-Verträge verzichten. Im
Straßenbau wollen wir ÖPP-Projekte gesetzlich ausschließen. Die Kontrolle bei Bauvorhaben
und großen öffentlichen Beschaffungen wird verbessert.
Schuldenbremse reformieren, Investitionsregel einführen
Deutschland verfügt auch nach der Corona-Krise über tragfähige Staatsfinanzen. Die Zinsen
sind historisch niedrig, das Vertrauen in deutsche Staatsanleihen ist hoch. Wir haben aber
ein Zukunftsproblem. Die Erde erhitzt sich, die Schulen verfallen und Deutschland gehört
beim schnellen Internet zu den Schlusslichtern der EU. Wir investieren zu wenig in unser
Land. Das sind Schulden, die nicht in den Büchern stehen, aber unseren Wohlstand gefährden.
Wir wollen die Schuldenbremse im Grundgesetz zeitgemäß gestalten – um die so dringenden
Investitionen zu ermöglichen. Bei konsumtiven Ausgaben bleibt es bei den derzeitigen
strikten Regelungen; bei Investitionen, die neues öffentliches Vermögen schaffen, erlauben
wir eine begrenzte Kreditaufnahme. So schaffen wir öffentliches Vermögen, das uns allen
gehört, denn die Rendite öffentlicher Investitionen ist hoch, während der Bund keine Zinsen
für seine Kredite bezahlt. Das schafft ein hohes und nachhaltiges Wirtschaftswachstum, das
sicherstellt, dass unsere Schulden im Verhältnis zur Wirtschaftskraft weiter abnehmen. Die
kluge Unternehmerin spart nicht, sie investiert. Der kluge Staat tut es ihr gleich.
Mehr Steuergerechtigkeit schaffen
Steuern sind die Grundlage für die Finanzierung unseres Gemeinwesens. Angesichts der Corona-
Krise wird die öffentliche Haushaltslage in den kommenden Jahren sehr angespannt sein. Daher
müssen alle Veränderungen im Steuerrecht mindestens aufkommensneutral sein. Ziel ist, dass
alle einen fairen Beitrag leisten. Heute aber tragen die obersten 10 Prozent der Einkommen
über Steuern und Abgaben relativ weniger bei als die mittleren Einkommen. Das ändern wir,
indem wir den Grundfreibetrag der Einkommensteuer erhöhen, um kleine und mittlere Einkommen
zu entlasten. Im Gegenzug wollen wir den Spitzensteuersatz moderat anheben. Ab einem
Einkommen von 100.000 Euro für Alleinstehende und 200.000 Euro für Paare wird eine neue
Stufe mit einem Steuersatz von 45 Prozent eingeführt. Ab einem Einkommen von 250.000 bzw.
500.000 Euro folgt eine weitere Stufe mit einem Spitzensteuersatz von 48 Prozent. Zusätzlich
werden hohe Managergehälter oberhalb von 500.000 Euro nicht mehr zum Abzug als
Betriebsausgaben zugelassen. Die Abgeltungsteuer für Kapitalerträge schaffen wir ab und
besteuern diese Einkommen wieder progressiv. Damit zahlen diejenigen mit hohen Zinseinkommen
und Spekulationsgewinnen höhere Steuern, Aktienkleinanleger*innen werden entlastet. Mit der
immer stärker steigenden Ungleichheit finden wir uns nicht ab, sondern wollen große Vermögen
nach der Corona-Krise wieder besteuern. Dafür gibt es verschiedene Instrumente. Die
Einführung einer neuen Vermögensteuer für die Länder ist unser bevorzugtes Instrument. Die
Länder sollten die Einnahmen dieser Steuer für die Finanzierung der wachsenden
Bildungsaufgaben einsetzen. Die Vermögensteuer sollte für Vermögen oberhalb von 2 Millionen
Euro pro Person gelten und jährlich 1 Prozent betragen. Begünstigungen für Betriebsvermögen
werden wir im verfassungsrechtlich erlaubten und wirtschaftlich gebotenen Umfang einführen.
Dabei streben wir Lösungen an, die zusätzliche Anreize für Investitionen schaffen und die
besondere Rolle und Verantwortung von mittelständischen und Familienunternehmen
berücksichtigen.
Konsequent gegen Steuerhinterziehung und -vermeidung vorgehen
Jedes Jahr verlieren die Steuerzahler*innen hohe Milliardenbeträge durch Steuerhinterziehung
und aggressive Steuervermeidung. Wir wollen mit einer umfassenden Strategie dagegen
vorgehen. Die europäische Anzeigepflicht für Steuergestaltungen muss um eine Verpflichtung
für rein nationale Gestaltungen ergänzt werden. Zusätzlich zur bestehenden Steuerpflicht
nach dem Wohnsitz wird eine Steuerpflicht auch nach der Nationalität eingeführt, um rein
steuerlich motivierte Wohnsitzwechsel zu verhindern. Wir werden regelmäßig die Steuerlücke
schätzen lassen. Die Steuerverwaltung muss deutlich gestärkt werden. Um Vollzugsdefizite bei
der Bekämpfung von Steuervermeidung großer Konzerne und reicher Bürger*innen zu beheben,
schaffen wir eine Spezialeinheit auf Bundesebene. Steuerhinterziehung ahnden wir härter, die
Umgehung der Grunderwerbsteuer mit Share-Deals muss endlich unterbunden werden. Cum-ex- und
Cum-cum-Geschäfte beenden wir, wo sie immer noch möglich sind.
Konzerne angemessen besteuern
Durch Buchungstricks verschieben große Konzerne ihre Gewinne in Steuersümpfe. So fehlen
Milliarden für unsere Infrastruktur, und die Firmen verschaffen sich unfaire
Wettbewerbsvorteile gegenüber kleineren Unternehmen. Wir wollen dafür sorgen, dass Konzerne
ihre Gewinne, Umsätze und Steuerzahlungen nach Ländern umfänglich öffentlich machen müssen,
und setzen uns für eine ambitionierte Ausgestaltung eines solchen Country-by-Country-
Reportings auf europäischer Ebene ein. In Europa führen wir eine gemeinsame
Bemessungsgrundlage für die Unternehmenssteuern und einen Mindeststeuersatz von
mittelfristig 25 Prozent ohne Ausnahmen ein. Google, Facebook und Co. werden mit einer
Digitalkonzernsteuer endlich angemessen besteuert. Banken und Steuerberater*innen verbieten
wir, Geschäfte in Steuersümpfen zu tätigen oder dorthin zu vermitteln. Wir setzen uns dafür
ein, auch in Steuerfragen zu Mehrheitsentscheidungen in der EU überzugehen. Soweit
europäische Einigungen nicht gelingen, gehen wir voran, in verstärkter Zusammenarbeit oder
gemeinsam mit einzelnen Staaten. National gehen wir gegen Gewinnverschiebungen mit einer
verschärften Zins- und Lizenzschranke und mit Quellensteuern vor.
Antragstext
Von Zeile 232 bis 234:
Unternehmen für ihre Produkte in Haftung nimmt. Wir werden an einer engen europäischen und transatlantischen Koordinierung gegenüber China arbeiten, besonders auch in den Bereichen. Beim 5G-Netz-Ausbau wollen wir die Integrität digitaler Infrastrukturen und Schutz kritischer Infrastrukturdie digitale Souveränität Europas sicherstellen. Dabei haben Sicherheit und die Einhaltung der Menschenrechte wie das Recht auf Privatsphäre für uns höchste Priorität. Daher lehnen wir gerade im Bereich der kritischen Infrastruktur den Einsatz von Hard- und Software nicht vertrauenswürdiger Unternehmen, insbesondere aus autoritären Staaten, ab.
Die großen Herausforderungen unserer Zeit sind global: Pandemien, die Klimakrise, Hunger,
Migration und die sozial-ökologische Transformation als besondere Aufgabe. Wir können sie
nur gemeinsam meistern. Jahrelang hat Deutschland in Europa und der Welt aber allenfalls
moderiert, oft gezögert, ist abgetaucht. Es ist Zeit, wieder eine aktive Außenpolitik zu
betreiben und als gestaltende Kraft voranzugehen im Sinne einer multilateralen und
vorsorgenden, einer kohärenten und wertegeleiteten Politik – stets europäisch und entlang
einer verlässlichen deutsch-französischen Zusammenarbeit, transatlantisch und im Rahmen der
Vereinten Nationen.
Gestützt auf die Agenda der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung, das Pariser
Klimaabkommen und die rechtebasierte internationale Ordnung setzen wir uns für eine globale
Strukturpolitik ein, die den Schutz öffentlicher Güter, eine gerechte Ressourcenverteilung
sowie Entwicklungschancen für alle als beste Vorsorge gegen Konflikte, Gewalt oder das
unermessliche Leid von Flucht und Vertreibung begreift.
Ausgangspunkt unserer Politik ist eine gestärkte und handlungsfähige Europäische Union. Die
Werte, auf denen sie gründet, wollen wir nach innen verteidigen und nach außen beherzt
vertreten: Menschenrechte, Demokratie, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit. Die EU als
Friedensmacht ist nicht nur Antwort auf eine lange und schmerzvolle Geschichte von Kriegen
und Feindseligkeiten auf unserem Kontinent, exportiert in die ganze Welt, sondern vor allem
ein Zukunftsversprechen, das es einzulösen gilt. Sie ist unser schützenswertes und
einmaliges Zuhause. Gerade weil wir überzeugte Europäer*innen sind, streiten wir für ihre
stetige Fortentwicklung. Wir arbeiten für eine europäische Wertegemeinschaft, die ihre
Abhängigkeit von Dritten in kritischen Bereichen ab- und ihre strategische Souveränität
ausbaut – in einem Gleichgewicht von Kooperation, wo möglich, und Eigenständigkeit, wo
nötig. Nur eine handlungsfähige und krisenfeste EU ist in der Lage, kritische Infrastruktur
und öffentliche Güter zu schützen, global für das Völkerrecht und die universalen
Menschenrechte einzustehen. Mit dem größten Binnenmarkt der Welt hat die EU wirtschaftlich
erheblichen Einfluss. Diesen Hebel wollen wir nutzen, um die globale Transformation gerecht
zu gestalten und ambitionierte Standards zu setzen.
Der erheblichen Widerstände und Dilemmata, die das bedeutet, sind wir uns bewusst. Das
autoritäre Hegemonialstreben einer chinesischen Regierung, das Menschen- und
Bürger*innenrechte systematisch aushebelt, zwingt Staaten nicht nur in wirtschaftliche und
politische Abhängigkeit, sondern spaltet auch Europa. Zugleich wird eine globale sozial-
ökologische Transformation ohne China, auch ohne Russland oder Brasilien, nicht möglich
sein. Das allein zeigt: Der Systemwettbewerb mit autoritären Staaten und Diktaturen ist
real, lässt bisweilen nur die Wahl zwischen Regen oder Traufe – und stellt uns vor derart
beachtliche Aufgaben, dass jede Form des Alleingangs zum Scheitern verurteilt wäre.
Wir können die vielen Widersprüche und Grenzen außen-, entwicklungs- und
sicherheitspolitischen Handelns nicht auflösen. Die Verteidigung von Menschenrechten,
Demokratie und das klare Bekenntnis zu Freiheitsbewegungen führen an die Grenzen politischer
Handlungsfähigkeit. Wir können uns aber dieser Verantwortung nicht entziehen. Umso zentraler
ist europäische Kohärenz und sind politische Bündnisse mit allen anderen Staaten, aber
gerade auch Regionen und zivilgesellschaftlichen oder zwischenstaatlichen Akteuren, für die
der Wert von Kooperation und die Stärke des Rechts ebenfalls Grundlage internationaler
Beziehungen sind. Diese Bündnisse wollen wir selbstbewusst mitgestalten. Souverän sind wir
nur gemeinsam.
Wir setzen auf den ehrlichen Interessensausgleich, die Achtung der Rechte marginalisierter
Gruppen, auf Zusammenarbeit und Rechtsstaatlichkeit, auf Konfliktprävention und
regelbasierte Konfliktbearbeitung in einer eng vernetzten Welt. Unser Ziel ist eine
Weltordnung, in der Konflikte nicht über das Recht des Stärkeren, sondern am
Verhandlungstisch gelöst werden. Und wir reichen allen die Hand, die daran teilhaben wollen.
All das tun wir im Wissen um Deutschlands Verantwortung in der Welt und im Bewusstsein um
die Verbrechen des Nationalsozialismus.
Als hochentwickelter und exportorientierter Industriestaat gehört Deutschland zu den
Hauptverursachern globaler Erwärmung und agiert als entscheidender Player einer
Globalisierung, die eben nicht nur Wohlstand und Entwicklung bedeutet, sondern auch zu
Ausbeutung von Mensch und Umwelt führt. Diese Verantwortung verstehen wir als Antrieb für
ambitionierte Veränderung und entschiedenes Handeln mit dem Ziel globaler Gerechtigkeit und
setzen dafür bei uns selbst an.
Das bedeutet auch: Wir fordern die Einhaltung und den Schutz der Menschenrechte nicht nur
von anderen ein, sondern messen uns selbst daran. Menschenrechte sind völkerrechtliche
Pflicht und unverrückbare Grundlage einer wertegeleiteten internationalen Politik. „Alle
Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren“: Artikel 1 der Allgemeinen
Erklärung der Menschenrechte ist Leitbild unseres Engagements – auch in der europäischen
Flüchtlingspolitik. Sie ist das große Versagen Europas. In keinem anderen Bereich scheitern
die europäischen Regierungen derart an den eigenen Ansprüchen von Moral, Menschenrechten und
internationalem Recht.
Das Versagen ist zugleich global: Nirgends auf der Welt wird Flucht angemessen und nach
klaren, menschenrechtsbasierten Prinzipien begegnet. Diese Regeln aber gibt es, ebenso wie
es immer wieder Momente in unserer Geschichte gab, da nach ihnen gehandelt wurde. Hier
wollen wir anknüpfen und – wenn nicht gesamteuropäisch, dann in einer humanitären Koalition
der Willigen innerhalb und außerhalb der EU – einen Paradigmenwechsel hin zur konsequenten
Vorbeugung gegen Fluchtursachen und zu einem menschenwürdigen Umgang mit Geflüchteten
vorantreiben. Wir setzen auf Rationalität und Handlungswillen, auf Humanität und
Verantwortung – und auf den unerlässlichen Pragmatismus der Nothilfe.
Die Größe und Komplexität der internationalen Herausforderungen, die da vor uns liegen,
sollte Messlatte unseres außenpolitischen Handelns sein. Die globalen Aufgaben sind
erheblich. Wagen wir die entsprechenden Antworten.
Wir treiben die sozial-ökologische Transformation voran
Schubkraft für globale Transformation
Mehr denn je bedrohen Klimaveränderungen und der Verlust von Artenvielfalt menschliche
Sicherheit und Freiheit sowie die nachhaltige Entwicklung – überall auf der Welt. Die Zeit
drängt. Darum braucht es in den nächsten Jahren einen energischen Schub für eine sozial-
ökologische Transformation. Die nachhaltigen Entwicklungsziele der Agenda 2030 und des
Klimaabkommens von Paris waren ein Aufbruch. Alle Länder sind seitdem verpflichtet, bei sich
zu Hause anzufangen und ihren Beitrag für die gemeinsame Aufgabe zu leisten – schließlich
sind es unsere Entscheidungen in Wirtschaft und Handel, bei Agrar- oder Rüstungsexporten,
die sich weltweit stark auf Klima, Artenschutz und globale Gerechtigkeit auswirken. Wir
wollen alle Politikbereiche in Deutschland auf die Transformation ausrichten und einen
Nachhaltigkeits- und Menschenrechts-TÜV einführen. Es gilt unsere internationalen Zusagen
einzuhalten und die öffentlichen Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit im Rahmen der ODA-
Quote sowie der internationalen Klimafinanzierung und Biodiversität zu erfüllen. Auch
international wollen wir neuen Schwung in die sozial-ökologische Transformation bringen,
indem wir auf eine verbindliche Transformationsquote hinwirken. Wir bündeln die Ausgaben für
Entwicklungszusammenarbeit, internationale Klimafinanzierung und Teile der humanitären
Hilfe, um eine globale Transformation entlang den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten
Nationen und den Pariser Klimazielen zu finanzieren. Deutschlands Beitrag soll die ODA-Quote
erfüllen und bis 2025 8 Milliarden Euro zur internationalen Klimafinanzierung bereitstellen.
Klimaaußenpolitik
Wir verfolgen eine ambitionierte, nachhaltige und menschenrechtskonforme Klimaaußenpolitik.
Sie ist klimapolitisch notwendig, kann nachhaltige Entwicklung fördern, Ressourcenkonflikten
vorbeugen und Frieden sichern. Klimaaußenpolitik kann zu einer Win-win-Situation für Europa,
seine Nachbarn und die Länder des globalen Sonnengürtels führen. Sie bedeutet zum einen,
dass wir Europäer*innen unseren Bedarf an grüner Energie durch Klimapartnerschaften decken
helfen: grüner Wasserstoff statt Öl- und Gasimporte. Andererseits werden wir so endlich
unserer historischen Verantwortung gerecht, indem wir Elektrifizierung und
Technologietransfers insbesondere in afrikanischen Ländern vorantreiben und den massiven
Ausbau der erneuerbaren Energien in diesen Ländern unterstützen. Nur so können wir es
schaffen, global auf den 1,5-Grad-Pfad zu kommen. Wir stärken die bestehenden Fonds für
Klimaanpassung und Klimaschutz („Adaptation and Mitigation“) und setzen uns dafür ein, dass
es auch einen Fonds zum Ausgleich von Schäden und Verlusten („Loss and Damage“) gibt. Daraus
können zum Beispiel Klimarisikoversicherungen finanziert werden. Entwicklungs- und
Investitionsbanken wie die Weltbank sollten zu Transformationsbanken umgebaut werden.
Klima- und Umweltschutz schützt Menschenrechte
Der Schutz der Menschenrechte verpflichtet zum Klima- und Umweltschutz, umgekehrt schützt
Klima- und Umweltschutz Menschenrechte. Wir treten für verbindliche Mechanismen zum Schutz
von Menschen ein, die aufgrund von Extremwetterereignissen oder schleichender
Umweltveränderung ihre Heimat verlassen müssen. Regionale Ansätze, die den Betroffenen eine
selbstbestimmte und würdevolle Migration ermöglichen, unterstützen wir. Zugleich wollen wir
jene Staaten in die Pflicht nehmen, die historisch am meisten zur Erderwärmung beigetragen
haben. Die „Task Force on Displacement“ wollen wir strukturell stärken und setzen uns dafür
ein, dass ihre Empfehlungen ebenso umgesetzt werden wie der Globale Pakt für eine sichere,
geordnete und reguläre Migration sowie der Globale Pakt für Flüchtlinge. Initiativen zur
Stärkung des Rechtswegs und das Instrument der Klimaklagen unterstützen wir. Die
französische Initiative, das Umweltvölkerrecht zu kodifizieren und zu konsolidieren, greifen
wir auf und machen uns dafür stark, in einem ersten Schritt das Recht auf saubere Umwelt in
einer Resolution der VN-Generalversammlung zu verbriefen.
Armut weltweit bekämpfen
Durch die Corona-Pandemie ist die Armut weltweit dramatisch angestiegen. Armutsbekämpfung
ist zentrales Ziel unseres internationalen Engagements. Darum setzen wir uns dafür ein, dass
Menschen weltweit sozial abgesichert werden und wollen – gemeinsam mit lokalen
Organisationen und Expert*innen – zum Aufbau und einer nachhaltigen Stärkung von sozialen
Sicherungssystemen beitragen. In einem ersten Schritt können Menschen in besonders von Armut
betroffenen Regionen durch finanzielle Direkthilfen („social cash transfers“) im Rahmen der
ODA-Mittel abgesichert werden. Grundsätzlich wollen wir, dass soziale Sicherungsprogramme
die vulnerabelsten Gruppen erreichen – und Geschlechtergerechtigkeit und sozialen
Zusammenhalt fördern.
Wir stärken die multilaterale Zusammenarbeit
Vereinte Nationen reformieren
Ohne die Vereinten Nationen ist die multilaterale Zusammenarbeit an der sozial-ökologischen
Transformation nicht zu meistern. Ihre Institutionen versorgen überall auf der Welt
Millionen von Geflüchteten, stellen Bildung, Nahrung und Gesundheit zur Verfügung. Sie
vermitteln in unzähligen Kriegen und Konflikten und sind der Rahmen, in dem die beiden
wichtigsten multilateralen Abkommen der vergangenen Jahre ausgehandelt worden sind: die
2030-Agenda für nachhaltige Entwicklung und das Pariser Klimaschutzabkommen. Das Engagement
Deutschlands und der EU für die Vereinten Nationen werden wir finanziell, personell und
diplomatisch substanziell verstärken, besser koordinieren und internationale Vereinbarungen
konsequent in nationale und europäische Politik umsetzen. So schaffen wir die
Voraussetzungen für notwendige Reformen des VN-Systems. Der Sicherheitsrat und andere Organe
der Vereinten Nationen sollten an die Realitäten des 21. Jahrhunderts angepasst werden.
Dabei geht es um eine gerechtere Repräsentation der Regionen im Sicherheitsrat. Das Konzept
der Vetomächte ist nicht mehr zeitgemäß. Wir zielen darauf, dass das Vetorecht langfristig
abgeschafft wird. Als Zwischenschritt sollte im Falle von schwersten Verbrechen gegen die
Menschlichkeit ein Veto im Sicherheitsrat mit einer Begründung und einem Alternativvorschlag
versehen werden. Wenn der Sicherheitsrat im Falle von schwersten Menschenrechtsverletzungen
anhaltend blockiert ist, soll die Generalversammlung an seiner Stelle über
friedenserzwingende Maßnahmen mit qualifizierter Mehrheit beschließen.
Resilienz gegen Epidemien erhöhen – WHO stärken
Zum Schutz vor neuen und zur Bekämpfung der alten Krankheiten setzen wir auf verstärkte
internationale Zusammenarbeit und Solidarität unter dem Dach der zu reformierenden
Weltgesundheitsorganisation als Sonderorganisation der Vereinten Nationen. Wir wollen die
WHO in ihrer Ausstattung mit deutlich höheren Beiträgen und einem klaren Mandat als
koordinierende Organisation der globalen Gesundheit stärken. In der Gruppe der G20 werden
wir uns dafür einsetzen, ihr einen formellen Sitz einzuräumen. Medikamente und Impfstoffe
müssen in allen Ländern erschwinglich und zugänglich sein, das Patentrecht muss entsprechend
flexibel sein. Monopole auf geistiges Eigentum zur Bekämpfung von Krankheiten dürfen den
Zugang zu überlebenswichtigen Schutzmaterialien, Impfstoffen und Arzneimitteln nicht
versperren.
50 Prozent Frauen in internationalen Verhandlungen
Wir wollen dem Multilateralismus neue Impulse für mehr Zusammenarbeit geben. Transformation
gelingt nur mit Kooperation, und die gelingt nur durch Einbeziehung der betroffenen
gesellschaftlichen Gruppen. Nach wie vor ist die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen der
stärkste Indikator dafür. Wir wollen schrittweise für Deutschland und Europa eine 50-
Prozent-Quote in allen diplomatischen und multilateralen Verhandlungen, für die Entsendung
in internationale Organisationen sowie auf den Umsetzungsebenen durchsetzen. Um das zu
ermöglichen, ist eine 50-Prozent-Quote für Frauen im Auswahlverfahren für das Personal in
internationalen Einsätzen, in den international arbeitenden Ministerien sowie im gehobenen
und höheren Europäischen Auswärtigen Dienst notwendig. Es braucht vergleichbare Kriterien,
Standards, Indikatoren und Zeitrahmen für die Gleichstellungspläne der Ministerien,
vergleichbar mit dem „Gender Equality Plan“ nach dem Vorbild der schwedischen Regierung.
Wir arbeiten an guten Beziehungen in einer multipolaren
Welt
Für eine aktive europäische Nachbarschaftspolitik
Die EU muss vor allem in ihrer direkten Nachbarschaft mehr Verantwortung übernehmen. Die EU-
Erweiterungspolitik ist dabei eine Erfolgsgeschichte, die wir fortschreiben wollen. Deshalb
treten wir für konkrete Fortschritte bei der europäischen Integration des westlichen Balkans
und eine Aufnahme der Beitrittsgespräche mit Albanien und Nordmazedonien auf Grundlage der
Kopenhagener Kriterien ein. In Osteuropa streiten viele mutige Menschen in Ländern wie
Armenien, Georgien, der Ukraine oder Belarus für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und
Menschenrechte. Wir unterstützen die demokratische Zivilgesellschaft und unabhängige Medien
in den östlichen Nachbarländern, wollen mehr Austausch zwischen Ost und West ermöglichen und
über die Östliche Partnerschaft der EU Justizreformen vorantreiben. Den EU-assoziierten
Ländern der Östlichen Partnerschaft wollen wir den Weg zu einem EU-Beitritt offenhalten. Im
Süden braucht es eine neue Mittelmeerpolitik, die gemeinsam Entwicklungspotenziale für die
Region realisiert und sich zugleich den enormen Herausforderungen stellt: Terrorismus,
autoritäre Regime, Staatszerfall. Gemeinsam wollen wir im Rahmen ambitionierter
Energiepartnerschaften den Mittelmeerraum zu einer Plus-Energie-Region machen. Derweil hat
zu unserem großen Bedauern mit Großbritannien erstmals ein Land das gemeinsame Haus der EU
verlassen. Es ist gut, dass mit dem Handels- und Kooperationsabkommen die Grundlage für
einen Neubeginn geschaffen wurde. Es bedarf aber weiterer Anstrengungen, um zu verhindern,
dass europäische Standards ausgehöhlt werden. Der Frieden auf der irischen Insel ohne harte
Grenze hat weiter Priorität.
USA
Die transatlantische Partnerschaft bleibt ein Stützpfeiler der deutschen Außenpolitik,
jedoch muss sie erneuert, europäisch gefasst, multilateral und an klaren gemeinsamen Werten
und demokratischen Zielen ausgerichtet werden. Als Kern einer erneuerten transatlantischen
Agenda der EU schlagen wir vor, einen gemeinsamen starken Impuls für die weltweite
Klimapolitik, ausgehend von den Pariser Klimazielen, zu geben. Wir setzen auch bei
Digitalisierung, der Stärkung des Multilateralismus, in Handelsfragen sowie bei der
Gesundheit auf eine gute Kooperation mit den USA. Wir wollen uns gemeinsam für den
weltweiten Menschenrechtsschutz und eine regelbasierte Weltordnung einsetzen. Das schließt
eine Verständigung über den Umgang mit autoritären Staaten wie China und Russland mit ein.
Der sicherheitspolitische Fokus der USA wird sich auch mit der neuen US-Regierung nicht
wieder zuvorderst auf Europa richten. Die EU und ihre Mitgliedstaaten müssen selbst mehr
außen- und sicherheitspolitische Verantwortung übernehmen. Das gilt insbesondere für die
Sicherheit der östlichen Nachbarländer der EU wie auch der baltischen Staaten und Polens.
Wir wollen die transatlantische Debatte auf vielen Ebenen führen, auch auf den jeweiligen
föderalen und lokalen, und damit nachhaltige, diverse gesellschaftliche Netzwerke knüpfen.
China
China ist Europas Wettbewerber, Partner, systemischer Rivale. Wir verlangen von China ein
Ende seiner eklatanten Menschenrechtsverletzungen etwa in Xinjiang und Tibet und zunehmend
auch in Hongkong. Es braucht dennoch einen konstruktiven Klima-Dialog mit China und wir
streben gemeinsame politische, wirtschaftliche und technologische Anstrengungen zur
Bekämpfung der Klimakrise an. Die Kooperation mit China darf nicht zu Lasten von
Drittstaaten oder von Menschen- und Bürger*innenrechten gehen. Wir halten uns an Europas
„Ein-China-Politik“ und betonen, dass Chinas Vereinigung nicht gegen den Willen der
Bevölkerung Taiwans erzwungen werden darf. Unsere Handelsbeziehungen mit China wollen wir
nutzen, um fairen Marktzugang für ausländische Investitionen, Rechtssicherheit und gleiche
Wettbewerbsbedingungen einzufordern. Wir erwarten, dass China die entscheidenden Kernnormen
der Internationalen Arbeitsorganisation ILO ratifiziert und die Zwangsarbeit beendet. Das
europäische Lieferkettengesetz muss angesichts der Menschenrechtsverletzung – etwa in
Xinjiang – Waren aus Zwangsarbeit den Zugang zum Binnenmarkt ebenso verwehren, wie es
Unternehmen für ihre Produkte in Haftung nimmt. Wir werden an einer engen europäischen und
transatlantischen Koordinierung gegenüber China arbeiten, besonders auch in den Bereichen. Beim
5G-Netz-Ausbau wollen wir die Integrität digitaler Infrastrukturen und Schutz kritischer Infrastrukturdie digitale Souveränität Europas sicherstellen. Dabei haben Sicherheit und die Einhaltung der Menschenrechte wie das Recht auf Privatsphäre für uns höchste Priorität. Daher lehnen wir gerade im Bereich der kritischen Infrastruktur den Einsatz von Hard- und Software nicht vertrauenswürdiger Unternehmen, insbesondere aus autoritären Staaten, ab.
Russland
Russland hat sich zunehmend in einen autoritären Staat gewandelt und untergräbt immer
offensiver Demokratie und Stabilität in der EU und in der gemeinsamen Nachbarschaft.
Gleichzeitig erstarkt die Demokratiebewegung in Russland. Die mutige Zivilgesellschaft, die
der immer härteren Repression durch den Kreml die Stirn bietet und für Menschenrechte,
Demokratie und Rechtsstaatlichkeit kämpft, wollen wir unterstützen und den Austausch mit ihr
intensivieren. Für eine Lockerung der Sanktionen, die wegen der völkerrechtswidrigen
Annexion der Krim und des militärischen Vorgehens gegen die Ukraine gegen Russland verhängt
wurden, hat die EU klare Bedingungen formuliert. An diesen werden wir festhalten und die
Sanktionen bei Bedarf verschärfen. Wir verlangen, dass die russische Regierung ihre Zusagen
aus dem Minsker Abkommen umsetzt. Das Pipeline-Projekt Nord Stream 2 ist nicht nur klima-
und energiepolitisch, sondern auch geostrategisch schädlich – insbesondere für die Situation
der Ukraine – und muss daher gestoppt werden.
Türkei
Wir stehen an der Seite all derer, die in der Türkei für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und
Menschenrechte kämpfen. Wir verurteilen die Menschenrechts- und Rechtsstaatsverletzungen,
fordern eine Freilassung aller politischen Gefangenen und die Rückkehr zu einem politischen
Dialog- und Friedensprozess in der kurdischen Frage. Wir weisen die aggressive Außenpolitik
der türkischen Regierung entschieden zurück und fordern sie auf, zu einer multilateralen
Außen- und Sicherheitspolitik zurückzukehren – das gilt es auch in der NATO zu
thematisieren. Die Wiederaufnahme der Gespräche über einen EU-Beitritt kann es erst geben,
wenn die Türkei eine Kehrtwende zurück zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit vollzieht. Der
bestehende EU-Türkei-Deal untergräbt internationales Asylrecht, ist gescheitert und muss
daher beendet werden. Dafür braucht es ein neues, völkerrechts- und rechtsstaatskonformes
Abkommen, das aus den Fehlern der Vergangenheit lernt, die notwendige finanzielle und
logistische Unterstützung vor Ort garantiert und eine verbindliche Kontingentzusage zur
Umsiedlung besonders schutzbedürftiger Geflüchteter in die EU enthält. Wir lehnen es
entschieden ab, dass Menschen in Deutschland mit familiären Bindungen in die Türkei von der
türkischen Regierung politisch und religiös instrumentalisiert werden, unter anderem durch
in Deutschland tätige Vereine und Staatsmedien.
Israel und Palästina
Deutschland hat eine historische Verantwortung gegenüber Israel. Die Existenz und die
Sicherheit Israels als nationale Heimstätte des jüdischen Volkes mit gleichen Rechten für
all seine Bürger*innen sind unverhandelbar. Die Fortsetzung der engen Beziehungen sowie
Frieden und Stabilität im Nahen Osten sind ein zentrales Anliegen deutscher Außen- und
Sicherheitspolitik. Die zunehmende Bedrohung Israels in seiner Nachbarschaft verurteilen
wir. Die Sicherheitslage in der Region ist fragil und darf nicht weiter eskaliert werden.
Einseitige Maßnahmen wie eine Annexion von besetzten Gebieten oder der fortschreitende
völkerrechtswidrige Siedlungsbau laufen dem Ziel einer friedlichen und politischen Lösung
des Konflikts entgegen. Für Frieden und Sicherheit braucht es eine Zweistaatenregelung mit
zwei souveränen, lebensfähigen und demokratischen Staaten für Israelis und
Palästinenser*innen. Die angekündigten Wahlen in den palästinensischen Gebieten sind ein
positives Zeichen. Die Chance der politischen und wirtschaftlichen Abkommen Israels mit
arabischen Staaten wollen wir nutzen, um einen multilateralen Friedensprozess wieder
aufleben zu lassen und einen langfristigen Frieden in der Region zu schaffen. Europa soll
sich hierfür eng mit der neuen US-Regierung koordinieren.
Nachbarschaft und Partnerschaft mit Afrika
Die afrikanischen Staaten und die Europäische Union sind regional wie historisch eng
verbunden und teilen gemeinsame Interessen. Die afrikanischen Gesellschaften sind divers und
vielfältig mit über 3.000 Sprachen in 54 Staaten. In den Beziehungen mit den afrikanischen
Staaten setzen wir uns – auf Basis einer gemeinsamen, globalen Verantwortung für Frieden,
nachhaltige Entwicklung und Gerechtigkeit – für eine in der Bundesregierung und der EU
abgestimmte und differenzierte Politik ein. Die Zukunft liegt in einer Afrikapolitik, die
sich von kolonialen und patriarchalen Denkmustern freimacht und gleichzeitig die europäische
Verantwortung gegenüber dem Kontinent ernst nimmt. Die Fortsetzung einer einseitigen
Politik, die in weiten Teilen auf Fluchtabwehr, unfairen Handelsbeziehungen und der
Ausbeutung von Rohstoffen fußt, lehnen wir ab. Anstatt für sich ewig konterkarierende
Ansätze machen wir uns für eine gemeinsame und kohärente EU-Afrika-Strategie stark, die
Zukunftsthemen wie Klimaschutz und Digitalisierung ebenso ins Zentrum rückt wie die globale
sozial-ökologische Transformation und zivile Krisenprävention. Der Afrikanischen Union
stehen wir bei der Umsetzung ihrer Agenda 2063 und der regionalen Entwicklungsagenden nach
Kräften zur Seite.
Wir verteidigen die Menschenrechte
Menschenrechtsverteidiger*innen schützen
Menschenrechtsverteidiger*innen sind Held*innen. Sie verteidigen überall auf der Welt oft
unter Lebensgefahr für sich und ihre Familien die Einhaltung der Menschenrechte an
vorderster Front. Sie bedürfen unseres Schutzes, unserer Solidarität und aktiven
Unterstützung – auf allen Ebenen. An den besonders betroffenen deutschen
Auslandsvertretungen sollten deshalb Menschenrechtsreferent*innen als extra Anlaufstelle
etabliert und sollte eine ressortübergreifende systematische Berichterstattung über die
Menschenrechtslage im Land eingeführt werden. Für Menschenrechtsverteidiger*innen, die nicht
in ihrem Land bleiben können, weil sie dort akut gefährdet sind, wollen wir schneller und
häufiger als bisher humanitäre Visa bereitstellen und die neu eingerichtete Elisabeth-
Selbert-Initiative zu ihrer temporären Aufnahme ausbauen. Auf internationaler Ebene setzen
wir uns für den Ausbau von Förderungsmöglichkeiten für zivilgesellschaftliche Initiativen
und die finanzielle Stärkung der entsprechenden Schutzinstrumente und Institutionen, wie
beispielsweise Sonderberichterstatter*innen, ein.
Kriegsverbrecher*innen zur Rechenschaft ziehen
Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Völkermord und Kriegsverbrechen dürfen nicht ungestraft
bleiben – als Zeichen der Gerechtigkeit an die Opfer, als Signal der Abschreckung, als
Voraussetzung für Frieden und Versöhnung. Das deutsche Völkerstrafrecht bietet die
Möglichkeit der Verurteilung auch hier in Deutschland. Dazu werden wir die Kapazitäten beim
Bundeskriminalamt und der Generalbundesanwaltschaft ausbauen. Die Ermittlungen in Fällen
sexualisierter Gewalt sollten verbessert und die Strafprozessordnung sollte dort reformiert
werden, wo sie den Besonderheiten von Völkerstrafrechtsverfahren noch nicht Rechnung trägt.
International setzen wir uns für die Stärkung des Internationalen Strafgerichtshofes und des
Mechanismus der Vereinten Nationen für die Untersuchung und Verfolgung von schwersten
Kriegsverbrechen in Syrien (IIIM) ein – politisch wie finanziell. Gerade Kinder und
Jugendliche, die sexualisierte und geschlechtsbasierte Gewalt, Entführungen, Rekrutierung
als Kindersoldat*innen erlebt haben, leiden unter schweren Traumata. Wird dieses Leid nicht
aufgearbeitet, beeinträchtigt es das Leben dieser Menschen und ihrer Familien sowie den
gesellschaftlichen Zusammenhalt über Generationen. Die individuelle Traumabearbeitung wollen
wir durch mehr qualifiziertes Personal und sichere Traumazentren vor Ort auch mit unseren
internationalen Partnern und in Deutschland deutlich ausbauen.
Keine Überwachungstechnologie für Diktaturen
Verschlüsselte Kommunikation rettet tagtäglich Menschenleben. In den sozialen Medien werden
Menschenrechtsverletzungen, die ansonsten unentdeckt geblieben wären, für alle sichtbar. Und
ohne Satellitenbilder ließe sich etwa die Vertreibung ganzer Dorfgemeinschaften in
Kriegsgebieten gar nicht erst nachvollziehen. Zugleich sind es oft europäische
Überwachungstools, die es autokratischen Regierungen ermöglichen, unliebsame Aktivist*innen
zu verfolgen. Wir zielen auf ein europäisches Moratorium für die Ausfuhr, den Verkauf und
die Weitergabe von Überwachungsinstrumenten an repressive Regime. Entsprechende
Schutzklauseln wollen wir in der deutschen wie europäischen Exportkontrolle verankern. Wir
fördern die Entkriminalisierung verschlüsselter Kommunikation und stärken die Multi-
Stakeholder-Governance des Internets auf internationaler Ebene. Im Rahmen unserer
internationalen Zusammenarbeit setzen wir uns für den Zugang aller zu digitaler Technologie
ein. Den freien Zugang zu Informationen als einem globalen öffentlichen Gut gilt es zu
fördern und zu schützen. Durch die Unterstützung von Trainings stärken wir die sichere
digitale Vernetzung zivilgesellschaftlicher Organisationen weltweit.
Für Selbstbestimmung von Frauen und Mädchen weltweit
Die Gleichstellung der Geschlechter ist ein Menschenrecht. Ohne Geschlechtergerechtigkeit
kann auch Armut nicht wirksam bekämpft werden. In vielen der ärmsten oder
konfliktgebeutelten Länder sind Frauen und Mädchen besonders von Armut, Hunger und Gewalt
betroffen. Wir setzen uns konsequent für die Rechte von Frauen und Mädchen weltweit ein, für
ein selbstbestimmtes Leben. Bildung und Gesundheit sind dafür die Schlüssel. Wir engagieren
uns dafür, Frauen und Mädchen den uneingeschränkten Zugang zu gleichwertiger Bildung zu
sichern sowie ihre sexuellen und reproduktiven Rechte zu schützen. Es braucht innovative
Bildungsangebote wie kompakte nachholende Grundbildung für Frauen oder Berufsbildung in
Krisen- und Post-Konfliktkontexten. Unsere internationale Zusammenarbeit werden wir darum
finanziell und konzeptionell auf diese Aufgabe hin ausrichten, die Erreichung der
Geschlechtergerechtigkeit als Querschnittsaufgabe sowie reproduktive Gesundheit und das
Recht auf Bildung in allen Projekten verankern.
Menschenrechtskonventionen umsetzen, Institutionen stärken
Um Menschenrechte tatsächlich und rechtlich durchsetzen zu können, müssen internationale
Menschenrechtskonventionen ratifiziert und Menschenrechtsinstitutionen gestärkt werden. Es
gilt insbesondere die ILO-Konvention für die Rechte indigener Völker, das
Fakultativprotokoll zum Sozialpakt und die Wanderarbeiterkonvention der Vereinten Nationen
zu ratifizieren. Das ist für Deutschland seit vielen Jahren überfällig. Auf europäischer
Ebene setzen wir uns für die Umsetzung der Urteile des Europäischen Gerichtshofs für
Menschenrechte ein. Das Instrument der gezielten EU-Sanktionen gegen
Menschenrechtsverbrecher*innen befürworten wir. Die Beauftragte der Bundesregierung für
Menschenrechtspolitik und Humanitäre Hilfe, die Nationale Stelle zur Verhütung von Folter
und das Deutsche Institut für Menschenrechte wollen wir besser ausstatten, damit sie ihre
Aufgaben planbar erfüllen können. Menschenrechte und Demokratieförderung sind Grundpfeiler
unserer entwicklungspolitischen Arbeit.
Rechte von Minderheiten schützen
Der Umgang mit Minderheiten ist der Gradmesser für den Menschenrechtsschutz in einer
Gesellschaft. Wir setzen uns dafür ein, die Rechte von Minderheiten auf internationaler
Ebene zu stärken – auch innerhalb der EU. Nach wie vor setzen die einzelnen Staaten den
durch die Vereinten Nationen vorgegebenen Minderheitenschutz in nationales Recht um, ohne
dass einheitlich kontrolliert wird, ob das umfassend genug ist. Damit ist der Schutz
lückenhaft. Wir werden außenpolitisch für die weltweite Umsetzung der Yogyakarta-Prinzipien
zum Schutz von LSBTIQ* eintreten. In der Entwicklungspolitik wollen wir hier einen neuen
Fokus setzen und unser Engagement deutlich steigern. Selbst innerhalb der EU gibt es große
Unterschiede: Es existieren keine gemeinsamen EU-Mindeststandards, kein einheitlicher
Rechtsrahmen, der den Schutz und die Förderung von Minderheiten gewährt. Das wollen wir
ändern. In der EU werden wir uns für die Verabschiedung der 5.
Antidiskriminierungsrichtlinie einsetzen, damit international anerkannte Menschenrechte in
der EU eine Rechtsgrundlage erhalten und die VN-Konvention über die Rechte von Menschen mit
Behinderungen auf europäischer Ebene rechtlich umgesetzt wird. Den EU-Aktionsplan gegen
Rassismus treiben wir national und international voran.
Wir schützen Geflüchtete
Eine menschenwürdige Flüchtlingspolitik in Europa umsetzen
Wir treten für eine Europäische Union ein, die ihre humanitäre Verantwortung, das Grundrecht
auf Asyl und die Notwendigkeit, Verfahren nach völkerrechtlichen Standards fair und zügig
durchzuführen, zusammenbringt. So schwer das derzeit in der EU der 27 auch ist. Zustände wie
in den Lagern auf den griechischen Inseln oder an der Grenze zu Kroatien bedeuten einen
Bruch mit europäischen Werten und Menschenrechten. Der Blockade einer gemeinsamen und
humanen Flüchtlingspolitik zwischen den Mitgliedstaaten begegnen wir mit folgendem Plan: In
gemeinschaftlichen von den europäischen Partnern geführten Einrichtungen innerhalb der EU an
den rechtsstaatlich und europäisch kontrollierten EU-Außengrenzen sollen die Geflüchteten
registriert werden und einen ersten Sicherheitscheck durchlaufen. So wissen wir, wer zu uns
kommt, und werden zugleich unserer humanitären Verantwortung gerecht. Die Menschen, die nach
Europa kommen, müssen medizinisch und psychologisch erstversorgt und menschenwürdig
untergebracht werden. Unter Berücksichtigung persönlicher Umstände wie familiärer Bindungen
oder der Sprachkenntnisse bestimmt die EU-Agentur für Asylfragen den Aufnahme-Mitgliedstaat.
Der zugrunde liegende Verteilmechanismus stützt sich zunächst auf die Bereitschaft von
Regionen und Städten, Geflüchtete freiwillig aufzunehmen. Wer das tut, erhält Hilfe aus
einem EU-Integrationsfonds. Reichen die Aufnahmeplätze nicht aus, weiten alle
Mitgliedstaaten im Verhältnis von Bruttoinlandsprodukt und Bevölkerungsgröße verpflichtend
ihr Angebot aus oder leisten einen mindestens gleichwertigen Beitrag zu den Gesamtkosten.
Das Asylverfahren findet im aufnehmenden Mitgliedstaat statt. Die Kommission stellt sicher,
dass die gemeinsamen Regeln und Mindeststandards eingehalten werden. Wir werden mit
handlungswilligen Ländern und Regionen vorangehen, um die derzeitige katastrophale Situation
an den Außengrenzen zu beenden. Geschlossene Lager, Transitzonen oder europäische Außenlager
in Drittstaaten lehnen wir ab.
Familien zusammenführen
Niemand sollte für das völkerrechtlich verbriefte Recht, um Asyl zu ersuchen, das eigene
Leben oder das der Familie riskieren müssen. Genau das ist aber bittere Realität: Immer noch
reichen die Möglichkeiten für sichere Zugangswege bei weitem nicht aus und Geflüchtete sind
deshalb gezwungen, auf lebensgefährliche Routen durch die Wüste oder über das Meer
auszuweichen. Wir wollen sichere und geordnete Zugangswege schaffen – und so verhindern,
dass Schlepper aus der Not und dem Leid der Geflüchteten Profit schlagen können. Dabei sind
wir dem besonderen Schutz der Familie gemäß Grundgesetz, VN-Kinderrechtskonvention und
Europäischer Menschenrechtskonvention verpflichtet und treten dafür ein, die Einschränkungen
beim Familiennachzug wieder aufzuheben. Familien gehören zusammen und das Kindeswohl hat
oberste Priorität. Auch Menschen mit subsidiärem Schutzstatus müssen deshalb ihre
Kernfamilien ohne die bisherigen Einschränkungen nachholen können und mit Geflüchteten
gleichgestellt werden. Wir wollen den Geschwisternachzug wieder ermöglichen. An deutschen
und europäischen Botschaften braucht es mehr Personal und die Möglichkeit, digital Anträge
zu stellen, um die Wartezeiten für Visa von Familienangehörigen zu verkürzen. Auch mit
humanitären Visa möchten wir Schutzbedürftigen die Möglichkeit geben, sicher nach Europa zu
kommen und hier um Asyl zu ersuchen.
Sichere Zugangswege durch humanitäre Aufnahmepartnerschaft
Im Rahmen des Resettlement-Programms des UNHCR werden durch die Vereinten Nationen
anerkannte, besonders schutzbedürftige Geflüchtete solidarisch und geordnet auf die
Aufnahmeländer verteilt, statt sie ihrem Schicksal auf gefährlichen Fluchtrouten zu
überlassen. Das rettet Leben, nimmt Schleppern die Geschäftsgrundlage und folgt einem
bewährten, planbaren Verfahren. Im Globalen Pakt für Flüchtlinge ist die Weltgemeinschaft
übereingekommen, das Resettlement zu verstärken. Doch faktisch sinkt die Zahl der
Aufnahmeplätze seit Jahren. Wir schlagen vor, zusammen mit der neuen US-Administration und
Kanada sowie anderen in einer globalen humanitären Partnerschaft die Aufnahme besonders
schutzbedürftiger Geflüchteter aus dem Resettlement-Programm deutlich auszubauen. So stärken
wir die Vereinten Nationen, schaffen Planbarkeit auf allen Seiten, gehen mit gutem Beispiel
voran und regen andere Staaten an, dem internationalen Bündnis beizutreten. Das individuelle
Asylrecht bleibt durch das Resettlement unangetastet.
Landesaufnahmeprogramme ermöglichen
Mehrere Bundesländer und über 200 Kommunen in Deutschland sind bereit, mehr Geflüchtete als
von der Bundesregierung zugesagt bei sich aufzunehmen. Dass diese weiteren Aufnahmeplätze
dringend gebraucht werden, ist angesichts der elenden Zustände in den Lagern an den EU-
Außengrenzen, etwa auf den griechischen Inseln oder an der bosnisch-kroatischen Grenze,
offensichtlich. Wir wollen eine humanitäre Aufnahmepolitik, bei der der Bund und die Länder
kooperativ zusammenarbeiten und die die Aufnahmebereitschaft von Kommunen und Ländern nicht
mehr ignoriert. Länder und Kommunen sollen mehr Mitsprache- und Gestaltungsmöglichkeiten
erhalten, wenn es um die humanitäre Aufnahme Geflüchteter geht. Mit einer Änderung der
Zustimmungsregel zwischen dem Bundesinnenministerium und den Ländern von Einvernehmen in
Benehmen wollen wir klarstellen, dass sich Bundesländer künftig über den Königsteiner
Schlüssel hinaus selbständig und frei für die Aufnahme von Geflüchteten entscheiden können.
Der Bund soll weiter die finanziellen und infrastrukturellen Aufgaben erfüllen.
Menschenrechte einhalten, Außengrenzen sichern
Ein gemeinsamer Raum der Freizügigkeit und ohne Binnengrenzen braucht kontrollierte
Außengrenzen. Eine Außengrenze muss aber auch legale Zugangswege haben. Dass tausende
Menschen jährlich im Mittelmeer ertrinken, weil europäische Regierungen ihnen nicht
ausreichend sichere Zugangswege ermöglichen und auch die Rettung aus Seenot verweigern, ist
eine Schande. Wir streiten weiter für eine zivile und flächendeckende, europäisch
koordinierte und finanzierte Seenotrettung. Da ein gemeinsames Vorgehen aller europäischen
Mitgliedstaaten derzeit nicht möglich erscheint, wollen wir mit jenen vorangehen, die die
Seenotrettung als völkerrechtliche Pflicht ernst nehmen: Gerettete müssen zum nächsten
sicheren Hafen gebracht werden. Wir stehen fest an der Seite zivilgesellschaftlicher
Rettungsinitiativen und treten dafür ein, dass die Kriminalisierung und behördliche
Behinderung ihrer Arbeit beendet wird. Wir wollen, dass die Seenotrettung explizit ins
Aufgabenprofil von Frontex aufgenommen wird, und setzen auf eine europäische Grenzkontrolle,
die den gemeinsamen Schutz der Menschenrechte zur Grundlage hat und wichtige
grenzpolizeiliche Aufgaben wahrnimmt, ohne sie zur Fluchtabwehr zu missbrauchen. Das moderne
Asylrecht beruht auf der Einzelfallprüfung, das völker- und europarechtlich verbriefte
Nichtzurückweisungsgebot gilt immer und überall. Die Genfer Flüchtlingskonvention gilt
uneingeschränkt. Ihre Aushöhlung führt weder zu mehr Sicherheit noch zu mehr europäischer
Handlungsfähigkeit in der Flüchtlingspolitik. Völkerrechtswidrige Pushbacks, von nationalen
Grenzpolizeien oder Frontex begangen, müssen geahndet werden. Das entsprechende Monitoring
durch die EU-Grundrechteagentur wollen wir ausbauen. Es bedarf einer engen parlamentarischen
Kontrolle von Frontex-Einsätzen sowie einer systematischen Menschenrechtsbeobachtung vor
Ort.
Aufnahme- und Transitländer unterstützen
Die humanitäre Versorgung von Geflüchteten außerhalb der Europäischen Union ist Bestandteil
unserer globalen Verantwortung. Wir wollen die finanzielle und logistische Unterstützung von
Erstaufnahme- und Transitländern wie der Türkei, dem Libanon, dem Sudan, Pakistan oder
Uganda sowie der dort tätigen Hilfsorganisationen ausbauen. Die deutsche und europäische
Zusammenarbeit mit Drittstaaten muss stets so erfolgen, dass Menschen- und Grundrechte sowie
internationale Asylstandards eingehalten werden. „Migrationspartnerschaften“ mit repressiven
Regimen lehnen wir ab, genauso wie die Kooperation mit der libyschen Küstenwache. Statt
„sichere Herkunftsländer“ zu definieren, brauchen wir für Rückführungen
menschenrechtskonforme Rückübernahmeabkommen. Wir wollen denjenigen Ländern, die ihren
Staatsbürger*innen nach einer Rückkehr Sicherheit garantieren, im Gegenzug über
Visaerleichterungen oder Ausbildungspartnerschaften verlässliche Aussicht auf eine geordnete
Migration eröffnen. Rückübernahmeabkommen dürfen aber nicht zur Bedingung in anderen
Politikbereichen, etwa entwicklungspolitischer oder rechtsstaatlicher Unterstützung, gemacht
werden und nicht für Drittstaatsangehörige gelten.
Fluchtursachen strukturell angehen
Wir wollen verhindern, dass Menschen überhaupt fliehen und ihre bisherige Heimat
unfreiwillig verlassen müssen. Deshalb rücken wir die strukturellen Ursachen von Vertreibung
und unsere dahingehende Verantwortung ins Zentrum unserer Politik. Denn viele politische
Entscheidungen, die wir in Deutschland und Europa treffen, haben direkte Auswirkungen auf
die Lebensbedingungen in anderen Weltregionen. Wir machen uns stark für zivile
Krisenprävention und wollen mit einer restriktiven Ausfuhrkontrolle europäische
Rüstungsexporte in Kriegs- und Krisengebiete sowie an Autokraten beenden. Wir setzen uns für
ein gerechtes Handelssystem ein, das auch den Interessen des globalen Südens dient. Wir
treiben die sozial-ökologische Transformation unserer Wirtschaft voran. Uns ist bewusst:
Nicht alle Ursachen von Vertreibung können wir beeinflussen. Viele Menschen fliehen, weil
sie verfolgt oder ihnen grundlegende Rechte vorenthalten werden. Umso entscheidender ist
konsequentes Handeln überall dort, wo auch unser Wirtschaften und Konsumieren andernorts zu
Ausbeutung oder Perspektivlosigkeit führen.
Wir streiten für eine gerechte Weltwirtschaftsordnung
Globale Krisenprävention
Die Corona-Krise führt in vielen Entwicklungsländern zu Kapitalflucht und Währungskrisen und
offenbart so die Schwächen der Währungsordnung. Unser Ziel bleibt langfristig der Aufbau
eines kooperativen Weltwährungssystems. Der IWF muss in Krisensituationen sehr viel mehr
Liquidität unkonditioniert bereitstellen können. Dafür werden wir uns für eine deutliche
Aufstockung der Sonderziehungsrechte einsetzen. Deutschland und Europa könnten vorangehen
und nicht genutzte Sonderziehungsrechte Entwicklungsländern zur Verfügung stellen, wie
Kanada es bereits getan hat. Der IWF sollte Entwicklungsländern auch bei der Einführung und
Durchführung von Kapitalverkehrskontrollen helfen und dafür mit den Staaten mit globalen
Finanzzentren zusammenarbeiten. Das Stimmengewicht muss sich zugunsten von
Entwicklungsländern verschieben. Die EU-Staaten sollten ihre Stimmrechte zusammenlegen.
Entwicklung ermöglichen, Schulden streichen
Viele Entwicklungsländer sind überschuldet. Beispielsweise gibt Pakistan 40 Prozent seines
Etats für den Schuldendienst, aber nur 2 Prozent für Gesundheit aus. Das derzeitige
Schuldenmoratorium ist richtig, verschiebt das Problem aber in die Zukunft. Wir brauchen
einen echten Schuldenerlass. Dafür muss ein international transparentes und unabhängiges
Staateninsolvenzverfahren für die Länder geschaffen werden, die nicht in ihrer eigenen
Währung verschuldet sind. Private Gläubiger müssen rechtlich dazu verpflichtet werden, an
einem Insolvenzverfahren teilzunehmen. So können wir den Zustand beenden, dass einzelne
Gläubiger eine Entschuldung blockieren, und verhindern, dass einzelne private Gläubiger wie
Geierfonds auf Kosten anderer profitieren. Damit wollen wir den zu hoch verschuldeten
Staaten im globalen Süden auch ermöglichen, ihre Gesundheitssysteme zu verbessen, sie für
alle zugänglich zu machen sowie Ansätze zum Schutz von Wasser-, Sanitärversorgung und
Hygiene voranzutreiben. Schuldenerlasse und -umwandlungen soll es für Maßnahmen im
Gesundheitsbereich sowie im Kampf gegen die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Corona-
Krise geben. Zudem werden wir uns für ein langfristiges globales Corona-Hilfspaket für
strukturschwache Länder, Krisenregionen sowie Flüchtlingslager engagieren.
Spekulation mit Nahrungsmitteln verbieten
Nahrungsmittelpreise sind oft starken Schwankungen unterworfen. Verantwortlich dafür sind
nicht nur Wetter und Ernten, sondern auch skrupellose Spekulant*innen, die fette Profite
machen, wenn Menschen hungern. Wir werden uns in der EU für striktere Regulierungen
einsetzen, um Nahrungsmittelspekulation zu unterbinden. Dafür braucht es strenge
Berichtspflichten für Händler*innen. Konsequente Preis- und Positionslimits müssen an allen
europäischen Börsen eingeführt werden. Ziel ist es, dass Derivate nur noch zur Absicherung
bestehender Risiken und nicht mehr spekulativ eingesetzt werden können.
Wir treten ein für Frieden und Sicherheit
Vorausschauend für den Frieden
Unsere Außen- und Sicherheitspolitik zielt darauf, Konflikte zu verhindern, und setzt
deshalb auf Vorausschau gemäß der VN-Agenda für nachhaltige Entwicklung. Wir ergänzen den
traditionellen Sicherheitsbegriff um die menschliche Sicherheit und rücken damit die
Bedürfnisse von Menschen in den Fokus. Den Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD) und die
Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) gilt es zu stärken. Die personellen und
finanziellen Mittel für zivile Krisenprävention sollten gezielt erhöht und langfristig
planbarer werden. Wir wollen eine permanente und schnell einsatzbereite Reserve an EU-
Mediator*innen und Expert*innen für Konfliktverhütung, Friedenskonsolidierung und Mediation
aufbauen. Die Bereiche Polizei, Justiz und Friedensförderung wollen wir mit 1.000
Fachkräften ausstatten. Wir setzen uns dafür ein, die Deutsche Stiftung Friedensforschung,
den neu eingerichteten Fachbereich an der Deutschen Hochschule der Polizei und andere
wissenschaftliche Einrichtungen zu stärken und die Bedeutung von Friedensarbeit
gesamtgesellschaftlich noch sichtbarer zu machen. Die finanzielle Förderung des Zivilen
Friedensdienstes (ZFD) wollen wir deutlich erhöhen und den kontinuierlichen Ausbau
bedarfsgerecht fördern. Darüber hinaus ist ein ressortgemeinsamer Fonds „Krisenprävention,
Konfliktbewältigung und Friedensförderung“ nötig, der angemessen ausgestattet sein muss. Es
gilt Instrumente der Krisenfrüherkennung und Analysekapazitäten zu stärken, um auch die
langfristigen Folgen der Pandemie abwenden zu können.
Internationale Politik feministisch gestalten
Wir gestalten unsere Außen-, Entwicklungs- und Sicherheitspolitik feministisch. Frauen,
Mädchen und marginalisierte Gruppen sind in besonderem Maße von Kriegen, Konflikten und
Armut betroffen. Die Wahrung ihrer Rechte und ihrer Rolle als Gestalter*innen in der
internationalen Politik fördert Frieden, Entwicklung, Stabilität und Sicherheit. Es geht
darum, die Perspektiven von Frauen, Mädchen und marginalisierten Gruppen zu stärken, zu
schützen und bei allen bi- oder multilateralen Verhandlungen immer mindestens
gleichberechtigt einzubeziehen. Dazu braucht es auch Genderanalysen für einzelne
Länderkontexte in regelmäßigen Abständen und bedarfsgerechte Strategien und Genderbudgeting.
Es gilt die Umsetzung der VN-Resolution 1325 „Frauen, Frieden, Sicherheit“ voranzutreiben,
sexualisierte und genderbasierte Gewalt entschieden einzudämmen, die reproduktiven Rechte
von Frauen zu schützen und die Sicherheit und Partizipation von Frauen und Mädchen in der
Prävention, bei der Transformation von Konflikten und in Stabilisierungsprozessen in den
Fokus zu nehmen.
Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik stärken
Gerade vor dem Hintergrund des zunehmenden Autoritarismus und der weltweiten Angriffe auf
Kunst- und Wissenschaftsfreiheit wollen wir die auswärtige Kultur- und Bildungspolitik
stärken. Sie sichert Zugänge zur Zivilgesellschaft vor allem in Krisenzeiten, stärkt
demokratischen Austausch und baut neue Partnerschaften auf. Auch die Aufarbeitung der
Verbrechen des Nationalsozialismus werden wir durch internationale Kultur- und
Jugendbegegnungen und durch zivilgesellschaftlichen Austausch stärken. Die Verantwortung für
die koloniale Vergangenheit Deutschlands wollen wir zum Beispiel in gemeinsamen
Geschichtsbuchkommissionen mit ehemaligen kolonialisierten Staaten aufarbeiten.
Kulturmittlerorganisationen, wie etwa Goethe-Institute, und die deutschen Schulen im Ausland
sollen finanziell besser ausgestattet und digital fit gemacht werden, die Programme für
verfolgte Künstler*innen und Wissenschaftler*innen sowie Maßnahmen gegen
Desinformationskampagnen wollen wir verstärken.
Europarat und OSZE stärken
Frieden in Europa bedeutet mehr als Frieden, Sicherheit und Stabilität in der EU. Damit die
Vision einer friedlichen Zukunft für alle Europäer*innen Wirklichkeit werden kann, wollen
wir die gemeinsamen, über die EU hinausreichenden europäischen Institutionen wie den
Europarat und die OSZE stärken und weiterentwickeln, um alle europäischen Staaten
einzubinden. Nur so können wir tatsächlich ein effektives und starkes System kollektiver
Sicherheit in ganz Europa schaffen. Es bleibt unser Ziel, die östlichen Nachbarn Europas auf
der Basis gemeinsamer Werte für eine solche Perspektive zu gewinnen, was gerade angesichts
der nationalistischen und rückwärtsgewandten Politik Russlands, die Europas Sicherheit und
die Selbstbestimmung der Nachbarn Russlands untergräbt, nötig ist.
Neuer Schub für Abrüstung
Abrüstung und Rüstungskontrolle bedeuten global mehr Sicherheit für alle. Unser Anspruch ist
noch immer nichts Geringeres als eine atomwaffenfreie Welt. Nach der Aufkündigung des
Vertrags über nukleare Mittelstreckensysteme (INF-Vertrag) zwischen den USA und Russland ist
eine neue Vertragsinitiative nötig. Wir wollen den transatlantischen Neustart nach der US-
Präsidentschaftswahl und das Wiederbeleben des New-START-Vertrags nutzen, um mit den USA
über Barack Obamas „Global Zero“ ins Gespräch zu kommen. Eine Welt ohne Atomwaffen gibt es
nur über Zwischenschritte: internationale Initiativen zur Reduzierung der Zahl von
Atomwaffen, einen Verzicht der NATO auf jeden Erstschlag und eine breite öffentliche Debatte
über veraltete Abschreckungsdoktrinen des Kalten Krieges. Dazu gehören ein Deutschland frei
von Atomwaffen und ein Beitritt Deutschlands zum VN-Atomwaffenverbotsvertrag. Wir wissen,
dass dafür zahlreiche Gespräche im Bündnis notwendig sind, auch mit unseren europäischen
Partnerstaaten, und vor allem die Stärkung der Sicherheit und Rückversicherung unserer
polnischen und baltischen Bündnispartner.
Keine deutschen Waffen in Kriegsgebiete und Diktaturen
Exporte von Waffen und Rüstungsgütern an Diktatoren, menschenrechtsverachtende Regime und in
Kriegsgebiete verbieten sich. Für die Reduktion von Rüstungsexporten wollen wir eine
gemeinsame restriktive Rüstungsexportkontrolle der EU mit einklagbaren strengen Regeln und
Sanktionsmöglichkeiten. Kooperationen mit dem Sicherheitssektor anderer Staaten müssen an
die Einhaltung demokratischer, rechtsstaatlicher und menschenrechtlicher Kriterien geknüpft
werden. Für Deutschland werden wir ein Rüstungsexportkontrollgesetz vorlegen und ein
Verbandsklagerecht bei Verstößen gegen das neue Gesetz einführen und für eine wirksame
Endverbleibskontrolle sorgen. Hermesbürgschaften für Rüstungsexporte darf es nicht geben.
Den Einsatz von Sicherheitsfirmen in internationalen Konflikten wollen wir streng regulieren
und private Militärfirmen verbieten.
Autonome tödliche Waffensysteme international ächten
Autonome tödliche Waffensysteme, die keiner wirksamen Steuerung mehr durch den Menschen bei
Auswahl und Bekämpfung von Zielen unterliegen, stellen eine unberechenbare Bedrohung dar. Im
Sinne von Frieden und Stabilität wollen wir Autonomie in Waffensystemen international
verbindlich regulieren und Anwendungen, die gegen ethische und völkerrechtliche Grundsätze
verstoßen, ächten und verbieten. Das gilt auch für digitale Waffen wie Angriffs- und
Spionagesoftware. Hierbei müssen Deutschland und die EU eine globale Führungsrolle
einnehmen. Um eine Militarisierung des Weltraumes zu verhindern, wollen wir
weiterentwickelte, international verbindliche Regeln auf den Weg bringen.
Sicherheit im Cyber-Raum schaffen
Digitalisierung und neue Technologien verändern die moderne Kriegsführung. Wir wollen den
Einsatz von militärischen Cyberfähigkeiten durch die Bundeswehr ausnahmslos der
parlamentarischen Kontrolle des Deutschen Bundestages unterstellen. Es braucht Leitlinien
für das Vorgehen der Bundeswehr im Cyberraum. Gleichzeitig muss die Bundeswehr
kontinuierlich an der Stärkung ihres Eigenschutzes arbeiten, ohne ihr defensives
Selbstverständnis aufzugeben. Es braucht dringend eine internationale Initiative, um
Rüstungskontrolle zu regulieren, und vertrauensbildende Maßnahmen für den Cyberraum. Wir
setzen uns für weltweit anerkannte Regeln im Cyberraum sowie eine Selbstverpflichtung ein,
zivile Infrastruktur nicht militärisch anzugreifen. Auch sollte die europäische
Zusammenarbeit im Bereich Cyberabwehr ausgebaut werden, wozu Deutschland einen Beitrag
leisten sollte.
Internationale Schutzverantwortung wahrnehmen
Es ist wichtig, frühzeitig auf Konflikte einzuwirken und zu verhindern, dass sie zu
bewaffneten Auseinandersetzungen eskalieren. Uns leitet das Konzept der Responsibility to
Prepare, Protect and Rebuild der Vereinten Nationen, das die Staatengemeinschaft
verpflichtet, Menschen vor schwersten Menschenrechtsverletzungen und Verbrechen gegen die
Menschlichkeit und Völkermord zu schützen. Die Staaten sind gleichermaßen verpflichtet, ihre
Instrumente für Prävention, Krisenreaktion und Nachsorge bzw. Wiederaufbau kriegszerstörter
Gesellschaften auszubauen. Wir bekennen uns zu internationalen Friedenseinsätzen im Rahmen
der Vereinten Nationen, die zu Stabilität, Sicherheit und Frieden beitragen. Die Anwendung
militärischer Gewalt als Ultima Ratio kann in manchen Situationen nötig sein, um Völkermord
zu verhindern und die Möglichkeit für eine politische Lösung eines Konflikts zu schaffen.
Ein Militäreinsatz braucht einen klaren und erfüllbaren Auftrag, ausgewogene zivile und
militärische Fähigkeiten und unabhängige (Zwischen‑)Evaluierungen. Bewaffnete Einsätze der
Bundeswehr im Ausland sind in ein System gegenseitiger kollektiver Sicherheit – das heißt
nicht in verfassungswidrige Koalitionen der Willigen – und in ein politisches Gesamtkonzept
einzubetten, basierend auf dem Grundgesetz und dem Völkerrecht. Bei Eingriffen in die
Souveränität eines Staates oder dort, wo staatliche Souveränität fehlt, braucht es ein
Mandat der Vereinten Nationen. Wenn das Vetorecht im Sicherheitsrat missbraucht wird, um
schwerste Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu decken, steht die Weltgemeinschaft vor
einem Dilemma, weil Nichthandeln genauso Menschenrechte und Völkerrecht schädigt wie
Handeln.
Moderne Bundeswehr
Der Auftrag und die Aufgaben der Bundeswehr müssen sich an den realen und strategisch
bedeutsamen Herausforderungen für Sicherheit und Friedenssicherung orientieren. Wir wollen
die Bundeswehr entsprechend ihrem Auftrag und ihren Aufgaben personell und materiell sicher
ausstatten. Dass Soldat*innen mit nicht ausreichender Schutzausrüstung in Einsätze gehen,
ist nicht hinnehmbar. Deutschland soll sich auf seine Bündnispartner verlassen können und
genauso sollen sich die Bündnispartner auf Deutschland verlassen können. Die
Gesamtverantwortung für den Einsatz muss begründet, Informationen über alle Operationen im
Einsatz der Verbündeten müssen vollständig zugänglich sein. Die Bundeswehr soll die Vielfalt
unserer Gesellschaft abbilden. Menschenfeindliche Ideologien und rechtsextremistische
Strukturen in der Bundeswehr werden wir konsequent verfolgen und zerschlagen. Neben der
umfassenden Aufklärung ist die Prävention entscheidend. Präventive Maßnahmen wie
verantwortungsbewusste Personalgewinnung und zeitgemäße politische Bildung sind überfällig.
Den bewaffneten Einsatz der Bundeswehr im Inneren lehnen wir ab.
NATO strategisch neu ausrichten
Die NATO leidet unter divergierenden sicherheitspolitischen Interessen innerhalb der Allianz
bis hin zur gegenseitigen militärischen Bedrohung. Ihr fehlt in dieser tiefen Krise eine
klare strategische Perspektive. Trotzdem bleibt sie aus europäischer Sicht neben der EU
unverzichtbarer Akteur, der die gemeinsame Sicherheit Europas garantieren kann und der als
Staatenbündnis einer Renationalisierung der Sicherheitspolitik entgegenwirkt. Wir brauchen
eine strategische Neuaufstellung der NATO, eine gemeinsame Bedrohungsanalyse und darauf
aufbauend eine Debatte über eine faire Lastenverteilung zwischen den Mitgliedstaaten. Das
willkürliche NATO-2-Prozent-Ziel, das vor fast 20 Jahren verabschiedet wurde, gibt darauf
keine Antwort und wir lehnen es deshalb ab. Wir setzen uns für eine neue Zielbestimmung ein,
die nicht abstrakt und statisch ist, sondern von den Aufgaben ausgeht, und werden mit den
NATO-Partnern darüber das Gespräch suchen. Durch eine stärkere militärische Zusammenarbeit
und Koordinierung innerhalb der EU und mit den europäischen NATO-Partnern wie Großbritannien
und Norwegen wollen wir erreichen, dass strategische Interessen auf Grundlage von
europäischen Werten wie Multilateralismus, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit gemeinsam
entwickelt und geschlossen und überzeugender vertreten werden.
Die EU-Sicherheitsunion vorantreiben
Gemeinsam mit den internationalen Partnern muss die Europäische Union ihrer Verantwortung
für die eigene Sicherheit und Verteidigung gerecht werden. Die gemeinsame Sicherheits- und
Verteidigungspolitik (GSVP) setzt eine gemeinsame EU-Außenpolitik voraus. Wir wollen eine
EU-Sicherheitsunion etablieren mit einer starken parlamentarischen Kontrolle und einer
gemeinsamen restriktiven Rüstungsexportpolitik. Anstatt immer mehr Geld in nationale,
militärische Parallelstrukturen zu leiten, sollte die verstärkte Zusammenarbeit der
Streitkräfte in der EU ausgebaut, sollten militärische Fähigkeiten gebündelt und allgemein
anerkannte Fähigkeitslücken geschlossen werden. Dafür ist eine geeignete Ausstattung, der
Ausbau von EU-Einheiten sowie eine Stärkung und Konsolidierung der gemeinsamen EU-
Kommandostruktur nötig. Die Umwidmung ziviler Gelder aus dem EU-Haushalt für militärische
Zwecke lehnen wir ab.
weitere Antragsteller*innen
- Kai Gehring (KV Essen)
- Ingo Henneberg (KV Freiburg)
- Reinhard Bütikofer (KV Erfurt)
- Marcel Ernst (KV Göttingen)
- Sophia Besch (KV Berlin-Friedrichshain/Kreuzberg)
- Sarah Brockmeier (KV Berlin-Pankow)
- Ssaman Mardi (KV Regensburg-Stadt)
- Andrej Ferdinand Novak (KV Forchheim)
- Samuel Moser (KV München)
- Viola von Cramon (KV Göttingen)
- Julian Joswig (KV Rhein-Hunsrück)
- Marcus Lamprecht (KV Viersen)
- Martin Münter (KV Solingen)
- Ottmar von Holtz (KV Hildesheim)
- Amelie Overmann (KV Berlin-Mitte)
- Inga Kretzschmar (KV Lippe)
- Jörg-Heinrich Penner (KV Hamburg-Harburg)
- Robin Wagener (KV Lippe)
- Julia Schmenk (KV Koblenz)
- Jörg Sauskat (KV Berlin-Steglitz/Zehlendorf)
- Ellen Ueberschär (KV Berlin-Mitte)
- Daniel Hecken (KV Hamburg-Altona)
- Mathias Raudies (KV Oder-Spree)
- Sergey Lagodinsky (KV Berlin-Pankow)
- Hannes Sturm (KV Freiburg)
- Arven Herr (KV Göttingen)
- Henrik Rubner (KV Berlin-Mitte)
- Claudius Rafflenbeul-Schaub (KV Düsseldorf)
- Tim Demisch (KV Berlin-Treptow/Köpenick)
- Tilo Fuchs (KV Berlin-Mitte)
- Johannes Mihram (KV Berlin-Mitte)
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Unternehmen für ihre Produkte in Haftung nimmt. Wir werden an einer engen europäischen und transatlantischen Koordinierung gegenüber China arbeiten, besonders auch in den Bereichen. Beim 5G-Netz-Ausbau wollen wir die Integrität digitaler Infrastrukturen und Schutz kritischer Infrastrukturdie digitale Souveränität Europas sicherstellen. Dabei haben Sicherheit und die Einhaltung der Menschenrechte wie das Recht auf Privatsphäre für uns höchste Priorität. Daher lehnen wir gerade im Bereich der kritischen Infrastruktur den Einsatz von Hard- und Software nicht vertrauenswürdiger Unternehmen, insbesondere aus autoritären Staaten, ab.
Die großen Herausforderungen unserer Zeit sind global: Pandemien, die Klimakrise, Hunger,
Migration und die sozial-ökologische Transformation als besondere Aufgabe. Wir können sie
nur gemeinsam meistern. Jahrelang hat Deutschland in Europa und der Welt aber allenfalls
moderiert, oft gezögert, ist abgetaucht. Es ist Zeit, wieder eine aktive Außenpolitik zu
betreiben und als gestaltende Kraft voranzugehen im Sinne einer multilateralen und
vorsorgenden, einer kohärenten und wertegeleiteten Politik – stets europäisch und entlang
einer verlässlichen deutsch-französischen Zusammenarbeit, transatlantisch und im Rahmen der
Vereinten Nationen.
Gestützt auf die Agenda der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung, das Pariser
Klimaabkommen und die rechtebasierte internationale Ordnung setzen wir uns für eine globale
Strukturpolitik ein, die den Schutz öffentlicher Güter, eine gerechte Ressourcenverteilung
sowie Entwicklungschancen für alle als beste Vorsorge gegen Konflikte, Gewalt oder das
unermessliche Leid von Flucht und Vertreibung begreift.
Ausgangspunkt unserer Politik ist eine gestärkte und handlungsfähige Europäische Union. Die
Werte, auf denen sie gründet, wollen wir nach innen verteidigen und nach außen beherzt
vertreten: Menschenrechte, Demokratie, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit. Die EU als
Friedensmacht ist nicht nur Antwort auf eine lange und schmerzvolle Geschichte von Kriegen
und Feindseligkeiten auf unserem Kontinent, exportiert in die ganze Welt, sondern vor allem
ein Zukunftsversprechen, das es einzulösen gilt. Sie ist unser schützenswertes und
einmaliges Zuhause. Gerade weil wir überzeugte Europäer*innen sind, streiten wir für ihre
stetige Fortentwicklung. Wir arbeiten für eine europäische Wertegemeinschaft, die ihre
Abhängigkeit von Dritten in kritischen Bereichen ab- und ihre strategische Souveränität
ausbaut – in einem Gleichgewicht von Kooperation, wo möglich, und Eigenständigkeit, wo
nötig. Nur eine handlungsfähige und krisenfeste EU ist in der Lage, kritische Infrastruktur
und öffentliche Güter zu schützen, global für das Völkerrecht und die universalen
Menschenrechte einzustehen. Mit dem größten Binnenmarkt der Welt hat die EU wirtschaftlich
erheblichen Einfluss. Diesen Hebel wollen wir nutzen, um die globale Transformation gerecht
zu gestalten und ambitionierte Standards zu setzen.
Der erheblichen Widerstände und Dilemmata, die das bedeutet, sind wir uns bewusst. Das
autoritäre Hegemonialstreben einer chinesischen Regierung, das Menschen- und
Bürger*innenrechte systematisch aushebelt, zwingt Staaten nicht nur in wirtschaftliche und
politische Abhängigkeit, sondern spaltet auch Europa. Zugleich wird eine globale sozial-
ökologische Transformation ohne China, auch ohne Russland oder Brasilien, nicht möglich
sein. Das allein zeigt: Der Systemwettbewerb mit autoritären Staaten und Diktaturen ist
real, lässt bisweilen nur die Wahl zwischen Regen oder Traufe – und stellt uns vor derart
beachtliche Aufgaben, dass jede Form des Alleingangs zum Scheitern verurteilt wäre.
Wir können die vielen Widersprüche und Grenzen außen-, entwicklungs- und
sicherheitspolitischen Handelns nicht auflösen. Die Verteidigung von Menschenrechten,
Demokratie und das klare Bekenntnis zu Freiheitsbewegungen führen an die Grenzen politischer
Handlungsfähigkeit. Wir können uns aber dieser Verantwortung nicht entziehen. Umso zentraler
ist europäische Kohärenz und sind politische Bündnisse mit allen anderen Staaten, aber
gerade auch Regionen und zivilgesellschaftlichen oder zwischenstaatlichen Akteuren, für die
der Wert von Kooperation und die Stärke des Rechts ebenfalls Grundlage internationaler
Beziehungen sind. Diese Bündnisse wollen wir selbstbewusst mitgestalten. Souverän sind wir
nur gemeinsam.
Wir setzen auf den ehrlichen Interessensausgleich, die Achtung der Rechte marginalisierter
Gruppen, auf Zusammenarbeit und Rechtsstaatlichkeit, auf Konfliktprävention und
regelbasierte Konfliktbearbeitung in einer eng vernetzten Welt. Unser Ziel ist eine
Weltordnung, in der Konflikte nicht über das Recht des Stärkeren, sondern am
Verhandlungstisch gelöst werden. Und wir reichen allen die Hand, die daran teilhaben wollen.
All das tun wir im Wissen um Deutschlands Verantwortung in der Welt und im Bewusstsein um
die Verbrechen des Nationalsozialismus.
Als hochentwickelter und exportorientierter Industriestaat gehört Deutschland zu den
Hauptverursachern globaler Erwärmung und agiert als entscheidender Player einer
Globalisierung, die eben nicht nur Wohlstand und Entwicklung bedeutet, sondern auch zu
Ausbeutung von Mensch und Umwelt führt. Diese Verantwortung verstehen wir als Antrieb für
ambitionierte Veränderung und entschiedenes Handeln mit dem Ziel globaler Gerechtigkeit und
setzen dafür bei uns selbst an.
Das bedeutet auch: Wir fordern die Einhaltung und den Schutz der Menschenrechte nicht nur
von anderen ein, sondern messen uns selbst daran. Menschenrechte sind völkerrechtliche
Pflicht und unverrückbare Grundlage einer wertegeleiteten internationalen Politik. „Alle
Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren“: Artikel 1 der Allgemeinen
Erklärung der Menschenrechte ist Leitbild unseres Engagements – auch in der europäischen
Flüchtlingspolitik. Sie ist das große Versagen Europas. In keinem anderen Bereich scheitern
die europäischen Regierungen derart an den eigenen Ansprüchen von Moral, Menschenrechten und
internationalem Recht.
Das Versagen ist zugleich global: Nirgends auf der Welt wird Flucht angemessen und nach
klaren, menschenrechtsbasierten Prinzipien begegnet. Diese Regeln aber gibt es, ebenso wie
es immer wieder Momente in unserer Geschichte gab, da nach ihnen gehandelt wurde. Hier
wollen wir anknüpfen und – wenn nicht gesamteuropäisch, dann in einer humanitären Koalition
der Willigen innerhalb und außerhalb der EU – einen Paradigmenwechsel hin zur konsequenten
Vorbeugung gegen Fluchtursachen und zu einem menschenwürdigen Umgang mit Geflüchteten
vorantreiben. Wir setzen auf Rationalität und Handlungswillen, auf Humanität und
Verantwortung – und auf den unerlässlichen Pragmatismus der Nothilfe.
Die Größe und Komplexität der internationalen Herausforderungen, die da vor uns liegen,
sollte Messlatte unseres außenpolitischen Handelns sein. Die globalen Aufgaben sind
erheblich. Wagen wir die entsprechenden Antworten.
Wir treiben die sozial-ökologische Transformation voran
Schubkraft für globale Transformation
Mehr denn je bedrohen Klimaveränderungen und der Verlust von Artenvielfalt menschliche
Sicherheit und Freiheit sowie die nachhaltige Entwicklung – überall auf der Welt. Die Zeit
drängt. Darum braucht es in den nächsten Jahren einen energischen Schub für eine sozial-
ökologische Transformation. Die nachhaltigen Entwicklungsziele der Agenda 2030 und des
Klimaabkommens von Paris waren ein Aufbruch. Alle Länder sind seitdem verpflichtet, bei sich
zu Hause anzufangen und ihren Beitrag für die gemeinsame Aufgabe zu leisten – schließlich
sind es unsere Entscheidungen in Wirtschaft und Handel, bei Agrar- oder Rüstungsexporten,
die sich weltweit stark auf Klima, Artenschutz und globale Gerechtigkeit auswirken. Wir
wollen alle Politikbereiche in Deutschland auf die Transformation ausrichten und einen
Nachhaltigkeits- und Menschenrechts-TÜV einführen. Es gilt unsere internationalen Zusagen
einzuhalten und die öffentlichen Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit im Rahmen der ODA-
Quote sowie der internationalen Klimafinanzierung und Biodiversität zu erfüllen. Auch
international wollen wir neuen Schwung in die sozial-ökologische Transformation bringen,
indem wir auf eine verbindliche Transformationsquote hinwirken. Wir bündeln die Ausgaben für
Entwicklungszusammenarbeit, internationale Klimafinanzierung und Teile der humanitären
Hilfe, um eine globale Transformation entlang den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten
Nationen und den Pariser Klimazielen zu finanzieren. Deutschlands Beitrag soll die ODA-Quote
erfüllen und bis 2025 8 Milliarden Euro zur internationalen Klimafinanzierung bereitstellen.
Klimaaußenpolitik
Wir verfolgen eine ambitionierte, nachhaltige und menschenrechtskonforme Klimaaußenpolitik.
Sie ist klimapolitisch notwendig, kann nachhaltige Entwicklung fördern, Ressourcenkonflikten
vorbeugen und Frieden sichern. Klimaaußenpolitik kann zu einer Win-win-Situation für Europa,
seine Nachbarn und die Länder des globalen Sonnengürtels führen. Sie bedeutet zum einen,
dass wir Europäer*innen unseren Bedarf an grüner Energie durch Klimapartnerschaften decken
helfen: grüner Wasserstoff statt Öl- und Gasimporte. Andererseits werden wir so endlich
unserer historischen Verantwortung gerecht, indem wir Elektrifizierung und
Technologietransfers insbesondere in afrikanischen Ländern vorantreiben und den massiven
Ausbau der erneuerbaren Energien in diesen Ländern unterstützen. Nur so können wir es
schaffen, global auf den 1,5-Grad-Pfad zu kommen. Wir stärken die bestehenden Fonds für
Klimaanpassung und Klimaschutz („Adaptation and Mitigation“) und setzen uns dafür ein, dass
es auch einen Fonds zum Ausgleich von Schäden und Verlusten („Loss and Damage“) gibt. Daraus
können zum Beispiel Klimarisikoversicherungen finanziert werden. Entwicklungs- und
Investitionsbanken wie die Weltbank sollten zu Transformationsbanken umgebaut werden.
Klima- und Umweltschutz schützt Menschenrechte
Der Schutz der Menschenrechte verpflichtet zum Klima- und Umweltschutz, umgekehrt schützt
Klima- und Umweltschutz Menschenrechte. Wir treten für verbindliche Mechanismen zum Schutz
von Menschen ein, die aufgrund von Extremwetterereignissen oder schleichender
Umweltveränderung ihre Heimat verlassen müssen. Regionale Ansätze, die den Betroffenen eine
selbstbestimmte und würdevolle Migration ermöglichen, unterstützen wir. Zugleich wollen wir
jene Staaten in die Pflicht nehmen, die historisch am meisten zur Erderwärmung beigetragen
haben. Die „Task Force on Displacement“ wollen wir strukturell stärken und setzen uns dafür
ein, dass ihre Empfehlungen ebenso umgesetzt werden wie der Globale Pakt für eine sichere,
geordnete und reguläre Migration sowie der Globale Pakt für Flüchtlinge. Initiativen zur
Stärkung des Rechtswegs und das Instrument der Klimaklagen unterstützen wir. Die
französische Initiative, das Umweltvölkerrecht zu kodifizieren und zu konsolidieren, greifen
wir auf und machen uns dafür stark, in einem ersten Schritt das Recht auf saubere Umwelt in
einer Resolution der VN-Generalversammlung zu verbriefen.
Armut weltweit bekämpfen
Durch die Corona-Pandemie ist die Armut weltweit dramatisch angestiegen. Armutsbekämpfung
ist zentrales Ziel unseres internationalen Engagements. Darum setzen wir uns dafür ein, dass
Menschen weltweit sozial abgesichert werden und wollen – gemeinsam mit lokalen
Organisationen und Expert*innen – zum Aufbau und einer nachhaltigen Stärkung von sozialen
Sicherungssystemen beitragen. In einem ersten Schritt können Menschen in besonders von Armut
betroffenen Regionen durch finanzielle Direkthilfen („social cash transfers“) im Rahmen der
ODA-Mittel abgesichert werden. Grundsätzlich wollen wir, dass soziale Sicherungsprogramme
die vulnerabelsten Gruppen erreichen – und Geschlechtergerechtigkeit und sozialen
Zusammenhalt fördern.
Wir stärken die multilaterale Zusammenarbeit
Vereinte Nationen reformieren
Ohne die Vereinten Nationen ist die multilaterale Zusammenarbeit an der sozial-ökologischen
Transformation nicht zu meistern. Ihre Institutionen versorgen überall auf der Welt
Millionen von Geflüchteten, stellen Bildung, Nahrung und Gesundheit zur Verfügung. Sie
vermitteln in unzähligen Kriegen und Konflikten und sind der Rahmen, in dem die beiden
wichtigsten multilateralen Abkommen der vergangenen Jahre ausgehandelt worden sind: die
2030-Agenda für nachhaltige Entwicklung und das Pariser Klimaschutzabkommen. Das Engagement
Deutschlands und der EU für die Vereinten Nationen werden wir finanziell, personell und
diplomatisch substanziell verstärken, besser koordinieren und internationale Vereinbarungen
konsequent in nationale und europäische Politik umsetzen. So schaffen wir die
Voraussetzungen für notwendige Reformen des VN-Systems. Der Sicherheitsrat und andere Organe
der Vereinten Nationen sollten an die Realitäten des 21. Jahrhunderts angepasst werden.
Dabei geht es um eine gerechtere Repräsentation der Regionen im Sicherheitsrat. Das Konzept
der Vetomächte ist nicht mehr zeitgemäß. Wir zielen darauf, dass das Vetorecht langfristig
abgeschafft wird. Als Zwischenschritt sollte im Falle von schwersten Verbrechen gegen die
Menschlichkeit ein Veto im Sicherheitsrat mit einer Begründung und einem Alternativvorschlag
versehen werden. Wenn der Sicherheitsrat im Falle von schwersten Menschenrechtsverletzungen
anhaltend blockiert ist, soll die Generalversammlung an seiner Stelle über
friedenserzwingende Maßnahmen mit qualifizierter Mehrheit beschließen.
Resilienz gegen Epidemien erhöhen – WHO stärken
Zum Schutz vor neuen und zur Bekämpfung der alten Krankheiten setzen wir auf verstärkte
internationale Zusammenarbeit und Solidarität unter dem Dach der zu reformierenden
Weltgesundheitsorganisation als Sonderorganisation der Vereinten Nationen. Wir wollen die
WHO in ihrer Ausstattung mit deutlich höheren Beiträgen und einem klaren Mandat als
koordinierende Organisation der globalen Gesundheit stärken. In der Gruppe der G20 werden
wir uns dafür einsetzen, ihr einen formellen Sitz einzuräumen. Medikamente und Impfstoffe
müssen in allen Ländern erschwinglich und zugänglich sein, das Patentrecht muss entsprechend
flexibel sein. Monopole auf geistiges Eigentum zur Bekämpfung von Krankheiten dürfen den
Zugang zu überlebenswichtigen Schutzmaterialien, Impfstoffen und Arzneimitteln nicht
versperren.
50 Prozent Frauen in internationalen Verhandlungen
Wir wollen dem Multilateralismus neue Impulse für mehr Zusammenarbeit geben. Transformation
gelingt nur mit Kooperation, und die gelingt nur durch Einbeziehung der betroffenen
gesellschaftlichen Gruppen. Nach wie vor ist die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen der
stärkste Indikator dafür. Wir wollen schrittweise für Deutschland und Europa eine 50-
Prozent-Quote in allen diplomatischen und multilateralen Verhandlungen, für die Entsendung
in internationale Organisationen sowie auf den Umsetzungsebenen durchsetzen. Um das zu
ermöglichen, ist eine 50-Prozent-Quote für Frauen im Auswahlverfahren für das Personal in
internationalen Einsätzen, in den international arbeitenden Ministerien sowie im gehobenen
und höheren Europäischen Auswärtigen Dienst notwendig. Es braucht vergleichbare Kriterien,
Standards, Indikatoren und Zeitrahmen für die Gleichstellungspläne der Ministerien,
vergleichbar mit dem „Gender Equality Plan“ nach dem Vorbild der schwedischen Regierung.
Wir arbeiten an guten Beziehungen in einer multipolaren
Welt
Für eine aktive europäische Nachbarschaftspolitik
Die EU muss vor allem in ihrer direkten Nachbarschaft mehr Verantwortung übernehmen. Die EU-
Erweiterungspolitik ist dabei eine Erfolgsgeschichte, die wir fortschreiben wollen. Deshalb
treten wir für konkrete Fortschritte bei der europäischen Integration des westlichen Balkans
und eine Aufnahme der Beitrittsgespräche mit Albanien und Nordmazedonien auf Grundlage der
Kopenhagener Kriterien ein. In Osteuropa streiten viele mutige Menschen in Ländern wie
Armenien, Georgien, der Ukraine oder Belarus für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und
Menschenrechte. Wir unterstützen die demokratische Zivilgesellschaft und unabhängige Medien
in den östlichen Nachbarländern, wollen mehr Austausch zwischen Ost und West ermöglichen und
über die Östliche Partnerschaft der EU Justizreformen vorantreiben. Den EU-assoziierten
Ländern der Östlichen Partnerschaft wollen wir den Weg zu einem EU-Beitritt offenhalten. Im
Süden braucht es eine neue Mittelmeerpolitik, die gemeinsam Entwicklungspotenziale für die
Region realisiert und sich zugleich den enormen Herausforderungen stellt: Terrorismus,
autoritäre Regime, Staatszerfall. Gemeinsam wollen wir im Rahmen ambitionierter
Energiepartnerschaften den Mittelmeerraum zu einer Plus-Energie-Region machen. Derweil hat
zu unserem großen Bedauern mit Großbritannien erstmals ein Land das gemeinsame Haus der EU
verlassen. Es ist gut, dass mit dem Handels- und Kooperationsabkommen die Grundlage für
einen Neubeginn geschaffen wurde. Es bedarf aber weiterer Anstrengungen, um zu verhindern,
dass europäische Standards ausgehöhlt werden. Der Frieden auf der irischen Insel ohne harte
Grenze hat weiter Priorität.
USA
Die transatlantische Partnerschaft bleibt ein Stützpfeiler der deutschen Außenpolitik,
jedoch muss sie erneuert, europäisch gefasst, multilateral und an klaren gemeinsamen Werten
und demokratischen Zielen ausgerichtet werden. Als Kern einer erneuerten transatlantischen
Agenda der EU schlagen wir vor, einen gemeinsamen starken Impuls für die weltweite
Klimapolitik, ausgehend von den Pariser Klimazielen, zu geben. Wir setzen auch bei
Digitalisierung, der Stärkung des Multilateralismus, in Handelsfragen sowie bei der
Gesundheit auf eine gute Kooperation mit den USA. Wir wollen uns gemeinsam für den
weltweiten Menschenrechtsschutz und eine regelbasierte Weltordnung einsetzen. Das schließt
eine Verständigung über den Umgang mit autoritären Staaten wie China und Russland mit ein.
Der sicherheitspolitische Fokus der USA wird sich auch mit der neuen US-Regierung nicht
wieder zuvorderst auf Europa richten. Die EU und ihre Mitgliedstaaten müssen selbst mehr
außen- und sicherheitspolitische Verantwortung übernehmen. Das gilt insbesondere für die
Sicherheit der östlichen Nachbarländer der EU wie auch der baltischen Staaten und Polens.
Wir wollen die transatlantische Debatte auf vielen Ebenen führen, auch auf den jeweiligen
föderalen und lokalen, und damit nachhaltige, diverse gesellschaftliche Netzwerke knüpfen.
China
China ist Europas Wettbewerber, Partner, systemischer Rivale. Wir verlangen von China ein
Ende seiner eklatanten Menschenrechtsverletzungen etwa in Xinjiang und Tibet und zunehmend
auch in Hongkong. Es braucht dennoch einen konstruktiven Klima-Dialog mit China und wir
streben gemeinsame politische, wirtschaftliche und technologische Anstrengungen zur
Bekämpfung der Klimakrise an. Die Kooperation mit China darf nicht zu Lasten von
Drittstaaten oder von Menschen- und Bürger*innenrechten gehen. Wir halten uns an Europas
„Ein-China-Politik“ und betonen, dass Chinas Vereinigung nicht gegen den Willen der
Bevölkerung Taiwans erzwungen werden darf. Unsere Handelsbeziehungen mit China wollen wir
nutzen, um fairen Marktzugang für ausländische Investitionen, Rechtssicherheit und gleiche
Wettbewerbsbedingungen einzufordern. Wir erwarten, dass China die entscheidenden Kernnormen
der Internationalen Arbeitsorganisation ILO ratifiziert und die Zwangsarbeit beendet. Das
europäische Lieferkettengesetz muss angesichts der Menschenrechtsverletzung – etwa in
Xinjiang – Waren aus Zwangsarbeit den Zugang zum Binnenmarkt ebenso verwehren, wie es
Unternehmen für ihre Produkte in Haftung nimmt. Wir werden an einer engen europäischen und
transatlantischen Koordinierung gegenüber China arbeiten, besonders auch in den Bereichen. Beim
5G-Netz-Ausbau wollen wir die Integrität digitaler Infrastrukturen und Schutz kritischer Infrastrukturdie digitale Souveränität Europas sicherstellen. Dabei haben Sicherheit und die Einhaltung der Menschenrechte wie das Recht auf Privatsphäre für uns höchste Priorität. Daher lehnen wir gerade im Bereich der kritischen Infrastruktur den Einsatz von Hard- und Software nicht vertrauenswürdiger Unternehmen, insbesondere aus autoritären Staaten, ab.
Russland
Russland hat sich zunehmend in einen autoritären Staat gewandelt und untergräbt immer
offensiver Demokratie und Stabilität in der EU und in der gemeinsamen Nachbarschaft.
Gleichzeitig erstarkt die Demokratiebewegung in Russland. Die mutige Zivilgesellschaft, die
der immer härteren Repression durch den Kreml die Stirn bietet und für Menschenrechte,
Demokratie und Rechtsstaatlichkeit kämpft, wollen wir unterstützen und den Austausch mit ihr
intensivieren. Für eine Lockerung der Sanktionen, die wegen der völkerrechtswidrigen
Annexion der Krim und des militärischen Vorgehens gegen die Ukraine gegen Russland verhängt
wurden, hat die EU klare Bedingungen formuliert. An diesen werden wir festhalten und die
Sanktionen bei Bedarf verschärfen. Wir verlangen, dass die russische Regierung ihre Zusagen
aus dem Minsker Abkommen umsetzt. Das Pipeline-Projekt Nord Stream 2 ist nicht nur klima-
und energiepolitisch, sondern auch geostrategisch schädlich – insbesondere für die Situation
der Ukraine – und muss daher gestoppt werden.
Türkei
Wir stehen an der Seite all derer, die in der Türkei für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und
Menschenrechte kämpfen. Wir verurteilen die Menschenrechts- und Rechtsstaatsverletzungen,
fordern eine Freilassung aller politischen Gefangenen und die Rückkehr zu einem politischen
Dialog- und Friedensprozess in der kurdischen Frage. Wir weisen die aggressive Außenpolitik
der türkischen Regierung entschieden zurück und fordern sie auf, zu einer multilateralen
Außen- und Sicherheitspolitik zurückzukehren – das gilt es auch in der NATO zu
thematisieren. Die Wiederaufnahme der Gespräche über einen EU-Beitritt kann es erst geben,
wenn die Türkei eine Kehrtwende zurück zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit vollzieht. Der
bestehende EU-Türkei-Deal untergräbt internationales Asylrecht, ist gescheitert und muss
daher beendet werden. Dafür braucht es ein neues, völkerrechts- und rechtsstaatskonformes
Abkommen, das aus den Fehlern der Vergangenheit lernt, die notwendige finanzielle und
logistische Unterstützung vor Ort garantiert und eine verbindliche Kontingentzusage zur
Umsiedlung besonders schutzbedürftiger Geflüchteter in die EU enthält. Wir lehnen es
entschieden ab, dass Menschen in Deutschland mit familiären Bindungen in die Türkei von der
türkischen Regierung politisch und religiös instrumentalisiert werden, unter anderem durch
in Deutschland tätige Vereine und Staatsmedien.
Israel und Palästina
Deutschland hat eine historische Verantwortung gegenüber Israel. Die Existenz und die
Sicherheit Israels als nationale Heimstätte des jüdischen Volkes mit gleichen Rechten für
all seine Bürger*innen sind unverhandelbar. Die Fortsetzung der engen Beziehungen sowie
Frieden und Stabilität im Nahen Osten sind ein zentrales Anliegen deutscher Außen- und
Sicherheitspolitik. Die zunehmende Bedrohung Israels in seiner Nachbarschaft verurteilen
wir. Die Sicherheitslage in der Region ist fragil und darf nicht weiter eskaliert werden.
Einseitige Maßnahmen wie eine Annexion von besetzten Gebieten oder der fortschreitende
völkerrechtswidrige Siedlungsbau laufen dem Ziel einer friedlichen und politischen Lösung
des Konflikts entgegen. Für Frieden und Sicherheit braucht es eine Zweistaatenregelung mit
zwei souveränen, lebensfähigen und demokratischen Staaten für Israelis und
Palästinenser*innen. Die angekündigten Wahlen in den palästinensischen Gebieten sind ein
positives Zeichen. Die Chance der politischen und wirtschaftlichen Abkommen Israels mit
arabischen Staaten wollen wir nutzen, um einen multilateralen Friedensprozess wieder
aufleben zu lassen und einen langfristigen Frieden in der Region zu schaffen. Europa soll
sich hierfür eng mit der neuen US-Regierung koordinieren.
Nachbarschaft und Partnerschaft mit Afrika
Die afrikanischen Staaten und die Europäische Union sind regional wie historisch eng
verbunden und teilen gemeinsame Interessen. Die afrikanischen Gesellschaften sind divers und
vielfältig mit über 3.000 Sprachen in 54 Staaten. In den Beziehungen mit den afrikanischen
Staaten setzen wir uns – auf Basis einer gemeinsamen, globalen Verantwortung für Frieden,
nachhaltige Entwicklung und Gerechtigkeit – für eine in der Bundesregierung und der EU
abgestimmte und differenzierte Politik ein. Die Zukunft liegt in einer Afrikapolitik, die
sich von kolonialen und patriarchalen Denkmustern freimacht und gleichzeitig die europäische
Verantwortung gegenüber dem Kontinent ernst nimmt. Die Fortsetzung einer einseitigen
Politik, die in weiten Teilen auf Fluchtabwehr, unfairen Handelsbeziehungen und der
Ausbeutung von Rohstoffen fußt, lehnen wir ab. Anstatt für sich ewig konterkarierende
Ansätze machen wir uns für eine gemeinsame und kohärente EU-Afrika-Strategie stark, die
Zukunftsthemen wie Klimaschutz und Digitalisierung ebenso ins Zentrum rückt wie die globale
sozial-ökologische Transformation und zivile Krisenprävention. Der Afrikanischen Union
stehen wir bei der Umsetzung ihrer Agenda 2063 und der regionalen Entwicklungsagenden nach
Kräften zur Seite.
Wir verteidigen die Menschenrechte
Menschenrechtsverteidiger*innen schützen
Menschenrechtsverteidiger*innen sind Held*innen. Sie verteidigen überall auf der Welt oft
unter Lebensgefahr für sich und ihre Familien die Einhaltung der Menschenrechte an
vorderster Front. Sie bedürfen unseres Schutzes, unserer Solidarität und aktiven
Unterstützung – auf allen Ebenen. An den besonders betroffenen deutschen
Auslandsvertretungen sollten deshalb Menschenrechtsreferent*innen als extra Anlaufstelle
etabliert und sollte eine ressortübergreifende systematische Berichterstattung über die
Menschenrechtslage im Land eingeführt werden. Für Menschenrechtsverteidiger*innen, die nicht
in ihrem Land bleiben können, weil sie dort akut gefährdet sind, wollen wir schneller und
häufiger als bisher humanitäre Visa bereitstellen und die neu eingerichtete Elisabeth-
Selbert-Initiative zu ihrer temporären Aufnahme ausbauen. Auf internationaler Ebene setzen
wir uns für den Ausbau von Förderungsmöglichkeiten für zivilgesellschaftliche Initiativen
und die finanzielle Stärkung der entsprechenden Schutzinstrumente und Institutionen, wie
beispielsweise Sonderberichterstatter*innen, ein.
Kriegsverbrecher*innen zur Rechenschaft ziehen
Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Völkermord und Kriegsverbrechen dürfen nicht ungestraft
bleiben – als Zeichen der Gerechtigkeit an die Opfer, als Signal der Abschreckung, als
Voraussetzung für Frieden und Versöhnung. Das deutsche Völkerstrafrecht bietet die
Möglichkeit der Verurteilung auch hier in Deutschland. Dazu werden wir die Kapazitäten beim
Bundeskriminalamt und der Generalbundesanwaltschaft ausbauen. Die Ermittlungen in Fällen
sexualisierter Gewalt sollten verbessert und die Strafprozessordnung sollte dort reformiert
werden, wo sie den Besonderheiten von Völkerstrafrechtsverfahren noch nicht Rechnung trägt.
International setzen wir uns für die Stärkung des Internationalen Strafgerichtshofes und des
Mechanismus der Vereinten Nationen für die Untersuchung und Verfolgung von schwersten
Kriegsverbrechen in Syrien (IIIM) ein – politisch wie finanziell. Gerade Kinder und
Jugendliche, die sexualisierte und geschlechtsbasierte Gewalt, Entführungen, Rekrutierung
als Kindersoldat*innen erlebt haben, leiden unter schweren Traumata. Wird dieses Leid nicht
aufgearbeitet, beeinträchtigt es das Leben dieser Menschen und ihrer Familien sowie den
gesellschaftlichen Zusammenhalt über Generationen. Die individuelle Traumabearbeitung wollen
wir durch mehr qualifiziertes Personal und sichere Traumazentren vor Ort auch mit unseren
internationalen Partnern und in Deutschland deutlich ausbauen.
Keine Überwachungstechnologie für Diktaturen
Verschlüsselte Kommunikation rettet tagtäglich Menschenleben. In den sozialen Medien werden
Menschenrechtsverletzungen, die ansonsten unentdeckt geblieben wären, für alle sichtbar. Und
ohne Satellitenbilder ließe sich etwa die Vertreibung ganzer Dorfgemeinschaften in
Kriegsgebieten gar nicht erst nachvollziehen. Zugleich sind es oft europäische
Überwachungstools, die es autokratischen Regierungen ermöglichen, unliebsame Aktivist*innen
zu verfolgen. Wir zielen auf ein europäisches Moratorium für die Ausfuhr, den Verkauf und
die Weitergabe von Überwachungsinstrumenten an repressive Regime. Entsprechende
Schutzklauseln wollen wir in der deutschen wie europäischen Exportkontrolle verankern. Wir
fördern die Entkriminalisierung verschlüsselter Kommunikation und stärken die Multi-
Stakeholder-Governance des Internets auf internationaler Ebene. Im Rahmen unserer
internationalen Zusammenarbeit setzen wir uns für den Zugang aller zu digitaler Technologie
ein. Den freien Zugang zu Informationen als einem globalen öffentlichen Gut gilt es zu
fördern und zu schützen. Durch die Unterstützung von Trainings stärken wir die sichere
digitale Vernetzung zivilgesellschaftlicher Organisationen weltweit.
Für Selbstbestimmung von Frauen und Mädchen weltweit
Die Gleichstellung der Geschlechter ist ein Menschenrecht. Ohne Geschlechtergerechtigkeit
kann auch Armut nicht wirksam bekämpft werden. In vielen der ärmsten oder
konfliktgebeutelten Länder sind Frauen und Mädchen besonders von Armut, Hunger und Gewalt
betroffen. Wir setzen uns konsequent für die Rechte von Frauen und Mädchen weltweit ein, für
ein selbstbestimmtes Leben. Bildung und Gesundheit sind dafür die Schlüssel. Wir engagieren
uns dafür, Frauen und Mädchen den uneingeschränkten Zugang zu gleichwertiger Bildung zu
sichern sowie ihre sexuellen und reproduktiven Rechte zu schützen. Es braucht innovative
Bildungsangebote wie kompakte nachholende Grundbildung für Frauen oder Berufsbildung in
Krisen- und Post-Konfliktkontexten. Unsere internationale Zusammenarbeit werden wir darum
finanziell und konzeptionell auf diese Aufgabe hin ausrichten, die Erreichung der
Geschlechtergerechtigkeit als Querschnittsaufgabe sowie reproduktive Gesundheit und das
Recht auf Bildung in allen Projekten verankern.
Menschenrechtskonventionen umsetzen, Institutionen stärken
Um Menschenrechte tatsächlich und rechtlich durchsetzen zu können, müssen internationale
Menschenrechtskonventionen ratifiziert und Menschenrechtsinstitutionen gestärkt werden. Es
gilt insbesondere die ILO-Konvention für die Rechte indigener Völker, das
Fakultativprotokoll zum Sozialpakt und die Wanderarbeiterkonvention der Vereinten Nationen
zu ratifizieren. Das ist für Deutschland seit vielen Jahren überfällig. Auf europäischer
Ebene setzen wir uns für die Umsetzung der Urteile des Europäischen Gerichtshofs für
Menschenrechte ein. Das Instrument der gezielten EU-Sanktionen gegen
Menschenrechtsverbrecher*innen befürworten wir. Die Beauftragte der Bundesregierung für
Menschenrechtspolitik und Humanitäre Hilfe, die Nationale Stelle zur Verhütung von Folter
und das Deutsche Institut für Menschenrechte wollen wir besser ausstatten, damit sie ihre
Aufgaben planbar erfüllen können. Menschenrechte und Demokratieförderung sind Grundpfeiler
unserer entwicklungspolitischen Arbeit.
Rechte von Minderheiten schützen
Der Umgang mit Minderheiten ist der Gradmesser für den Menschenrechtsschutz in einer
Gesellschaft. Wir setzen uns dafür ein, die Rechte von Minderheiten auf internationaler
Ebene zu stärken – auch innerhalb der EU. Nach wie vor setzen die einzelnen Staaten den
durch die Vereinten Nationen vorgegebenen Minderheitenschutz in nationales Recht um, ohne
dass einheitlich kontrolliert wird, ob das umfassend genug ist. Damit ist der Schutz
lückenhaft. Wir werden außenpolitisch für die weltweite Umsetzung der Yogyakarta-Prinzipien
zum Schutz von LSBTIQ* eintreten. In der Entwicklungspolitik wollen wir hier einen neuen
Fokus setzen und unser Engagement deutlich steigern. Selbst innerhalb der EU gibt es große
Unterschiede: Es existieren keine gemeinsamen EU-Mindeststandards, kein einheitlicher
Rechtsrahmen, der den Schutz und die Förderung von Minderheiten gewährt. Das wollen wir
ändern. In der EU werden wir uns für die Verabschiedung der 5.
Antidiskriminierungsrichtlinie einsetzen, damit international anerkannte Menschenrechte in
der EU eine Rechtsgrundlage erhalten und die VN-Konvention über die Rechte von Menschen mit
Behinderungen auf europäischer Ebene rechtlich umgesetzt wird. Den EU-Aktionsplan gegen
Rassismus treiben wir national und international voran.
Wir schützen Geflüchtete
Eine menschenwürdige Flüchtlingspolitik in Europa umsetzen
Wir treten für eine Europäische Union ein, die ihre humanitäre Verantwortung, das Grundrecht
auf Asyl und die Notwendigkeit, Verfahren nach völkerrechtlichen Standards fair und zügig
durchzuführen, zusammenbringt. So schwer das derzeit in der EU der 27 auch ist. Zustände wie
in den Lagern auf den griechischen Inseln oder an der Grenze zu Kroatien bedeuten einen
Bruch mit europäischen Werten und Menschenrechten. Der Blockade einer gemeinsamen und
humanen Flüchtlingspolitik zwischen den Mitgliedstaaten begegnen wir mit folgendem Plan: In
gemeinschaftlichen von den europäischen Partnern geführten Einrichtungen innerhalb der EU an
den rechtsstaatlich und europäisch kontrollierten EU-Außengrenzen sollen die Geflüchteten
registriert werden und einen ersten Sicherheitscheck durchlaufen. So wissen wir, wer zu uns
kommt, und werden zugleich unserer humanitären Verantwortung gerecht. Die Menschen, die nach
Europa kommen, müssen medizinisch und psychologisch erstversorgt und menschenwürdig
untergebracht werden. Unter Berücksichtigung persönlicher Umstände wie familiärer Bindungen
oder der Sprachkenntnisse bestimmt die EU-Agentur für Asylfragen den Aufnahme-Mitgliedstaat.
Der zugrunde liegende Verteilmechanismus stützt sich zunächst auf die Bereitschaft von
Regionen und Städten, Geflüchtete freiwillig aufzunehmen. Wer das tut, erhält Hilfe aus
einem EU-Integrationsfonds. Reichen die Aufnahmeplätze nicht aus, weiten alle
Mitgliedstaaten im Verhältnis von Bruttoinlandsprodukt und Bevölkerungsgröße verpflichtend
ihr Angebot aus oder leisten einen mindestens gleichwertigen Beitrag zu den Gesamtkosten.
Das Asylverfahren findet im aufnehmenden Mitgliedstaat statt. Die Kommission stellt sicher,
dass die gemeinsamen Regeln und Mindeststandards eingehalten werden. Wir werden mit
handlungswilligen Ländern und Regionen vorangehen, um die derzeitige katastrophale Situation
an den Außengrenzen zu beenden. Geschlossene Lager, Transitzonen oder europäische Außenlager
in Drittstaaten lehnen wir ab.
Familien zusammenführen
Niemand sollte für das völkerrechtlich verbriefte Recht, um Asyl zu ersuchen, das eigene
Leben oder das der Familie riskieren müssen. Genau das ist aber bittere Realität: Immer noch
reichen die Möglichkeiten für sichere Zugangswege bei weitem nicht aus und Geflüchtete sind
deshalb gezwungen, auf lebensgefährliche Routen durch die Wüste oder über das Meer
auszuweichen. Wir wollen sichere und geordnete Zugangswege schaffen – und so verhindern,
dass Schlepper aus der Not und dem Leid der Geflüchteten Profit schlagen können. Dabei sind
wir dem besonderen Schutz der Familie gemäß Grundgesetz, VN-Kinderrechtskonvention und
Europäischer Menschenrechtskonvention verpflichtet und treten dafür ein, die Einschränkungen
beim Familiennachzug wieder aufzuheben. Familien gehören zusammen und das Kindeswohl hat
oberste Priorität. Auch Menschen mit subsidiärem Schutzstatus müssen deshalb ihre
Kernfamilien ohne die bisherigen Einschränkungen nachholen können und mit Geflüchteten
gleichgestellt werden. Wir wollen den Geschwisternachzug wieder ermöglichen. An deutschen
und europäischen Botschaften braucht es mehr Personal und die Möglichkeit, digital Anträge
zu stellen, um die Wartezeiten für Visa von Familienangehörigen zu verkürzen. Auch mit
humanitären Visa möchten wir Schutzbedürftigen die Möglichkeit geben, sicher nach Europa zu
kommen und hier um Asyl zu ersuchen.
Sichere Zugangswege durch humanitäre Aufnahmepartnerschaft
Im Rahmen des Resettlement-Programms des UNHCR werden durch die Vereinten Nationen
anerkannte, besonders schutzbedürftige Geflüchtete solidarisch und geordnet auf die
Aufnahmeländer verteilt, statt sie ihrem Schicksal auf gefährlichen Fluchtrouten zu
überlassen. Das rettet Leben, nimmt Schleppern die Geschäftsgrundlage und folgt einem
bewährten, planbaren Verfahren. Im Globalen Pakt für Flüchtlinge ist die Weltgemeinschaft
übereingekommen, das Resettlement zu verstärken. Doch faktisch sinkt die Zahl der
Aufnahmeplätze seit Jahren. Wir schlagen vor, zusammen mit der neuen US-Administration und
Kanada sowie anderen in einer globalen humanitären Partnerschaft die Aufnahme besonders
schutzbedürftiger Geflüchteter aus dem Resettlement-Programm deutlich auszubauen. So stärken
wir die Vereinten Nationen, schaffen Planbarkeit auf allen Seiten, gehen mit gutem Beispiel
voran und regen andere Staaten an, dem internationalen Bündnis beizutreten. Das individuelle
Asylrecht bleibt durch das Resettlement unangetastet.
Landesaufnahmeprogramme ermöglichen
Mehrere Bundesländer und über 200 Kommunen in Deutschland sind bereit, mehr Geflüchtete als
von der Bundesregierung zugesagt bei sich aufzunehmen. Dass diese weiteren Aufnahmeplätze
dringend gebraucht werden, ist angesichts der elenden Zustände in den Lagern an den EU-
Außengrenzen, etwa auf den griechischen Inseln oder an der bosnisch-kroatischen Grenze,
offensichtlich. Wir wollen eine humanitäre Aufnahmepolitik, bei der der Bund und die Länder
kooperativ zusammenarbeiten und die die Aufnahmebereitschaft von Kommunen und Ländern nicht
mehr ignoriert. Länder und Kommunen sollen mehr Mitsprache- und Gestaltungsmöglichkeiten
erhalten, wenn es um die humanitäre Aufnahme Geflüchteter geht. Mit einer Änderung der
Zustimmungsregel zwischen dem Bundesinnenministerium und den Ländern von Einvernehmen in
Benehmen wollen wir klarstellen, dass sich Bundesländer künftig über den Königsteiner
Schlüssel hinaus selbständig und frei für die Aufnahme von Geflüchteten entscheiden können.
Der Bund soll weiter die finanziellen und infrastrukturellen Aufgaben erfüllen.
Menschenrechte einhalten, Außengrenzen sichern
Ein gemeinsamer Raum der Freizügigkeit und ohne Binnengrenzen braucht kontrollierte
Außengrenzen. Eine Außengrenze muss aber auch legale Zugangswege haben. Dass tausende
Menschen jährlich im Mittelmeer ertrinken, weil europäische Regierungen ihnen nicht
ausreichend sichere Zugangswege ermöglichen und auch die Rettung aus Seenot verweigern, ist
eine Schande. Wir streiten weiter für eine zivile und flächendeckende, europäisch
koordinierte und finanzierte Seenotrettung. Da ein gemeinsames Vorgehen aller europäischen
Mitgliedstaaten derzeit nicht möglich erscheint, wollen wir mit jenen vorangehen, die die
Seenotrettung als völkerrechtliche Pflicht ernst nehmen: Gerettete müssen zum nächsten
sicheren Hafen gebracht werden. Wir stehen fest an der Seite zivilgesellschaftlicher
Rettungsinitiativen und treten dafür ein, dass die Kriminalisierung und behördliche
Behinderung ihrer Arbeit beendet wird. Wir wollen, dass die Seenotrettung explizit ins
Aufgabenprofil von Frontex aufgenommen wird, und setzen auf eine europäische Grenzkontrolle,
die den gemeinsamen Schutz der Menschenrechte zur Grundlage hat und wichtige
grenzpolizeiliche Aufgaben wahrnimmt, ohne sie zur Fluchtabwehr zu missbrauchen. Das moderne
Asylrecht beruht auf der Einzelfallprüfung, das völker- und europarechtlich verbriefte
Nichtzurückweisungsgebot gilt immer und überall. Die Genfer Flüchtlingskonvention gilt
uneingeschränkt. Ihre Aushöhlung führt weder zu mehr Sicherheit noch zu mehr europäischer
Handlungsfähigkeit in der Flüchtlingspolitik. Völkerrechtswidrige Pushbacks, von nationalen
Grenzpolizeien oder Frontex begangen, müssen geahndet werden. Das entsprechende Monitoring
durch die EU-Grundrechteagentur wollen wir ausbauen. Es bedarf einer engen parlamentarischen
Kontrolle von Frontex-Einsätzen sowie einer systematischen Menschenrechtsbeobachtung vor
Ort.
Aufnahme- und Transitländer unterstützen
Die humanitäre Versorgung von Geflüchteten außerhalb der Europäischen Union ist Bestandteil
unserer globalen Verantwortung. Wir wollen die finanzielle und logistische Unterstützung von
Erstaufnahme- und Transitländern wie der Türkei, dem Libanon, dem Sudan, Pakistan oder
Uganda sowie der dort tätigen Hilfsorganisationen ausbauen. Die deutsche und europäische
Zusammenarbeit mit Drittstaaten muss stets so erfolgen, dass Menschen- und Grundrechte sowie
internationale Asylstandards eingehalten werden. „Migrationspartnerschaften“ mit repressiven
Regimen lehnen wir ab, genauso wie die Kooperation mit der libyschen Küstenwache. Statt
„sichere Herkunftsländer“ zu definieren, brauchen wir für Rückführungen
menschenrechtskonforme Rückübernahmeabkommen. Wir wollen denjenigen Ländern, die ihren
Staatsbürger*innen nach einer Rückkehr Sicherheit garantieren, im Gegenzug über
Visaerleichterungen oder Ausbildungspartnerschaften verlässliche Aussicht auf eine geordnete
Migration eröffnen. Rückübernahmeabkommen dürfen aber nicht zur Bedingung in anderen
Politikbereichen, etwa entwicklungspolitischer oder rechtsstaatlicher Unterstützung, gemacht
werden und nicht für Drittstaatsangehörige gelten.
Fluchtursachen strukturell angehen
Wir wollen verhindern, dass Menschen überhaupt fliehen und ihre bisherige Heimat
unfreiwillig verlassen müssen. Deshalb rücken wir die strukturellen Ursachen von Vertreibung
und unsere dahingehende Verantwortung ins Zentrum unserer Politik. Denn viele politische
Entscheidungen, die wir in Deutschland und Europa treffen, haben direkte Auswirkungen auf
die Lebensbedingungen in anderen Weltregionen. Wir machen uns stark für zivile
Krisenprävention und wollen mit einer restriktiven Ausfuhrkontrolle europäische
Rüstungsexporte in Kriegs- und Krisengebiete sowie an Autokraten beenden. Wir setzen uns für
ein gerechtes Handelssystem ein, das auch den Interessen des globalen Südens dient. Wir
treiben die sozial-ökologische Transformation unserer Wirtschaft voran. Uns ist bewusst:
Nicht alle Ursachen von Vertreibung können wir beeinflussen. Viele Menschen fliehen, weil
sie verfolgt oder ihnen grundlegende Rechte vorenthalten werden. Umso entscheidender ist
konsequentes Handeln überall dort, wo auch unser Wirtschaften und Konsumieren andernorts zu
Ausbeutung oder Perspektivlosigkeit führen.
Wir streiten für eine gerechte Weltwirtschaftsordnung
Globale Krisenprävention
Die Corona-Krise führt in vielen Entwicklungsländern zu Kapitalflucht und Währungskrisen und
offenbart so die Schwächen der Währungsordnung. Unser Ziel bleibt langfristig der Aufbau
eines kooperativen Weltwährungssystems. Der IWF muss in Krisensituationen sehr viel mehr
Liquidität unkonditioniert bereitstellen können. Dafür werden wir uns für eine deutliche
Aufstockung der Sonderziehungsrechte einsetzen. Deutschland und Europa könnten vorangehen
und nicht genutzte Sonderziehungsrechte Entwicklungsländern zur Verfügung stellen, wie
Kanada es bereits getan hat. Der IWF sollte Entwicklungsländern auch bei der Einführung und
Durchführung von Kapitalverkehrskontrollen helfen und dafür mit den Staaten mit globalen
Finanzzentren zusammenarbeiten. Das Stimmengewicht muss sich zugunsten von
Entwicklungsländern verschieben. Die EU-Staaten sollten ihre Stimmrechte zusammenlegen.
Entwicklung ermöglichen, Schulden streichen
Viele Entwicklungsländer sind überschuldet. Beispielsweise gibt Pakistan 40 Prozent seines
Etats für den Schuldendienst, aber nur 2 Prozent für Gesundheit aus. Das derzeitige
Schuldenmoratorium ist richtig, verschiebt das Problem aber in die Zukunft. Wir brauchen
einen echten Schuldenerlass. Dafür muss ein international transparentes und unabhängiges
Staateninsolvenzverfahren für die Länder geschaffen werden, die nicht in ihrer eigenen
Währung verschuldet sind. Private Gläubiger müssen rechtlich dazu verpflichtet werden, an
einem Insolvenzverfahren teilzunehmen. So können wir den Zustand beenden, dass einzelne
Gläubiger eine Entschuldung blockieren, und verhindern, dass einzelne private Gläubiger wie
Geierfonds auf Kosten anderer profitieren. Damit wollen wir den zu hoch verschuldeten
Staaten im globalen Süden auch ermöglichen, ihre Gesundheitssysteme zu verbessen, sie für
alle zugänglich zu machen sowie Ansätze zum Schutz von Wasser-, Sanitärversorgung und
Hygiene voranzutreiben. Schuldenerlasse und -umwandlungen soll es für Maßnahmen im
Gesundheitsbereich sowie im Kampf gegen die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Corona-
Krise geben. Zudem werden wir uns für ein langfristiges globales Corona-Hilfspaket für
strukturschwache Länder, Krisenregionen sowie Flüchtlingslager engagieren.
Spekulation mit Nahrungsmitteln verbieten
Nahrungsmittelpreise sind oft starken Schwankungen unterworfen. Verantwortlich dafür sind
nicht nur Wetter und Ernten, sondern auch skrupellose Spekulant*innen, die fette Profite
machen, wenn Menschen hungern. Wir werden uns in der EU für striktere Regulierungen
einsetzen, um Nahrungsmittelspekulation zu unterbinden. Dafür braucht es strenge
Berichtspflichten für Händler*innen. Konsequente Preis- und Positionslimits müssen an allen
europäischen Börsen eingeführt werden. Ziel ist es, dass Derivate nur noch zur Absicherung
bestehender Risiken und nicht mehr spekulativ eingesetzt werden können.
Wir treten ein für Frieden und Sicherheit
Vorausschauend für den Frieden
Unsere Außen- und Sicherheitspolitik zielt darauf, Konflikte zu verhindern, und setzt
deshalb auf Vorausschau gemäß der VN-Agenda für nachhaltige Entwicklung. Wir ergänzen den
traditionellen Sicherheitsbegriff um die menschliche Sicherheit und rücken damit die
Bedürfnisse von Menschen in den Fokus. Den Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD) und die
Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) gilt es zu stärken. Die personellen und
finanziellen Mittel für zivile Krisenprävention sollten gezielt erhöht und langfristig
planbarer werden. Wir wollen eine permanente und schnell einsatzbereite Reserve an EU-
Mediator*innen und Expert*innen für Konfliktverhütung, Friedenskonsolidierung und Mediation
aufbauen. Die Bereiche Polizei, Justiz und Friedensförderung wollen wir mit 1.000
Fachkräften ausstatten. Wir setzen uns dafür ein, die Deutsche Stiftung Friedensforschung,
den neu eingerichteten Fachbereich an der Deutschen Hochschule der Polizei und andere
wissenschaftliche Einrichtungen zu stärken und die Bedeutung von Friedensarbeit
gesamtgesellschaftlich noch sichtbarer zu machen. Die finanzielle Förderung des Zivilen
Friedensdienstes (ZFD) wollen wir deutlich erhöhen und den kontinuierlichen Ausbau
bedarfsgerecht fördern. Darüber hinaus ist ein ressortgemeinsamer Fonds „Krisenprävention,
Konfliktbewältigung und Friedensförderung“ nötig, der angemessen ausgestattet sein muss. Es
gilt Instrumente der Krisenfrüherkennung und Analysekapazitäten zu stärken, um auch die
langfristigen Folgen der Pandemie abwenden zu können.
Internationale Politik feministisch gestalten
Wir gestalten unsere Außen-, Entwicklungs- und Sicherheitspolitik feministisch. Frauen,
Mädchen und marginalisierte Gruppen sind in besonderem Maße von Kriegen, Konflikten und
Armut betroffen. Die Wahrung ihrer Rechte und ihrer Rolle als Gestalter*innen in der
internationalen Politik fördert Frieden, Entwicklung, Stabilität und Sicherheit. Es geht
darum, die Perspektiven von Frauen, Mädchen und marginalisierten Gruppen zu stärken, zu
schützen und bei allen bi- oder multilateralen Verhandlungen immer mindestens
gleichberechtigt einzubeziehen. Dazu braucht es auch Genderanalysen für einzelne
Länderkontexte in regelmäßigen Abständen und bedarfsgerechte Strategien und Genderbudgeting.
Es gilt die Umsetzung der VN-Resolution 1325 „Frauen, Frieden, Sicherheit“ voranzutreiben,
sexualisierte und genderbasierte Gewalt entschieden einzudämmen, die reproduktiven Rechte
von Frauen zu schützen und die Sicherheit und Partizipation von Frauen und Mädchen in der
Prävention, bei der Transformation von Konflikten und in Stabilisierungsprozessen in den
Fokus zu nehmen.
Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik stärken
Gerade vor dem Hintergrund des zunehmenden Autoritarismus und der weltweiten Angriffe auf
Kunst- und Wissenschaftsfreiheit wollen wir die auswärtige Kultur- und Bildungspolitik
stärken. Sie sichert Zugänge zur Zivilgesellschaft vor allem in Krisenzeiten, stärkt
demokratischen Austausch und baut neue Partnerschaften auf. Auch die Aufarbeitung der
Verbrechen des Nationalsozialismus werden wir durch internationale Kultur- und
Jugendbegegnungen und durch zivilgesellschaftlichen Austausch stärken. Die Verantwortung für
die koloniale Vergangenheit Deutschlands wollen wir zum Beispiel in gemeinsamen
Geschichtsbuchkommissionen mit ehemaligen kolonialisierten Staaten aufarbeiten.
Kulturmittlerorganisationen, wie etwa Goethe-Institute, und die deutschen Schulen im Ausland
sollen finanziell besser ausgestattet und digital fit gemacht werden, die Programme für
verfolgte Künstler*innen und Wissenschaftler*innen sowie Maßnahmen gegen
Desinformationskampagnen wollen wir verstärken.
Europarat und OSZE stärken
Frieden in Europa bedeutet mehr als Frieden, Sicherheit und Stabilität in der EU. Damit die
Vision einer friedlichen Zukunft für alle Europäer*innen Wirklichkeit werden kann, wollen
wir die gemeinsamen, über die EU hinausreichenden europäischen Institutionen wie den
Europarat und die OSZE stärken und weiterentwickeln, um alle europäischen Staaten
einzubinden. Nur so können wir tatsächlich ein effektives und starkes System kollektiver
Sicherheit in ganz Europa schaffen. Es bleibt unser Ziel, die östlichen Nachbarn Europas auf
der Basis gemeinsamer Werte für eine solche Perspektive zu gewinnen, was gerade angesichts
der nationalistischen und rückwärtsgewandten Politik Russlands, die Europas Sicherheit und
die Selbstbestimmung der Nachbarn Russlands untergräbt, nötig ist.
Neuer Schub für Abrüstung
Abrüstung und Rüstungskontrolle bedeuten global mehr Sicherheit für alle. Unser Anspruch ist
noch immer nichts Geringeres als eine atomwaffenfreie Welt. Nach der Aufkündigung des
Vertrags über nukleare Mittelstreckensysteme (INF-Vertrag) zwischen den USA und Russland ist
eine neue Vertragsinitiative nötig. Wir wollen den transatlantischen Neustart nach der US-
Präsidentschaftswahl und das Wiederbeleben des New-START-Vertrags nutzen, um mit den USA
über Barack Obamas „Global Zero“ ins Gespräch zu kommen. Eine Welt ohne Atomwaffen gibt es
nur über Zwischenschritte: internationale Initiativen zur Reduzierung der Zahl von
Atomwaffen, einen Verzicht der NATO auf jeden Erstschlag und eine breite öffentliche Debatte
über veraltete Abschreckungsdoktrinen des Kalten Krieges. Dazu gehören ein Deutschland frei
von Atomwaffen und ein Beitritt Deutschlands zum VN-Atomwaffenverbotsvertrag. Wir wissen,
dass dafür zahlreiche Gespräche im Bündnis notwendig sind, auch mit unseren europäischen
Partnerstaaten, und vor allem die Stärkung der Sicherheit und Rückversicherung unserer
polnischen und baltischen Bündnispartner.
Keine deutschen Waffen in Kriegsgebiete und Diktaturen
Exporte von Waffen und Rüstungsgütern an Diktatoren, menschenrechtsverachtende Regime und in
Kriegsgebiete verbieten sich. Für die Reduktion von Rüstungsexporten wollen wir eine
gemeinsame restriktive Rüstungsexportkontrolle der EU mit einklagbaren strengen Regeln und
Sanktionsmöglichkeiten. Kooperationen mit dem Sicherheitssektor anderer Staaten müssen an
die Einhaltung demokratischer, rechtsstaatlicher und menschenrechtlicher Kriterien geknüpft
werden. Für Deutschland werden wir ein Rüstungsexportkontrollgesetz vorlegen und ein
Verbandsklagerecht bei Verstößen gegen das neue Gesetz einführen und für eine wirksame
Endverbleibskontrolle sorgen. Hermesbürgschaften für Rüstungsexporte darf es nicht geben.
Den Einsatz von Sicherheitsfirmen in internationalen Konflikten wollen wir streng regulieren
und private Militärfirmen verbieten.
Autonome tödliche Waffensysteme international ächten
Autonome tödliche Waffensysteme, die keiner wirksamen Steuerung mehr durch den Menschen bei
Auswahl und Bekämpfung von Zielen unterliegen, stellen eine unberechenbare Bedrohung dar. Im
Sinne von Frieden und Stabilität wollen wir Autonomie in Waffensystemen international
verbindlich regulieren und Anwendungen, die gegen ethische und völkerrechtliche Grundsätze
verstoßen, ächten und verbieten. Das gilt auch für digitale Waffen wie Angriffs- und
Spionagesoftware. Hierbei müssen Deutschland und die EU eine globale Führungsrolle
einnehmen. Um eine Militarisierung des Weltraumes zu verhindern, wollen wir
weiterentwickelte, international verbindliche Regeln auf den Weg bringen.
Sicherheit im Cyber-Raum schaffen
Digitalisierung und neue Technologien verändern die moderne Kriegsführung. Wir wollen den
Einsatz von militärischen Cyberfähigkeiten durch die Bundeswehr ausnahmslos der
parlamentarischen Kontrolle des Deutschen Bundestages unterstellen. Es braucht Leitlinien
für das Vorgehen der Bundeswehr im Cyberraum. Gleichzeitig muss die Bundeswehr
kontinuierlich an der Stärkung ihres Eigenschutzes arbeiten, ohne ihr defensives
Selbstverständnis aufzugeben. Es braucht dringend eine internationale Initiative, um
Rüstungskontrolle zu regulieren, und vertrauensbildende Maßnahmen für den Cyberraum. Wir
setzen uns für weltweit anerkannte Regeln im Cyberraum sowie eine Selbstverpflichtung ein,
zivile Infrastruktur nicht militärisch anzugreifen. Auch sollte die europäische
Zusammenarbeit im Bereich Cyberabwehr ausgebaut werden, wozu Deutschland einen Beitrag
leisten sollte.
Internationale Schutzverantwortung wahrnehmen
Es ist wichtig, frühzeitig auf Konflikte einzuwirken und zu verhindern, dass sie zu
bewaffneten Auseinandersetzungen eskalieren. Uns leitet das Konzept der Responsibility to
Prepare, Protect and Rebuild der Vereinten Nationen, das die Staatengemeinschaft
verpflichtet, Menschen vor schwersten Menschenrechtsverletzungen und Verbrechen gegen die
Menschlichkeit und Völkermord zu schützen. Die Staaten sind gleichermaßen verpflichtet, ihre
Instrumente für Prävention, Krisenreaktion und Nachsorge bzw. Wiederaufbau kriegszerstörter
Gesellschaften auszubauen. Wir bekennen uns zu internationalen Friedenseinsätzen im Rahmen
der Vereinten Nationen, die zu Stabilität, Sicherheit und Frieden beitragen. Die Anwendung
militärischer Gewalt als Ultima Ratio kann in manchen Situationen nötig sein, um Völkermord
zu verhindern und die Möglichkeit für eine politische Lösung eines Konflikts zu schaffen.
Ein Militäreinsatz braucht einen klaren und erfüllbaren Auftrag, ausgewogene zivile und
militärische Fähigkeiten und unabhängige (Zwischen‑)Evaluierungen. Bewaffnete Einsätze der
Bundeswehr im Ausland sind in ein System gegenseitiger kollektiver Sicherheit – das heißt
nicht in verfassungswidrige Koalitionen der Willigen – und in ein politisches Gesamtkonzept
einzubetten, basierend auf dem Grundgesetz und dem Völkerrecht. Bei Eingriffen in die
Souveränität eines Staates oder dort, wo staatliche Souveränität fehlt, braucht es ein
Mandat der Vereinten Nationen. Wenn das Vetorecht im Sicherheitsrat missbraucht wird, um
schwerste Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu decken, steht die Weltgemeinschaft vor
einem Dilemma, weil Nichthandeln genauso Menschenrechte und Völkerrecht schädigt wie
Handeln.
Moderne Bundeswehr
Der Auftrag und die Aufgaben der Bundeswehr müssen sich an den realen und strategisch
bedeutsamen Herausforderungen für Sicherheit und Friedenssicherung orientieren. Wir wollen
die Bundeswehr entsprechend ihrem Auftrag und ihren Aufgaben personell und materiell sicher
ausstatten. Dass Soldat*innen mit nicht ausreichender Schutzausrüstung in Einsätze gehen,
ist nicht hinnehmbar. Deutschland soll sich auf seine Bündnispartner verlassen können und
genauso sollen sich die Bündnispartner auf Deutschland verlassen können. Die
Gesamtverantwortung für den Einsatz muss begründet, Informationen über alle Operationen im
Einsatz der Verbündeten müssen vollständig zugänglich sein. Die Bundeswehr soll die Vielfalt
unserer Gesellschaft abbilden. Menschenfeindliche Ideologien und rechtsextremistische
Strukturen in der Bundeswehr werden wir konsequent verfolgen und zerschlagen. Neben der
umfassenden Aufklärung ist die Prävention entscheidend. Präventive Maßnahmen wie
verantwortungsbewusste Personalgewinnung und zeitgemäße politische Bildung sind überfällig.
Den bewaffneten Einsatz der Bundeswehr im Inneren lehnen wir ab.
NATO strategisch neu ausrichten
Die NATO leidet unter divergierenden sicherheitspolitischen Interessen innerhalb der Allianz
bis hin zur gegenseitigen militärischen Bedrohung. Ihr fehlt in dieser tiefen Krise eine
klare strategische Perspektive. Trotzdem bleibt sie aus europäischer Sicht neben der EU
unverzichtbarer Akteur, der die gemeinsame Sicherheit Europas garantieren kann und der als
Staatenbündnis einer Renationalisierung der Sicherheitspolitik entgegenwirkt. Wir brauchen
eine strategische Neuaufstellung der NATO, eine gemeinsame Bedrohungsanalyse und darauf
aufbauend eine Debatte über eine faire Lastenverteilung zwischen den Mitgliedstaaten. Das
willkürliche NATO-2-Prozent-Ziel, das vor fast 20 Jahren verabschiedet wurde, gibt darauf
keine Antwort und wir lehnen es deshalb ab. Wir setzen uns für eine neue Zielbestimmung ein,
die nicht abstrakt und statisch ist, sondern von den Aufgaben ausgeht, und werden mit den
NATO-Partnern darüber das Gespräch suchen. Durch eine stärkere militärische Zusammenarbeit
und Koordinierung innerhalb der EU und mit den europäischen NATO-Partnern wie Großbritannien
und Norwegen wollen wir erreichen, dass strategische Interessen auf Grundlage von
europäischen Werten wie Multilateralismus, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit gemeinsam
entwickelt und geschlossen und überzeugender vertreten werden.
Die EU-Sicherheitsunion vorantreiben
Gemeinsam mit den internationalen Partnern muss die Europäische Union ihrer Verantwortung
für die eigene Sicherheit und Verteidigung gerecht werden. Die gemeinsame Sicherheits- und
Verteidigungspolitik (GSVP) setzt eine gemeinsame EU-Außenpolitik voraus. Wir wollen eine
EU-Sicherheitsunion etablieren mit einer starken parlamentarischen Kontrolle und einer
gemeinsamen restriktiven Rüstungsexportpolitik. Anstatt immer mehr Geld in nationale,
militärische Parallelstrukturen zu leiten, sollte die verstärkte Zusammenarbeit der
Streitkräfte in der EU ausgebaut, sollten militärische Fähigkeiten gebündelt und allgemein
anerkannte Fähigkeitslücken geschlossen werden. Dafür ist eine geeignete Ausstattung, der
Ausbau von EU-Einheiten sowie eine Stärkung und Konsolidierung der gemeinsamen EU-
Kommandostruktur nötig. Die Umwidmung ziviler Gelder aus dem EU-Haushalt für militärische
Zwecke lehnen wir ab.
weitere Antragsteller*innen
- Kai Gehring (KV Essen)
- Ingo Henneberg (KV Freiburg)
- Reinhard Bütikofer (KV Erfurt)
- Marcel Ernst (KV Göttingen)
- Sophia Besch (KV Berlin-Friedrichshain/Kreuzberg)
- Sarah Brockmeier (KV Berlin-Pankow)
- Ssaman Mardi (KV Regensburg-Stadt)
- Andrej Ferdinand Novak (KV Forchheim)
- Samuel Moser (KV München)
- Viola von Cramon (KV Göttingen)
- Julian Joswig (KV Rhein-Hunsrück)
- Marcus Lamprecht (KV Viersen)
- Martin Münter (KV Solingen)
- Ottmar von Holtz (KV Hildesheim)
- Amelie Overmann (KV Berlin-Mitte)
- Inga Kretzschmar (KV Lippe)
- Jörg-Heinrich Penner (KV Hamburg-Harburg)
- Robin Wagener (KV Lippe)
- Julia Schmenk (KV Koblenz)
- Jörg Sauskat (KV Berlin-Steglitz/Zehlendorf)
- Ellen Ueberschär (KV Berlin-Mitte)
- Daniel Hecken (KV Hamburg-Altona)
- Mathias Raudies (KV Oder-Spree)
- Sergey Lagodinsky (KV Berlin-Pankow)
- Hannes Sturm (KV Freiburg)
- Arven Herr (KV Göttingen)
- Henrik Rubner (KV Berlin-Mitte)
- Claudius Rafflenbeul-Schaub (KV Düsseldorf)
- Tim Demisch (KV Berlin-Treptow/Köpenick)
- Tilo Fuchs (KV Berlin-Mitte)
- Johannes Mihram (KV Berlin-Mitte)
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