Veranstaltung: | 46. Bundesdelegiertenkonferenz |
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Tagesordnungspunkt: | PB-R Regieren auf Augenhöhe mit der Zukunft |
Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | Bundesdelegiertenkonferenz |
Eingereicht: | 13.06.2021, 12:04 |
Antragshistorie: | Version 1 |
Regieren auf Augenhöhe mit der Zukunft
Beschlusstext
Regieren auf Augenhöhe mit der Zukunft
Liebe Wähler*innen,
wir haben Ihnen in diesem Programm beschrieben, welche Richtung wir mit einer neuen Politik
einschlagen wollen und welche Projekte nach unserer Überzeugung in eine bessere Zukunft
führen. Wenn wir in Zeiten des Umbruchs und der epochalen Aufgaben das Beste ermöglichen
wollen, muss sich aber nicht nur der Inhalt von Politik ändern, sondern auch die Art und
Weise, wie wir Politik machen, wie eine Regierung das Land führt.
In demokratischen Gesellschaften begründet sich Führung durch die Kraft der Überzeugung. Ja,
man kann mit politischen Mehrheiten „durchregieren“ und nach vier Jahren schauen, ob Sie mit
den politischen Entscheidungen einverstanden waren oder nicht. Dieses einfache Prinzip vom
Gewinnen und Verlieren im Vierjahresrhythmus allein hat sich aber als zu schwach erwiesen,
um die gegenwärtigen gesellschaftlichen Herausforderungen zu stemmen. Demokratische
Gesellschaften können mehr, indem sie sich vernetzen, voneinander lernen und ihre Kräfte
bündeln. Die großen Herausforderungen unserer Zeit bewältigen wir nur gemeinsam. Das Ende
der jetzigen politischen Ära kann zugleich der Beginn eines neuen politischen
Selbstverständnisses und Miteinanders sein.
Wir sind als Politiker*innen dem Gemeinwohl verpflichtet und damit beauftragt, Ihnen, den
Menschen in diesem Land, zu dienen. Wir brauchen die lebendige, kontroverse Diskussion und
die Bereitschaft, Zustände und Konzepte zu hinterfragen und zu lernen, sonst geht es nicht
voran. Wer dagegen mit Unterstellungen arbeitet, bewusst Missverständnisse provoziert,
erstickt Debatten. Wir aber wollen sie ermöglichen.
Wir wissen, dass Sie sich genauso ernsthafte Gedanken über unsere Zukunft als Gesellschaft
machen wie wir. Und deshalb sagen wir: Ja, unsere Vorhaben sind ambitioniert, nicht zuletzt
die Menschheitsaufgabe Klimaschutz, weil weniger den Herausforderungen nicht gerecht würde.
Und nein, wir können nicht versprechen, dass jedes einzelne Projekt genau so Wirklichkeit
wird. Wir können nicht versprechen, dass niemand durch Klimaschutz belastet wird. Wir können
nicht vorhersagen, welche Spielräume der Staat nach Corona haben wird. Niemand kennt alle
Bedingungen der Zukunft. Aber: Sie kennen jetzt unsere Vorschläge und Ziele, unsere
Ansichten und unsere Haltung. Was wir Ihnen versprechen: Wir haben uns seit vielen Jahren
vorbereitet, und wir werden alles daransetzen, so viel zu erreichen, wie wir irgend möglich
machen können. Denn Regieren ist kein Selbstzweck. Unser Anspruch ist nicht weniger als eine
Erneuerung des Landes.
Die großen Transformationsaufgaben, der Zusammenhalt unserer Gesellschaft fordern mehr denn
je den Willen zur Kooperation, zum Zusammenführen, zum Kompromiss, der mehr ist als die
Summe seiner Teile. Die großen Aufgaben unserer Zeit werden nicht gelingen, wenn eine
Regierung denkt, alles allein zu schaffen. Sie können nur gelingen, wenn viele sich
verantwortlich fühlen, wenn so viele wie möglich sich als Teil des Teams begreifen. Wir
wollen Verantwortung übernehmen, aber wir wissen, dass wir Ihre Unterstützung brauchen
werden. Wir bitten Sie, sich einzubringen, einzumischen und laden Sie ein, mit uns
voranzugehen. Mit gebündelter Kraft können wir gemeinsam vieles schaffen.
Wir möchten dafür das Verhältnis von Regierung, Parlament und Bürger*innen neu begründen:
starke Parlamente und Abgeordnete, neue Formen der Beteiligung, etwa über Bürger*innenräte,
die frühe Einbeziehung von Bürger*innen bei Planungsprozessen, die transparente Einbeziehung
der demokratischen Zivilgesellschaft und wissenschaftlicher Fakten. Regieren heißt nicht
Allwissenheit, Opposition heißt nicht aus Prinzip dagegen. Oft erkennen die Menschen, die
ein Gesetz direkt betrifft, als Erste seine unbeabsichtigten Wirkungen. Wir wollen zuhören
und einbeziehen, damit unsere Politik eine bessere wird.
Dazu gehört auch ein neuer Stil in der Zusammenarbeit innerhalb einer Regierung. Als Partei
haben wir Teamgeist und Kooperation in den letzten Jahren erfolgreich erprobt und gelebt.
Diese Idee wollen wir nun einbringen – angefangen damit, dass die volle Gleichberechtigung
von Frauen selbstverständlich ist. Wir wollen eine Koalition führen, die versucht, das Beste
aus Gegensätzen zu machen, anstatt sich mit dem kleinsten gemeinsamen Nenner
zufriedenzugeben. Die anerkennt, dass ein Koalitionspartner Wertvolles an den Tisch bringt
und ebenso recht haben kann. Eine Koalition, die diejenigen einbezieht, die nicht im
Koalitionsausschuss sitzen. Nicht alle Menschen fühlen sich von uns vertreten, das wissen
wir. Umso wichtiger ist es, auch auf diejenigen zuzugehen, die uns nicht wählen oder wählen
werden.
Die Corona-Krise hat gezeigt, wie viel unser Staat leistet – und wo es mangelt. Ungleichheit
ist gewachsen, aber ein dichtes soziales Netz hat bisher verhindert, dass sich die Corona-
Pandemie zu einer tiefgreifenden sozialen Krise entwickelt. Ärzt*innen, Pfleger*innen und
Krankenhäuser haben Enormes geleistet. Aber die Pandemie hat auch gezeigt, wo unser Staat an
seine Grenzen gerät. Faxgeräte, besetzte Hotlines, Behördenrennerei und Planungen, die wegen
Personalmangels eine gefühlte Ewigkeit nicht umgesetzt werden, mahnen uns, dass sich etwas
ändern muss.
Auch dazu haben wir Ihnen in unserem Programm Vorschläge gemacht. Wir wollen unsere
Verwaltung modernisieren, sie kreativer, digitaler und innovativer machen und besser
ausstatten. Wir wollen Mut machen, zu experimentieren und eine positive Fehlerkultur zu
entwickeln. Unsere Staatlichkeit soll bunter und feministischer werden. Wir wollen
Spielräume für dringend notwendige Zukunftsinvestitionen schaffen, die Potenziale der
Erneuerbaren ausschöpfen und die Nachfragemacht des Staates für Innovation und
Nachhaltigkeit nutzen.
Weil sozial-ökologische Transformation und Digitalisierung, die Modernisierung des Staates
und des öffentlichen Dienstes nur als Gemeinschaftsprojekte gelingen, wollen wir einen
Konvent auf den Weg bringen, um aufbauend auf den Lehren aus der Pandemie das Zusammenspiel
von Bund, Ländern und Kommunen neu und tiefgreifend zu justieren. Wir planen den Aufbau
neuer Behörden und Verwaltungsstrukturen, weil wir einen starken und effizienten Staat
wollen, der zu den Aufgaben passt. Dazu gehört dann auch, dass wir überprüfen, was es nicht
mehr braucht, was zugemacht werden kann, was besser werden muss.
Das wollen wir nach der Wahl anpacken, gemeinsam mit Ihnen und den anderen demokratischen
Parteien, ohne Scheuklappen und Dogmatismus. Ein Zurück in die Gräben von mehr oder weniger
Staat, mehr oder weniger Regulierung, mehr oder weniger Föderalismus, das ist der Aufgabe
nicht angemessen. Für die großen Aufgaben des kommenden Jahrzehnts gilt es mehr zu wagen.
Und zu machen.
Jetzt liegt es bei Ihnen. In Wahlen entscheidet eine Gesellschaft darüber, wer sie sein
will. Wahlen sind ein Moment der Freiheit. Nutzen Sie ihn – für die Freiheit.
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