Veranstaltung: | 47. Bundesdelegiertenkonferenz |
---|---|
Tagesordnungspunkt: | WB Wahl Bundesvorstand |
Antragsteller*in: | Ricarda Lang (KV Schwäbisch Gmünd) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 15.01.2022, 12:07 |
WB-PV-03: Bewerbung: Ricarda Lang
Bewerbungstext
Liebe Freund*innen,
wir Grüne stehen vor einer großen Aufgabe. Wir haben uns nicht weniger vorgenommen, als dieses Land auf ein klimaneutrales und solidarisches Fundament zu stellen, das die notwendige Stabilität für die kommenden Generationen bietet. Wir wollen erreichen, dass Deutschland als leuchtendes Beispiel für eine ökologische und gerechte Zukunft in Europa und der Welt scheint. Und nach 16 Jahren in der Opposition haben wir die Möglichkeit, aber auch die Verantwortung, dieses Vorhaben in konkrete Politik umzusetzen. Dabei beginnen wir, wie die Eröffnungsbilanz zum Klimaschutz gezeigt hat, mit einem riesigen Rückstand und leiten eine Aufholjagd ein. Nachdem die Große Koalition jahrelang auf der Bremse stand, ist eine Regierung, die auf der Höhe der Realität agiert und die Klimaziele wieder ernst nimmt, keine Selbstverständlichkeit, sondern etwas, wofür wir Tag für Tag und CO2-Tonne für Tonne arbeiten werden müssen. Doch wir haben uns gemeinsam entschieden, dieses Wagnis einzugehen und etwas zu riskieren. Weil wir wissen, was wir zu verlieren haben – unsere Gesundheit, unseren Wohlstand und unsere Freiheit.
Diese Freiheit nehmen wir nur dann ernst, wenn wir sie heute für die Zukunft schützen und so kommenden Generationen das Recht erhalten, selbst zu entscheiden, wie sie mit der Klimakrise und mit ihren Folgen umgehen. Es geht darum, einen neuen Gesellschaftsvertrag für das post-fossile Zeitalter zu definieren, der Freiheit nicht nur als Momentaufnahme, sondern als generationenübergreifende Verantwortung versteht.
Doch das schaffen wir nicht alleine. Dafür müssen wir den Öffnungsprozess der Partei der letzten Jahre vorantreiben, in den nächsten Jahren Politik für die ganze Gesellschaft machen und nicht nur für diejenigen, die uns gewählt haben. Das gilt insbesondere für Menschen, die mehr Angst vor dem Monatsende als vor der Klimakrise haben müssen. Es liegt gerade an uns zu zeigen, dass Veränderung die Grundlage für Sicherheit ist. Doch das gelingt nur, wenn wir die Entlastung von Menschen mit geringem Einkommen, die Schaffung von gut bezahlten Jobs, die soziale Infrastruktur im ländlichen Raum und den Kampf gegen Armut ins Zentrum unserer Politik stellen. Kurzum geht es darum, die Gründungsaufgabe unserer Partei, die sozial-ökologische Transformation, zum gesamtgesellschaftlichen Projekt zu machen und tatsächlich umzusetzen.
Das wird uns nur dann gelingen, wenn wir uns in den nächsten Jahren einer doppelten Herausforderungen stellen: Zum einen müssen wir gut regieren und den Koalitionsvertrag umsetzen. so dass die Bürger*innen spüren, dass es einen Unterschied macht, wenn Grüne in der Regierung sind. Und dass sich ihre Leben dadurch konkret verbessern. Und zum anderen müssen wir über die Legislatur hinaus denken, noch mehr Menschen erreichen und überzeugen sowie als Grüne weiter wachsen. Für beides brauchen wir eine enge Zusammenarbeit zwischen Fraktion, Kabinett und Partei – mit unterschiedlichen Rollen, aber vereint in den Zielen.
Ich bin davon überzeugt, dass uns das nur mit einer eigenständigen und selbstbewussten Partei gelingen wird. Der Partei, dem Bundesvorstand und den Parteivorsitzenden kommen dabei im grünen Gesamtgefüge fünf spezifische Aufgaben zu. Erstens wird der Parteivorstand eine Art Scharnier zwischen der Regierung und der Basis sein. Er erklärt und kommuniziert das Regierungshandeln an die Mitglieder. Aber er trägt auch die Wünsche, Positionen, Anregungen und Ideen aus der Mitgliedschaft und unserer Bündnispartner*innen in das Kabinett. Und immer wieder wird er auch die Realität der Klimakrise in den Regierungsalltag tragen. Zweitens möchte ich, dass der Bundesvorstand sicherstellt, dass wir auch in Regierungszeiten eine Mitmach-Partei bleiben, indem er Beteiligungsformate organisiert, im engen Austausch mit allen Ebenen und Teilen der Partei – von Kreisverbänden, über Bundesarbeitsgemeinschaften bis zu GRÜNEN JUGEND – bleibt und unsere Strukturen im Sinne einer stark gewachsenen Partei modernisiert.
Die dritte große Aufgabe wird es sein, uns strategisch für die nächsten Jahre aufzustellen und unsere Kampagnenfähigkeit weiter auszubauen. Dafür müssen wir den Wahlkampf ehrlich evaluieren, Schlüsse für die kommenden Landtagswahlen und für die Vorbereitungen auf die nächste Bundestagswahl ziehen. Wir haben bei dieser Bundestagswahl ein großes Ziel, führende progressive Kraft zu werden, ausgegeben. Wir sind diesem Ziel große Schritte näher gekommen, aber wir sind noch nicht da. In einem umfassenden Evaluationsprozess können wir lernen, was gut gelaufen ist, worauf wir aufbauen, aber auch, wo wir besser werden müssen. Er umfasst sowohl die enge Einbindung unserer Mitglieder, die konkrete Erfahrungen am Wahlkampfstand gesammelt haben als auch den Blick von außen. Ein deutlicher Fokus sollte dabei aus meiner Sicht auf dem ländlichen Raum und dem Osten liegen, da wir hier noch besonders viel Vertrauen zu gewinnen haben.
Viertens müssen wir auch die Rolle der Bündnispartei neu definieren. Es ist wichtig, dass wir in der Regierung einen neuen Politikstil prägen, mit einem offenen Ohr für Bündnispartner*innen, soziale Bewegungen und Bürger*innen. Der Bundesvorstand hat die Verantwortung, neue Bündnisse zu schmieden und unsere Zusammenarbeit mit Bewegungen zu stärken. Und gerade auch dann, wenn es Konflikte gibt, den Austausch mit der Zivilgesellschaft zu halten und zu intensivieren, um weiter an gemeinsam Zielen zu arbeiten.
Und zuletzt liegt es in besonderem Maße an der Partei, in der Regierungszeit das grüne Profil sichtbar zu machen und weiter zu schärfen. Dazu gehört für mich ein ehrlicher Umgang mit Kompromissen und die Klarheit darüber, dass weder mögliche Kompromisse noch der Koalitionsvertrag grüne Positionen ersetzen. Aber auch, über den Regierungsalltag hinaus zu denken und weiter an diesen Positionen zu arbeiten. Wir Grüne sind eine Programmpartei und müssen gerade jetzt offen für neue Ideen bleiben, offene Fragen diskutieren und unsere Programmatik weiter entwickeln, sei es bei der Digitalisierung der Arbeitswelt oder der Zukunft des Rentensystems.
Zu genau dieser Partei möchte ich beitragen. In den letzten Jahren durfte ich den Weg der Grünen mitgestalten und dabei unglaublich viele Erfahrungen sammeln. Ich kenne die Partei auf allen Ebenen und mit all ihren Facetten – von der Bundesgeschäftsstelle bis zum Ortsverband, der mit fünf Personen einen ganzen Wahlkampf stemmt. Als Kind einer alleinerziehenden Mutter, die als Sozialarbeiterin in einem Frauenhaus arbeitet, weiß ich, was es bedeutet, wenn man trotz Überstunden und gesellschaftlicher Relevanz nur schwer um die Runden kommt und kann so eine glaubwürdige Stimme für soziale Gerechtigkeit sein. Durch mein Sprecherinnenamt bei der GRÜNEN JUGEND habe ich gelernt, eine Organisation zu führen und politische Ideen so zu kommunizieren, dass sie Menschen begeistern. In meiner Zeit als frauenpolitische Sprecherin konnte ich immer wieder klar machen, dass Feminismus für uns kein Nice-to-have, sondern Grundlage unserer Politik ist, nach innen und nach außen. Als stellvertretende Parteivorsitzende war ich in den letzten Jahren dabei, als die Partei sich geöffnet und breiter aufgestellt hat und weiß, auf welchem starken Fundament wir stehen. Und in den Sondierungen durfte ich unsere Ideen für ein zukunftsfähiges Gesundheitssystem und vor allem für die Gesellschaft der Vielen, eine Politik passend zu unserem Einwanderungsland und eine progressive Queerpolitik, in konkrete Regierungsprojekte verwandeln.
Es wäre mir eine riesengroße Ehre, wenn ich diese Erfahrungen, meine Ideen und meine Leidenschaft als Vorsitzende in den Dienst dieser Partei und unserer politische Aufgabe stellen dürfte.
Klar ist dabei für mich: diese Aufgabe können wir nur im Team bewältigen. Wir haben uns viel vorgenommen und das schaffen wir nur gemeinsam. Dafür brauchen wir einen Parteivorstand, der solidarisch zusammenarbeitet – miteinander und mit unseren Abgeordneten, Landesregierungen, Kreisverbänden und der Basis – und den Laden zusammenhält. Und wir brauchen jede und jeden von euch, ein Team mit mindestens 125.000 Mitgliedern.
Ich würde mich riesig freuen, wenn ihr mir das Vertrauen schenkt, als Vorsitzende Teil dieses Teams zu sein, mit aller Entschlossenheit und allem Optimismus. Denn unsere Aufgabe ist riesig, doch unsere Chancen sind es auch. Wir haben alles zu verlieren, aber noch viel mehr zu gewinnen.
Liebe Grüße
Eure Ricarda
PS: Ich freue mich sehr über eure Fragen, Anregungen und Kritik. Meldet euch dafür sehr gerne direkt bei mir. Per Mail an ricarda.lang@gruene.de oder über die sozialen Netzwerke. Bis bald!
Geboren am 17.01.1994 in Filderstadt.
Aufgwachsen in Nürtingen in der Nähe von Stuttgart.
Seit 2012 Mitglied bei den Grünen.
Von 2017 bis 2019 Sprecherin der GRÜNEN JUGEND.
Seit 2019 Stellvertretende Bundesvorsitzende und frauenpolitische Sprecherin.
Seit der Bundestagswahl 2021 Mitglied im Deutschen Bundestag (Wahlkreis Backnang - Schwäbisch Gmünd).
Mitglied im Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
Mag Hunde und gute Bücher.