Veranstaltung: | 48. Bundesdelegiertenkonferenz |
---|---|
Tagesordnungspunkt: | FS Wertegeleitet, multilateral, handlungsfähig: grüne Friedens- und Sicherheitspolitik in der Zeitenwende |
Antragsteller*in: | Maximilian Gercke (KV Hamburg-Eimsbüttel) und 106 weitere Antragsteller*innen (Frauenanteil: 25%) |
Status: | Eingereicht |
Verfahrensvorschlag: | Erledigt durch: FS-12-390 |
Eingereicht: | 02.09.2022, 19:35 |
FS-14: Ukraine konsequent unterstützen
Antragstext
Die Ukraine kämpft im Osten Europas gegen die russische Invasion und für
Demokratie und Freiheit. Wir, Bündnis 90/Die Grünen, haben uns einer
wertebasierten Außenpolitik verschrieben. Unsere zentralsten Werte sind die
Sicherung und Verteidigung von Frieden, Freiheit und Demokratie weltweit. Die
Ukraine verteidigt nicht nur sich selbst und das Leben der Ukrainer*innen,
sondern auch eben diese Werte und die Sicherheitsinteressen aller
Europäer*innen. Russlands Angriffskrieg bricht internationales Recht und bringt
Mord, Terror, Zerstörung und Vertreibung über das Land. Er hat das Ziel, die
Ukraine zu vernichten und kulturell auszulöschen. Es geht in diesem Krieg auch
um die Frage, ob ein autokratischer Staat mit Willkür und Waffengewalt im 21.
Jahrhundert in Europa kleinere Nachbarstaaten überfallen, erobern und vernichten
darf. Angesichts dessen müssen wir in Deutschland Verantwortung übernehmen und
handeln.
Wo, wenn nicht in der Ukraine, werden wir diejenigen konsequent unterstützen,
die unsere gemeinsamen Werte mit ihrem Leben verteidigen? Wann, wenn nicht
jetzt, werden wir anderen Demokratien im Kampf gegen Autokratien beistehen? Und
wer, wenn nicht wir, die größte Volkswirtschaft und Demokratie Europas und
unsere Partner*innen, soll die Ukraine mit allen zur Verfügung stehenden
humanitären, finanziellen und militärischen Mitteln ausstatten?
Wir stellen uns daher klar hinter die Entscheidung der Bundesregierung, die
Ukraine in ihrem Kampf für diese Werte - unsere Werte - mit allen Mitteln zu
unterstützen. Dies umfasst insbesondere auch die Waffenlieferungen an die
Ukraine, welche diese derzeit so dringend benötigt, um sich zu verteidigen und
ihre Bürger*innen zu befreien. Wir bekräftigen die Bundesregierung darin, diese
Entscheidung auch in der Zukunft zu tragen, bis die Ukraine sich erfolgreich
verteidigt hat und Frieden herrscht.
Wir fordern die Bundesregierung daher auf:
- Die zugesagten Waffenlieferungen des Bundestagsentschlusses vom 28. April
2022 unverzüglich in die Ukraine zu liefern, wenn notwendig auch aus
Materialbeständen der Bundeswehr oder aus der deutschen/europäischen
Industrie.
- Den EU-Partner*innen das zugesagte Gerät im Rahmen der sogenannten
Ringtauschlieferungen zeitnah zu ersetzen.
- Bestehende Sanktionen gegen Russland aufrechtzuerhalten und sich auf EU-
Ebene gemeinsam mit den anderen EU-Staaten für eine einheitliche
Verschärfung der EU-Sanktionen gegen Russland einzusetzen.
- Die Ukraine - Staat, Bevölkerung und Zivilgesellschaft - auch in Zukunft
mit aller Kraft finanziell, humanitär und mit militärischer Ausrüstung zu
unterstützen.
Zugesagte Waffen liefern
Nur ein kleiner Teil der Waffen, welche Deutschland der Ukraine zugesagt hat,
sind auch tatsächlich dort angekommen. Doch jede Waffe, die an der Front
eingesetzt werden kann, sei es Mehrfachraketenwerfer, Panzerhaubitze oder
Kampfpanzer, hilft der Ukraine, die russische Invasion zurückzuschlagen. Hierbei
sollte abermals geprüft werden, ob die Bundeswehr durch weitere Abgaben nicht
umfänglicher unterstützen könnte. Die Bundeswehr hat diese Waffen, um Frieden,
Freiheit und Demokratie zu verteidigen. Dies wird gerade in der Ukraine getan.
Je früher sie geliefert werden und je besser die ukrainischen Soldat*innen beim
Transport geschützt werden können, desto weniger müssen im russischen
Artilleriefeuer sterben, ohne die Invasoren aufhalten zu können. Die
Ukrainer*innen vertrauen auf unser Wort. Doch wenn sich unsere Zusagen nicht
oder kaum erfüllen, schwindet dieses Vertrauen.
Ringtauschlieferungen durchführen
Gleiches gilt für die Ringtauschlieferungen von Waffen an unsere Partner*innen,
die ihrerseits den ukrainischen Kampf unterstützen. Dass nicht ein einziger
Panzer im Ringtauschverfahren erfolgreich von Deutschland geliefert wurde,
spricht von Versagen. Auch hier steht die Vertrauenswürdigkeit und
Verlässlichkeit von Deutschland auf dem Spiel. Die EU-Partner*innen erhalten
immer stärker den Eindruck, dass Deutschland im Krieg mit Russland auf Zeit
spiele und nicht wirklich liefern wolle. Das schadet dem Ansehen Deutschlands in
der EU immens. Es sind daher auch Wege zu prüfen, unseren Partner*innen
benötigtes Material und Personal der Bundeswehr zu stellen und in diesem Rahmen
überführtes Material bei der Bundeswehr zeitnah zu ersetzen. Auch hier müssen
wir den Freiheitskampf der Ukraine mit allen Kräften unterstützen, sei es nur
indirekt.
Sanktionen aufrechterhalten und schärfen
Wie eine kürzlich veröffentlichte Studie der Yale School of Management zeigt,
wirken unsere auf EU-Ebene beschlossenen Sanktionen. Russlands Wirtschaft steht
am Abgrund. Die Sanktionen zeigen nicht nur, dass ein Land büßen muss, wenn es
einen menschenverachtenden Angriffskrieg führt. Viel wichtiger: Sie würgen die
russischen Kriegswirtschaft ab. Je weniger Geld Putins Regime zur Verfügung
steht, desto schlechter kann es Krieg führen. Daher müssen wir die bereits
existierenden Sanktionen aufrechterhalten und in Absprache mit unseren EU-
Partner*innen verschärfen. Auch im Herbst und im Winter, bei steigenden
Gaspreisen und auch wenn der Krieg noch darüber hinaus andauert.
Zukünftig unterstützen
Es ist äußerst unwahrscheinlich, dass der Krieg dieses Jahr endet. Doch eines
hat sich in den letzten Monaten klar gezeigt: Waffenlieferungen für die Ukraine
machen einen Unterschied. Putin allerdings setzt darauf, dass der Westen seine
Unterstützung der Ukraine nicht durchhalten wird und er die allein gelassene
Ukraine endgültig überwältigen kann. Zu diesem Zweck manipuliert das russische
Regime Gaslieferungen, versucht die EU zu spalten, destabilisiert unsere
Gesellschaften mit Desinformationskampagnen und setzt Weizen als Waffe ein -
alles, um unser Bündnis zu schwächen. Diesem Druck dürfen wir nicht nachgeben.
Wenn wir es ernst meinen mit unseren Werten und einer Außenpolitik, die von
ihnen geleitet wird, müssen wir die Ukraine jetzt und in Zukunft unterstützen.
Wenn der Westen nicht entschlossen an der Seite der Ukraine steht und sie fallen
sollte, könnte Putin zu Recht annehmen, dass wir und die Demokratie, die er
hasst, schwach und uneinig sind. Sein nächster Feldzug wäre nicht weit. Nichts
wäre in Europa wie vor dem Krieg. Daher müssen wir uns mit aller Kraft hinter
die Menschen stellen, die unsere und ihre Werte in der Ukraine verteidigen.
Begründung
Auf Grundlage des gleichlautenden Beschlusses der BAG Frieden & Internationales vom 27. August 2022.
Kommentare
Barbara Romanowski:
Nicht nur inzwischen bei uns Grünen, auch innerhalb der Partei Bündnis 90/Die Grünen, geht offensichtlich die Wahrnehmung dessen, was in der Welt geschieht und was sie braucht, auseinander. Unterschiedlich nehmen auch die Staaten dieser Welt internationale Problemlagen wahr. Hört einmal genau hin, wer was bei der am Dienstag eröffneten UNO-Generalversammlung in New York sagt. 'Infosperber' berichtet:
Die grosse Diskrepanz bei der Wahrnehmung, Benennung und Beurteilung internationaler Problemlagen gibt es vor allem deshalb, weil die Staaten der «westlichen Wertegemeinschaft» in den letzten 25 Jahren wegen ihrer Doppelstandards und selektiven Anwendung der seit 1945 universell gültigen Völkerrechts- und Menschenrechtsnormen im «Rest der Welt» erheblich an Glaubwürdigkeit verloren haben.
Eine ganz wesentliche Rolle spielt dabei der von den USA und Grossbritannien geführte völkerrechtswidrige Irakkrieg des Jahres 2003. In der Folge dieses Krieges und der nachfolgenden, ebenfalls völkerrechtswidrigen achtjährigen Besatzung Iraks durch die USA verloren rund eine Million IrakerInnen ihr Leben. ..."
https://www.infosperber.ch/politik/welt/uno-cassis-und-scholz-hinterlassen-wenig-glaubhaften-eindruck/
Svenja Horns Antrag
https://antraege.gruene.de/48bdk/wertegeleitet-multilateral-handlungsfahig-grune-friedens-und-siche-33565/15343
erinnert uns an eben unsere grünen Grundwerte, und das wir zu unserem 'Grundkonsens von 1993' stehen wollen: „Wir streben eine ökologische, soziale und solidarische sowie tolerante Weltordnung an, in der es keine wirtschaftlichen und weltanschaulichen Motive für die gewaltsame Austragung von Konfikten mehr gibt, in der jeder Militarismus geächtet wird und in der die erforderlichen Grundlagen für zivile, nichtmilitärische Formen der Konfiktbewältigung, der Rechtswahrung und der Friedenssicherung gegeben sind. Internationale Konfiktregelungen zur Abschaffung des Krieges bedürfen einer demokratisch reformierten UNO. Wir stellen uns nicht nur gegen physische und psychische Gewalt gegen Kinder, Frauen und AusländerInnen. Wir stellen uns ebenso gegen eine die Menschenwürde verletzende publizistische Gewalt. Wir wenden uns gegen alle Formen struktureller Gewalt, der weltweit in Form ökonomischer Ausbeutung und politischer Unterdrückung Menschen zum Opfer fallen. Die Ethik der Gewaltfreiheit ist eine Ethik der Erhaltung und Entfaltung des Lebens.“
Wenn das beachtet wird, allerspätestens, wenn sich ein Konflikt abzeichnet, können wir Gewalt verhindern zu Gunsten der Erhaltung und Entfaltung des Lebens. Es gibt - immer noch - Mittel und Methoden der zivilen Konfliktlösungen, wie z. B. Diplomatische Initiativen, Mediation, UN-Friedenseinsätze, wenn sich anbahnende Konflikte übersehen, nicht beachtet oder von Einigen auch missachtet wurden.