Seit dem Beginn des russischen Angriffskrieges am 24. Febr. 2022 führt die Ukraine einen legitimen Selbstverteidigungskrieg auf der Grundlage des Artikel 51 der UN-Charta. Der Angriffskrieg auf die Ukraine und der Bombenterror gegen die Zivilbevölkerung ist völkerrechtswidrig.
Dies entbindet die Staatengemeinschaft jedoch nicht von der Verpflichtung, nach diplomatischen Lösungen des Konfliktes zu suchen. Die Bundesrepublik Deutschland ist durch das Friedensgebot des Grundgesetzes ganz besonders dazu verpflichtet und hat am 2. März 2022 einer Resolution der Vereinten Nationen zugestimmt, die eine „friedliche Beilegung des Konfliktes zwischen der Russischen Föderation und der Ukraine durch politischen Dialog, Verhandlungen, Vermittlung und andere friedliche Mittel“ fordert.[1] Am 23. Februar 2023 wurden die Mitgliedstaaten und internationalen Organisationen in einer weiteren UN-Resolution aufgefordert, „ihre Unterstützung diplomatischer Anstrengungen zu verdoppeln, um einen umfassenden, gerechten und dauerhaften Frieden in der Ukraine zu erreichen.“[2] Daher braucht es jetzt verstärkte internationale diplomatische Bemühungen gemäß den UN-Resolutionen von März und Oktober 2022 sowie Februar 2023. Durch verstärkte internationale Bemühungen für sofortige Verhandlungen muss eine diplomatische Lösung zur Beendigung des Krieges gefunden werden. Die Diplomatie muss siegen!
In jüngster Zeit gab es mehrere Friedensinitiativen und Vermittlungsangebote. Sie kamen beispielsweise aus Indonesien, China, Brasilien, Frankreich, dem Vatikan und mehreren afrikanischen Staaten. Diese gilt es aufzugreifen. Antonio Guterres hat es geschafft, in Zusammenarbeit mit der Türkei das Getreideabkommen mehrfach zu verlängern. In Zusammenarbeit mit dem Internationalen Roten Kreuz konnten Soldat*innen aus dem Asow-Stahlwerk befreit werden.
An den Friedensverhandlungen sollten neben der EU auch die BRICS-Staaten beteiligt werden. Um einen Waffenstillstand abzusichern, wären robuste UN-Blauhelme zu stationieren, die nicht nur sich selbst, sondern auch ihr Mandat verteidigen können. Aus den Erfahrungen in Ruanda und Srebrenica, wo die Blauhelme beim Morden zusehen mussten, weil sie nur sich selbst verteidigen durften, wären in der Ostukraine robuste UN-Blauhelme zu stationieren, die Warlords und Nationalisten in die Schranken weisen können.
In Europa droht ein langjähriger Krieg. Der Krieg kann die Ausmaße eines Afghanistankrieges bzw. eines 30-jährigen Krieges in Europa annehmen. Die ständige Intensivierung hat bereits zu einer großen Zahl gefallener Soldat*innen und getöteter ukrainischer Zivilist*innen sowie zu großen Zerstörungen bei der Infrastruktur geführt. Es droht eine ständig weitere Eskalation durch die Lieferung von Kampfpanzern, Kampfflugzeugen und die geforderte Lieferung von Mittelstreckenraketen. Die Forderung nach immer neueren und schwereren Waffen birgt die Gefahr einer weiteren Eskalationsspirale, die in einem Atomkrieg enden kann.
Der Ukrainekrieg hat bereits jetzt katastrophale soziale, ökologische und ökonomische Folgen in Europa und der Welt. In Europa hat die massive Erhöhung der Energiepreise durch den Krieg zu einer trabenden Angebotsinflation geführt, die zu massiven Kaufkraftverlusten v. a. bei den unteren und mittleren Gesellschaftsschichten geführt hat. In den Ländern des globalen Südens entstand Nahrungsmittelknappheit und eine Verschärfung von Hunger und Massenelend.
In Deutschland müssen die 100 Mrd. „Sondervermögen“, die in Wahrheit Sonderschulden sind, in Zukunft mit Zins und Zinseszins zurückgezahlt werden. Dies wird zu großen Zins- und Tilgungsbelastungen im Bundeshaushalt führen. Vor dem Hintergrund der Schuldenbremse, die Finanzminister Lindner nicht aufheben will, wird dies zu einer massiven Spar- und Austeritätspolitik führen, die der Finanzminister bereits jetzt begonnen hat (z. B. Absage an das im Koa-Vertrag vereinbarte Klimageld). Wird der Ukrainekrieg noch Jahre fortgesetzt, werden weitere etliche Milliarden zur Finanzierung der Rüstungsausgaben fällig und können den sozialen Zusammenhalt in unserer Gesellschaft gefährden.
[1] www.un.org/depts/german/gv-notsondert/a-es11-1.pdf
[2] www.securitycouncilreport.org/atf/cf/%7B65BFCF9B-6D27-4E9C-8CD3-CF6E4FF96FF9%7D/a_res_es_11_6.pdf