Die G77 – inzwischen mehr als 133 Staaten des globalen Südens- stellen die Vormachstellung des globalen Westens massiv in Frage. In der so vorangetriebenen Herausbildung einer neuen multipolaren Weltordnung kann und muss die Europäische Union künftig produktiver Teil eines kooperativen internationalen Zusammenarbeitens der Völker sein, indem sie ihre geographische und historische Friedensverantwortung insbesondere als Mittlerin zwischen Ost und West neu entschieden realisiert. Grundlage hierfür ist eine konsequente Initiative für die Abrüstung aller EU-Mitgliedsstaaten zu Gunsten der Bevölkerungen weltweit, statt der Entwicklung und Anschaffung europäischer Rüstungssysteme und der Ausweitung der Rüstungsexporte der EU-Mitgliedstaaten insbesondere im Sinne der deutschen und französischen Rüstungsindustrie.
Mit der Militarisierung der EU als Antwort auf die weltweiten Umbrüche – u.a. mit der Verankerung einer Aufrüstungsklausel für alle europäischen Staaten im Lissabon-Vertrag (Art. 42 Abs.3 )- soll die EU eine eigenständige weltpolitische Akteurin werden und ihre Interessen zukünftig verstärkt auch militärisch durchsetzen. James Rogers, der Leiter der Denkfabrik „Group on a Grand Strategy“ bringt die Brutalität des Weltmachtstrebens auf den Punkt und spricht dabei aus, was von Anfang an die politische Ausrichtung der Europäischen Union ist: „Die Europäische Union muss ein Superstaat und eine Supernation werden, was sie dann wiederum in die Lage versetzt, eine Supermacht zu werden“. Der Schlüssel für diese EU-Supermacht ist – so die GoGS - die politische, wirtschaftliche und militärische Kontrolle der EU über eine „Grand Area“. Das heißt – so Rogers – „uneingeschränkter Zugang zu einer weiten, angrenzenden Zone, die die östliche Nachbarschaft und das westliche Russland, den Kaukasus und große Teile Zentralafrikas, die arktische Region, die nördliche Hälfte von Afrika, den gesamten Nahen und Mittleren Osten, genauso den Indischen Ozean und Südost-Asien umfasst. Diese ‚Grand Area’ beinhaltet die meisten Rohstoffe, die von der europäischen Wirtschaft benötigt werden; alle zentralen Schifffahrtsrouten von Asien, Australien, Afrika und den Nahen und Mittleren Osten; alle Energiepipelines – gegenwärtige und zukünftige – von Russland, Zentralasien und Nordafrika…“. Ziel dieser aggressiven Militärpräsenz sei es, „ausländischen Regierungen das Fürchten zu lehren und sie gegenüber europäischen Präferenzen aufgeschlossener zu machen.“
Der verzweifelte Versuch, die westliche Vormachtstellung gegen andere aufstrebende Mächte zu verteidigen, die die europäischen Expansionsbestrebungen und den Zugriff auf Märkte beschränken, ist zum Scheitern verurteilt. Die gemeinsame Entwicklung, Anschaffung und Nutzung von europäischen Waffensystemen nützt einzig und allein der Rüstungsindustrie, ganz besonders den deutschen Rüstungsunternehmen. Die Entwicklung eines europäischen militärisch-industriellen Komplexes statt nationaler Rüstungsindustrien ist vorrangig ein deutsch-französisches Projekt innerhalb der EU, weil in Deutschland und Frankreich die größten Rüstungsunternehmen der EU ansässig sind, die die Gelegenheit nutzen und sich gegen kleinere nationalstaatliche Konzerne andere Länder durchsetzen wollen. [1]Die europäische Vereinheitlichung und Bündelung der Produktion europaweit Rüstungsproduktion sei außerdem notwendig, um sich künftig im Kampf um die maximale Profitsteigerungen auch gegen US-amerikanische Rüstungsunternehmen durchzusetzen.
Rüstungsexporte als Teil der Strategie zur Verteidigung der westlichen Vormachtstellung und ihrer „demokratische Werte“ heizen weltweit Konflikte, stehen Diplomatie und internationaler Kooperation zur Lösung der globalen Herausforderungen und friedlicher Entwicklung entgegen.
Im Interesse der Bevölkerungen weltweit starten wir eine europäische Abrüstungsinitiative und wirken für ein Verbot europäischer Rüstungsexporte.
[1] https://www.airbus.com/de/newsroom/stories/2022-05-europas-grenzen-verteidigen