Oft hört man in der europäischen Entwicklungshilfe Narrative von dem Schutz traditioneller, "naturnaher" Bewirtschaftungssysteme und regionaler Märkte. Das klingt in unseren grünen europäischen Ohren erstmal gut. Spricht man allerdings mit von Armut und Mangelernährung bedrohten Landwirt*innen in Beispielsweise Subsahara-Afrika oder Indien, trifft man oft auf andere Vorstellungen. Viele Leute wünschen sich Zugang zu besseren Technologien, die die mühevolle Feldarbeit erleichtern. Zugang zu Saatgut, Dünge- und Pflanzenschutzmitteln um (genau wie die Leute im globalen Norden) durch bessere Ernten einen höheren Lebensstandard zu haben. Sie wollen, dass ihre Kinder ein besseres Leben führen können, in die Schule gehen, vielleicht studieren und z. B. Anwältin, Lehrer oder Wissenschaftlerin werden. Die Vorstellung europäischer NGOs, dass ihre mühselige, von Hunger und Armut geprägte Lebensweise, als "traditionell" und "naturnah" romantisiert wird und bewahrt werden soll, kommt vielen Betroffenen vor wie neo-kolonialistischer Hohn.
Deshalb sollten wir gerade als Grüne bei aller Begeisterung für agrarökologische Ideen darauf achten, die Würde und Selbstbestimmung der Empfänger von jeglicher Entwicklungshilfe in den Mittelpunkt zu stellen. Die Erfahrung hat gezeigt, dass gerade der fehlende Zugang zu überregionalen Märkten ein Risiko bei politischen Krisen und den Folgen des Klimawandels darstellt. Dürren, Überschwemmungen, Schädlingswellen oder bewaffnete Konflikte können die landwirtschaftliche Produktivität lokal stark beeinträchtigen. Gerade dann ist eine Anbindung an überregionale Märkte essenziell um die Folgen für die lokale Bevölkerung abzumildern. Getreidepreise auf dem Weltmarkt schwanken natürlich auch abhängig von Kriegen und aktuellen Produktionsbedingungen, insgesamt sind sie aber viel stabiler und resilienter als regionale Märkte im globalen Süden.
Patentiertes Saatgut darf nicht zu einseitigen, teuren Abhängigkeiten führen. Das ist klar. Ob wir solche Abhängigkeiten bisher beobachten können, ist in der agrarökonomischen Forschung mindestens umstritten. Teures Saatgut von westlichen Konzernen (etwa moderne Baumwollsorten von Bayer/Monsanto in Indien) wird in der Regel gekauft, weil es für die Landwirt*innen Vorteile hat: weniger Krankheitsdruck, höherer Ertrag, leichter zu handhaben. Alte Sorten werden nicht gewaltsam verdrängt (diesen Eindruck sollten wir im Programm nicht erwecken), sondern sind im Vergleich oft einfach nicht die beste Wahl. Für die nachhaltige Entwicklung der Regionen wäre es wohl das Beste, wenn lokale Institutionen, Universitäten und Züchtungsunternehmen selbst empowert werden, ähnlich gute Sorten, angepasst an lokale Verhältnisse, zu produzieren. So fließt weniger von dem (mit den neuen Sorten erwirtschafteten) Vorteil nach Leverkusen, die Regionen werden unabhängiger vom globalen Norden.