Das geplante Assoziierungsabkommen zwischen der EU und den Staaten des Mercosur würde in seiner vorliegenden Fassung laut zahlreichen Analysen von europäischen und lateinamerikanischen NRO und Wissenschaftler*innen zur Schädigung von Klima, Wäldern, der Artenvielfalt und schweren Menschenrechtsverletzungen führen. Darüber hinaus droht eine Vertiefung neokolonialer Handelsstrukturen, die die lateinamerikanischen Staaten weiter auf die Rolle von Rohstoffexporteuren festlegt.
Im Koalitionsvertrag hat die Bundesregierung „umsetzbare und überprüfbare, rechtliche verbindliche Verpflichtungen zum Umwelt-, Sozial- und Menschenrechtsschutz […] und praktisch durchsetzbare Zusatzvereinbarungen zum Schutz und Erhalt bestehender Waldflächen“ zur Voraussetzung einer Ratifizierung erklärt. Wie ein Rechtsgutachten von Prof. Markus Krajewski und Dr. Rhea Hoffmann zeigt, erfüllt der vorliegende Vertragsentwurf diese Voraussetzung keineswegs. Zugleich enthält das Gutachten konkrete Vorschläge zur Präzisierung und höheren Verbindlichkeit von Nachhaltigkeit- und Menschenrechtsbestimmungen.
Die von der Kommission vorgeschlagene gemeinsame Auslegungserklärung, die aktuell mit den Mercosur-Staaten diskutiert wird, ändert dies nicht, weil sie keine neuen Verpflichtungen enthält, sondern lediglich die im Nachhaltigkeitskapitel enthaltenen Bemühungsklauseln interpretiert. Diese blieben zudem vom sanktionsbewehrten Streitbeilegungsverfahren ausgeschlossen. Dies wird auch in dem jüngsten Gutachten im Auftrag der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen zum Waldschutz bestätigt. Dieses Gutachten enthält für den Bereich des Waldschutzes konkrete Vorschläge, die als komplementär zu den Vorschlägen im oben erwähnten Gutachten von Markus Krajewski und Rhea Hoffmann zu betrachten sind. Wichtig ist, dass die Verbindlichkeit und Sanktionierbarkeit sich nicht auf Waldschutzbestimmungen beschränkt, sondern auch den Schutz von Menschenrechten, der Umwelt und des Klimas bezieht.
Aktuelle Überlegungen der Kommission, das Handelsabkommen von den anderen Teilen des Assoziierungsabkommen abzuspalten, lehnen wir ab, weil in diesem Fall für das Handelsabkommen nicht mehr die Zustimmung aller EU-Mitgliedstaaten erforderlich wäre, sondern lediglich eine qualifizierte Mehrheit der Ratsmitglieder. Nationale und regionale Parlamente würden komplett übergangen. Wie ein Rechtsgutachten im Auftrag von Greenpeace zeigt, wäre dies ein klarer Verstoß gegen das Verhandlungsmandat, „das kein Aufteilen in ein handelspolitisches Abkommen und ein allgemeinpolitisches Abkommen deckt“. Darüber hinaus würde das vorab ratifizierte Handelsabkommen keine Menschenrechtsklausel enthalten, was den Artikeln 3 und 21 des EU-Vertrags widersprechen und eine weitere Abweichung von den Vorgaben des Koalitionsvertrags der Bundesregierung darstellen würde.
Verbesserungen des Assoziierungsabkommens dürfen sich unserer Auffassung nach jedoch nicht allein auf das Nachhaltigkeitskapitel beschränken, sondern müssen der Forderung der brasilianischen und argentinische Regierung nach einer Anerkennung der großen wirtschaftlichen Asymmetrien zwischen der EU und dem Mercosur Rechnung tragen. Ein jüngeres Gutachten des renommierten brasilianischen Wirtschaftsforschungsinstituts IPEA wie auch eine Studie im Auftrag von MEP Anna Cavazzini gelangten zu dem Schluss, dass das Abkommen massiv Arbeitsplätze im Mercosur gefährden, die De-industrialisierung vorantreiben und die postkoloniale Arbeitsteilung festschreiben würde, wonach die EU vor allem hochwertige Industrieprodukte und Dienstleistungen exportiert, die lateinamerikanischen Staaten hingegen metallische und agrarische Rohstoffe. Eine neue Studie von Brot für die Welt zeigt zudem, dass dadurch auch die sozial-ökologische Transformation der Wirtschaft im Mercosur-Raum behindert würde. Daher sind nicht nur im Nachhaltigkeitskapitel und bei der Menschenrechts-Klausel, sondern auch im Handelsteil signifikante Verbesserungen notwendig.