„Wär ich nicht arm, wärst du nicht reich“ sagt in einem Gedicht von Brecht der Arme zum Reichen. Genauso ist es auch im internationalen Handel. Trotz vieler Jahrzehnte mit zahlreichen Entwicklungshilfe-Projekten gelingt es den meisten den Ländern des globalen Südens nicht, das Wohlstandsniveau des Westens auch nur annähernd zu erreichen. Oft wird diesen Ländern selbst die Schuld daran gegeben. So wird zum Beispiel gesagt, dass die Afrikaner entspannter durchs Leben gingen und deshalb weniger strebsam seien oder Korruption dulden würden. Davon abgesehen, dass diese Argumentation rassistisch gefärbt ist, stimmt sie einfach nicht. So gibt es zum Beispiel wirtschaftlich sehr erfolgreiche Länder, die in der Korruptionsliste weit oben stehen.
Die tatsächlichen Gründe liegen woanders, nämlich in den Regeln des Freihandels, die in erster Linie den reichen Industrieländern nützen. Wie soll ein Entwicklungsland, dass nicht über Hochtechnologie verfügt, eigene Betriebe aufbauen, deren Produkte viel teurer sind als vergleichbare Produkte aus den westlichen Industrienationen, weil sie mit effizienterer Technologie hergestellt werden, wenn es nichts gegen deren Import tun darf?
Das führt dazu, dass diese Länder nur die Möglichkeit haben, durch Direktinvestitionen aus den Industrieländern an moderne Technologie zu gelangen. Sie bleiben also abhängig von den Unternehmen aus den westlichen Industrienationen. Die Investoren machen dabei einen Extraprofit, in dem sie die hocheffiziente Technologie aus ihren Herkunftsländern mit den niedrigeren Löhnen aus den Schwellenländern kombinieren.
Löhne steigen normalerweise mit steigender Produktivität. Das ist auch gut so, da nur dadurch der technischer Fortschritt allen zu Gute kommt. Wenn die Löhne nach Direktinvestitionen in einem Schwellenland später durch die gestiegene Produktivität steigen, verschwindet aber allmählich der Extraprofit und die Investoren ziehen wieder ab. Die Länder globalen Südens erreichen somit meistens nicht das Wohlstandsniveau der westlichen Industrienationen. Dies ist ein alter Hut, und in diesen Ländern, wie auch in der Eine-Welt-Bewegung ist dieser Zusammenhang lange bekannt.
Wenn nun Schwellenländer ihre im Aufbau befindliche Industrie durch Zölle oder Subventionen schützen wollen, erzwingt der Westen meistens, dass sie davon ablassen, indem z.B IWF-Kredite, die Länder, die ja noch keinen eigenen Kapitalstock haben, dringend benötigen, verwehrt werden, wenn sie die Freihandelsregen nicht einhalten.
Daher rührt das berechtigte Misstrauen der Länder des globalen Südens gegenüber den westlichen Industrienationen, wie es sich zum Beispiel darin äußert, dass die überwältigende Mehrheit der Länder des globalen Südens sich trotz der eindeutigen Rechtsverletzung Russlands in der Ukraine nicht eindeutig auf die Seite des Westens stellen will. Sie haben mit dem Westen keine besseren Erfahrungen gemacht als mit Russland oder China und wollen deshalb diese drei Pole äquidistant halten.
Das Wohlstandsgefälle zwischen den Industrienationen und den ärmeren Ländern fördert Elend, Krisen und Kriege und bewirkt Migrationsbewegungen. Der Westen reagiert darauf mit Abschottung, wie zum Beispiel die Mauer zwischen Mexiko und den USA oder die unsichtbare blutige Mauer auf dem Mittelmeer.
Das Schaffen von fairen Übergangsregeln, wodurch „geschützten Räume" für den Aufbau einer eigenen Industrie in den Ländern des globalen Südens geschaffen werden, ist deshalb von fundamentaler Bedeutung. Es gehört daher selbstverständlich in unser Europawahl-Programm. Wir bitte euch deshalb, unseren Änderungsantrag zu unterstützen!