Nach dem Vorschlag der Kommission sollte das geplante Medienfreiheitsgesetz der EU ein weitgehendes Verbot von Überwachungsmaßnahmen, Inhaftierung und Beschlagnahmungen gegen Journalist*innen zur Ausforschung ihrer Quellen einführen sowie ein Verbot der Überwachung von Journalist*innen mit Staatstrojanern festschreiben.
Erklärtes Ziel ist, die Pressefreiheit in Ländern wie Polen und Ungarn zu stärken. Spähsoftware gegen Journalist*innen und Oppositionelle einzusetzen ist aber offenbar nicht nur für als autoritär geltende Regierungen attraktiv.1)
Mit Unterstützung von Frankreich, Deutschland und weiteren Ländern hat der Rat der EU-Staaten für solche Überwachungsmaßnahmen eine Blanko-Ausnahme für „nationale Sicherheit“ festgeschrieben.2)3)
Eine solche würde das Gesetzesvorhaben ad absurdum führen, ist es doch genau die „nationale Sicherheit“, die in den genannten Staaten als Rechtfertigung für den Einsatz von Staatstrojanern herhalten muss.
Dass der Bundestag allen 19 Geheimdiensten erlaubt hat, Geräte wie Smartphones oder Computer mit Staatstrojanern zu hacken, ist ein Skandal.4) Im Gegensatz zur Polizei müssen von den Geheimdiensten überwachte Menschen keine Straftaten begangen haben und erfahren normalerweise nicht von der Überwachung.5)
Erklärtermaßen soll sich die geplante europäische Medienaufsicht gegen staatliche Einflussnahme und Desinformation richten, dabei würde ihre Einrichtung selbst einen massiven staatlichen Eingriff in die Pressefreiheit der EU-Mitgliedsstaaten darstellen.6)
Dass im Krieg die Wahrheit zuerst stirbt, gilt nicht nur für die jeweils andere Seite.7) Dass die Veröffentlichung unliebsamer Tatsachen und abweichender Meinungen unterdrückt oder zur Desinformation erklärt wird, ist durchaus üblich. Wir brauchen keine zentralisierte Presseaufsicht oder „Wahrheitsbehörde“ à la George Orwell. Auch müssen wir Vorsorge treffen, dass wir in einer Zeit des Rechtsrucks in der EU nicht unnötig Mittel und Möglichkeiten der Unterdrückung schaffen.
Der Grundsatz der Staatsferne muss auch für Exilmedien gelten. Eine Förderung durch die EU widerspricht diesem Prinzip und birgt die Gefahr der geopolitischen Instrumentalisierung.
Quellen:
- Scharfe Kritik an Überwachungssoftware
https://www.tagesschau.de/inland/pegasus-reaktionen-101.html
- Frankreich nimmt Journalist*innen in die Mangel
https://netzpolitik.org/2023/pressefreiheit-frankreich-nimmt-journalistinnen-in-die-mangel/
- EU-Staaten schwächen Gesetz zum Schutz der Pressefreiheit
- Journalisten und Whistleblower klagen gegen Staatstrojaner bei Geheimdiensten
- Medienfreiheitsgesetz: Rat und Parlament streiten, wann der Staat Journalist:innen hacken darf
- Media Freedom Act: Verleger warnen vor “Unterwerfung der Presse“
https://www.heise.de/news/Media-Freedom-Act-Verleger-warnen-vor-Unterwerfung-der-Presse-7266267.html
- Ein Beispiel hierfür sind die hartnäckig ignorierten Vorwürfe, die Organisation für das Verbot von Chemischen Waffen (OPCW) habe ihren Bericht über einen mutmaßlichen Giftgaseinsatz im syrischen Douma manipuliert und der NATO 2018 so einen Vorwand für militärische Angriffe geliefert.