Ergänzung der folgenden Formulierung im Kapitel 4. „Eine lebendige Kulturlandschaft“ im Abschnitt „Kultur als Säule der Demokratie“ (s. 89) (siehe unten) Begründung
Grenzüberschreitendes Arbeiten spielt aus künstlerischer und ökonomischer Sicht und im Hinblick auf einen kulturellen Austausch eine zentrale Rolle im Kulturleben Europas. Künstler*innen sind dabei über alle Sparten hinweg mit besonderen steuerlichen Herausforderungen konfrontiert, denn mit dem Artikel 17 des OECD-Musterabkommens zur Vermeidung von Doppelbesteuerung von Einkommen und Vermögen wurde in den 1960er Jahren eine Sonderreglung für Künstler*innen und Sportler*innen eingeführt. Diese besagt, dass Einkünfte von Künstler*innen und Sportler*innen grundsätzlich im Auftrittsland, also an der Quelle, besteuert werden. Während andere Selbstständige ihre weltweiten Einkünfte einfach dem Wohnsitzfinanzamt melden, ist bei Künstler*innen grundsätzlich eine Quellensteuer einzubehalten und abzuführen – unabhängig davon, ob das Honorar direkt an die Künstler*innen geht oder an Dritte. Diese Regelung wurde eingeführt, um Steuerflucht zu vermeiden und dafür zu sorgen, dass sich hochbezahlte Stars der Kultur- und Sportszene nicht in irgendeiner Steueroase niederlassen und ihre Spitzenhonorare nur dort versteuern. Das ist grundsätzlich nachvollziehbar - gleichzeitig verkennt diese Regelung aber, dass die Gefahr der Steuerflucht beim Großteil der Künstler*innen de facto nicht existiert und dass sich die Strukturen in der Kulturlandschaft mit der Etablierung einer Freien Szene neben den staatlich getragenen Kulturinstitutionen grundlegend verändert haben.
Bürokratischer Aufwand & hohes Risiko
Durch die Regelungen zur Besteuerung an der Quelle fällt für die Betroffenen außerdem ein erheblicher zusätzlicher bürokratischer Aufwand an, damit die Steuer im Auftrittsland ordnungsgemäß abgeführt und in den Steuererklärungen der Künstler*innen in den Heimatländern korrekt berücksichtigt werden kann. Die Regelungen genauso wie Ausnahmeregelungen sind dabei von Staat zu Staat anders; die betroffenen Künstler*innen und ihre Organisationen müssen die entsprechenden nationalen Steuerrechte und -verfahren kennen. Dies führt insbesondere bei kleinen Strukturen zum Beispiel im Bereich der freien Szene und abseits großer staatlicher Einrichtungen zu Überforderung und unverhältnismäßigem Aufwand. Eine Doppelbesteuerung lässt sich nicht immer vermeiden, was wiederum zu Lasten der einzelnen Künstler*innen geht. Auch für jeden Staat selbst entsteht ein zusätzlicher bürokratischer Aufwand; teilweise sogar so hoch, dass ein Staat mehr Geld in die notwendigen Verwaltungsstrukturen stecken muss, als durch die Quellensteuern auf Künstler*inneneinkommen letztlich eingenommen wird.
Abschaffung Artikel 17
Bereits seit Langem wird von verschiedenen Organisationen in der Kulturbranche daran gearbeitet die Vorschriften zeitgemäß weiterzuentwickeln und an die neuen Gegebenheiten in der Kulturlandschaft anzupassen. Die Weiterentwicklung des Artikels in Form von Ausnahmeregelungen, wie sie im Kommentar zum OECD-Musterabkommen zu finden sind, sollte dabei allerdings äußert kritisch betrachtet werde. Zum einen gehen die Ausnahmeregelungen in ihrer Ausgestaltung an den Bedarfen der meisten Künstler*innen vorbei. Zum anderen bedeutet jede Ausnahmeregelung zusätzlichen bürokratischen Aufwand. Und zu guter Letzt handelt es sich dabei immer nur um Vorschläge, die im Kommentar zum Musterabkommen niedergeschrieben sind, aber von den einzelnen Ländern nicht umgesetzt werden müssen. Flickenteppich und bürokratisches Chaos sind damit vorprogrammiert.
Aus diesem Grund favorisieren Steuerexpert*innen und verschiedene Organisationen in der Kulturbranche eine Abschaffung des Artikel 17 – wie es mittlerweile beispielsweise die Niederlande getan hat.
Weiterführende Links
PEARLE* (Performing Arts Employers Association League Europe)
- Themenseite TAXATION: https://www.pearle.eu/policyarea/taxation
- Statement on excessive and double taxation (June 2015): https://www.pearle.eu/download/POSITION_PAPERS/27985ee6bc64e3129d4dd023acb02857/ff98b9eb529aa0e70f2f51bc374e4775
Dick Molenaar: “New Options to Restrict Article 17 for Artistes and Sportsmen” https://www.europarl.europa.eu/cmsdata/139233/MOLENAAR_Intertax%20-%20New%20Options%20to%20Restrict%20Article%2017%20-%202016-44-12.pdf
Dick Molenaar (Rotterdam) und Dr. Harald Grams (Bielefeld): „Die Illusion der gerechten und ertragreichen Besteuerung von international tätigen Künstlern und Sportlern“ https://grams-partner.de/wp-content/uploads/2020/02/2005-IStR-Die-Illusion-der-gerechten-und-ertragreichen-Best.-v.-internation-tätigen-Künstlern.pdf