Veranstaltung: | 49. Bundesdelegiertenkonferenz Karlsruhe |
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Tagesordnungspunkt: | W-EP Wahl der Europaliste |
Antragsteller*in: | Sergey Lagodinsky (KV Berlin-Pankow) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 10.11.2023, 12:55 |
W-EP-36: Bewerbung: Sergey Lagodinsky
Bewerbungstext
Liebe Freund*innen,
bei der BDK in Leipzig feierten wir noch, dass tödliche Grenzverschiebungen in Europa Geschichte waren. Fünf Jahre später leben wir in einer anderen Wirklichkeit. Heute hören sich die täglichen Nachrichten aus unserer Nachbarschaft nach Lehrbüchern aus dem Geschichtsunterricht an: Grenzen werden auch hier verschoben und überschritten. Im Mittelmeer, in der Ukraine, auch im Nahen Osten – überall verschieben sich die Grenzen dessen, was Menschen bereit sind, einander und unserer Erde anzutun. Unsere gemeinsame Aufgabe ist heute wichtiger denn je: die Klimakatastrophe zu verhindern und zugleich die Menschlichkeit gewinnen zu lassen.
Unsere Partei hat es seit 40 Jahren gesagt: Es gibt nur eine Erde für uns alle. Und diese Erde muss für Humanität ein Zuhause sein!
Darum kämpfen wir gemeinsam. Jede auf ihrer Ebene, jeder in seinem Kiez. Für mich ist es ein Kampf um Demokratie und Menschenwürde, ob in Brüssel, Istanbul oder in Cottbus. Als Europaabgeordneter habe ich in meinen drei Gebieten – Rechtsstaat, Außenpolitik, Digitalisierung – bisher Einiges erreicht. Der sogenannte "Lagodinsky-Bericht" dient in Brüssel als Grundlage für ein entstehendes europäisches Vereinsrecht, das unsere Zivilgesellschaft vor nationalen Despoten schützen wird. Gleich zu Beginn der Legislatur verhinderte ich, dass der ungarische Ex-Justizminister EU-Kommissar wurde, später half ich durch eine von mir betreute Parlamentsklage, die Kommission zu Geldsanktionen gegen Orban zu zwingen. In den Tagen nach dem Überfall Putins auf die Ukraine formulierte ich die Positionen des Europäischen Parlaments mit und war später der Treiber hinter der Parlamentsinitiative zur Errichtung eines Sondertribunals gegen Putin. Mit dem soeben beschlossenen EU-Datengesetz etablierte ich einen starken Datenschutz für Nutzer*innen des Internets der Dinge und ich habe es geschafft, dem KI-Gesetzentwurf des Europäischen Parlaments den klaren Grünen Anstrich zu geben: eine KI, die für Menschen da ist und Ressourcen schont.
Ich bin stolz auf unsere Partei, ob in der Bundesregierung, in meinem Bezirksrathaus oder im Europaparlament: Es ist eine gelebte Politik, die wir umsetzen. Deswegen bleiben konkrete Menschen stets auch im Mittelpunkt meiner Arbeit: ob es um die Rettung von Alexey Nawalny nach dem Giftanschlag geht oder um Osman Kavala, dessen Gerichtsverhandlungen ich im Hochsicherheitsgefängnis in Istanbul besuchte, um Hilfe für ukrainische Geflüchtete in Deutschland oder die Rettung bedrohter afghanischer Familien. Ich spüre was es bedeutet, wenn es konkret wird, jedes Mal, wenn ich Erdbebenüberlebende auf den Trümmerfeldern in der Türkei umarme oder in die Augen der jüdischen Eltern in Berlin schaue, für deren Kinder ich psychologische Beratung anstoße: Es geht um Chancen für die Betroffenen, häufig um Überlebenschancen. Ich weiss persönlich, was es bedeutet: Vor 30 Jahren wirkte ich selbst verloren in einem überfüllten Flüchtlingsheim in Schleswig-Holstein und auch heute als einziger jüdischer Abgeordneter für Deutschland oberhalb der Landesebene, weiß ich worum es wirklich geht. Es geht immer um Menschlichkeit, immer um die Suche nach dem Gemeinsamen, immer um die Gestaltung unseres geeinten Europas. Im Großen wie im Kleinen.
Zahlreiches wurde schon erreicht, viele unserer Projekte warten noch auf ihre Vollendung. Auch deswegen will ich weiter machen: Dafür sorgen, dass europäische NGOs nicht kriminalisiert werden, nur weil sie Menschen auf der Flucht helfen, dass Asylrecht rechtsstaatlich abgesichert bleibt, dass Zivilgesellschaft mit EU-Geldern nachhaltig finanziert wird. Ich muss sicherstellen, dass wir das europäische Vereinsrecht trotz Widerstände der Mitgliedsstaaten umsetzen und dass Kinder ihre Regenbogeneltern behalten können – ihre Elternschaft wird schon heute in verschiedenen Ländern der EU bedroht. Wir müssen die europäische Grundrechtscharta zum realen Schutz für alle Bürger*innen gegen übergriffige Regierungen verhelfen. Zurzeit ist das nicht der Fall. Und ich will digitale Technologien mit Euch gemeinsam so fördern , dass sie Menschheit und Klima schützen, statt sie zu ruinieren.
Und über die EU hinaus: Frieden und Demokratie für die Ukraine und Moldova! Freiheit und Rechtsstaatlichkeit für die Türkei, gerechte Strafe für Putins Verbrechen! Und jetzt wichtiger denn je: Endlich eine künftige Zweistaatenlösung für Israel und Palästina. Es gibt noch so viel zu tun in meinen Themenbereichen, da müssen wir in den kommenden Jahren noch gemeinsam ran. Da bleiben wir, Bündnis‘90/Die Grünen die leidenschaftlichsten Kämpfer um Freiheit, die wichtigste Bastion der Freiheit in der EU.
All das werden wir nur erreichen, wenn wir eine Voraussetzung schaffen: Die EU muss handlungsfähig werden. Gerade in dieser neuen Wirklichkeit, die wir erleben, bleibt eine EU, die entscheidet, handelt und global gestaltet, unsere beste Chance auf eine gute Zukunft dieser Erde. Das bedeutet nicht nur, dass wir uns damit begnügen, die Entscheidungsprozesse zu beschleunigen oder die EU zu reformieren. Wir brauchen eine Demokratie, die liefert: Im Wirtschaftlichen, Ökologischen und Sozialen. Denn ohne eine grüntransformierte Wirtschaft, die global mithält, aber lokal gerecht und sozial verteilt und ohne eine Klimapolitik, die schon jetzt radikal umsteuert, werden wir künftig keine Demokratien retten und keine Menschenwürde sichern können. Insofern sind grüne Wirtschafts-, Sozial- und Klimapolitik für unsere EU-Demokratie unabdingbar. Auch dafür werden wir in Brüssel mehr denn je gebraucht!
Das sind die großen gemeinsamen Ziele, die ich über alle Grenzen in der Partei und Fraktion hinweg – immer gemeinsam mit allen Kolleg*innen im Europäischen Parlament durchkämpfe. Und auch das müssen wir erhalten – den Geist der vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen den Grünen in Brüssel – eine große Errungenschaft der letzten Jahre, für die ich einstehe.
In den vergangenen fünf Jahren haben wir im Europäischen Parlament gegen Autokraten gekämpft, COVID durchlebt, russische Oppositionelle gerettet und Beistand für die Ukraine geleistet. Wir haben den Green Deal zur europäischen Normalität erhoben und künstliche Intelligenz reguliert. Der Weg, den wir gehen, wird immer steiniger. Aber er lohnt sich, wenn wir ihn gemeinsam zurücklegen. Denn am Ende, ich glaube ganz fest daran, steht ein grünes, gerechtes und friedvolles Europa.
Weil ich daran glaube, weil ich an uns glaube, bewerbe ich mich erneut für die Europaliste.
Ich bitte um Euer Vertrauen für meine Bewerbung auf Platz 2.
Geb. in der UdSSR, in Deutschland seit 1993, studiert und promoviert in Göttingen, Harvard, Berlin
2008-2019 Repräsentant, Jüdische Gemeinde zu Berlin
Beruflich:
- Rechtsanwalt seit 2010;
- 2012-2019: Referatsleitung Böll-Stiftung;
- 2017-2018: Lehrbeauftragter Bard College und Leuphana Uni;
- Seit 2019 Mitglied im Europaparlament
Partei:
2012-2013 Vorsitzender KV Pankow
Mitglied Parteirat Brandenburg
Mitglied Parteirat Berlin
Votum LV Brandenburg
Votum BAG Digitales und Medien
www.lagodinsky.de
@slagodinsky