Veranstaltung: | 50. Bundesdelegiertenkonferenz Wiesbaden |
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Tagesordnungspunkt: | V Verschiedenes |
Antragsteller*in: | Kai Bojens (KV Stade) und 277 weitere Antragsteller*innen (Frauenanteil: 28%) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 30.09.2024, 18:38 |
V-24: Absage an jede Form anlassloser Massenspeicherung von Bürger:innendaten!
Antragstext
Begründung
Mit großer Sorge beobachten wir, dass plötzlich Sicherheits- und vor allem Überwachungsmaßnahmen im Raum stehen, die bisher undenkbar waren für eine Partei, die den Auftrag zur Wahrung der Bürger:innenrechte nicht zuletzt direkt im Namen trägt: BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – wie keine zweite Partei stehen wir in direkter Verantwortung gegen einen Staat, der immer mehr über seine Bürger:innen wissen will und ihnen gleichzeitig immer weniger traut.
Nach der Abschottung der deutschen Grenzen und dem Abschieben in Unrechtsstaaten sollen den Behörden jetzt Instrumente an die Hand gegeben werden, die ihresgleichen suchen. Da ist zum ersten das Instrument des Abgleichs biometrischer Daten mit öffentlich verfügbaren Bildern und Stimmen aus dem Internet. Alle, die jemals ein Bild von sich ins Internet gestellt haben, werden dann in Polizeidatenbanken für Abgleiche mit potentiell Verdächtigen geführt. Das Bild von der Geburtstagsparty auf Facebook wird dann beim BKA gespeichert, um die Partygäste in Zukunft mit Verdächtigen abgleichen zu können. Die Bilder der Einschulung werden beim Grenzschutz vorgehalten, um Einreisende vielleicht damit abgleichen zu können. Der Höhepunkt ist dabei, dass auch Audioaufnahmen und somit die ganz persönliche Stimme aus den sozialen Netzen dafür benutzt werden sollen. Wer jemals ein YouTube- oder Instagram-Video hochgeladen hat, stellt BKA, BND und all den anderen Behörden seine Stimme damit unfreiwillig zur Verfügung. Es ist unvorstellbar, dass dies die Politik einer Partei sein soll, die im Erbe von Bündnis 90 steht.
Im Koalitionsvertrag schreiben wir dazu: „Flächendeckende Videoüberwachung und den Einsatz von biometrischer Erfassung zu Überwachungszwecken lehnen wir ab. Das Recht auf Anonymität sowohl im öffentlichen Raum als auch im Internet ist zu gewährleisten.“
Ebenfalls fehlen darf nicht der Klassiker: die Vorratsdatenspeicherung. Seit bald 20 Jahren wird immer wieder versucht, die Bewegungen der Bürger:innen im Netz pauschal zu erfassen: Wer hat sich wann und wo eingeloggt? Wie lange waren die Bürger:innen dabei online? Welche IP-Adresse hatten sie in der Zeit? Der pauschale Verdacht, dass jede:r Bürger:in potentiell Straftäter:in sein kann und deswegen permanent auf Vorrat ihre Unschuld beweisen können muss, ist eines liberalen Staates unwürdig.
Im Grundsatzprogramm von 2021 haben wir festgehalten: „Anlasslose Massendatenspeicherungen wie auch unzulässige Eingriffe in die Vertraulichkeit und Integrität von IT-Systemen untergraben umfassend Grundrechte und sind der falsche politische Weg.“
Wir haben nicht nur in mühsamer Arbeit ein Grundsatzprogramm der Freiheit für unsere Partei entworfen, sondern vor allem auch einen Koalitionsvertrag unterschrieben, der all das nicht will sondern ausdrücklich grundrechtsschonende Alternativen vorschlägt. Und jetzt sollen diese Maßnahmen im Hauruckverfahren ohne Diskussion durchgesetzt werden. Weder die Parteien noch die Zivilverbände oder die Gesellschaft werden hier beteiligt. Aus Angst vor dem Erfolg der Rechtspopulisten bereiten wir die Werkzeuge vor, die sie bei einem Wahlsieg sofort gegen uns einsetzen würden.
Bei all diesen vorgeschlagenen Maßnahmen ist auch nicht einmal im Ansatz erkennbar, warum sie jetzt im Eiltempo ohne Diskussion beschlossen und umgesetzt werden sollen. Nicht nur die Maßnahmen an sich sind unwürdig für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, auch die Art wie diese tiefgreifenden Einschnitte in die Privatsphäre der Bürger:innen politisch auf den Weg gebracht werden, entsprechen nicht unseren Grundsätzen.
Dies haben wir gemeinsam für unser Bundestagswahlprogramm beschlossen: „Wir stehen für eine rationale Sicherheits- und Kriminalpolitik, die Rechtsgüter vor realen Beeinträchtigungen schützt, konkrete Gefahren anlassbezogen und zielgerichtet abwehrt sowie eine verhältnismäßige Strafverfolgung gewährleistet, statt die Bevölkerung mit pauschaler Massenüberwachung unter Generalverdacht zu stellen. Den Einsatz biometrischer Identifizierung im öffentlichen Raum, wie beispielsweise Gesichtserkennung, lehnen wir ebenso wie die undifferenzierte Ausweitung der Videoüberwachung, die anlasslose Vorratsdatenspeicherung, generelle Hintertüren in digitalen Geräten und Anwendungen oder das Infiltrieren von technischen Geräten (Online-Durchsuchung bzw. Quellen-TKÜ) ab.“
Wir fordern daher, dass die Partei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sich in aller Deutlichkeit gegen diese Maßnahmen in den Gesetzentwürfen des BMI zur Umsetzung des Sicherheitspakets vom 09.09.2024 ausspricht und die Minister*innen und Bundestagsabgeordneten den Gesetzen nicht zustimmen.