Veranstaltung: | 50. Bundesdelegiertenkonferenz Wiesbaden |
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Tagesordnungspunkt: | VR Im V-Ranking priorisierte Anträge |
Status: | Beschluss (vorläufig) |
Beschluss durch: | Bundesdelegiertenkonferenz |
Beschlossen am: | 16.11.2024 |
Antragshistorie: | Version 2 |
Für mehr Gerechtigkeit und Effizienz: Erbschaftsteuer reformieren
Beschlusstext
Die Erwerbsarbeit und die Konsumausgaben in Deutschland werden stark besteuert,
während kaum Erbschaft- und Schenkungsteuer auf die riesigen privaten Vermögen
in Deutschland entrichtet werden. Das effektive Steueraufkommen liegt nur bei 1
bis 3 Prozent der jährlich übertragenen 250 bis 400 Mrd. EUR. Unter anderem
dadurch geht die Vermögensschere seit Jahrzehnten immer weiter auf, sodass
Deutschland heute die ungleichste Vermögensverteilung in Europa aufweist. Wir
sind zu einer „Erbengesellschaft“ geworden, in der über 50 Prozent des Vermögens
aus Erbe stammt.
Vermögen in Deutschland sind sehr ungleich verteilt: Die reichsten 1% in
Deutschland haben insgesamt mehr Vermögen als 90% der restlichen Menschen in
Deutschland. In fast keinem anderen Land der EU ist die Vermögenskonzentration
so stark. Und obwohl die Erbschaftsteuer von den vorgesehenen Steuersätzen
progressiv ist, das heißt, hohe Vermögen eigentlich mehr besteuern soll als
mittlere: Sehr hohe Vermögen (bei über 26 Millionen) können durch Ausnahmen
heute oft sogar komplett steuerfrei vererbt werden, während mittlere Erbschaften
verhältnismäßig stärker belastet werden. Ebenfalls wichtig: Kleinere
Erbschaften, und das sind die meisten, sind heute über Freibeträge von der
Erbschaft- und Schenkungsteuer befreit – was wir befürworten und sogar stärken
würden, sofern es gelingt, die Steuerlücken am ganz oberen Ende zu schließen.
Die heutigen Ausnahmen für sehr große Erbschaften tragen zur Ungleichheit bei
und untergraben das Prinzip der Chancengerechtigkeit.
Wir wollen mit einer grünen Erbschaft- und Schenkungsteuerreform die
gravierenden Gerechtigkeitslücken im vorhandenen System schließen und so höhere
Einnahmen erzielen. Hierbei soll die Besteuerung sehr großer Vermögen im Fokus
liegen, sodass Vermögen zukünftig in relevantem Maße zur Staatsfinanzierung
beitragen.
Wesentliche Eckpunkte der Reform sind:
- Gleicher großzügiger Lebensfreibetrag für alle: Die vielen
unterschiedlichen Freibeträge sollen durch einen einheitlichen,
erwerberbezogenen Lebensfreibetrag pro Person ersetzt werden. Die finale
Festlegung des Freibetrags ist noch offen und wird zeitnah auf eine
wissenschaftlich fundierte Basis gestellt. Eine Inflationskopplung des
Betrags ist ebenfalls denkbar. Durch die Etablierung eines
Lebensfreibetrags soll die Besteuerung nur die höchsten Erbschaften
betreffen. Selbstgenutzter Wohnraum soll auch weiterhin geschützt sein.
- Steuersatz: Die gesetzlichen Steuersätze haben heute mit den effektiven
Steuerbelastungen kaum noch etwas zu tun. Daher muss bei den Steuersätzen
etwas geändert werden, damit diese Anwendung finden und funktionieren.
Oberhalb des Freibetrags könnte z.B. ein linearer Steuersatz von etwa 25 %
für alle Vermögensgegenstände gleichermaßen gelten (Immobilien,
Betriebsvermögen, Aktien, etc.). Hierdurch käme es zu einer indirekten
Progression, d.h. je weniger eine Erbin oder ein Erbe den Freibetrag
überschreitet, umso geringer ist auch der durchschnittliche Steuersatz.
Die genaue Höhe des Steuersatzes soll dabei so gewählt werden, dass die
Belastung für die Erwerber tragbar bleibt und die Steuer dennoch effektiv
zur Finanzierung öffentlicher Aufgaben beiträgt.
- Weniger Ausnahmen: Die vielen, teilweise zur kompletten Steuerbefreiung
führenden Verschonungsregelungen und Ausnahmen sollen entfallen (außer §
13 ErbStG, der u.a. den Schutz von Familienheimen und von Zuwendungen für
die Ausbildung regelt), insbesondere sollen die Regelungen zur Ausnahme
von Betriebsvermögen von der Erbschaftsteuer abgeschafft werden. Die
Besteuerung darf real nicht wie heute regressiv sein.
- Arbeitsplätze schützen: Die Herausforderungen bei der Vererbung von
Betriebsvermögen sind uns bewusst. Um Unternehmen und Arbeitsplätze nicht
durch Liquiditätsengpässe zu gefährden, sollen großzügige, langjährige
Stundungsregelungenmöglichkeiten eingeführt werden, die Unternehmen die
Rückzahlung der Steuer dann ermöglichen, wenn sie diese aus ihrer
Liqidität heraus auch leisten können. Die Steuer kann unabhängig von der
Art des übertragenen Vermögens längerfristig gestundet und während des
Stundungszeitraumes in jährlichen Raten beglichen werden. Das schafft
Steuergerechtigkeit, sichert zugleich Arbeitsplätze und lässt Raum für
Investitionen.
Mit dieser Erbschaftsteuerreform leisten Bündnis 90/Die Grünen einen wichtigen
Beitrag für eine zukunfts- und leistungsfähige sowie gerechtere Gesellschaft.
Dieses Konzept soll zudem im Bundestagswahlprogramm 2025 verankert werden.
Um noch offene Punkte und weitere Details dieser Erbschaftsteuerreform zu
vertiefen, wird der Bundesvorstand in Zusammenarbeit mit der
Bundesarbeitsgemeinschaft Wirtschaft und Finanzen und der Bundestagsfraktion
beauftragt, zu einem wissenschaftsbasierten Fachgespräch einzuladen.