Veranstaltung: | 50. Bundesdelegiertenkonferenz Wiesbaden |
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Tagesordnungspunkt: | VR Im V-Ranking priorisierte Anträge |
Status: | Beschluss (vorläufig) |
Beschluss durch: | Bundesdelegiertenkonferenz |
Beschlossen am: | 16.11.2024 |
Antragshistorie: | Version 2 |
Gerechtigkeit statt Spardiktat: Für ein Land, das funktioniert
Beschlusstext
An vielen Orten in unserem Land sind die offenen Baustellen des Auf-Verschleiß-
Fahrens immer noch spürbar. Vom undichten Schuldach bis zu einsturzgefährdeten
Brücken, zu wenig Ärzt*innen auf dem Land und nicht ausreichend Kita-Plätzen.
Gleichzeitig belasten steigende Mieten und hohe Lebensmittelpreise nicht die
Handvoll der reichsten Deutschen, sondern vor allem die Menschen, die ohnehin
schon jeden Cent umdrehen müssen. Wenn die Mehrheit der Bürger*innen nicht das
Gefühl hat, dass ihr Leben besser wird, gerät der gesellschaftliche Zusammenhalt
aus den Fugen. Wo nicht ausreichend investiert, wo jedes fünfte Kind von Armut
bedroht oder betroffen ist, wo das Land und seine Menschen kaputtgespart werden,
da gedeiht der Rechtspopulismus.
Spardiktat in Krisenzeiten gefährdet Demokratie, Wirtschaft und Umwelt
Mit ihrem Spardiktat in Zeiten klammer Haushalte, magerer Binnennachfrage und
Reallohnverlusten gefährden Kanzler Scholz, Finanzminister Lindner und Teile der
CDU/CSU nicht nur die wirtschaftliche Zukunft unseres Landes, Arbeitsplätze und
den gesellschaftlichen Zusammenhalt, sondern auch Klima- und Umweltschutz. Denn
ohne die notwendigen Investitionen in klimaneutrale Infrastruktur und Wirtschaft
und eine soziale Abfederung ist die Transformation in Gefahr.
Mit dem Deutschlandticket, der Erhöhung von Mindestlohn und Kindergeld, dem
Startchancenprogramm, vier Milliarden Euro für bessere Kinderbetreuung, den
umfangreichen Förderungen für klimafreundliches Heizen oder die Strom- und
Gaspreisbremsen haben wir Grüne in der Bundesregierung in den vergangenen Jahren
dagegen gehalten und immer wieder konkrete Lebensverbesserungen für viele
Menschen durchgesetzt. Gemessen an dem, was nötig wäre, reicht das aber nicht.
Wir brauchen eine politische Agenda für ein Land, das funktioniert und bezahlbar
ist. Eine Agenda für gute öffentliche Infrastruktur, bezahlbarem Wohnen und für
höhere Löhne.
Das Spardiktat führt auch dazu, dass die militärische und zivile Unterstützung
der Ukraine gegen ein imperiales Russland, das Freiheit und Demokratie in ganz
Europa im Fadenkreuz hat, ausgespielt wird gegen Investitionen in die sozial-
ökologische Transformation. Dabei muss klar sein: Freiheit, Demokratie und
Wohlstand für alle ist langfristig nur möglich in Frieden, Klimaneutralität und
sozialer Gerechtigkeit. Andauernde internationale Herausforderungen und
Aggressionen zwingen uns dazu, in Zukunft unsere innere und äußere Sicherheit
weiter zu stärken. Das verlangt große staatliche Investitionen.
Nicht nach unten treten, sondern gesellschaftliche Lasten fair verteilen
Doch statt über eine gerechte Finanzierung der gesellschaftlichen und
wirtschaftlichen Zukunft zu sprechen, folgt täglich ein neuer Angriff auf
diejenigen, die sowieso schon zu wenig haben. Verlustängste und Unsicherheit,
ausgelöst durch Jahre wirtschaftlicher und politischer Krisen von Corona bis
Ukraine, schaffen hier einen gefährlichen Nährboden für das perfide politische
Spiel des gegeneinander Ausspielens ohnehin marginalisierter Gruppen und des
Schürens von Ressentiments gegen Bürgergeldbeziehende oder Geflüchtete. Das
machen wir GRÜNEN nicht mit. Dies soll nur von den wirklichen Ungerechtigkeiten
ablenken, etwa wenn Multi-Millionäre anteilig weniger Steuern zahlen als
Facharbeiter*innen und wenn die reichsten 1% in Deutschland insgesamt mehr
Vermögen haben als 90% der restlichen Menschen zusammen. In fast keinem anderen
Land der EU ist die Vermögenskonzentration so stark wie in Deutschland. Das
heißt unter anderem: Reichtum wird nahezu vollständig vererbt und beruht nur
noch selten auf Leistung. Dennoch werden Reiche gesellschaftlich bevorzugt.
Nicht nur im Bildungsbereich, sondern auch in der Berufswelt und beim Einfluss
auf gesellschaftliche Entscheidungen. Gleichzeitig ist ein Aufstieg mit
Vermögensaufbau durch eigene Arbeit derzeit nahezu unmöglich
Deswegen nehmen wir GRÜNE die Superreichen in die Verantwortung und rücken die
Alltagssorgen der Menschen in den Mittelpunkt.
Unsere Vorschläge:
- Schuldenbremse reformieren und Gerechtigkeitslücken im Steuersystem
schließen
Um das Gemeinwohl zu stärken, bedarf es ausreichender finanzieller Mittel. Diese
sind notwendig, um in Bildung, Infrastruktur und soziale Dienstleistungen zu
investieren und so den Wohlstand für alle zu sichern. Ein entscheidender Schritt
ist die Reform der Schuldenbremse. Angesichts des Investitionsstaus der letzten
Jahre müssen wir jetzt handeln und kluge Investitionsentscheidungen treffen,
damit wir den nachfolgenden Generationen ein modernes, funktionierendes und
klimaneutrales Land ermöglichen. Wir schlagen für diese investiven Ausgaben eine
Reform der Schuldenbremse und einen Deutschland-Investitionsfonds vor.
Wir müssen jedoch ebenfalls dafür sorgen, dass Menschen da sind, die sich um
unser Zusammenleben kümmern. Lehrerinnen und Erzieher, Busfahrerinnen und
Bademeister, Polizistinnen und Sozialarbeiter. Sie alle werden gebraucht und sie
alle haben gute Löhne und Arbeitsbedingungen verdient. Um diese laufenden
Ausgaben zu finanzieren, wollen wir Gerechtigkeitslücken in unserem Steuersystem
schließen.
- Investitionen statt Investitionsbremse
Das aktuelle Regelwerk der Schuldenbremse ist eine Zukunftsbremse für
Deutschland. Die Schuldenbremse muss reformiert werden, mit dem Ziel, die
Aufnahme von staatlichen Krediten in dem Umfang, wie vom Staat Investitionen
getätigt werden, zu ermöglichen. Die Konjunkturkomponente muss für den nötigen
Spielraum ausgeweitet werden, um damit dem Staat zu ermöglichen, in
wirtschaftlich schwierigen Zeiten handlungsfähiger zu sein.
Auf kommunaler Ebene geht der Städte- und Gemeindebund von einem
Investitionsstau von 186 Mrd. Euro aus. Bundesweit wird er vom IW auf 600 Mrd.
Euro beziffert. Wir machen deshalb einen neuen Vorschlag: den „Deutschland-
Investitionsfonds für Bund, Länder und Kommunen“. Europäisch setzen wir uns für
ein starkes Investitionsprogramm für öffentliche Infrastruktur und
Wettbewerbsfähigkeit ein. Investitionen in Klima- und Umweltschutz,
Krankenhäuser, bezahlbares Wohnen, Schulen, Kitas und unser Schienennetz haben
für uns die höchste Priorität.
- Klimageld einführen
Wir fordern ein Klimageld wie im V-Antrag "Klimageld einführen" beschrieben und
am 16.11.2024 auf der BDK in Wiesbaden beschlossen.
- Einführung einer armutsfesten Kindergrundsicherung
Jedes fünfte Kind in Deutschland gilt als arm oder armutsgefährdet. In Armut
aufzuwachsen bedeutet häufig die bittere Erfahrung von Ausgrenzung sowie eine
Benachteiligung bei Wohnen, Gesundheit und Bildung. Kinderarmut in einem so
wohlhabenden Land wollen wir nicht länger hinnehmen. Wir brauchen eine
armutsfeste Kindergrundsicherung, die die verschiedenen Leistungen
zusammenführt, um einen einkommensabhängigen Zusatzbetrag ergänzt und
Anspruchsberechtigte unaufgefordert über die Leistung informiert. Die
Beantragung soll unbürokratisch über ein digitales Portal möglich sein.
- Gute Löhne und starke Mitbestimmung
Wer arbeitet, muss davon leben und fürs Alter vorsorgen können. Gute Löhne sind
die Grundlage für eine erfolgreiche Wirtschaft und ein funktionierendes
Sozialsystem.
Mit der Änderung des Mindestlohngesetzes und der nachhaltigen Stärkung der
Tarifbindung werden wir die Lebenssituation von Millionen Menschen verbessern.
Deshalb setzen wir uns für eine höhere Tarifbindung, ein starkes
Tariftreuegesetz, eine nachhaltige Erleichterung der
Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Tarifverträgen, die Kopplung von
Fördermitteln an die Tarifbindung der Unternehmen und einen schrittweise
steigenden Mindestlohn von zunächst 15 Euro in 2025 ein und das auch für unter
18-Jährige. Hierfür verankern wir den Referenzwert von 60% des Medianlohns aus
der EU Mindestlohnrichtlinie in das deutsche Mindestlohngesetz. Mit der Änderung
des Mindestlohngesetzes und der nachhaltigen Stärkung der Tarifbindung werden
wir die Lebenssituation von Millionen Menschen verbessern.
Für Auszubildende fordern wir eine bessere Mindestausbildungsvergütung, die ein
eigenständiges Leben ermöglicht. Mit einer solidarischen Ausbildungsumlage,
sorgen wir dabei für einen finanziellen Ausgleich, um die
Ausbildungsbereitschaft kleiner und mittlerer Betriebe zu fördern.
- Bezahlbares Wohnen ist die soziale Frage unserer Zeit
Deswegen brauchen wir verschiedene Maßnahmen, um bezahlbares Wohnen für alle
Menschen zu ermöglichen: Wir brauchen endlich starke Instrumente für
Mieter*innenschutz.
Wir fordern eine Verschärfung der Mietpreisbremse durch die Abschaffung von
Ausnahmen und eine Senkung der Kappungsgrenze für Mieterhöhungen. Indexmieten
sollen durch Obergrenzen reguliert werden und Sanierungen müssen
warmmietenneutral umgelegt werden. Die Vermietung möblierter Wohnungen muss
streng reguliert und die Zweckentfremdung von Wohnraum geahndet werden. Wir
wollen einen deutlich stärkeren Schutz bei Eigenbedarfskündigungen und bei
Kündigungen wegen Mietschulden, sowie eine Entfristung der Umwandlungsbremse.
Wir wollen "Housing First" Programme gegen Obdachlosigkeit unterstützen und
Gemeinwohlorientiertes- und Ressourcensparendes Bauen fördern.
Wir wissen, dass Mieter*innen ihre Rechte häufig nicht kennen oder sich nicht
trauen, sie rechtlich durchzusetzen. Dagegen hilft das strengste Mietrecht
nicht. Deswegen wollen wir einerseits Mieter*innen besser über ihre Rechte
aufklären und gleichzeitig die Kommunen befähigen, bei der Rechtsdurchsetzung zu
unterstützen. Kommunen sollen angespannte Wohnungsmärkte eigenständig nachweisen
können. Vorkaufsrechte und Baugebote der Kommunen wollen wir stärken.
Mietspiegel sollen durch die Verlängerung des Betrachtungszeitraums besser
qualifiziert werden.
Mit einer echten Neuen Wohngemeinnützigkeit nach dem Wiener Modell sichern und
schaffen wir dauerhaft sozialen und bezahlbaren Wohnraum durch Investitionen und
Steuererleichterungen. Unser Ziel ist es, gemeinwohlorientierte
Wohnungsunternehmen wie Baugenossenschaften stärker zu unterstützen.
Wir fordern, einen Mietenstopp in angespannten Wohnungsmärkten zu ermöglichen.
Mietwucher muss durch die Stärkung des § 5 Wirtschaftsstrafgesetzbuch bekämpft
werden, um den Nachweis für Mietende zu erleichtern. Zudem fordern wir ein
höheres Förderprogramm zur Aktivierung des Gebäudebestands durch Sanierung,
Aufteilung, Aufstockung und Dachgeschossausbau, um leistbaren Wohnraum zu
schaffen. Darüber hinaus setzen wir uns für Investitionen in Höhe von mindestens
50 Mrd. für sozialen und gemeinnützigen Wohnungsbau und eine deutliche
Verlängerung von Sozialbindungen ein.
Wir wollen Spekulationen mit dem Zuhause von Mieter*innen verhindern. Wir
akzeptieren nicht, dass Wohnkonzerne und Immobiliengesellschaften Rendite
ausschütten, während Wohnungen verfallen, in denen Menschen leben. Diesen
Geschäftsmodellen wollen wir einen Riegel vorschieben. Darum wollen wir diese
Akteur*innen darauf verpflichten, ihrer Verantwortung nachzukommen und die
Ausschüttung von Renditen begrenzen, wenn sie dieser Verantwortung nicht gerecht
werden.
Eine wesentliche Ursache für die Mietpreissteigerungen der vergangenen Jahre
sind auch die geringen Leerstandsquoten, denn unsere Städte wachsen und sind für
alle Altersgruppen attraktiv. Deshalb wollen wir dafür Sorge tragen, dass
insgesamt auch mehr Wohnraum entsteht und mehr Angebot geschaffen wird.
Bodenwertsteigerungen, die leistungslos durch Verbesserungen der öffentlichen
Qualitäten, durch Überplanung oder einfach über die Zeit steigen, sind ein
wichtiger Faktor für Mietenanstiege. Wir wollen perspektivisch Ansätze
weiterentwickeln, die diese Steigerungen bremsen könnten.
Steuerfreiheit von Gewinnen aus Immobilienverkäufen beenden
Aktuell sind Gewinne aus Immobilienverkäufen nach einer "Spekulationsfrist" von
zehn Jahren steuerfrei. Diese Regelung wird oft von Investoren genutzt, um auf
steigende Immobilienpreise zu spekulieren und anschließend steuerfreie Gewinne
zu erzielen. Dies führt zu erheblichen Steuermindereinnahmen in Höhe von
schätzungsweise 6 Milliarden Euro im Jahr. Wir fordern deshalb die Abschaffung
dieser Spekulationsfrist für nicht zu eigenen Wohnzwecken genutzte Immobilien.
Gewerbesteuerfreiheit von vermögensverwaltenden Kapitalgesellschaften im
Immobilienbereich beenden
Derzeit sind Immobiliengesellschaften, die ausschließlich vermögensverwaltend
tätig sind, von der Gewerbesteuer auf Mieteinnahmen befreit. Sie müssen also nur
Körperschaftsteuer von 15% auf ihre Gewinne zahlen, während alle anderen
Gesellschaften mit anderen Einkunftsquellen durchschnittlich etwa 29% Steuern
(Körperschafts- und Gewerbesteuer) zahlen. Diese Steuervergünstigung führt zu
Ungerechtigkeiten zwischen Wirtschaftszweigen, lockt stark renditegetriebene
Investitionen in den Immobiliensektor und mindert die Einnahmen der Kommunen,
die die Gewerbesteuer als einzige eigene Einnahmequelle haben. Wir setzen uns
für die Abschaffung dieser Gewerbesteuerbefreiung bei Immobiliengesellschaften
ein. Dadurch entgehen den Kommunen schätzungsweise 1,5 Milliarden Euro jährlich.
„Share Deals” bei Immobilienkäufen verhindern
Durch sogenannte „Share Deals“ können große Immobilienunternehmen die
Grunderwerbsteuer umgehen, indem sie nicht die Immobilie selbst kaufen, sondern
Anteile an Immobiliengesellschaften übertragen. "Share Deals" machten in den
vergangenen Jahren in Ballungszentren sogar bis zu 30 Prozent der
Immobilientransaktionen aus. Wohl rund 1 Mrd. Euro kosten diese legalen
Umgehungen den Staat jährlich. Die Praxis der „Share Deals” fördert zudem
Preisspekulation auf dem Immobilienmarkt und begünstigt Großinvestoren gegenüber
Einzelkäufern. Eine Lösung wäre eine Reform nach niederländischem Vorbild. So
würde die Grunderwerbsteuer ab einer Übernahme von wenigen Prozent einer
Immobiliengesellschaft anteilig anfallen.
- Bund-Länder-Pakt „Mentale Gesundheit”
Wir schlagen einen Bund-Länder-Pakt für mentale Gesundheit vor. Alle Menschen,
insbesondere Kinder und Jugendliche, sollen im Bedarfsfall niedrigschwellige
Zugänge zu passgenauen psychosozialen und therapeutischen Angeboten haben.
Therapieplätze, Beratungsstrukturen und die Ausbildung von Fachpersonal müssen
finanziell gestärkt und stark ausgebaut werden.
- Priorisiertes Vorgehen bei vermögensbezogener Besteuerung
Insbesondere bei der Konzentration von sehr hohen Vermögen gibt es auch im
internationalen Vergleich große Handlungsnotwendigkeit in Deutschland. Wir Grüne
haben gute Konzepte für eine zielgerichtete Vermögensbesteuerung, die die
Vermögensungleichheit effektiv reduzieren, und die umsetzbar und gerecht sind.
Zu möglichen Ansätzen gehören: Eine globale Milliardärsteuer, wie sie Brasilien
im Rahmen der G20 vorgeschlagen hat. Eine fairere Erbschaftsteuer ohne Ausnahmen
für sehr große Vermögen. Eine gerechte Immobilienbesteuerung ohne Schlupflöcher
wie “Share Deals” oder andere Steuerausnahmen für Immobilienkonzerne. Eine
nationale Vermögensteuer auf sehr hohe Vermögen oberhalb eines Freibetrags von
mehreren Millionen Euro. Bei der Besteuerung von Vermögen haben wir
grundsätzlich neben den Zielen Gerechtigkeit und Gemeinwohlfinanzierung auch
immer den Erhalt von Investitionsmöglichkeiten und Arbeitsplätzen bei den
Betriebsvermögen im Blick.
Wir Grüne möchten endlich etwas erreichen beim Angehen großer
Gerechtigkeitslücken bei der Besteuerung. Zu lange ist trotz breiter Forderungen
nichts passiert. Unsere Prioritäten sind: Der aktive Einsatz für die Einführung
der globalen Milliardärsteuer. Das effektive Angehen der Ausnahmen bei der
Erbschaftsteuer für sehr große Erbschaften. Das Schließen weiterer offenkundiger
Gerechtigkeitslücken im Steuersystem vor allem bei der Immobilienbesteuerung und
beim Auseinanderklaffen der Besteuerung von Arbeits- und Kapitaleinkünften.
- Deutschland soll sich aktiv für die Einführung der globalen
Milliardärsteuer einsetzen
Viele Hochvermögende nutzen internationale Schlupflöcher, um ihre Steuerlast zu
minimieren. Eine Mindestabgabe auf das Vermögen der reichsten Menschen der Welt
würde dazu beitragen, die Finanzierung globaler Herausforderungen wie
Klimaschutz und Armutsbekämpfung zu verbessern, kleine und mittlere Einkommen zu
entlasten und die Steuergerechtigkeit zu erhöhen. Brasilien, das bis Dezember
2024 die G20-Präsidentschaft hält, hat kürzlich einen Vorschlag zu einer
globalen Steuer für Milliardäre bei den G20 eingebracht, um sicherzustellen,
dass Hochvermögende einen fairen Anteil zur Lösung globaler Probleme beitragen.
Wir Grüne unterstützen dieses Vorhaben und machen uns dafür stark, dass
Deutschland eine aktive Rolle für die Einführung einer globalen Milliardärsteuer
einnimmt. Dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) zufolge gibt es
in Deutschland 255 Haushalte mit einem Nettovermögen von mehr als einer
Milliarde US-Dollar. Mögliche Einnahmen schätzt das DIW für Deutschland auf 5,7
Mrd. Euro.
- Für mehr Gerechtigkeit und Effizienz: Erbschaftsteuer reformieren
Wir fordern eine Erbschaftsteuer wie im V-Antrag "Für mehr Gerechtigkeit und
Effizienz: Erbschaftsteuer reformieren" beschrieben und am 16.11.2024 auf der
BDK in Wiesbaden beschlossen.
Dazu gehört auch, dass wer heute Anteile an einem Wohnungsunternehmen mit einem
Immobilienbestand von mindestens 300 Wohneinheiten erbt, keine Erbschaftsteuer
zahlen muss. Wer hingegen zwei oder drei Immobilien erbt und die Freibeträge
überschreitet, zahlt auf den restlichen Wert Erbschaft- oder Schenkungsteuer.
Diese Ausnahme für Erbschaften mit 300 oder mehr Wohneinheiten ist seltsam
ungerecht und sollte abgeschafft werden.
- Gezielte Entlastungen für Haushalte mit Kindern
Das Ehegattensplitting fördert traditionelle Geschlechterrollen und Altersarmut
bei Frauen. Es ist weder gerecht noch zeitgemäß und benachteiligt andere
Familienformen gegenüber verheirateten Paaren. Wir wollen gezielte Entlastung
von Familien mit Kindern, vor allem von Alleinerziehenden und ihren Kindern.
Hierbei müssen insbesondere Geringverdienende entlastet werden, u.a. durch eine
Steuergutschrift für Alleinerziehende.
- Gewinne aus Kapitalvermögen wie Löhne besteuern
Derzeit werden Einkünfte aus Kapitalvermögen, im Gegensatz zu allen anderen
Einkunftsarten, pauschal mit einem Steuersatz von 25 Prozent besteuert. Dies
führt zu einer Benachteiligung von Arbeitnehmer*innen und begünstigt
insbesondere Menschen mit hohem Vermögen. Wir fordern daher eine Änderung der
Besteuerung von Kapitaleinkünften, um eine gerechtere Verteilung der Steuerlast
zwischen Löhnen und Gehältern auf der einen Seite und Kapitalerträgen auf der
anderen Seite zu erreichen. Dies erreichen wir durch eine Reform der
Kapitalertragssteuer und eine Überführung von Kapitalerträgen in den allgemeinen
Einkommenssteuertarif. Den Sparerpauschbetrag wollen wir zur Vereinfachung und
zur Reduzierung des bürokratischen Aufwands beibehalten. Damit wäre
sichergestellt, dass auch Kapitaleinkommen einen angemessenen Beitrag zur
Finanzierung des Gemeinwesens leisten.
- Effektive Bekämpfung von Steuerhinterziehung, sowie die Verhinderung von
Steuerumgehung
Derzeit kämpfen die Strafverfolgungsbehörden im Bereich der Steuerkriminalität
noch als David gegen Goliath. Deshalb verliert Deutschland schätzungsweise 100
Milliarden Euro pro Jahr. Damit die Strafverfolgungsbehörden endlich effektiv
Steuerkriminalität entdecken und verfolgen können, müssen sie dringend besser
ausgestattet werden, finanziell und administrativ. Um Vollzugsdefizite bei der
Bekämpfung von Steuerkriminalität zu beheben, müssen Kompetenzen bei einer
bundesweiten Ermittlungsbehörde gebündelt werden. Das Bundesamt zur Bekämpfung
von Finanzkriminalität sollte deshalb auch für Steuerkriminalität in diesen
Fällen zuständig sein. Die Milliarden Gewinne wie aus dem CumCum-Betrug holen
wir konsequent von den Banken zurück, Umsatzsteuerbetrug durch manipulierte
Kassen und grenzüberschreitende Karusselgeschäften lassen wir nicht mehr zu. Bei
der Bestrafung von Steuerkriminalität lassen wir die Großen nicht laufen. Dass
Strafen für Steuerbetrug häufig ausbleiben oder geringer sind als beim Fahren
ohne Fahrschein, ist ein unhaltbarer Zustand.
Daneben gibt es in Deutschland viele legale Modelle, um die Besteuerung zu
umgehen. Diese stehen zumeist nur privilegierten Gruppen offen und sind daher
ungerecht. Wir wollen derartige Umgehungsmodelle durch gezielte
Gesetzesänderungen verhindern.
- Alle Kommunen handlungsfähig machen zur Abwendung der kommunalen Finanznot
Statt sich auf gleichwertige Lebensverhältnisse hin zu bewegen, drohen die
Kommunen in Deutschland weiter auseinanderzudriften und die Spaltung der
kommunalen Familie schreitet voran. Konkret bedeutet das: Jede zweite Kommune
sieht sich finanziell nicht in der Lage den Klimaschutz und wichtige soziale
Veränderungen anzugehen. 15% der Kommunen können langfristig keinen
ausgeglichenen Haushalt aufstellen, viele von ihnen sind in der sogenannten
Haushaltssicherung und können eigenständig überhaupt keine Investitionen
tätigen. Allein die Investitionsrückstände, um die kommunale Infrastruktur auf
aktuellem Niveau zu halten, belaufen sich auf mittlerweile 186,1 Milliarden weil
Deutschland schon jahrelang hier so wenig investiert hat wie sonst fast kein EU-
Land.
Damit in Zukunft alle Kommunen wieder allen Menschen ein gutes Leben ermöglichen
und eine lohnende Zukunftsperspektive zeichnen können, muss sich an der
finanziellen Situation der Kommunen etwas grundlegend ändern.
Wie auch schon in vorherigen Parteiprogrammen benannt, müssen Sozialaufgaben und
weitere an die Kommunen übertragene Aufgaben vollständig und im Sinne des
Konnexitätsprinzips von den Ländern und dem Bund übernommen werden. Wer
bestellt, der bezahlt. Aktuell nötigen die Schuldenbremse und die nicht
ausgeglichenen Zahlungen im Rahmen des Konnexitätsprinzips auf Bundes- und
Landeseben die Kommunen dazu, Schulden aufzunehmen. Hier müssen sich die Länder
und der Bund stärker als bisher engagieren. Die aktuell über Förderprogramme
ausgeschütteten Gelder müssen zukünftig vermehrt den Kommunen direkt zur
Verfügung gestellt werden. Das spart Bürokratie, vereinfacht eine zielgerechte
Verwendung der Gelder und stellt eine langfristige Lösung dar. Insbesondere soll
dies durch eine Stärkung der ungebundenen kommunalen Mittel erreicht werden.
Dazu sollte der Anteil der Kommunen an den Steuereinnahmen erhöht werden und die
Verteilung sich an dem echten Bedarf vor Ort orientieren. Die verbleibenden
Förderprogramme werden an den tatsächlichen Bedürfnissen und der tatsächlichen
finanziellen Leistungsfähigkeit der Kommunen ausgerichtet. Damit die sozial-
ökologische Transformation überall weitergehen kann, müssen hochverschuldete
Kommunen in die Lage versetzt werden, ihre Kredite zu finanzieren. Dazu schlagen
wir einen Altschuldenfonds vor.
Um eine bessere Analyse und eine Vergleichbarkeit der Vermögenssituation
herzustellen, wollen wir die Haushalte von Kommunen, Ländern und dem Bund
künftig nach den Grundsätzen der doppelten Haushaltsführung transparenter und
generationengerechter gestalten.
- Sozialverträglicher Abbau von klima- und umweltschädlichen Subventionen
Deutschland hat sich bereits 2009 im Rahmen der G20-Staaten auf internationaler
Ebene verpflichtet, bis 2025 alle für die Senkung der Treibhausgasemissionen
ineffizienten Subventionen auf fossile Energieträger abzubauen. Im Rahmen der
G7-Staaten hat sich Deutschland verpflichtet die Abschaffung bis 2025
umzusetzen. Außerdem hat sich Deutschland auch im Rahmen des Montrealer
Artenschutzabkommen verpflichtet bis 2030 umweltschädliche Subventionen
abzubauen. Klimaschädliche Subventionen und weitere staatliche Begünstigungen in
den Sektoren Energie, Verkehr, Industrie und Landwirtschaft entsprachen mit
Blick auf die Haushaltsmittel im Jahr 2020 insgesamt einem Volumen von rund 35,8
Mrd. Euro. Der größte Anteil der staatlichen Begünstigungen mit klimaschädlicher
Wirkung entstand 2020 mit 24,8 Mrd. Euro im Verkehr. Eine besonders große
Treibhausgaswirkung geht von den Besteuerungstatbeständen aus. In vielen Fällen
profitieren in erster Linie hohe Einkommen von staatlicher Unterstützung durch
klima- und umweltschädliche Subventionen und weiteren staatlichen
Begünstigungen. Der zügige Abbau dieser Maßnahmen hilft nicht nur Umwelt und
Klima, sondern trägt auch zu mehr sozialer Gerechtigkeit bei. Deutschland muss
zu seinen internationalen Zusagen stehen.
Wir fordern daher, klima- und umweltschädliche Subventionen und weitere
staatliche Begünstigungen, die Umwelt und Klima schädigen können, konsequent
abzubauen. Nötig ist dabei ein Konzept, wie klima- und umweltschädliche
Subventionen und weitere Begünstigungen konkret und umfassend abgebaut werden
und das allen, sowohl Menschen als auch Unternehmen, Verlässlichkeit durch einen
klaren Rahmen bietet. Der Abbau klima- und umweltschädlicher Subventionen und
weiterer staatlicher Begünstigungen muss sozialverträglich geschehen. Deshalb
setzen wir uns dafür ein, in 2025 einen Plan für den Ausstieg aus klima- und
umweltschädlichen Subventionen, seine Umsetzung bis spätestens 2030 und den
Einstieg in ein besseres System sozial-ökologischer Unterstützungen vorzulegen.
Für uns ist es unabdingbar, dass bei dieser Umsetzung unserer internationalen
Verpflichtungen der soziale Zusammenhalt immer mitgedacht wird. Dazu gehören für
uns großzügige Entlastungen, die für kleine und mittlere Einkommen mögliche
Zusatzbelastungen im Vergleich zum Status-Quo ausgleichen.