Der vorliegende Änderungsantrag widmet sich einer menschenrechtspolitisch und damit für die Partei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sehr wichtigen „Baustelle“ im Kontext der Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS), namentlich der Frage, wie es gelingen kann, die Umsetzung des GEAS-Reformpakets in der Bundesrepublik Deutschland menschenrechtskonform auszugestalten.
Der Schlüssel zur tatsächlichen Einhaltung des Unions- und Völkerrechts, einschließlich der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, im Rahmen des neuen GEAS liegt in der wirksamen Ausgestaltung des unabhängigen Überwachungsmechanismus gemäß Artikel 10 der Screening-Verordnung in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union.
Die neue Screening-Verordnung schreibt in diesem Zusammenhang vor: „[Die] nationalen Menschenrechtsinstitutionen, einschließlich der im Rahmen des OPCAT eingerichteten nationalen Mechanismen zur Verhütung von Folter, beteiligen sich an der Anwendung des unabhängigen Überwachungsmechanismus, und können dazu bestellt werden, die Aufgaben des unabhängigen Überwachungsmechanismus ganz oder teilweise auszuüben.“ (Artikel 10 Absatz 2 – http://data.europa.eu/eli/reg/2024/1356/oj ). Die unabhängige Nationale Menschenrechtsinstitution Deutschlands ist das Deutsche Institut für Menschenrechte: https://www.institut-fuer-menschenrechte.de/das-institut . Der im Rahmen des Fakultativprotokolls zum Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (Optional Protocol to the Convention against Torture and other Cruel, Inhuman or Degrading Treatment or Punishment - OPCAT) eingerichtete nationale Mechanismus zur Verhütung von Folter ist im Falle der Bundesrepublik Deutschland die Nationale Stelle zur Verhütung von Folter: https://www.nationale-stelle.de/nationale-stelle.html .
Die Agentur für Grundrechte der Europäischen Union (European Union Agency for Fundamental Rights – FRA) hat am 19. September 2024, wie in Artikel 10 Absatz 2 der neuen Screening-Verordnung europarechtlich normiert, allgemeine Leitlinien für die EU-Mitgliedstaaten über die Einrichtung eines Überwachungsmechanismus und seine unabhängige Funktionsweise veröffentlicht. In diesen Leitlinien wird ausdrücklich betont, dass es gesetzlicher Regelungen auf nationaler Ebene bedarf, um die Rahmenbedingungen für den unabhängigen Überwachungsmechanismus festzulegen: „The national entity monitoring fundamental rights (‘mechanism’) should be defined and designated by national legislation in line with EU law, which should regulate its mandate. ... National legislation should guarantee that the mechanism can be free of any undue external influence and operate without seeking or taking external instructions. This requires a high degree of independence and operational autonomy, which draws from the safeguards set out in the OPCAT and the related guidelines on national preventive mechanisms, the UN Paris Principles for national human rights institutions as interpreted by the Global Alliance of National Human Rights Institutions, the UN General Assembly Resolution A/RES/77/224 on the role of Ombudsman and mediator institutions, the Council of Europe Venice Principles and the Council of Europe Committee of Ministers Recommendation CM/Rec(2021)1. ... National law should protect staff from legal liability for professional activities carried out in good faith within the scope of the mechanism’s mandate, also after the staff leave the monitoring entity.“ - https://fra.europa.eu/en/publication/2024/border-rights-monitoring , S. 5-6.
Das Bundesministerium des Innern und für Heimat hat am 11.10.2024 einen Referent*innen-Entwurf für ein Gesetz zur Anpassung des nationalen Rechts an die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS-Anpassungsgesetz) vorgelegt, in dem die oben genannten Leitlinien der FRA leider keine angemessene Berücksichtigung finden. So kritisiert Amnesty International: „Der vorliegende Gesetzentwurf enthält keinerlei Regelungen zum Monitoringmechanismus, obwohl in der Gesetzesbegründung die Bedeutung des Mechanismus unterstrichen wird (S. 102 des Gesetzesentwurfes). Stattdessen wird lediglich pauschal darauf verwiesen, dass die Bundesregierung rechtzeitig vor Beginn der Anwendbarkeit der Screening-VO einen nationalen Monitoringmechanismus etablieren wird. ... Amnesty International fordert deshalb, dass die Rahmenbedingungen für einen effektiven Monitoringmechanismus gesetzlich verankert werden.“ – Amnesty International, Stellungnahme zum Gesetzentwurf zur Anpassung des nationalen Rechts an die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS-Anpassungsgesetz in der Fassung vom 11.10.2024), Berlin, 21.10.2024, S. 19. Auch die Menschenrechtsorganisation PRO ASYL kritisiert: „Das neue unabhängige Menschenrechts-Monitoring ist eine der wenigen positiven Regelungen der Reform und wird sowohl für das Screening (Art. 10 Screening-VO) als auch für das Asylgrenzverfahren (Art. 43 Abs. 4 AVVO) vorgesehen. Mit dem Referentenentwurf wird jedoch keine gesetzliche Verankerung vorgesehen.“ – PRO ASYL: Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des nationalen Rechts an die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, Frankfurt am Main, 21.10.2024, S. 17. Bereits am 16.07.2024 hatten 26 Bundesorganisationen ein Gemeinsames Statement mit dem Titel „Zivilgesellschaftliche Prioritäten für die gesetzliche Umsetzung der Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems in Deutschland“ veröffentlicht. Oberste Priorität besitze dabei ein „starkes Menschenrechts-Monitoring“: https://www.neuerichter.de/zivilgesellschaftliche-prioritaeten-fuer-die-gesetzliche-umsetzung-der-geas-reform-in-deutschland/
Leider verfügt die unabhängige Nationale Menschenrechtsinstitution Deutschlands aktuell nicht über die finanziellen und/oder personellen Mittel, um die unabhängige Überwachung der Einhaltung des Unions- und Völkerrechts, einschließlich der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, im Kontext der Umsetzung des GEAS-Reformpakets in der Bundesrepublik Deutschland praktisch gewährleisten zu können. Dem Deutschen Institut für Menschenrechte müssen daher prioritär und zeitnah zusätzliche Mittel (auch aus EU-Fonds) in erheblichem Umfang zur Verfügung gestellt werden, um den unmissverständlichen europarechtlichen Vorgaben zur Überwachung der Einhaltung der Grundrechte gemäß Artikel 10 der Screening-Verordnung tatsächlich nachkommen zu können (vgl. https://fra.europa.eu/sites/default/files/fra_uploads/country-research-eu-funds-nhris-germany_en.pdf ).
Die Agentur für Grundrechte der Europäischen Union (FRA) hat darauf hingewiesen, dass sich ihre Leitlinien vom 19.09.2024 auch auf sogenannte Überprüfungen innerhalb des Hoheitsgebiets gemäß Artikel 7 der Screening-Verordnung erstrecken: „Our guidance makes this clear in point 2.1 that ‘[t]he mechanism should be mandated to monitor all activities relating to third-country nationals subject to screening, regardless of where the screening occurs.’” – persönliche Korrespondenz des Änderungsantragstellers mit der FRA vom 23.09.2024. Das ist im Falle der Bundesrepublik Deutschland sehr wichtig, da gerade im Kontext „Screening within the territory“ (englische Sprachfassung von Artikel 7 der Screening-Verordnung: http://data.europa.eu/eli/reg/2024/1356/oj ) die Gefahr von Menschenrechtsverletzungen und der Bedarf an unabhängiger Überwachung sehr hoch ist. Im Referent*innen-Entwurf des Bundesministerium des Innern und für Heimat zum GEAS-Anpassungsgesetz vom 11.10.2024 wird dazu folgendes Verfahren vorgeschlagen: „Ein Ausländer, der einer Überprüfung nach Artikel 5 Absatz 3 Satz 2 oder Artikel 7 der Verordnung (EU) Nr. 2024/1356 zu unterziehen ist, soll von der zuständigen Behörde zur Durchführung der Überprüfung festgehalten und an einen Ort nach Artikel 8 Absatz 2 der Verordnung (EU) Nr. 2024/1356 verbracht werden.“ – https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/gesetzgebungsverfahren/DE/MI4/GEAS_01.html , S. 40.
Dieser Änderungsantrag basiert auf einem BDK-Änderungsantrag aus dem Jahr 2023 und schreibt diesen fort: https://antraege.gruene.de/49bdk/motion/2395/amendment/16305