Veranstaltung: | 50. Bundesdelegiertenkonferenz Wiesbaden |
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Tagesordnungspunkt: | VR Im V-Ranking priorisierte Anträge |
Status: | Beschluss (vorläufig) |
Beschluss durch: | Bundesdelegiertenkonferenz |
Beschlossen am: | 16.11.2024 |
Antragshistorie: | Version 2 |
Verkehrswende? Das geht nur mit Bündnis 90/Die Grünen!
Beschlusstext
Verkehrspolitik muss nachhaltige Mobilität ermöglichen und zugleich einen
Beitrag zum Klimaschutz leisten. Während in den Sektoren wie Energie und
Industrie seit 1990 die CO2 Emissionen deutlich reduziert werden konnten,
stagnieren die Treibhausgasemissionen im Verkehr auf hohem Niveau.
Für den Klimaschutz und zur Entwicklung einer nachhaltigen Mobilität braucht es
eine Verkehrswende, die sowohl eine Antriebswende als auch eine Mobiltätswende
bedeutet. Daran arbeiten wir Grünen auf allen politischen Ebenen mit großem
Nachdruck. In den vergangenen drei Jahren haben wir in der Bundesregierung und
im Bundestag trotz vielfacher Widerstände, insbesondere der FDP aber auch
einiges erreicht:
- Mehr als 13 Millionen Menschen besitzen bundesweit das Deutschlandticket.
Die ÖPNV Nutzung ist damit so einfach und günstig wie nie zuvor. Seit dem
Sommersemester 2024 erhalten mehrere Millionen Studierende in Deutschland
dieses Ticket sogar als ein um 40% vergünstigtes deutschlandweit gültiges
Semesterticket. Das Ticket spart überdies Mio. Tonnen CO2 ein. Wir haben
die Regionalisierungsmittel bis 2030 um ganze 17 Milliarden Euro erhöht im
Vergleich zur großen Koalition. Die jährliche Dynamisierungsrate wurde von
uns auf drei Prozent angehoben.
- Erstmals in der Geschichte unseres Landes wird deutlich mehr in die
Schiene als in die Straße investiert. Die LKW-Maut haben wir auf das
europäisch zulässige Höchstmaß von 200 Euro/je Tonne CO2 angehoben. Die
Einnahmen daraus werden zum ersten Mal auch und überwiegend in die Schiene
gesteckt, womit wir den Kreislauf "Straße finanziert Straße" durchbrochen
haben.
- Wir haben die Planung und Genehmigung von Schienenstrecken beschleunigt.
Momentan läuft die größte Sanierungsaktion aller Zeiten an - zentraler
Teil davon sind die Korridorsanierungen. Mit der Gründung der "DB InfraGO"
haben wir bislang aneinander vorbei arbeitende Infrastrukturunternehmen
zusammengeführt, Schnittstellen und Vorstandsposten verringert. Dies war
die erste Strukturreform bei der Deutschen Bahn seit 30 Jahren.
- Die Bundesregierung hat bewirkt, dass ab dem Jahr 2035 nur noch nicht
fossil betriebene Autos zugelassen werden. Der Übergang hin zu
klimaneutralen Antriebstechnologien ist ein elementarer Bestandteil des
Green Deal, dem in Europa trotz Widerstands von Teilen der FDP und der CDU
durch die Bundesregierung zugestimmt wurde. Den Ausbau der
Ladeinfrastruktur haben wir auch in das überragende öffentliche Interesse
gestellt und beschleunigt - für PKW und LKW. Das bidirektionale Laden
steht vor dem gesetzlichen Durchbruch. Wir Grüne unterstützen den Hochlauf
der Elektromobilität und damit Wettbewerbsstärke und Arbeitsplätze in der
deutschen Mobilitätswirtschaft.
- Mit dem neuen Straßenverkehrsgesetz, das endlich auch Klima-, Umwelt- und
Gesundheitsschutz sowie städtebauliche Entwicklung als Ziele der
Verkehrsplanung definiert, und der neuen Straßenverkehrsordnung geben wir
den Kommunen deutlich mehr Freiheit, vor Ort über neue Radwege, Busspuren
und Tempo 30-Abschnitte zu entscheiden. Das ermöglicht mehr Klimaschutz
vor Ort, erhöht die Verkehrssicherheit und hilft der Verkehrswende enorm.
Die Bundesmittel für die kommunale Radverkehrsinfrastruktur haben wir
verstetigt.
- Den Luftverkehr haben wir nicht aus der Verantwortung entlassen: Die
Dekarbonisierung des Luftverkehrs stellt eine besondere Herausforderung
dar. Wir haben die Luftverkehrsteuer um den Betrag angehoben, den eine
Kerosinsteuer auf innerdeutsche Flüge erbringen würde. Im Bundeshaushalt
haben wir Mittel für die Entwicklung von E-Kerosin gesichert, Geld für die
Erprobung von leiseren Flugverfahren erhalten, sowie zusätzliche Mittel
für den Deutschen Wetterdienst, die dazu beitragen werden, die sekundären
Klimaeffekte des Fliegens zu mindern.
All das wäre ohne GRÜNE in der Regierung nicht gelungen. Wir haben in vielen
Auseinandersetzungen auch in der Koalition eine ökologischere und gerechtere
Verkehrspolitik durchsetzen können.
Dennoch ist klar: Das reicht nicht aus. Der Verkehrssektor hat seine Klimaziele
deutlich verfehlt. Nach aktueller Projektion verfehlt der Sektor Verkehr die
kumulierten Jahresemissionsmengen zwischen 2021 und 2030 um insgesamt 180 Mio.
Tonnen CO2. Auch der Verkehrssektor muss seinen Teil zum Klimaschutz beitragen
und muss seine Anstrengungen intensivieren, auch nachdem durch das Urteil zum
Klima- und Transformationsfonds (KTF) einige Maßnahmen finanziell untersetzt
werden müssen.
Die Herausforderungen sind enorm, da vor allem in den Jahren des CSU-geführten
Verkehrsministeriums die Prioritäten falsch gesetzt wurden. Die in der Koalition
bis November 2023 fehlenden zielgerichteten Klimaschutzmaßnahmen des FDP-
geführten Verkehrsministeriums und die Verweigerung, ein Klimaschutz-
Sofortprogramm für den Verkehrsbereich vorzulegen, belegen, dass es einklagbare
Vorgaben für die Sektoren braucht. Jeder Sektor muss bei Klima und Umwelt
liefern.
Viele Maßnahmen, wie der Ausbau der Schiene, wirken im Verkehrsbereich erst
mittel- oder langfristig. Wenn wir schmerzhafte Eingriffe vermeiden oder
zumindest reduzieren wollen, müssen wir deshalb umso schneller ins Handeln
kommen. Die Verantwortung des Verkehrssektors darf daher nicht aufgeschoben
werden.
Wir haben bei Regierungsantritt ein Land übernommen, in dem die Bahn über
Jahrzehnte kaputtgespart wurde, Brücken und Infrastruktur marode sind. Die
Verkehrspolitik der letzten Jahrzehnte war einseitig auf die Subventionierung
und Besserstellung des motorisierten Individualverkehrs fokussiert. CSU-Minister
wie Ramsauer, Dobrindt und Scheuer trieben lieber Umgehungsstraßen in Bayern
voran statt die Instandhaltung der fundamentalen Lebensadern der Republik
sicherzustellen.
Wir haben eine Trendwende eingeleitet: In ÖPNV und Bahn fließen mehr
Bundesmittel als jemals zuvor. Zudem sind die Investitionen in die Schiene nun
deutlich höher als in die Straße. Fast keine neuen Straßenbaumaßnahmen werden
noch begonnen. Der Fokus liegt nun eindeutig auf der Sanierung der Straßen,
insbesondere der Brücken. Für uns ist aber auch klar, diese Trendwende ist noch
kein erreichtes Klimaziel. Die fossile Lobby muss gestellt, die fossilen
Subventionen und Vergünstigungen in Milliardenhöhe ab- bzw. umgebaut werden. Die
Besserstellung der Nutzung fossiler Verkehrsmittel gilt es zu beenden. Wir
müssen unseren Weg mit Hochdruck weitergehen. Beim Übergang in das nicht fossile
Zeitalter, auch im Verkehr haben wir keine Zeit zu verschenken.
Klimaschutzgesetz - der Verkehrssektor darf nicht aus der Verantwortung fallen:
Das Klimaschutzgesetz wurde 2019 überparteilich verabschiedet. Bis heute wollen
CDU und SPD jedoch nichts davon wissen, dass Ziele auch Maßnahmen bedeuten. Nach
der Vogel-Strauß Politik der Großen Koalition vor 2021 war der Ehrgeiz von uns
Grünen in der Bundesregierung, die riesige hinterlassene 1000 Mio. Tonnen CO2-
Lücke möglichst schnell zu schließen. Mit den verabschiedeten Maßnahmen ist es
gelungen, die Lücke nahezu vollständig zu schließen - und das, weil die
Sektoren, für die wir innerhalb der Bundesregierung Verantwortung tragen
(Energie, Industrie, Landwirtschaft), ihre Ziele bis 2030 voraussichtlich
übererfüllen.
Weiterhin bleiben die beiden schwierigen Sektoren Gebäude und Verkehr. Obwohl
die Debatte von politischen Gegner*innen in- und außerhalb der Koalition
politisch vergiftet wurde, haben wir an der Wärmewende festgehalten und diese
eingeleitet. Erstmals gibt es bundesweit die Vorgabe zur kommunalen
Wärmeplanung, erstmals gibt es Vorgaben für Privathaushalte, erneuerbare
Heizungen einzubauen. Die Ziele für die Erneuerbaren haben wir stark angehoben
und deren Ausbau massiv beschleunigt. Mit grünen Leitmärkten und
Klimaschutzverträgen verhelfen wir klimaneutral hergestellten Produkten zum
Durchbruch. Auch im Verkehrsbereich konnten wir Grüne viele Reformen anstoßen.
Die Reform des Klimaschutzgesetzes wurde im Koalitionsausschuss beinahe 30
Stunden und im Bundestag über 7 Monate verhandelt. Die Überprüfung der Sektoren
wurde gelockert, im Gegenzug für konkrete Klimaschutzmaßnahmen. Mit unseren
Koalitionspartnern hatten wir keine Verbündeten für ein anderes Ergebnis, also
beides zu haben - ein halbwegs ambitioniertes Gesetz und wirksame
Klimaschutzmaßnahmen wie die Klima-Maut beim LKW.
Deutschland hat nach Überprüfung des Expert*innenrates für Klimafragen die
Vorgaben des Klimaschutzgesetzes im Jahr 2024 verfehlt. Ob das neue
Klimaschutzgesetz wirklich verfassungsfest ist, wird nun gerichtlich überprüft.
Für uns steht fest: Wir haben eine Verpflichtung gegenüber den nachfolgenden
Generationen, unsere Lebensgrundlagen zu bewahren. Keine Regierung in den
nächsten Jahren wird die europäischen und deutschen Klimaziele einhalten können,
ohne klimaschädliche Subventionen im Verkehrsbereich schrittweise abzubauen, die
öffentliche Mobilität für mehr Menschen zu ermöglichen sowie die
Elektromobilität weiter in Gang zu bringen. Um dieses Ziel zu erreichen, setzen
wir uns in der kommenden Wahlperiode für eine Weiterentwicklung des
Klimaschutzgesetzes ein, um den Herausforderungen im Klimaschutz zu begegnen.
Dazu gehören auch die sektorale Betrachtung der Erreichung der Klimaziele und
eine geeignete Sanktionierung bei Nichterreichen dieser. Daher ist die
Diskussion um das Klimaschutzgesetz und die Klimaziele nicht am Ende und wir
Grüne werden in der kommenden Wahlperiode weiter für die Einhaltung der
Klimaziele auch im Verkehrssektor kämpfen. Wir nehmen die Kritik an der Reform
des Klimaschutzgesetzes ernst. Hierzu suchen wir das Gespräch und den
Schulterschluss mit der Klima- und Umweltbewegung.
Antriebswende - wir machen den Auspuff-Abgasen den Garaus:
Verkehr vermeiden, verlagern und wo das jeweils nicht möglich ist,
dekarbonisieren. Wir haben auf verschiedenen Ebenen intensiv daran gearbeitet,
auch die Antriebswende voranzubringen. Fossile Verbrenner werden ab 2035 nicht
mehr verkauft, das ist nun EU-weit festgeschrieben. Zugleich haben wir den
Ausbau der Ladeinfrastruktur deutlich vorangebracht und beschleunigt, indem wir
diese ins überragende öffentliche Interesse gestellt haben.
Die LKW-Maut haben wir so ausgelegt, dass sie die Antriebswende voranbringt
durch die Einführung einer CO2-Komponente. Das bidirektionale Laden steht
derzeit kurz vor dem gesetzlichen Durchbruch. Ebenfalls konnten wir den
Netzausbau - auch für die E-Mobilität - massiv vorantreiben.
Wir haben die Verwendung von Palmöl im Verkehrsbereich gesetzlich endlich
ausgeschlossen. Wir gehen dem Missbrauch von Regelungen für Emissionsquoten nach
und beenden diese. Die öffentlichen Flotten versehen wir wiederum mit
ambitionierteren Zielen bei der Dekarbonisierung. Wir unterstützen insgesamt den
Hochlauf der Elektromobilität, auch um Know How und Arbeitsplätze in der
hiesigen Mobilitätswirtschaft zu halten und zu entwickeln.
Das Urteil zum Klima- und Transformationsfonds des Bundesverfassungsgerichts war
ein Rückschlag, zusammen mit der Schuldenbremse hat dies zu Kürzungen von
Fördermaßnahmen geführt wie der Kaufprämie für E-Autos oder der Förderung für
die Anschaffung von E-Bussen in den kommunalen Verkehrsbetrieben. Kaufprämien
und Dienstwagenbesteuerung müssen künftig kleine und leichte Fahrzeuge
fokussieren. Es reicht nicht, die fossile Gießkanne abzuschaffen, ohne endlich
auch gerechte Fahrzeuggrößen zu thematisieren. Für uns ist es unerlässlich,
durch den Ab- und Umbau fossiler Subventionen hin zu klimafreundlichen
Förderungen wieder haushälterische Spielräume zu gewinnen.
Ziel bleibt es nach wie vor, die gesetzlichen Grundlagen des aktuellen
Bundesverkehrswegeplans auf Basis eines neuen Gestaltungsszenarios durch einen
integrierten Bundesmobilitätsplan abzulösen. Dieser wird Aus- und Neubauprojekte
für Bundes- und Bundesfernstrassen obsolet machen, indem klimafreundliche
Verkehrsträger wie Schienenstrecken neu- und ausgebaut werden. Ebenso muss die
Bedarfsplanüberprüfung der Maßnahmen an Zielen zur Verkehrswende ausgerichtet
sein, und nicht, wie bis zum heutigen Tag üblich, an – methodisch umstrittenen –
Prognosedaten. Er ist die Grundlage für eine klimaneutrale und sozial gerechte
Mobilität im Jahr 2045. Priorität in der Infrastrukturentwicklung haben der
Ausbau des Umweltverbundes und eine effiziente Nutzung der Verkehrsmittel. Bis
der Bundesmobilitätsplan gesetzlich beschlossen ist werden wir den aktuellen
Bundesverkehrswegeplan unter Berücksichtigung der klimapolitischen Ziele und der
angespannten Haushaltslage kritisch überprüfen.
Klimaschutz, der weltweit fliegt
Die Dekarbonisierung des Luftverkehrs stellt eine besondere Herausforderung dar.
Aber wir entlassen die Luftfahrt nicht aus ihrer Verantwortung.
Deshalb haben wir die Luftverkehrsteuer um den Betrag angehoben, den eine
Kerosinsteuer auf innerdeutsche Flüge erbringen würde.
Auf EU-Ebene haben wir mit grüner Unterstützung aus Deutschland wegweisende
Erfolge erzielt:
• ansteigende Quoten für alternative, weniger klimaschädliche, Treibstoffe
• das Aus kostenloser CO2-Zertifikate
• die Weichenstellung, damit endlich auch die sekundären Klimaeffekte
berücksichtigt werden
• obligatorischer Bodenstrom für parkende Flugzeuge
• verpflichtende Ultrafeinstaubmessungen auch an Flughäfen
• ein Klima-Label für Flüge
• ein neuer, zweiter Emissionshandel, der auch Privatjets in die CO2-Bepreisung
einbindet
Mehrere dieser Maßnahmen werden die Ultrafeinstaubbelastung in den
Flughafenregionen reduzieren.
Kurzstreckenflüge wollen wir Zug um Zug verringern und bis 2030 überflüssig
machen, indem wir die Bahnangebote – gerade Direkt- und Nachtzugverbindungen –
ausweiten und für faire Wettbewerbsbedingungen zwischen den Verkehrsmitteln
sorgen, die die ökologischen Kosten widerspiegeln.
Im Bundeshaushalt haben wir außerdem Mitteln für die Entwicklung von E-Kerosin
gesichert, Geld für die Erprobung von leiseren Flugverfahren erhalten, sowie
zusätzliche Mittel für den Deutschen Wetterdienst, die dazu beitragen werden,
die sekundären Klimaeffekte des Fliegens zu mindern.
Das alles ist nicht genug. Wir kämpfen weiter für den Abbau klimaschädlicher
Subventionen im Luftverkehr. Damit wollen wir für mehr Gerechtigkeit und mehr
Spielraum für die Förderung von Klimaschutz sorgen. Die Regelungen auf EU-Ebene
müssen nachgeschärft werden. Wir arbeiten außerdem weiter hartnäckig an einer
gesetzlichen Verbesserung des aktiven und des passiven Lärmschutzes und an der
Verbesserung der Luftqualität in den Fughafenregionen.
Öffentlicher Personennahverkehr für alle – bezahlbar, barrierefrei und
zukunftssicher:
Das Deutschlandticket ist nach dem 9-Euro-Ticket ein riesiger Erfolg als die
erste langfristige Maßnahme, die den Tarifdschungel in Deutschland beseitigt und
über 13 Millionen Menschen eine Möglichkeit gibt, klimafreundlich und
kostengünstig durch das ganze Land zu reisen.
- Um diese Errungenschaft langfristig zu sichern, setzen wir uns dafür ein,
dass das Ticket dauerhaft fortgeführt wird. Dafür braucht es einen fairen
und transparenten Preismechanismus, der Preisstabilität garantiert und
eventuelle Preissprünge auch wieder zurückholen kann, um das Ticket
sozialer zu gestalten. Unser Ziel bleibt, gemeinsam mit den Ländern einen
Ticketpreis von 49 Euro sicherzustellen. Für uns haben
Einnahmesteigerungen durch mehr verkaufte Abos Vorrang vor
Preiserhöhungen. Insbesondere bei den Jobtickets sehen wir noch erhebliche
Potenziale. Wir begrüßen es, wenn Länder und Tarifverbünde Regelungen
treffen, junge Menschen kostenlos oder stark vergünstigt den ÖPNV nutzen
zu lassen. Solche Angebote wollen wir bundesweit ausbauen.
- Wir fordern eine Weiterentwicklung des 49-Euro-Tickets, die es Erwachsenen
ermöglicht, Kinder und Jugendliche bis 14 Jahre kostenlos mitzunehmen.
Neben dem solidarischen Deutschlandsemesterticket sollten auch Lösungen
für Azubis und Freiwilligendienstleistende gefunden werden. Außerdem
braucht es ein bundesweit einheitliches vergünstigtes Angebot des
Deutschlandtickets für Menschen mit geringem Einkommen. Auch eine
einheitliche Regelung zur Mitnahme von Fahrrädern streben wir an.
- Es ist uns eine Herzensangelegenheit, dass der ÖPNV barrierefrei und für
alle Menschen zugänglich wird. Hierzu bedarf es eines bundesweiten Ausbau-
und Modernisierungspakts, der nicht nur die Infrastruktur stärkt, sondern
auch Barrierefreiheit konsequent umsetzt. Ein starker ÖPNV ist das
Rückgrat einer klimafreundlichen Mobilität – und muss deshalb für alle
Menschen bezahlbar, zugänglich und zukunftssicher gestaltet werden.
Gemeinsam mit Ländern und Kommunen wollen wir den ÖPNV in Stadt und Land
ausbauen und die Anbindung an attraktive Bus- und Bahnangebote
sicherstellen. Die Regionalisierungsmittel wollen wir so erhöhen, dass
Kostensteigerungen und ein Ausbau des Angebots gleichermaßen
berücksichtigt werden.
- Die Grundlage hierfür ist das Konzept der Mobilitätsgarantie, mit der wir
auch in ländlichen Regionen ein Grundangebot des ÖPNV sicherstellen
möchten. Als Zielbild möchten wir einen ein- bis zweistündlichen Takt
erreichen, in dem ein Bus oder ein entsprechendes öffentliches
Verkehrsmittel angeboten wird, wie zum Beispiel ein On-Demand-Angebot in
verkehrsärmeren Zeiten.
- Wir setzen uns dafür ein, dass das Fahren ohne Fahrschein nicht länger als
Straftat verfolgt wird. Die aktuelle Praxis, armutsbetroffene Menschen,
die Geldstrafen nicht zahlen können, in Ersatzfreiheitsstrafen zu
schicken, ist unverhältnismäßig und belastet das Justizsystem sowie die
Betroffenen. Freiheitsentzug wegen fehlender Tickets reißt Menschen
unnötig aus ihrem sozialen Umfeld und verstärkt ihre prekäre
Lebenssituation. Eine Entkriminalisierung würde nicht nur die Justiz und
die Verkehrsbetriebe entlasten, sondern auch zu mehr sozialer
Gerechtigkeit im öffentlichen Nahverkehr beitragen. Ein zugänglicher und
gerechter ÖPNV muss für alle Menschen bezahlbar sein, ohne sie durch
überzogene Strafen zu kriminalisieren.
Die Bahn endlich wieder fit machen:
Für die Schiene können wir in den nächsten Monaten viel erreichen:
- Verkehrsminister Wissing hatte mehrfach das Moderne-Schiene-Gesetz
versprochen. Dort soll die Finanzierung der Schiene komplett neu
aufgestellt werden. Wir setzen uns dafür ein, dass dieses Gesetz kommt und
fordern die Einführung eines Schienenfonds. Ein solcher ermöglicht die
überjährige Finanzierung von Aus- und Neubau. Auf dieser Grundlage können
die Deutsche Bahn und die Bauwirtschaft ihre Planungs- und Baukapazitäten
aufstocken, damit wir mit dem Ausbau der Infrastruktur endlich zügiger
voran kommen
- Die Investitionen für die Schiene sind auf einem Rekordhoch. Aufgrund des
Sanierungsstaus durch die CSU liegt der Fokus auf dem bestehenden
Bahnnetz. Zugunsten von Neu- und Ausbau für den Deutschlandtakt sowie der
Digitalisierung unseres Bahnnetzes braucht es weitere Investitionen.
- Leider gibt es bei Aus- und Neubau der Schiene viel Widerstand durch die
anderen Parteien. Ohne zusätzliche Schienenwege können wir die Bahn jedoch
nicht zum Rückgrat der Verkehrswende ausbauen. Die politischen Blockaden
von SPD, Union und FDP kosten uns viele Jahre bei der erforderlichen
Verlagerung von Personen- und Güterverkehren auf die klimafreundlichere
und energieeffizientere Bahn. Hier setzen wir uns für einen
Schienenkonsens ein, damit wichtige Erweiterungen, Reaktivierungen und
Elektrifizierungen endlich angegangen werden.
Mehr Sicherheit für alle, die auf dem Rad oder zu Fuß unterwegs sind:
Wir haben in dieser Wahlperiode das Straßenverkehrsrecht auf grundlegend neue
Füße gestellt: Künftig steht nicht mehr allein der reibungslose Verkehrsfluss
des Autos im Mittelpunkt des Straßenverkehrsrechts, sondern auch Klima- und
Umweltschutz, städtebauliche Entwicklung, Gesundheit und Verkehrssicherheit.
Kommunen können endlich systematisch für komfortable und sichere Wege mit Rad
und Bus und zu Fuß sorgen. Sie haben mehr Möglichkeiten Tempo 30 einzurichten
und verkehrsberuhigte und lebenswerte Quartiere zu schaffen.
In der kommenden Wahlperiode geht es darum, diesen Paradigmenwechsel weiter
anzuwenden und Kommunen dabei zu unterstützen, das neue Straßenverkehrsrecht vor
Ort umzusetzen. Im Einzelnen bedeutet das:
- Mehr Spielraum bei Tempo 30 innerorts sowie Tempo 80 außerorts: Bei
Geschwindigkeitsbegrenzungen gilt trotz Erleichterungen bei Tempo 30 immer
noch der alte Rechtsrahmen. Hier wollen wir den Kommunen noch mehr
Entscheidungsspielraum einräumen und flächendeckend innerorts Tempo 30
ermöglichen.
- Tempolimit: Wir kämpfen weiterhin für ein allgemeines Tempolimit von 130
km/h auf Autobahnen.
- Radwegenetze im ganzen Land: Wir Grüne haben in dieser Wahlperiode die
Mittel für den Radverkehr abgesichert und den Kommunen die gewünschte
Planungssicherheit gegeben. Es ist nun Zeit für einen Hochlauf der
Radverkehrsmittel für sichere Radwege in und zwischen Städten und
Gemeinden, sowie als Zubringer zum ÖPNV zu sorgen.
- Sichere Schulwege und Schulstraßen: Wir wollen, dass alle Kinder und
Jugendlichen in Deutschland sicher und selbstständig mit dem Rad oder zu
Fuß zur Schule kommen können. Dafür unterstützen wir Kommunen bei der
Einrichtung von sicheren Schulwegen. Für eine unbürokratische Einrichtung
von Schulstraßen, wollen wir den Kommunen noch weitere
Entscheidungsspielräume übergeben.
- Sichere Fußverkehrsnetze: Als Bund stocken wir die Förderung von
Fußverkehrsinfrastruktur in Kommunen auf (nach dem Vorbild des
Sonderprogramms Stadt und Land für den Radverkehr), fördern eine
Stiftungsprofsessur für den Fußverkehr, finanzieren ein Aus- und
Weiterbildungsangebot für Planer*innen in den Belangen des Fußverkehrs und
stärken institutionell die Erhebung von Daten zum Fußverkehr.
- Parken: Auch hier wollen wir Kommunen mehr Kompetenzen geben. Sie sollen
z.B. die Möglichkeit haben, soziale Kriterien bei Parkgebühren anzuwenden
und Parkraum effizient digital überwachen können.
Dafür setzen wir uns ein - eine Zusammenfassung:
Als Grüne setzen wir uns in Bund und Ländern für eine echte klima- und sozial
gerechte Mobilitätswende mit folgenden Maßnahmen ein:
- Das 49-Euro-Ticket soll verstetigt werden. Für uns haben
Einnahmesteigerungen durch mehr verkaufte Abos Vorrang vor
Preiserhöhungen. Insbesondere bei den Jobtickets sehen wir noch erhebliche
Potenziale. Bei Preissteigerungen werden wir nach Wegen für eine Rückkehr
zum Ursprungspreis, ggf. in der Form von Jahres-Abos, suchen. Wir fordern
zudem eine Verbesserung der Konditionen des Abos, um mehr Kund*innen für
Abos zu gewinnen, bspw. durch eine bundesweite Mitnahmeregelung für
Kinder.
- Aufhebung des „Diesel- und Dienstwagenprivilegs" und ein schrittweiser
Abbau von weiteren klima- und umweltschädlichen Subventionen.
- Ein bundesweites Ausbauprogramm für den ÖPNV sowie eine bundesweit
geltende Mobilitätsgarantie.
- Tempolimit: Wir kämpfen weiterhin für ein allgemeines Tempolimit auf
Autobahnen.
- Die Umschichtung von Mitteln aus dem Straßenneu- und -ausbau, einerseits
in den Erhalt der Straßen mit eindeutigem Fokus auf die Brückensanierung,
andererseits für den Ausbau der Schiene und des ÖPNV.
- Eine weitere Finanzierung für die Schiene, die Sanierung und Erweiterung
ermöglicht und langfristig absichert.
- Eine Ausbauoffensive für Rad- und Fußverkehrsinfrastruktur: die Stärkung
der aktiven Mobilität im Modal Split hat ein riesiges Einsparpotential.
- Mehr Ambitionen für klimafreundlichen Luftverkehr und für eine Verlagerung
auf die Schiene, vor allem bei Kurzstreckenflügen.
Um die weiteren Handlungsbedarfe breit zu diskutieren, wird die grüne
Bundestagsfraktion im November 2024 einen Mobilitätskongress ausrichten.