Veranstaltung: | 50. Bundesdelegiertenkonferenz Wiesbaden |
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Tagesordnungspunkt: | VR Im V-Ranking priorisierte Anträge |
Status: | Beschluss (vorläufig) |
Beschluss durch: | Bundesdelegiertenkonferenz |
Beschlossen am: | 16.11.2024 |
Antragshistorie: | Version 2 |
Es ist an der Zeit: Selbstbestimmung gesetzlich verankern
Beschlusstext
Die Selbstbestimmung über den eigenen Körper und das Recht auf körperliche
Unversehrtheit sind Grundrechte, die für alle gelten müssen. Dennoch werden
Millionen von Frauen tagtäglich durch Misogynie, häusliche Gewalt und Femizid
bedroht und ihrer Rechte beraubt. Zur Selbstbestimmung gehört ganz wesentlich
das Recht auf Zugang zu sicheren und legalen Schwangerschaftsabbrüchen. Das ist
seit jeher die Position von Bündnis 90/ Die Grünen. Schwangere brauchen für
diese Entscheidung gute Beratungs- und Versorgungsstrukturen, die sie
unterstützen, und keine Bevormundung, Stigmatisierung oder Drohungen mit dem
Strafrecht. Die aktuelle Regelung von 1995 steht, seit sie verabschiedet wurde,
zu Recht in der Kritik, denn sie ist und war nie ein guter Kompromiss. Es gab
nie eine ernsthafte Abwägung zwischen dem Schutz ungeborenen Lebens und dem
Recht der Schwangeren auf Selbstbestimmung über ihren eigenen Körper. Diese
Regelung hat Frauen stigmatisiert und die Versorgungslage verschlechtert, da sie
zum Beispiel verhindert, dass der Eingriff in der medizinischen Ausbildung
gelehrt wird. Bis heute beschneidet sie die Selbstbestimmung von Frauen und
sorgt für Stigmatisierung und Druck in einer für manche ohnehin belastenden
Situation. Mit ihr wurde zudem die Chance vertan, nach der Wiedervereinigung zu
einer guten Neuregelung zu kommen. Für die Frauen in Ostdeutschland bedeutete
das - nach einer Fristenlösung in der DDR – einen enormen Rückschritt. Zu diesem
Schluss kommt auch die unabhängige Kommission, die von der Bundesregierung
eingesetzt und mit Wissenschaftler*innen aus unter anderem Medizin, Psychologie,
Ethik und Recht besetzt war. Sie empfiehlt in ihrem Bericht zur Reform des §218
StGB, nach Abwägung insbesondere der ethischen, medizinischen und juristischen
Aspekte, zum einen, dass Schwangerschaftsabbrüche innerhalb der ersten zwölf
Wochen erlaubt werden sollten. Zum anderen betont sie die Wichtigkeit der
Prävention, damit es gar nicht erst zu ungewollten Schwangerschaften kommt.
Staat und Gesellschaft müssen dafür sorgen, dass Schwangere in dieser Situation
eine gute wohnortnahe und vielfältige Versorgungslage vorfinden, zum einen was
die Einrichtungen betrifft, die die Abbrüche vornehmen, aber auch was die
Beratungsstellen betrifft. Die Entkriminalisierung von sicheren und
selbstbestimmten Schwangerschaftsabbrüchen ist die Voraussetzung für eine gute
reproduktive Gesundheitsversorgung. Jetzt gilt es, diese eindeutigen Ergebnisse
schnellstmöglich umzusetzen.
Aufklärung und Präventionsarbeit
Dazu gehören eine umfassende Sexualaufklärung, Schulungen und Beratungen.
Ärztlich verordnete Verhütungsmittel sollten kostenfrei und Teil des GKV
Leistungskatalogs sein. Ziel muss eine kinderfreundliche Gesellschaft sein, in
der jedes Kind, auch wenn es eine Behinderung hat, willkommen ist und
Unterstützung erfährt durch inklusive und familienfreundliche Strukturen,
insbesondere auch für Alleinerziehende.
Eine Fristenregelung für Schwangerschaftsabbrüche außerhalb des
Strafgesetzbuches verankern und Abbrüche in der Frühphase (12 Wochen)
legalisieren
Zudem muss sichergestellt werden, dass es ausreichend Einrichtungen gibt, die
diesen Eingriff mit der von der Schwangeren gewünschten Methode vornehmen
können. Die Krankenkassen sollen die Kosten für diese Eingriffe übernehmen und
der Eingriff soll nach der Legalisierung Teil des Leistungskatalogs werden.
Die derzeitige Beratungspflicht in ein Recht auf Beratung umwandeln
Ungewollt Schwangere müssen bei Bedarf auf ein umfangreiches, flächendeckendes,
gut erreichbares und plurales Beratungsangebot zurückgreifen können.Eine
Beratungspflicht innerhalb einer Wartezeit vor der Durchführung des
Schwangerschaftsabbruches ist aber das Gegenteil von Selbstbestimmung. Anstelle
einer Pflichtberatung für ungewollt Schwangere setzen wir uns für ein Recht auf
eine freiwillige und kostenfreie Beratung im Schwangerschaftskonflikt ein.
Die Versorgung durch eine verbesserte Ausbildung und Weiterbildung von
Ärzt*innen verbessern
Schwangerschaftsabbrüche sind der häufigste gynäkologische Eingriff. Deshalb
muss das praktische Erlernen von allen Methoden des Schwangerschaftsabbruchs als
fester Bestandteil der fachärztlichen Weiterbildung zur Frauenheilkunde und
Geburtshilfe gehören. Vor- und Nachsorge sollten Gegenstand der Ausbildung von
medizinischem Personal sein. Zudem muss die medizinische Versorgung von trans*
und nichtbinären Personen im Kontext von Schwangerschaftsabbrüchen verbessert
und sichergestellt werden.
Über alle weiteren Punkte, die der Bericht in das Ermessen des Gesetzgebers
gestellt hat, werden wir als Gesellschaft und auch im Parlament miteinander ins
Gespräch gehen müssen. Unsere Position ist dabei klar – für Selbstbestimmung und
gegen Bevormundung. Wir wollen diese Diskussion aber nicht gegeneinander,
sondern miteinander führen in einem Austausch über Generationen und über
Parteigrenzen hinweg. Jetzt gilt es jedoch, die Chance auf eine neue Regelung zu
nutzen.
Es geht um die Würde und Freiheit von Frauen.