Veranstaltung: | 50. Bundesdelegiertenkonferenz Wiesbaden |
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Tagesordnungspunkt: | VR Im V-Ranking priorisierte Anträge |
Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | Bundesdelegiertenkonferenz |
Beschlossen am: | 16.11.2024 |
Antragshistorie: | Version 3 |
Demokratie schützen – Desinformation entschlossen bekämpfen!
Beschlusstext
Unsere Demokratie ist stark und wehrhaft. Sie wird durch eine lebendige und
vielfältige Zivilgesellschaft getragen, die sich jeden Tag für demokratische
Werte und das Gemeinwohl einsetzt. Dennoch wird unsere freiheitliche
Gesellschaft und unsere Art zu leben derzeit massiv bedroht - von innen wie
außen. Wir sehen uns mit anhaltenden, ernstzunehmenden sicherheitspolitischen
Risiken konfrontiert, die unsere digitale und analoge Welt gleichermaßen
betreffen.
Um diese Gefahren wirksam zu bekämpfen, müssen wir nicht nur unsere
gesellschaftlichen Abwehrkräfte stärken, sondern vor allem Vertrauen
zurückgewinnen - in den Staat, in demokratische Institutionen und Prozesse,
sowie in die Unabhängigkeit und Vielfalt unserer Medienlandschaft. Vertrauen ist
die Grundlage, die unsere Gesellschaft zusammenhält und entscheidend für die
Verteidigung unserer Demokratie. Nicht nur unsere Demokratie ist stark und
wehrhaft - auch unsere Gesellschaft muss es sein.
In Zeiten hybrider Kriegsführung erleben wir, wie Informationsmanipulationen
gezielt eingesetzt werden, um gesellschaftliche Konflikte zu befeuert,
Unsicherheit zu schüren und die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Diese
systematischen Angriffe auf die Hard- und Software unserer liberalen Demokratie
müssen wir ernst nehmen und verteidigen. Autoritäre Staaten agieren gezielt auch
im digitalen Raum, um politische Debatten zu beeinflussen und unsere
demokratische Gesellschaft zu destabilisieren. Dagegen müssen wir die
Gesellschaft stark und resilient aufstellen.
Die Auswirkungen dieser Desinformationskampagnen sind weitreichend: Sie
vergiften öffentliche Diskurse, untergraben das Vertrauen in staatliche
Institutionen oder in die Medien. Menschen werden zum Ziel von Einschüchterung
und Diskreditierung. So beeinflussen sie demokratische Willensbildungsprozesse,
befördern Spaltung und manipulieren Wahlen oder stellen deren Rechtmäßigkeit in
Frage. Damit sind Desinformationskampagnen von einer abstrakten zu einer realen
Gefahr geworden.
Diese Herausforderungen werden durch verschiedene Faktoren verschärft. Das
Erstarken populistischer und rechtsextremer Kräfte in Deutschland und weltweit
führt dazu, dass demokratiefeindliche Erzählungen noch stärker verbreitet
werden. Autoritäre Staaten, wie Russland und China, nutzen Desinformation
gezielt, um westliche Gesellschaften zu destabilisieren. Ihre Narrative werden
auch von AfD und BSW massenhaft weiterverbreitet.
Die Grenzen zwischen innerer und äußerer Sicherheit verschwimmen zunehmend. Der
völkerrechtswidrige Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine hat die
Bedrohungslage noch einmal deutlich verschärft. Desinformationskampagnen werden
längst begleitet durch gezielte IT-Angriffe auf staatliche und private
Einrichtungen sowie auf kritische Infrastrukturen, den Lebensadern unserer
Gesellschaft.
Desinformation ist kein neues Phänomen. Neu sind die rasante Ausbreitung und der
große Einfluss auf die politische Meinungsbildung auf der ganzen Welt. Dafür
verantwortlich sind insbesondere die Anreiz- und Vergütungssysteme von Social-
Media-Plattformen, die dazu führen, dass Falschinformationen schneller
verbreitet werden als fundierte Informationen, und Bedrohungsakteure, die diese
Mechanismen gezielt ausnutzen. Denn das Problem ist nicht die Existenz einzelner
Accounts, die Falschinformationen verbreiten, sondern deren künstliche
Verstärkung durch die Systeme der Plattformen. Dies untergräbt den
demokratischen Diskurs, da Bürger*innen von solchen Inhalten überschwemmt
werden. Mechanismen, die z.B. Inhalte belohnen, die Angst und Wut erzeugen,
müssen kritisch hinterfragt werden. Auch das Belohnen von Accounts, die mit
hoher Frequenz posten, ist problematisch. Bürger*innen müssen selbst entscheiden
können, was in ihren Timelines erscheint. Dazu kommt die Funktionsweise von
Online-Werbung, die dazu führt, dass Desinformation eine höchst lukrative
Einkommensquelle für Betreiber undurchsichtiger Webseiten ist.
Der demokratische Inselstaat Taiwan erlebt seit Jahren heftige
Desinformationskampagnen aus der Volksrepublik China. Die gescheiterten
Beeinflussungsversuche aus Peking bei den jüngsten Wahlen zeigen die
Widerstandsfähigkeit einer Gesellschaft, die mithilfe staatlicher und ziviler
Initiativen einen hohen Aufklärungsgrad gegen systematische
Informationsmanipulation erreicht hat und den Schutz vor
Desinformationsangriffen beispielgebend vorantreiben konnte.
Die auf deutscher und europäischer Ebene ergriffenen Maßnahmen haben der
zunehmenden Verbreitung von strafrechtlich relevanten Äußerungen und der
Manipulation unserer digitalen Debattenräume bisher nicht ausreichend Einhalt
gebieten können. Der Digital Services Act (DSA) ist ein entscheidender Schritt
hin zu mehr Transparenz und rechtsstaatlicher Regulierung für digitale
Plattformen. Er muss auf nationaler und europäischer Ebene weiter entschlossen
durchgesetzt und die zuständigen Aufsichtsbehörden gestärkt werden.
In Ländern wie Finnland spielt das Bildungssystem eine zentrale Rolle im Kampf
gegen Desinformation. Medienkompetenz ist dort seit vielen Jahren fester
Bestandteil der Lehrpläne, wodurch die Gesellschaft eine starke Immunität
gegenüber Desinformationskampagnen entwickelt hat. Finnland wird regelmäßig als
manipulations-resilientestes Land der EU eingestuft. Als direkter Nachbar
Russlands hat die finnische Regierung frühzeitig auf diese Bedrohung reagiert –
ein europäisches Erfolgsmodell, von dem wir lernen können.
Im Spannungsfeld zwischen Eigenverantwortung und staatlichem Schutz brauchen wir
- eine wachsame Zivilgesellschaft und Medien, die kritisch hinterfragen und
die Meinungsvielfalt einer vielseitigen Gesellschaft als Stärke verstehen,
- eine konsequente Fortsetzung der rechtsstaatlichen Regulierung der großen
Plattformen und künstlich generierter Inhalte,
- den staatlichen Schutz vor digitalen Angriffen aus dem In- und Ausland –
in Deutschland und Europa,
- kritische Bürger*innen, die sich der Manipulierbarkeit von Informationen
und der Gefahr von Desinformation bewusst sind, und
- einen verbesserten Schutz von Betroffenen.
Ein ganzer Werkzeugkasten gegen Desinformation
und für demokratische Teilhabe
Die Bekämpfung von Desinformation erfordert ein ganzheitliches Vorgehen, das
Aspekte der inneren und äußeren Sicherheit verbindet. Unser Ziel ist es, die
Resilienz unserer Gesellschaft zu stärken und die Wehrhaftigkeit unserer
Demokratie zu erhöhen. Hierfür sind gut informierte Bürger*innen essentiell, die
Informationen kritisch bewerten. Außerdem müssen unabhängige Medien gestärkt und
ein Mindestmaß an Transparenz und Chancengleichheit auf sozialen Plattformen
sichergestellt sein. Dafür gehen wir den eingeschlagenen Weg der
rechtsstaatlichen Regulierung von Plattformen konsequent weiter.
Die Versäumnisse sind groß. Die vor gut zwei Jahren bereits ausgerufene
"Zeitenwende" muss auch mit Blick auf hybride Bedrohungen wie Desinformation
endlich politisch entschlossen umgesetzt werden. Uns steht ein Bündel an
Maßnahmen zur Verfügung, die jetzt ergriffen werden müssen. Unser Ansatz umfasst
einen Werkzeugkasten von Maßnahmen aus den Bereichen Innere Sicherheit, Außen-
und Verteidigungspolitik sowie Bildung, Zivilgesellschaft und Forschung. Nur
durch das Zusammenspiel dieser Bereiche können wir den komplexen
Herausforderungen, die durch Desinformation entstehen, effektiv begegnen.
1. Maßnahmen der Innen- und Sicherheitspolitik
Bundesweite Strategie gegen Desinformation schaffen: Desinformation ist keine
kurzfristige Herausforderung, sondern ein Problem auf Dauer. Um
Desinformationskampagnen langfristig einzudämmen, brauchen wir eine bundesweite
Strategie gegen Desinformation, die die Bundesregierung seit langem versprochen
hat und deren Vorlage wir umgehend fordern. Die Strategie muss aufzeigen, mit
welchen Maßnahmen, Werkzeugen, Mitteln und Strukturen Desinformation dauerhaft
bekämpft werden soll. Bestandteil muss u.a. eine breit angelegte und andauernde
Aufklärungskampagne, wie bei unseren skandinavischen und baltischen Nachbarn,
sein, um Bürger*innen über drohende Gefahren aufzuklären.
Zentrale Koordinierungsstelle ausbauen: Wir unterstützen den umfassenden
Aufbau einer zentralen Stelle zur frühzeitigen Erkennung, Koordinierung und
schnellen Reaktion auf Desinformationskampagnen aus dem In- und Ausland. Die
Zentrale Koordinierungsstelle soll dabei bestehende Kapazitäten in verschiedenen
Ressorts bündeln, Fähigkeiten erweitern, sowie Gegenmaßnahmen empfehlen und in
Kooperation durchführen.
DSA national durchsetzen: Den Weg der rechtsstaatlichen Regulierung wollen wir
konsequent fortsetzen, den europäischen Digital Services Act (DSA) entschlossen
auf nationaler Ebene durchsetzen, die Aufsichtsbehörden auf Landes- und
Bundesebene stärken und Betroffenen mehr Hilfe zuteilwerden lassen. Der Digital
Services Coordinator muss entsprechend ausgestattet werden, und ihm müssen auch
die notwendigen Mittel zur Vergabe unabhängiger Forschungsaufträge an die Hand
gegeben werden. Außerdem setzen wir uns für ein Digitales Gewaltschutzgesetz
ein, das wirksame Instrumente wie Accountsperren nach gerichtlich geurteilten
Rechtsverletzungen gesetzlich verankert.
Rechtsdurchsetzung und handlungsfähige Strafverfolgung: Falschnachrichten,
Informationsmanipulation und Desinformation sind nicht per se strafrechtlich
relevant und das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung gilt es unbedingt zu
schützen. Dort, wo die Schwelle zur Strafbarkeit aber klar überschritten ist,
z.B. bei Leaking und Doxxing, muss der Rechtsstaat konsequent einschreiten.
Hierfür stärken wir die Strafverfolgungsbehörden, u.a. durch stärkere
Priorisierung und bessere Abstimmung zwischen Bund und Ländern bei der
Strafverfolgung, bei der digitalen Ermittlung und massenhaften Bearbeitung von
Vorfällen - auch mit Hilfe automatisierter Lösungen, sofern diese klaren
rechtsstaatlichen und datenschutzkonformen Standards genügen. Die Gewährleistung
von zeitnaher Vorgangsbearbeitung, dem geregelten Datenaustausch zwischen
Ermittlungsbehörden und Plattformbetreibern sowie die Schaffung von angemessen
ausgestatteten Schwerpunktstaatsanwaltschaften sind wichtige Bausteine für eine
erfolgreiche Rechtsdurchsetzung, die wir mit ausreichend Ressourcen und Fort-
und Ausbildung stärken wollen.
Nachrichtendienste einbinden: Die Nachrichtendienste von Bund und Ländern
spielen eine wichtige Rolle bei der Erkennung und Rückverfolgung von
massenhafter Desinformation, insbesondere wenn die Urheber staatliche oder
staatsnahe Akteure sind. Umso schmerzlicher sind die Versäumnisse der letzten
drei Jahrzehnte bei der Spionage- und Sabotageabwehr, ohne die eine effektive
Desinformationsbekämpfung nicht auskommt. Daher möchten wir die
Nachrichtendienste bei ihrer Arbeit gegen Desinformation stärken, insbesondere
bei der Früherkennung und Etablierung eines funktionierenden Warnsystems.
Schutzangebote auf kommunaler Ebene: Wir müssen Schutzangebote für unsere
liberale Demokratie besonders auch auf kommunaler Ebene machen. Gerade in den
Städten und Gemeinden treffen Desinformation und Angriffe auf Infrastruktur
direkt auf die Menschen. Hier braucht es mehr Instrumente, die Kreisverwaltungen
und städtische Unternehmen zur Abwehr dieser Kampagnen wappnen. Vorbild können
hier Initiativen aus Taiwan zur zivilen Verteidigung sein.
Kooperation von Zivilgesellschaft, Forschung und Sicherheitsbehörden: Wir wollen
die wertvolle Expertise von NGOs und Wissenschaftler*innen nutzen und eine enge
Zusammenarbeit zwischen zivilgesellschaftlichen Organisationen, der Wissenschaft
und Sicherheitsbehörden fördern. Diese freiwillige Kooperation basiert auf einem
strukturierten Wissensaustausch, praxisorientierten Schulungen und einer
koordinierten Öffentlichkeitsarbeit. Dabei bleiben die Unabhängigkeit, die
verschiedenen Perspektiven sowie die spezifischen Kompetenzen aller beteiligten
Akteure gewahrt, um einen ganzheitlichen Ansatz zur Bekämpfung von
Desinformation zu entwickeln.
Erweiterter Werkzeugkasten: Wir unterstützen die Entwicklung einer umfassenden
Toolbox zur Reaktion auf Desinformation, angelehnt an den Europäischen
Auswärtigen Dienst. Diese soll Instrumente wie öffentliche Addressierung und
Missbilligung, Prebunking und Debunking, Sanktionen, strafrechtliche Verfolgung,
nachrichtendienstliche Beobachtung sowie Maßnahmen zur Abschaltung von
Infrastruktur von gesteuerten Desinformationskampagnen umfassen.
2. Maßnahmen zur europäischen und internationalen
Kooperation
EU-Monitoring und europäische Kooperation stärken: Die Monitoring-Einheiten
der EU, insbesondere des Europäischen Auswärtigen Dienstes, müssen personell und
finanziell ausreichend ausgestattet werden, um Desinformationskampagnen effektiv
zu überwachen und zu bekämpfen. Im Zusammenschluss mit den europäischen
Institutionen und nationalen Organisationen unserer Partner in der EU und NATO
ermöglichen wir den aktiven Austausch von Informationen zu
Informationsmanipulation und Desinformationskampagnen, fördern die
Zusammenarbeit und den europäischen und internationalen Fähigkeitsaufbau.
Europäisches Demokratieschild umfassend ausgestalten: Das von der
Europäischen Kommission geplante "European Democracy Shield" darf sich nicht nur
auf Einflusskampagnen aus dem EU-Ausland fokussieren. Auch relevante Akteure
innerhalb der EU müssen in den Blick genommen werden - gerade auch, weil eine
scharfe Trennung häufig nicht möglich ist. Zudem müssen die Mechanismen der
Plattformen, wie Targeting und Amplifizierung, umfassend berücksichtigt werden.
Stärkung der internationalen Zusammenarbeit: Die multilaterale
Zusammenarbeit wollen wir angesichts geopolitischer Bedrohungen und
Einflussnahmen durch autoritäre Staaten auch außerhalb von EU und NATO beim
Kampf gegen Desinformation stärken. Deutschland muss seine Rolle in der G7
weiter ausbauen, um globale Normen zu fördern und zu verhindern, dass einzelne
Staaten die Schaffung solcher Normen blockieren. Außerdem müssen wir die
Gefahren von Desinformationskampagnen im Kontext von Wahlen oder politischen
Krisen in Drittstaaten wahrnehmen und die Hilfe zum Aufbau von Resilienz zum
Teil von Entwicklungshilfe machen.
3. Maßnahmen zur Umsetzung der Plattformregulierung
Desinformation als systemisches Risiko definieren: Desinformation muss im
Sinne des DSA als systemisches Risiko für den öffentlichen Diskurs und Wahlen
anerkannt werden. Deutschland muss die Europäische Kommission auffordern, DSA-
Ermittlungen bei allen großen Plattformen einzuleiten, um zu untersuchen, welche
Mechanismen der Plattformen zur überproportionalen Verbreitung von
Desinformation führen und diese Mechanismen unterbinden.
Algorithmische Verstärkung gezielt angehen: Die Verstärkung von Inhalten durch
Plattform-Algorithmen spielt eine zentrale Rolle bei der Verbreitung von
Desinformation. Wir wissen aus der Forschung, dass sogenannte "grenzwertige"
Inhalte, die sich an der Grenze zu Inhalten befinden, die illegal sind oder
Community-Standards verletzen, stärker verbreitet werden als andere Inhalte.
Desinformation fällt häufig in diese Kategorie. Die Europäische Kommission kann
auf Grundlage des DSA solche Algorithmen als Risiko für öffentlichen Diskurs und
Wahlen definieren und die Plattformen auffordern, Alternativen einzusetzen.
Dabei setzen wir auf Algorithmen, bei denen Bürger*innen selbst entscheiden, was
in ihren Timelines erscheint.
Einschränkung von Targeting konsequent durchsetzen: Targeting ist eines der
zentralen Instrumente, durch das Desinformation gezielt an dafür anfällige
Bevölkerungsgruppen ausgespielt werden kann. Dies führt zu einer viralen
Verbreitung, noch bevor Faktenchecks oder andere Maßnahmen greifen können. Wir
fordern, dass die im DSA bereits vorgesehenen Einschränkungen von Targeting
konsequent durchgesetzt werden - gerade mit Blick auf den Schutz von
Minderjährigen oder das Schließen von Schlupflöchern. Die Europäische Kommission
und die Bundesnetzagentur müssen im jeweiligen Zuständigkeitsbereich für
konsequente Durchsetzung sorgen. Maßgeschneiderte Botschaften dürfen nicht dazu
führen, dass bestimmte Gruppen unverhältnismäßig beeinflusst werden. Darüber
hinaus darf Online-Werbung nicht systematisch finanzielle Anreize bieten,
Desinformation im Internet zu veröffentlichen. Werbetreibende müssen Kontrolle
darüber haben, wo ihre Inhalte ausgespielt werden.
Wissenschaftlichen Zugang zu Plattformdaten gewährleisten: Um die
Verbreitung von Desinformation und deren Auswirkungen besser zu verstehen, muss
der Zugang zu Plattformdaten für Forschungszwecke gewährleistet werden. Der DSA
sieht hier klare Vorgaben vor, und wir fordern eine schnelle und umfassende
Umsetzung dieses Zugangs. Ein delegierter Rechtsakt muss klare Rahmenbedingungen
für den Zugang definieren und dafür sorgen, dass Wissenschaft alle Daten
bekommt, die für relevante Ergebnisse erforderlich sind.
Online-Werbung neu regulieren: Die EU-Kommission muss eine neue
Gesetzesinitiative an der Schnittstelle von DSA, Political Ads Regulation,
ePrivacy Regulation und Wettbewerbsrecht vorlegen, um die Nutzung
personenbezogener Daten in Datenprofilen großer Plattformen und Datenhändler für
Online-Werbung und das Ausspielen von Inhalten kohärent zu regulieren. Ziel ist
es, den Einsatz personenbezogener Daten für gezielte Werbung als Einfallstore
für Manipulation und Desinformation weiter einzuschränken. Auch monopolartige
Strukturen einzelner Anbieter, wie Google und Meta, müssen verstärkt in den
Fokus genommen werden.
Nutzer*innen-Transparenz erhöhen: Transparenz unterstützt die freie und
kritische Meinungsbildung und hilft Informationsmanipulation zu enttarnen. Daher
setzen wir uns für die verpflichtende Kennzeichnung von KI-generierten Bildern
und Videos ein. Die Kennzeichnungspflicht für KI-generierte Bilder und Videos
soll für alle Plattformen und Medienkanäle gelten und durch robuste technische
Lösungen, wie digitale Wasserzeichen oder Metadaten, umgesetzt werden.
Gleichzeitig fördern wir die Entwicklung von KI-Erkennungstechnologien, um nicht
gekennzeichnete generierte Inhalte identifizieren zu können. Außerdem sollen
weitergeleitete Nachrichten als solche gekennzeichnet werden, um Transparenz für
Nutzende über den Ursprung zu schaffen. Zuletzt sollen Plattformauftritte von
Personen des öffentlichen Lebens oder bekannten Institutionen verlässlich
gekennzeichnet werden, um Verwechslungen und absichtliche Irreführungen zu
reduzieren.
4. Maßnahmen im Bereich digitale Bildung, Forschung und
Zivilgesellschaft
Demokratiefördergesetz jetzt: In der Zivilgesellschaft leisten engagierte
Menschen in unterschiedlichen Initiativen unschätzbar wertvolle Arbeit für
unsere Demokratie, die endlich auch verlässlich finanziert werden muss. Es ist
höchste Zeit, dass das Demokratiefördergesetz kommt. Wenn wir
verfassungsfeindliche Ideologien erfolgreich an der Wurzel bekämpfen wollen,
brauchen wir leistungsfähige zivilgesellschaftliche Organisationen, die diese
Arbeit auch in der Fläche leisten können.
Förderung der Medienkompetenz: Wir setzen uns für eine umfassende Stärkung
der digitalen Bildung ein. Unser Ziel ist es, kritisches Denken, Faktenprüfung,
die Sensibilisierung für Techniken der Manipulation und den verantwortungsvollen
Umgang mit Medien als Querschnittskompetenz in unserem Bildungssystem zu
verankern - von der Kita bis zur Erwachsenenbildung. Über den Digitalpakt 2.0
hinaus muss der Bund die Länder hierbei dauerhaft unterstützen. Dabei
orientieren wir uns am Beispiel Finnlands, das einen gesamtgesellschaftlichen
Ansatz verfolgt: Zivilgesellschaftliche Organisationen werden aktiv an
Entwicklung und Umsetzung von Lernprogrammen beteiligt - dies trägt zur
Zusammenarbeit von beispielsweise Schulen, Bibliotheken, Universitäten und NGOs
bei. Zusätzlich fördern wir Initiativen zur lebenslangen digitalen Bildung, um
Menschen aller Altersgruppen für die Gefahren von Desinformation zu
sensibilisieren.
Unterstützung der Zivilgesellschaft: Wir fördern aktiv die Zusammenarbeit mit
zivilgesellschaftlichen Organisationen, die sich im Bereich der Bekämpfung von
Desinformation engagieren. Dies umfasst finanzielle Unterstützung für Projekte
zur Aufklärung über Desinformation, die Bereitstellung von Ressourcen für Fact-
Checking-Initiativen und die Förderung von Netzwerken zum Austausch bewährter
Praktiken. Zudem unterstützen wir Bewegungen, die sich für digitale Aufklärung
in ihren Gemeinschaften einsetzen. Als Vorbildmodell können wir von
Organisationen aus Taiwan zahlreiche wirksame Methoden lernen und auf die
Situation in Deutschland und Europa anpassen. Unser Ziel muss es sein, diese
zersetzenden autoritären Kräfte aufzudecken und den digitalen Raum weiter für
demokratische Diskurse zu nutzen. Mit der Verabschiedung der Strategie für die
internationale Digitalpolitik hat die Bundesregierung klargestellt, dass sie
sich den Herausforderungen bewusst ist und es Unterstützung für
zivilgesellschaftliche Organisationen zur Zusammenarbeit gegen Desinformationen
braucht.
Forschungsförderung: Die Forschung zur Wirkung von Desinformation und deren
Bekämpfung muss intensiviert werden. Wir setzen uns für eine verstärkte
Förderung entsprechender Forschungsprojekte ein, einschließlich
interdisziplinärer Studien, die Erkenntnisse aus Psychologie,
Kommunikationswissenschaften, Informatik und Politikwissenschaft zusammenführen.
Besonderes Augenmerk legen wir auf die Erforschung der langfristigen
gesellschaftlichen Auswirkungen von Desinformation und die Entwicklung von
Gegenstrategien.
Fortsetzung der Bürger*innenbeteiligung: Die Einbindung der Bürger*innen in
den Prozess der Bekämpfung von Desinformation muss fortgesetzt und intensiviert
werden. Wir fördern Bürger*innendialoge, partizipative Workshops und Online-
Plattformen, die es der Bevölkerung ermöglichen, sich aktiv an der Entwicklung
von Strategien gegen Desinformation zu beteiligen, zu stärken. Durch diese
Einbindung stärken wir nicht nur das demokratische Bewusstsein, sondern nutzen
auch das kollektive Wissen und die Erfahrungen der Bürger*innen im Umgang mit
Falschinformationen.
Journalismus-Förderung: Ein starker öffentlich-rechtlicher Rundfunk ist eine
unverzichtbare Säule einer Medienlandschaft, die sich Desinformation
entgegenstellt. Wir wollen ihn stärken und reformieren. Seine regional
verankerten, hochwertigen journalistischen Angebote sind wesentliche Grundlage
für die Meinungsbildung, die offene Debatte und die kulturelle Bereicherung in
einer demokratischen Gesellschaft. Unverzichtbarer Bestandteil einer resilienten
Gesellschaft, die Desinformation erkennt und widersteht, ist eine vielfältige
und qualitativ hochwertige freie Presse. Wir streben deshalb an, durch geeignete
Instrumente die Wettbewerbssituation für journalistische Angebote - besonders im
Netz - zu verbessern und praktikable Finanzierungsinstrumente zur Stärkung
journalistischer Inhalte, Entwicklung zukunftsfähiger Geschäftsmodelle und einer
flächendeckenden Versorgung mit journalistischen Angeboten zu entwickeln,
besonders in ländlichen Regionen. Als mögliche Ansätze dafür sehen wir die
Anerkennung der Gemeinnützigkeit für Non-Profit-Journalismus, eine Förderung der
digitalen Transformation der Presselandschaft und eine Förderung von
Journalist*innen durch Stiftungsmodelle fördern, ähnlich wie in den nordischen
Ländern.