Veranstaltung: | 50. Bundesdelegiertenkonferenz Wiesbaden |
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Tagesordnungspunkt: | VR Im V-Ranking priorisierte Anträge |
Antragsteller*in: | KV Sächsische Schweiz-Osterzgebirge, Nadine Mai (KV Pinneberg) (dort beschlossen am: 11.10.2024) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 16.10.2024, 17:10 |
VR-08: GRÜNE Strukturen auf dem Land stärken (V-53, V-71 geeint)
Antragstext
Bereits der Name unserer Partei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN steht für zwei wichtige
Grundsätze: Eine starke Ausrichtung auf Zusammenarbeit und Solidarität sowie das
Bekenntnis zu unserem geeinten Deutschland. Wir haben uns zur Aufgabe gemacht,
trotz großer Unterschiede zwischen urbanen und ländlichen Räumen gleichwertige
Lebensverhältnisse zu schaffen, oder wie es die Bundestagsfraktion formuliert:
„Wir wollen die zunehmende Kluft zwischen Stadt und Land überwinden und die
strukturellen Unterschiede zwischen den Regionen abbauen." Diesen Satz wollen
wir mit Leben füllen.
Strukturell und konzeptionell verteilt sich unsere Partei heute jedoch sehr
unterschiedlich. Sie hat teils sehr starke Regionen und Wahlergebnisse, viele
Neueintritte in wirtschaftsstarken Regionen und großen Städten. Dem gegenüber
stehen im ländlichen Raum oft viele Einzelkämpfer*innen für unsere Partei ein.
Besonders nach den letzten Kommunalwahlen und den Landtagswahlen in den neuen
Bundesländern mit einem teils dramatischen Rückgang der bündnisgrünen
Wahlergebnisse müssen wir uns als Gesamtpartei der Frage stellen, wie wir in den
kommenden Jahren an einer Verbesserung unserer Präsenz und Wirkkraft überall im
Land arbeiten. Als solidarische und kämpferische Partei, die wir sind, müssen
wir uns unterhaken und auch anerkennen, dass wir die Präsenz und Kommunikation
unserer Politik in den ländlicheren Regionen verbessern müssen.
So muss die Sichtbarkeit für GRÜN auch in ländlichen Räumen möglichst permanent
gewährleistet sein. Zudem muss in unseren politischen Programmen verstärkt die
Lebensrealität der ländlichen Räume in den Fokus rücken, um den bereits
vorhandenen (Demokratie-)Frust der Menschen hier abzubauen. Ihre Bedürfnisse
werden zwar regelmäßig von der Politik artikuliert, jedoch ist dafür in den
vergangenen Jahren abseits der Städte und Ballungsgebiete zu wenig passiert,
egal ob es den Ausbau des ÖPNV, die Daseinsvorsorge oder die soziale Teilhabe
betrifft.
Zu 1. Die programmatischen Angebote bündnisgrüner Politik müssen ländliche
Regionen mitdenken und realistische Angebote für die hier lebende Bevölkerung
machen. So ist bspw. ein Deutschlandticket für Menschen in Regionen, in denen
das einzige verfügbare öffentliche Verkehrsmittel der drei Mal werkstäglich
verkehrende Schulbus ist, kein sinnvolles Angebot. Ein weiteres Beispiel stellen
Fragen der grundlegenden Daseinsvorsorge, wie der Gesundheitsvorsorge, dar. So
sind bspw. notwendige Reformen der Krankenauslandschaft ohne neue Ideen und/oder
Projekte der medizinischen Versorgung, losgelöst von Sektorengrenzen, in bereits
unterversorgten – und häufig von älteren Menschen bewohnten – ländlichen
Regionen nicht sinnvoll. Der Eindruck, dass bündnisgrüne Politik alleine für ein
(groß-)städtisches Milieu gemacht wird, ist bereits vorhanden; dem gilt es,
programmatisch klar entgegen zu wirken und die Ausdifferenzierung klar
anzusprechen.
Zu 2. Aktionen und Kampagnen müssen die ländlichen Regionen ganzjährig und auch
außerhalb der Wahlkampfsaison im Blick haben und sich stärker an deren
ausdifferenzierteren Bedürfnissen orientieren. Um den unterschiedlichen
Bedürfnisse der Regionen gerecht zu werden, muss die Basisarbeit unserer Partei
verstärkt werden. Nur so können wir verstehen, welche
Themen die Menschen bewegen und mit ihnen ins Gespräch kommen. Die Kampagnen
müssen dieses Ziel unterstützen. Gleichzeitig braucht es die Präsenz
Bündnisgrünen Spitzenpersonals auch abseits der Wahlkämpfe in der Fläche. Denn
nur durch einen nachhaltigen Aufbau von Netzwerken, Knowhow und örtlicher
Verankerung der Parteistrukturen schöpfen Menschen Vertrauen in unsere Arbeit.
Den Mitgliedern, die hier unterteils prekären Bedingungen und in einem
aufgeheizten Diskussionsklima für unsere Politik einstehen, müssen wir
verlässlich und kräftig unter die Arme greifen und in eine gute und gleichmäßige
Arbeit aller Parteiorgane investieren. Dafür braucht es einen neuen Aufbruch und
das Bekenntnis der ganzen Partei, die kleineren Kreisverbände zu unterstützen.
Zu 3. Die Unterschiede zwischen städtischen und ländlichen Regionen zeigen sich
auch in den organisatorischen, finanziellen und personellen Möglichkeiten der
Orts- und Kreisverbände. Um die ländlichen Regionen in den Fokus bündnisgrüner
Politik zu stellen, müssen die bündnisgrünen Strukturen in diesen Regionen
deutlich gestärkt werden. Anstatt einer Basisfinanzierung, die an
Mitgliederzahlen orientiert ist, müssen wir hin zu einer Finanzierung, die die
konkreten Herausforderungen berücksichtigt und bessere Chancen für den
politischen Dialog vor Ort ermöglicht. Gerade die kleineren Landes- und
Kreisverbände stehen meist vor größeren Herausforderungen und sollten daher
nicht für immer auf Sondertöpfe und Solifonds angewiesen sein. Daher müssen wir
in gemeinsamer Verantwortung im ganzen Bundesgebiet eine sichere Basis für
unsere politische Arbeit vor Ort stellen. Denn eine wirksame und nachhaltige
politische Arbeit nur über die Einführung und Schaffung von mehr hauptamtlichen
Stellen möglich, die die Kreisverbände unterstützen oder noch besser, direkt vor
Ort angesiedelt werden. Zusätzlich braucht es konsequente Professionalisierung
und die Übernahme von Aufgaben durch die Landesverbände: Bei Buchhaltung,
Website, Materialorganisation und -verbreitung usw., damit sich die
Kreisgeschäftsstellen auf die Kommunikation mit den Wähler*innen und den
Mitgliedern konzentrieren können. Diese Arbeit muss durch gute Bezahlung und
langfristige Absicherung zudem stärker wertgeschätzt werden. Die Kosten dafür
müssen durch den Bundes- und die Landesverbände im solidarischen Verbund
getragen werden, wobei mehr Geld bei weniger Mitgliedern zur Verfügung gestellt
wird.
a) Im Haushalt 2025 kurzfristig ein Sonderbudget u.a. für den
Bundestagswahlkampf sowie eine deutliche Erhöhung des Strukturfonds eingerichtet
werden, damit die Landesverbände der strukturschwachen Bundesländer strukturelle
Nachteile in ihren Geschäftsstellen und besonders in den Kreisverbänden durch
mehr Personalkapazitäten, Materialkostenübernahme und Organisationshilfe
ausgleichen können.
c) Der Bundesvorstand, die organisatorische Geschäftsführung und der
Bundesfinanzrat werden gebeten, bis zur nächsten Bundesdelegiertenversammlung
einen Vorschlag zu einer neuen solidarischen Finanzierung der Partei BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN zu unterbreiten, die nicht nur an Mitgliederzahlen gekoppelt ist,
sondern weitere Merkmale einbezieht und Strukturnachteile besser ausgleicht:
Diese Kriterien könnten u.a. die Flächengröße der Kreise, die Fraktionsgröße in
Kommunen und Landtag, Kommunikationsaufwand (u.a. bei hoher AfD-Präsenz vor Ort)
sein. Dazu schlagen wir vor, dass alle Kreisverbände mit wenig Mitgliedern und
in ländlichen Regionen finanziell in die Lage versetzt werden, eine
Kreisgeschäftsstelle zu unterhalten und bei der Anstellung von hauptberuflichen
Geschäftsführer*innen bezuschusst werden.
Begründung
Durch die Wahlergebnisse der letzten Kommunal- und Landtagswahlen haben viele Kreisverbände Ressourcen verloren. Sie machen deutlich, dass bündnisgrüne Positionen in ländlichen Regionen keine Mehrheiten mehr finden und teilweise nicht mehr existent sind. Die unzähligen Gespräche während dieser Wahlkämpfe zeigen, dass das bündnisgrüne Angebot für ländliche Regionen unzureichend ist und die Lebensrealität der Menschen nicht mehr abbildet. Der Zustand unserer bündnisgrünen Infrastruktur im Ländlichen Raum weist viele Parallelen zu allgemeinen infrastrukturellen Problemen in Deutschland auf. An vielen Stellen ist sie schlecht ausgebaut, unterbesetzt, unterfinanziert und dadurch marode. Es drohen wichtige Brücken der demokratischen Teilhabe einzubrechen.
Es braucht daher eine fundamentale Neuausrichtung der Unterstützung ländlicher Regionen und der Kommunikation unserer Botschaften, um die bündnisgrünen Ideen und Visionen direkt in die Gesellschaft zu tragen. Dies gilt umso mehr, wenn gerade kein Wahlkampf ist. Wir dürfen nicht anderen Akteuren die Erzählung über uns Bündnisgrüne überlassen, sondern müssen die Hoheit über unser kommunikatives Narrativ zurückgewinnen. Nur so können wir Ressentiments und offene Ablehnung bis hin zu Hass und Gewalt gegen uns eindämmen.
Viele Mitglieder sind im Jahr 2024 eingetreten, um aktiv den Kampf gegen Rechts und für Demokratie und Freiheit zu unterstützen. Sie möchten, dass wir uns mit ganzer Kraft gegen das Erstarken von rechtsnationalistischen und populistischen Parteien wenden. Viele haben sich in diesem Jahr schon selbst engagiert, haben besonders die Ostverbände im Wahlkampf durch Wahlkampfurlaub und Spenden unterstützt. Diesen Kampfgeist sollten wir auch in einer solidarischen Finanzierung und Strukturierung der Partei abbilden. Um die Herausforderungen der Bundestagswahl und einer weiteren politischen Basisarbeit vor Ort angehen zu können, braucht es jetzt kräftige Unterstützung für unsere Freund*innen: Denn positive Zukunftserzählungen brauchen Menschen vor Ort, die sie leben und für die eigene Region übersetzen. Gerade der ländliche Raum hat enorme Chancen für Innovationen sowie klimafreundliches und bezahlbares Leben. Mit einem Schub für Digitalisierung, der Leben und Arbeiten auf dem Land ermöglicht. Einer Energiewende, die vor Ort gestaltet werden kann und sich im eigenen Portemonnaie bemerkbar macht und Möglichkeiten für regionale Wertschöpfung bietet. Nur mit dem ländlichen Raum und einem Bekenntnis zum Zusammenhalt zw. Stadt und Land können wir ein klimaneutrales, gerechtes Deutschland erreichen. Unsere Parteiorgane stehen in der Verantwortung, dies überall im Land zu verdeutlichen und einen Dialog darüber zu ermöglichen. Dafür braucht es Ressourcen und Mittel. Bitte stimmt dem Antrag zu!
weitere Antragsteller*innen
- Tom Gürtler (KV Gotha)
- Matthias Kaiser (KV Gotha)
- Gerrit Dreier (KV Gotha)
- Pia Tischer (KV Gotha)
- Nele Marie Bär (KV Wartburgkreis/Stadt Eisenach)
- Christian Iltner (KV Hamburg-Mitte)
- Ocean Renner (KV Nordfriesland)
- Gabriele Piachnow-Schmidt (KV Steinburg)
- Arnd Hemken (KV Pinneberg)
- Sören Lerke (KV Pinneberg)
- Klaudia Schumann (KV Schleswig-Flensburg)
- Carina Hennecke (KV Rendsburg-Eckernförde)
- Michael Jahn (KV Esslingen)
- Erika von Kalben (KV Pinneberg)
- Katrin Stange (KV Pinneberg)
- Marcel Beutel (KV Ostholstein)
- Dietrich Herrmann (KV Dresden)
- Sandra Leiendecker (KV Rendsburg-Eckernförde)
- Carlos Manuel da Silva Costa Salgado (KV Wartburgkreis/Stadt Eisenach)
- Martin Kolanus (KV Herzogtum Lauenburg)
- Hildegard Bedarff (KV Pinneberg)
- Susanne Hilbrecht (KV Dithmarschen)
- Patrick Maehlig-Schubert (KV Landkreis Leipzig)
- Oliver Lorentzen (KV Pinneberg)
- Martina Hoffmann (KV Saalekreis)
- Frank Wegener (KV Pinneberg)
- Lydia Ramm (KV Landkreis Leipzig)
- Klaus-Christian Kalkhoff (KV Rendsburg-Eckernförde)
- Geoffrey N. Förste (KV Nordfriesland)
- Martin Lätzel (KV Rendsburg-Eckernförde)
- Madlen Ehrlich (KV Berlin-Mitte)
- Paul Löser (KV Sächsische Schweiz - Osterzgebirge)
- Jonathan Morsch (KV Berlin-Steglitz/Zehlendorf)
- Patricia Römer (KV Pinneberg)
- Christopher Schriner (KV Berlin-Mitte)
- Christa Stiller-Ludwig (KV Hagen)
- Mascha Brammer (KV Berlin-Mitte)
- Christian Fink (KV Berlin-Mitte)
- Oskar Krafft (KV Berlin-Mitte)
- Felix Kalbe (KV Gotha)
- Michael Blöcher (KV Berlin-Mitte)
- Meike Siemsen (KV Rendsburg-Eckernförde)
- Petra Goll (KV Pinneberg)
- Henning Singer (KV Südliche Weinstraße)
- Thomas Brückmann (KV Gotha)
- Max Stern (KV Landkreis Leipzig)
- Dirk Behrens (KV Rendsburg-Eckernförde)
- Luis Schäfer (KV Gera)
- Yasemin Derviscemallioglu (KV Berlin-Mitte)
- Susanne Heunisch (KV Rosenheim)