Veranstaltung: | 50. Bundesdelegiertenkonferenz Wiesbaden |
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Tagesordnungspunkt: | V Verschiedenes |
Antragsteller*in: | Lene Greve (KV Hamburg-Altona) und 59 weitere Antragsteller*innen (Frauenanteil: 47%) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 04.10.2024, 08:08 |
V-73: Werft die Lobby aus der Lobby: Für eine grüne BDK ohne Amazon, Bayer, Lidl und die Automobilindustrie!
Antragstext
Die politische Demokratie ist gemäß den Grundsätzen der Aufklärung – „Freiheit,
Gleichheit, Brüderlichkeit!“ – darauf gerichtet, im offenen Meinungsstreit das
Gemeinwohl zu ermitteln und zu verwirklichen.
Finanzkräftige Interessengruppen schließen sich in Verbänden und Lobby-
Organisationen zusammen, um dieses Prinzip im Sinne ihrer Einzelinteressen zu
unterlaufen. Sie machen im Hinterzimmer Druck, um Ziele zu erreichen, für die
demokratische Mehrheiten sich schwerlich finden lassen: Sei es die Zulassung von
umweltschädlichen Agrargiften im Interesse der Chemie-Industrie, die
Unterentwicklung des ÖPNV im Interesse der Automobilindustrie, oder die Nicht-
Freigabe von Impstoff-Patenten während pandemischer Notlagen im Interesse der
Pharma-Industrie.
Bereits der grüne Grundkonsens von 1993 beantwortet derlei Missstände mit der
Überzeugung der radikalen Demokratie: „Die Enttäuschung über mangelnde
Mitwirkungsmöglichkeiten in der Zuschauerdemokratie, über gebrochene Versprechen
von Politikern und über offensichtliche Schwierigkeiten der Parteien zur Lösung
elementarer Probleme hat sich längst mit den Folgen politischer und ökonomischer
Chancenungleichheit und der daraus resultierenden Wut und Sündenbocksuche zu
einem bedrohlichen Gemisch gepaart. Die Enttäuschung über eine unzulänglich
verwirklichte Demokratie kann leicht die Angst vor Freiheit verstärken und den
erneuten Ruf nach einer Diktatur laut werden lassen.“
In der aktuellen Krise der Demokratie setzen wir alles daran, die Gestaltung der
Gesellschaft durch die Mehrheit der Bevölkerung zu befördern, die
Parteidemokratie auszubauen und den überproportionalen Einfluss privilegierter
Gruppen auf die politische Entscheidungsfindung zurückzudrängen. Daher schließen
wir künftig Unternehmen und ihre Lobby-Verbände von unseren
Bundesdelegiertenkonferenzen aus.
Dem entpolitisierenden Klientelismus eines Amazon-Brezelstandes oder einer
Autolobby-Barista-Theke auf unserer BDK setzen wir die vermehrte Kooperation mit
denjenigen entgegen, die die Bevölkerung nicht passiv auf dem Sofa sehen wollen,
sondern sie zum Einsatz für die gemeinsamen, verallgemeinerbaren Interessen
aufrufen: Gewerkschaften, Umweltverbänden Friedensinitiativen und gemeinnützigen
Organisationen.
Begründung
Die Mitwirkung der gesamten Bevölkerung an der politischen Gestaltung, auch über die repräsentative Beteiligung an den Wahlen hinaus, wurde in Umkehrung von Elitenbildung und Industriellen-Klüngelei nach 1945 im Grundgesetz verankert: Alle Macht sollte vom Volke ausgehen und die Parteien sollten zur politischen Willensbildung beitragen.
Die je spezifischen politischen Interessen, die multinational agierende Unternehmen wie Amazon, Google oder die Automobilindustrie verfolgen – sei es die Stärkung gegenüber der internationalen Konkurrenz durch Steuermaßnahmen oder die Begünstigung des eigenen Warenabsatzes durch Subventionen – sind weder mit friedlichen internationalen Beziehungen noch mit menschenwürdigen Arbeitsbedingungen auf Höhe des wissenschaftlich-technischen Fortschritts vereinbar.
Aufgabe fortschrittlicher grüner Politik ist es, die Macht solcher Unternehmen zu begrenzen – nicht, sie sich ins Bett zu holen. Kein Gratiskaffee und keine Goodie-Tüte kann die Bedeutung der gemeinsamen demokratischen Verfügung aufwiegen. Besonders bedeutsam ist das auf dem Parteitag als Herzstück der Parteidemokratie.
Ein Hinweis zur Verhältnismäßigkeit: Bereits die Mandatsträger:innenabgabe einer einzelnen Bundestagsabgeordneten aus der Grünen Jugend für das Jahr 2022 übertraf die Summe der Spenden von Amazon und Google für ihr riesige Präsenz auf der BDK im Jahr 2023.