Veranstaltung: | 51. Bundesdelegiertenkonferenz Hannover |
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Tagesordnungspunkt: | V Verschiedenes |
Antragsteller*in: | Diversitätsrat (dort beschlossen am: 04.10.2025) |
Status: | Eingereicht |
Angelegt: | 09.10.2025, 11:12 |
V-10: Institutionellen Rassismus in Sicherheitsbehörden überwinden – Sicherheit für alle Menschen schaffen
Antragstext
Der 21-jährige Lorenz A. wurde am 20. April 2025 in Oldenburg von einem
Polizisten mit fünf Schüssen auf der Flucht vor der Polizei erschossen. Nicht
aktivierte Bodycams beim Schusswaffeneinsatz, ein mutmaßlich unverhältnismäßiger
Gewalteinsatz gegenüber einem Schwarzen Menschen und Menschen mit
Rassismuserfahrung sowie eine fehlende Transparenz in der Aufklärung, weisen
erneut darauf hin, dass es eine systematische Auseinandersetzung mit Rassismus-
und Diskriminierungsstrukturen in der Polizei braucht. Denn die tödlichen
Schüsse auf Lorenz führen zu Verunsicherung.
Die Aufdeckung rassistischer Chatgruppen von Polizist*innen in mehreren
Bundesländern, die Berichterstattung über das rechtsextreme Netzwerk Nordkreuz
mit Mitgliedern aus Polizei, Bundeswehr und Sicherheitsbehörden, oder die
Erkenntnisse aus dem NSU- Untersuchungsausschuss haben zu einem starken
Vertrauensverlust in Teilen der Bevölkerung geführt. Diese Vorfälle spiegeln
Strukturen des institutionellen Rassismus wider, aus denen wir verschiedene
Lehren für die Verbesserung polizeilicher Arbeit ziehen müssen und Forderungen
ableiten, um das Vertrauen von Menschen mit Migrationshintergrund in
Sicherheitsbehörden zu stärken. Polizeiarbeit beruht auf Vertrauen und ist
Voraussetzung dafür, dass die Polizei unsere freiheitlich-demokratische
Grundordnung verteidigen kann.
Die übergroße Mehrheit der Angestellten in Sicherheitsbehörden und der Polizei
in Deutschland kommen ihrer anspruchsvollen und oftmals gefährlichen Aufgabe
gewissenhaft und innerhalb der rechtsstaatlichen Grenzen nach. Hierfür gebührt
ihnen vollster Respekt und Wertschätzung. Kommt es allerdings zu rechtswidrigen
Handlungen von Polizist*innen, fühlen sich Betroffene oft alleingelassen.
Fehltritte von Polizist*innen wurden in der Vergangenheit häufig als Einzelfälle
und nicht als institutionelle Probleme anerkannt. Es ist essenziell, zwischen
Polizist*innen zu unterscheiden, die bewusst rassistisch handeln, und solchen,
deren diskriminierende Handlungen unbewusst aus Routinen und festgefahrenen
Strukturen resultieren. Institutionelle Abläufe wie Racial Profiling vermitteln
im Polizeialltag vermeintliche Sicherheit, führen jedoch zur Reproduktion von
Diskriminierung. Nur mit einer differenzierten Herangehensweise können wir eine
Veränderungsbereitschaft und Fehlerkultur innerhalb der Polizei fördern.
Denn institutioneller Rassismus ist kein Randthema – er ist tägliche
schmerzhafte Realität für viele Menschen. Um Sicherheit, Gleichberechtigung,
Partizipation und Gerechtigkeit für alle zu verwirklichen, ist es notwendig,
institutionellen Rassismus zu analysieren, zu benennen und zu bekämpfen.
Deutschland ist und wird immer mehr eine Migrationsgesellschaft. Der Vorstoß
gegen rassistische Strukturen ist die Voraussetzung für unser Zusammenleben.
Diese Bedingung muss sich gesetzlich niederschlagen in der Sicherstellung von
gleichen Rechten für alle in einer offenen, rassismuskritischen Gesellschaft.
- Institutionellen Rassismus aufdecken und zerschlagen
- Durchführung einer unabhängigen, bundesweiten Studie zu Rassismus
und Rechtsextremismus in Polizei und Sicherheitsbehörden. - Verbindliche Datenerhebung des Polizeibeauftragten des Bundes und
der Länder zu Racial Profiling, Polizeigewalt und
Diskriminierungsvorfällen – öffentlich unabhängig, transparent und
zugänglich. - Unabhängige Ermittlungen bei tödlicher Polizeigewalt, um
Selbstaufklärung durch die Polizei zu beenden.
- Durchführung einer unabhängigen, bundesweiten Studie zu Rassismus
- Verfassungsfeinde aus den Sicherheitsbehörden entfernen
- Einrichtung unabhängiger Polizeibeauftragten in allen Bundesländern,
mit klaren Befugnissen und außerhalb polizeilicher Hierarchien. - Konsequente Umsetzung der Reform des Bundesdisziplinargesetzes von
2024, indem Verfassungsfeinde und beabsichtigte Diskriminierung
stärker überprüft und konsequenter disziplinarisch geahndet werden.
- Einrichtung unabhängiger Polizeibeauftragten in allen Bundesländern,
- Diskriminierende Praktiken beenden
- Vollständige Umsetzung der Antidiskriminierungsrichtlinien: Das
Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) muss so reformiert werden,
dass alle Lebensbereiche erfasst sind, insbesondere staatliches
Handeln. - Bei der anstehenden Novelle des Bundespolizeigesetzes müssen
wirksame Änderungen vorgenommen werden, damit polizeiliche Maßnahmen
nicht Racial Profiling fördern, sondern diesem entgegentreten. - Verpflichtende und automatisierte Einschaltung von Bodycams bei
Anwendung von Waffen und auf Verlangen der betroffenen Bürger*innen
sowie Einführung einer flächendeckenden Kennzeichnungspflicht von
Polizist*innen.
- Vollständige Umsetzung der Antidiskriminierungsrichtlinien: Das
- Polizei zukunftsfest ausbilden
- Die Länder müssen verbindliche Module zu Antirassismus,
Antisemitismus, Diversität in der Aus- und Fortbildung von
Polizist*innen und Jurist*innen einbinden. - Mehr Vielfalt und Diversität in der Polizei und bei Jurist*innen
- (gezielte Förderung und Einstellung von Menschen mit
Migrationsgeschichte für die Posten von Richter*innen und
Staatsanwält*innen). - Auseinandersetzung mit historischen Kontinuitäten, einschließlich
der nicht abgeschlossenen Entnazifizierung und der Traditionslinien
von der NS-Zeit und des Kolonialismus bis heute.
- Die Länder müssen verbindliche Module zu Antirassismus,
Ziel
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN treten für einen Rechtsstaat ein, der das Vertrauen aller
Menschen verdient. Der Schutz von Menschenwürde, die Anerkennung von Vielfalt
und die Verteidigung der Demokratie stehen dabei im Zentrum. Institutioneller
Rassismus darf keinen Platz haben – weder in den Sicherheitsbehörden noch in
anderen Institutionen unserer Gesellschaft.
Begründung
Aktuelle Ereignisse wie der Fall Lorenz A. und mehrere aufgedeckte rechte Netzwerke in Sicherheitsbehörden verdeutlichen einen dringenden Handlungsbedarf. Denn diese Realität widerspricht dem Anspruch unseres Rechtsstaats, alle Menschen gleich zu schützen. Der Vertrauensverlust marginalisierter Gruppen gegenüber der Polizei schwächt unsere Demokratie. Deshalb müssen wir institutionellen Rassismus in Sicherheitsbehörden klar benennen, unabhängige Untersuchungen ermöglichen und eine Kultur der Lernbereitschaft fördern. Wir müssen der Entstehung und Verfestigung von Vorurteilen innerhalb und gegenüber der Polizei vorbeugen.