| Veranstaltung: | 51. Bundesdelegiertenkonferenz Hannover |
|---|---|
| Tagesordnungspunkt: | VR Im V-Ranking priorisierte V-Anträge |
| Status: | Beschluss (vorläufig) |
| Beschluss durch: | Bundesdelegiertenkonferenz |
| Beschlossen am: | 28.11.2025 |
| Antragshistorie: | Version 2 |
Institutionellen Rassismus in Sicherheitsbehörden überwinden – Sicherheit für alle Menschen schaffen
Beschlusstext
Der 21-jährige Lorenz A. wurde am 20. April 2025 in Oldenburg von einem
Polizisten mit fünf Schüssen auf der Flucht vor der Polizei erschossen. Die
nicht aktivierten Bodycams beim Schusswaffeneinsatz und ein mutmaßlich
unverhältnismäßiger Gewalteinsatz gegenüber einem Schwarzen Menschen werfen
Fragen auf. Der Fall zeigt erneut, wie wichtig eine gründliche und transparente
Aufklärung ist. Gleichzeitig muss eine systematische Auseinandersetzung mit
Rassismus und Strukturen, die Diskriminierung fördern, in der Polizei und den
Sicherheitsbehörden stattfinden. Denn die tödlichen Schüsse auf Lorenz führen zu
Verunsicherung.
Die Aufdeckung rassistischer Chatgruppen von Polizist*innen in mehreren
Bundesländern oder die Erkenntnisse aus dem NSU-Untersuchungsausschuss haben zu
einem starken Vertrauensverlust in Teilen der Bevölkerung geführt. Auch der
Umgang mit Opfern und deren Angehörigen, wie z.B. beim rassistischen
Terroranschlag in Hanau, ist noch zu oft von mangelnder Sensibilität geprägt.
Wir müssen aus diesen Vorfällen grundsätzliche Lehren für die Verbesserung der
polizeilichen Arbeit ziehen, um das Vertrauen z.B. von Menschen mit
Migrationshintergrund in Sicherheitsbehörden zurückzugewinnen. Alle
Polizist*innen müssen mit beiden Beinen auf dem Boden des Grundgesetzes stehen.
Polizeiarbeit beruht auf Vertrauen und ist Voraussetzung dafür, dass die Polizei
ihren komplexen Aufgaben nachkommen kann. Dafür braucht es eine gute Ausbildung,
gute Ausstattung und gute Arbeitsbedingungen für Polizist*innen. Wir wollen,
dass alle Menschen in unserem Land sicher sind und sich sicher fühlen.
Um Rassismus wirksam begegnen zu können, müssen wir seine verschiedenen Formen
verstehen. Dazu gehören individuelles rassistisches Verhalten, strukturelle
Benachteiligungen und institutionelle Praktiken, die diskriminierende Wirkungen
erzeugen können. Bei dem institutionellen Rassismus handelt es sich also nicht
um ein individuelles Fehlverhalten von Beamt*innen, sondern um eine vorgegebene
Praxis oder eingeübte Entscheidungsmuster. Gesellschaft und staatliche
Institutionen tragen gemeinsam die Verantwortung, diesen Formen von Rassismus
konsequent entgegenzuwirken.
Die übergroße Mehrheit der Beschäftigten in Sicherheitsbehörden und der Polizei
in Deutschland kommen ihrer anspruchsvollen und oftmals gefährlichen Aufgabe
gewissenhaft nach und agieren auf dem Boden des Rechtsstaats. Hierfür gebührt
ihnen vollster Respekt und Wertschätzung.
Fehltritte von Polizist*innen wurden in der Vergangenheit häufig als Einzelfälle
betrachtet und institutionelle Probleme zu häufig nicht erkannt. Es ist
essenziell, zwischen Polizist*innen zu unterscheiden, die bewusst rassistisch
handeln, und solchen, deren diskriminierende Handlungen unbewusst aus Routinen
und festgefahrenen Strukturen resultieren. Institutionelle Abläufe wie etwa
Racial Profiling können im Polizeialltag vermeintliche Sicherheit vermitteln,
führen jedoch zur Reproduktion von Diskriminierung. Nur mit einer
differenzierten Herangehensweise können wir eine Veränderungsbereitschaft und
Fehlerkultur innerhalb der Polizei fördern.
Denn institutioneller Rassismus ist kein Randthema – er ist tägliche
schmerzhafte Realität für viele Menschen. Um Sicherheit, Gleichberechtigung,
Partizipation und Gerechtigkeit für alle zu verwirklichen, ist es notwendig,
institutionellen Rassismus zu analysieren, zu benennen und zu bekämpfen. Das
gilt auch und gerade für die Polizei als Trägerin des staatlichen
Gewaltmonopols. Deutschland ist und wird immer mehr eine Migrationsgesellschaft.
Der Vorstoß gegen rassistische Strukturen ist die Voraussetzung für unser
Zusammenleben. Diese Bedingung muss sich gesetzlich niederschlagen, nicht nur
bei der Sicherstellung von gleichen Rechten für alle, sondern auch darin, dass
staatliche Sicherheitsbehörden rechtsstaatlich handeln. Eine offene und
vielfältige Gesellschaft, die Rassismus klar entgegentritt, schafft Vertrauen,
Teilhabe und Sicherheit für alle Menschen.
Unsere Forderungen
- Rassismus in Institutionen aufdecken und wirksame Gegenmaßnahmen ergreifen
- Dafür soll die Poizei für die Forschung geöffnet werden. Hierzu
zählt die Durchführung einer unabhängigen, bundesweiten Studie zu
Einstellungsmustern, polizeilichem Handeln sowie zu Rassismus und
Rechtsextremismus in Polizei und Sicherheitsbehörden. Dabei müssen
die Studien so gestaltet werden, dass die Anonymität für die
Teilnehmenden gewährleistet ist und keine beruflichen Nachteile
entstehen. - Verbindliche Datenerhebung des Polizeibeauftragten des Bundes und
der Länder zu Racial Profiling, Fälle von unrechtsmäßiger
Polizeigewalt und Diskriminierungsvorfällen – öffentlich unabhängig,
transparent und zugänglich. - Der Straftatbestand der Körperverletzung im Amt (§340 StGB) soll
sichtbar in der Polizeilichen Kriminalstatistik abgebildet werden,
um mehr Transparenz herzustellen. - Unabhängige, transparente und zentralisierte Ermittlungen bei
tödlicher Polizeigewalt und Todesfällen in Polizeigewahrsam durch
die Bundesanwaltschaft, um Selbstaufklärung durch die Polizei zu
beenden.
- Dafür soll die Poizei für die Forschung geöffnet werden. Hierzu
- Verfassungsfeinde aus den Sicherheitsbehörden entfernen
- Einrichtung unabhängiger Polizeibeauftragten in allen Bundesländern,
mit klaren Befugnissen und außerhalb polizeilicher Hierarchien. - Konsequente Umsetzung der Reform des Bundesdisziplinargesetzes von
2024, indem Verfassungsfeinde und beabsichtigte Diskriminierung
stärker überprüft und konsequenter disziplinarisch geahndet werden.
- Einrichtung unabhängiger Polizeibeauftragten in allen Bundesländern,
- Diskriminierende Praktiken beenden
- Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) muss so reformiert und
durch entsprechende Landesgesetze ergänzt werden, dass auch
Diskriminierungen durch staatliche Stellen wirksam erfasst werden. - Bei der anstehenden Novelle des Bundespolizeigesetzes müssen
wirksame Änderungen vorgenommen werden, damit polizeiliche Maßnahmen
nicht Racial Profiling fördern, sondern wirksam unterbinden. - Verpflichtende und automatisierte Einschaltung von Bodycams bei der
Anwendung von unmittelbarem Zwang, deren Hilfsmitteln und
Dienstwaffen sowie auf Verlangen der betroffenen Bürger*innen. Wir
setzen uns dafür ein, dass die Sicherheitsbehörden ausreichend
finanziellen Mitteln erhalten, um die notwendige Ausrüstung für
diese Maßnahmen beschaffen zu können. - Wir fordern die Einführung einer flächendeckenden
Kennzeichnungspflicht von Polizist*innen. - Personen, die einer polizeilichen Personenkontrolle unterzogen
wurden, sollen eine Kontrollquittung unter Nennung des Anlasses der
Kontrolle einfordern können.
- Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) muss so reformiert und
- Polizei zukunftsfest ausbilden und Behörden modern aufstellen
- Bund und Länder müssen verbindliche Module zu Antirassismus,
Antisemitismus, Diversität sowie interkulturelle Kompetenz in der
Aus- und Fortbildung von Polizist*innen und Jurist*innen stärker
einbinden. - Mit einer besseren Personaldecke und guten Arbeitsbedingungen wollen
wir Zeitdruck und Stress in den Sicherheitsbehörden verringern,
damit es möglichst nicht zu Überlastungssituationen kommt. - Die Vielfalt und Diversität in der Polizei, in den
Sicherheitsbehörden und der Justiz muss gezielt gefördert werden,
damit diese besser unsere Gesellschaft abbildet. Dafür muss ein
entsprechender Schwerpunkt bei Rekrutierung und Auswahl gelegt und
entsprechende Mentoringprogramme aufgelegt werden. - Mit Partizipationsgesetzen in Bund und Ländern wollen wir die
Förderung der Einstellung von Menschen mit Migrationsgeschichte
vorantreiben. - Um das gegenseitige Vertrauen und Verständnis zu stärken, sollen
Begegnungen zwischen Sicherheitsbehörden und
Religionsgemeinschaften, sozialen Trägern und Jugendeinrichtungen
bereits in der Ausbildung eingeführt werden. - Bezirksdienstbeamt*innen, welche an Schulen und Jugendeinrichtungen
als Ansprechpartner*innen für die Jugendlichen dienen, leisten einen
unschätzbaren Wert und müssen erhalten, anstatt eingespart werden. - Die wissenschaftliche Aufarbeitung der Sicherheitsbehörden im
Nationalsozialismus, wie bereits in einigen Behörden Praxis, muss
fortgeführt werden. In der Aus- und Fortbildung von Polizist*innen
sollen der Nationalssozialismus und der Kolonialismus sowie die
historische Rolle der Sicherheitsbehörden in dieser Zeit intensiv
reflektiert werden.
- Bund und Länder müssen verbindliche Module zu Antirassismus,
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN treten für einen Rechtsstaat ein, der das Vertrauen aller
Menschen verdient. Wir kämpfen für einen Rechtsstaat und Sicherheitsbehörden,
denen alle Menschen ihr Vertrauen schenken. Der Schutz von Menschenwürde, die
Wahrung von Bürger*innenrechten, die Anerkennung von Vielfalt und die
Verteidigung der Demokratie stehen dabei im Zentrum. Wir stehen für eine
vielfältige Gesellschaft, die alle Menschen willkommen heißt und Betroffene von
Rassismus nicht alleine lässt. Rassismus darf keinen Platz haben – weder in den
Sicherheitsbehörden noch in anderen Institutionen unserer Gesellschaft.
