Das Öl- und Gasunternehmen One-Dyas will nur 500 m vom UNESCO-Weltnaturerbe und Nationalpark Wattenmeer entfernt nach Erdgas bohren. Das Gasfeld befindet sich je zur Hälfte unter der niederländischen und der deutschen Nordsee. Selbst im Spitzenproduktionsjahr würden hier deutlich weniger als ein Prozent des Gasverbrauches in Deutschland abgedeckt werden, danach fällt die Fördermenge jährlich weiter ab. Demgegenüber stehen massive Umweltauswirkungen und CO2-Emissionen. Die UNESCO-Kommission kritisiert das Projekt und seine möglichen Auswirkungen auf das UNESCO-Weltnaturerbe Wattenmeer seit Jahren.
Die aktuellen Gasbohrungen vor Borkum sind in dieser Projektplanung nur der Anfang. Katherina Reiche und die schwarz-rote Koalition planen einen massiven Ausbau der Gasförderung im Inland, neue Lieferverträge aus dem Ausland sowie eine Wiederbelebung für neue Gasanwendungen. Das Unternehmen hinter der Gasbohrung, One-Dyas, plant zudem eine massive Ausweitung der Gasförderung in der Nordsee, die durch das Abkommen stark erleichtert werden würde.
Umweltverbände wie die Deutsche Umwelthilfe (DUH) gehen gemeinsam mit Partner*innen u.a der Stadt Borkum, der Bürgerinitiative Saubere Luft Ostfriesland e. V., dem BUND Niedersachsen, der niederländische Umweltorganisation Mobilisation for the Environment (MOB) und Fridays for Future (FFF) mit öffentlichem Protest und auf dem Rechtsweg gegen die Bohrungen vor. Zuletzt fand Anfang September ein Protestcamp auf der Insel statt, besucht auch von mehreren Mitgliedern der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen. Klagen der DUH in den Niederlanden und in Deutschland sind noch anhängig.
Da es um die Erschließung eines grenzüberschreitender Gasfelder geht, ist ein völkerrechtliches Abkommen nötig. Am 02.07.2025 hat das Kabinett ohne Aussprache die Vorlage von Wirtschaftsministerin Reiche zur Zustimmung der Unterzeichnung eines Unitarisierungsabkommen mit den Niederlanden zugestimmt. Das Abkommen wurde am 27.08.2025 unterzeichnet. Laut Wirtschaftsministerium braucht es zusätzlich noch ein Vertragsgesetz, dem Bundestag und Bundesrat zustimmen müssen (siehe dazu Art. 56 Abs. 2 S. 1 GG i.V.m. Art. 84 Abs. 1 S. 5 und 6 GG).
Das Abkommen ist politisch wie rechtlich hochproblematisch: Es sieht vor, dass Genehmigungen für die Gasförderung im grenzüberschreitenden Gebiet nicht geändert werden dürfen, wenn niederländische Interessen betroffen sind (Art. 4 Abs. 3). Damit verliert Deutschland faktisch seine Entscheidungshoheit über Umwelt- und Sicherheitsfragen im eigenen Hoheitsgebiet - ein klarer Souveränitätsverzicht zugunsten des ausländischen fossilen Konzerns ONE-Dyas. Die Wirkung des Abkommens ist dabei asymmetrisch, da es praktisch nur zu Lasten Deutschlands wirken kann, weil bislang ausschließlich niederländische Unternehmen mit Förderinteressen aktiv sind. Deutschland verzichtet somit auf seine Einflussmöglichkeiten, während die Niederlande faktisch von dieser Bindung profitieren.
Zudem verstößt das Abkommen gegen EU-Recht: Es schließt Änderungen oder Aufhebungen rechtswidriger Genehmigungen faktisch aus. Artikel 11 schreibt sogar die Verlängerung oder Erneuerung ablaufender Genehmigungen vor – selbst ohne Antrag und ohne ökologische Prüfung. Damit werden Wirtschaftlichkeit und technische Machbarkeit EU-rechtswidrig über Umwelt- und Klimaschutz gestellt.
Die Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen hat sich am 12.09.2025 unter dem Titel “Gasbohrungen in Deutschland beenden – Energiewende konsequent weiterführen“ gegen die Gasbohrungen vor Borkum ausgesprochen und gefordert, dass das Vertragsgesetz für das Unitarisierungsabkommen mit dem Königreich der Niederlanden nicht erarbeitet wird (siehe dazu Drucksache 21/836).
Auf der BDK am 17.11.2024 haben wir im Dringlichkeitsantrag: „Verantwortung in dieser Zeit“ eine Absage an die Gasförderung vor Borkum und die dazugehörige Infrastruktur erteilt.
Die Gefährdung deutscher Schutzgebiete (insbesondere des UNESCO-Weltnaturerbes Wattenmeer) sowie der klimapolitische Rückschritt durch die weitere Förderung fossiler Energien verschärfen die Probleme zusätzlich. All dies geschieht nur, weil die Niederlande nach der Schließung des Groningen-Gasfeldes dringend kleine Vorkommen in der Nordsee ausbeuten wollen, während in Deutschland bislang weder Unternehmen noch die Öffentlichkeit ein Interesse an einer solchen Ausbeutung haben, sondern ganz im Gegenteil der Verlust von Deutschlands größtem UNESCO-Weltnaturerbe droht. Denn auch hier drohen gravierende Folgen für das sensible Ökosystem: Einleitung belasteter Lagerstättenwässer, Absenkung des Meeresbodens mit unvorhersehbaren Auswirkungen auf Riffe, Unterwasserlärm mit schweren Belastungen für Meeressäuger und Fischbestände sowie potenzielle Risiken für die Insel Borkum und ihre Trinkwasserversorgung.
Das vorliegende Abkommen ist klimapolitisch unverantwortlich und energiewirtschaftlich unsinnig. Mitten in der Klimakrise setzt die schwarz-rote Bundesregierung auf neue fossile Infrastruktur, statt den Ausstieg aus Öl und Gas konsequent zu beschleunigen. Das Abkommen enthält keinerlei Bezug zu den Pariser Klimazielen oder zum deutschen Klimaschutzgesetz. Weder eine CO₂-Bilanz noch Nachhaltigkeitsstandards oder eine Perspektive für eine fossilfreie Energieversorgung sind vorgesehen. Damit widerspricht es den selbst gesteckten Klimazielen der Bundesregierung.
Die Förderung vor Borkum öffnet zudem Tür und Tor für weitere Bohrungen: Sie trägt weder zur Energiesicherheit noch zur Unabhängigkeit bei, zementiert aber fossile Abhängigkeiten für Jahrzehnte und verursacht erhebliche ökologische und klimatische Schäden. Bei Verbrennung entstünden rund 65 Millionen Tonnen CO₂. Hinzu kommen Leckagen von besonders klimaschädlichem Methan. Die Internationale Energieagentur hat bereits 2021 festgestellt, dass keine neuen fossilen Förderprojekte mehr gestartet werden dürfen, wenn die 1,5-Grad-Grenze eingehalten werden soll.
Statt neuer Gasbohrungen braucht es eine konsequente Reduktion des Gasverbrauchs durch Energieeffizienz, Elektrifizierung und einen beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien.
Aus diesen Gründen lehnen wir als Bündnis 90/Die Grünen das Unitarisierungsabkommen und seine Umsetzung in deutsches Recht ab und stimmen diesem im Bundestag und im Bundesrat nicht zu. Das ist glaubwürdige und klare Politik. Wir machen, was wir sagen und stellen uns unserer Verantwortung. Wir stehen auf Seiten der Menschen vor Ort, des Wattenmeers, für die Zukunft unserer Kinder und Enkel auf dieser Erde und positionieren uns klar gegen die schmutzige Gaspolitik der Regierung Merz.
