Um sexueller Belästigung innerhalb der Partei wirksam und konsequent entgegenzutreten, braucht es eine verbindliche Verankerung entsprechender Schutz- und Beschwerdestrukturen in der Satzung von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Diese Strukturen müssen der Perspektive und dem Schutz Meldender Rechnung tragen und auf demokratisch legitimierten, rechtsstaatlichen Verfahren beruhen. Für einen fairen und transparenten Interessenausgleich sind eindeutige Regeln und Abläufe erforderlich, die sich am allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz orientieren.
Im Rahmen der Arbeitsgemeinschaft wurde daher ein Konzept erarbeitet, welches auf verschiedenen Säulen mit unterschiedlichen Zuständigkeiten basiert.
Im Einzelnen:
§ 24 (2) Nr. 3
Die Änderung stellt klar, dass sich das Ruhen der Mitgliedschaftsrechte auf die Rechte der Mitglieder im Sinne des § 7 der Bundessatzung bezieht und erlaubt eine flexible und einzelfallgerechte Maßnahme.
§ 30 Abs.1
Grundlage jeder Struktur gegen sexuelle Belästigung ist die Begriffsbestimmung.
Der Gesetzgeber hat (Benachteiligung wegen) sexuelle(r) Belästigung gemäß § 3 Abs. 4 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) definiert als jedes unerwünschte sexuell bestimmte Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen oder sichtbares Anbringen von pornographischen Darstellungen gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betroffenen Person verletzt wird, insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.
Bei dieser Formulierung handelt es sich um geltendes Bundesrecht auf Grundlage europarechtlicher Antidiskriminierungsrichtlinien. Dies garantiert Rechtssicherheit und ermöglicht vergleichsweises Heranziehen geltender Rechtsprechung. Zudem umfasst die Definition auch strafrechtlich nicht relevante Verhaltensweisen. Da das Konzept von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ausschließlich Fälle unterhalb der strafrechtlichen Relevanz umfasst, ist eine Definition im Sinne des AGG sinnvoll.
Abgestellt wird darauf, ob die Handlung “bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betroffenen Person verletzt wird (...)”.
Dies entspricht den Anforderungen an die Berücksichtigung der Perspektive von meldenden Menschen.
§ 30 Abs. 2
Als demokratisch legitimiertes, mit entsprechenden Kompetenzen ausgestattetes Parteiorgan kann ein Schiedsgericht Ordnungsmaßnahmen gegen Mitglieder verhängen. Dies entspricht den gesetzlichen Anforderungen des Parteienrechts und der bisherigen Bundessatzung von BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN.
Unter welchen Voraussetzungen Ordnungsmaßnahmen ausgesprochen werden können, obliegt der Satzungsautonomie der Parteien. Die Ausübung von sexueller Belästigung und Machtmissbrauch widerspricht den Grundwerten der feministischen Partei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und kann somit geahndet werden.
Der Rückgriff auf die Schiedsgerichtsbarkeit schafft Verfahrensklarheit. Das Aussprechen von Ordnungsmaßnahmen kann ausschließlich auf Grundlage eines schiedsgerichtlichen Verfahrens erfolgen.
§ 30 Abs.3
Die Zuständigkeiten von Anlauf- und Beschwerdestellen sind unterschiedlich. Sie sind getrennt voneinander zu betrachten und stehen nicht in Kontakt miteinander. So wird gewährleistet, dass das Verfahren unvoreingenommen und auf Grundlage sachlicher Kriterien durchgeführt wird. Außerdem ist durch die Trennung für eine klare Aufgabenverteilung gesorgt. Während die Anlaufstelle der Begleitung und Unterstützung meldender Menschen dient, arbeitet die Beschwerdestelle unparteiisch an einer gemeinsamen Bearbeitung der Situation.
