Veranstaltung: | Außerordentliche Bundesdelegiertenkonferenz |
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Tagesordnungspunkt: | V Verschiedenes |
Antragsteller*in: | Felix Steins (Hamburg-Eimsbüttel KV) und 24 weitere Antragsteller*innen (Frauenanteil: 0%) |
Status: | Eingereicht |
Verfahrensvorschlag: | Abstimmung (Abgelehnt) |
Eingereicht: | 25.01.2018, 10:26 |
V-34: Solidarität mit den Kurd*innen in Afrin – Entkriminalisierung der kurdischen und türkischen Opposition in Deutschland!
Antragstext
Seit den Gezi-Protesten beziehungsweise spätestens mit dem fulminanten Einzug der HDP in das
türkische Parlament hat das AKP-Regime massiv an demokratischer Legitimation verloren. Dass
sein Zenit an demokratischer Macht überschritten ist, hat Erdogan seitdem wesentlich damit
kompensiert, die Türkei als autoritären Führerstaat auf ihn und die AKP zuzuschneiden. Dies
wird begleitet von einer gewaltigen Propaganda- und Ideologieproduktion, die den politischen
Islamismus und neoosmanische Großmachtträume mit den klassischen ideologischen Komponenten
autoritär-neoliberaler Regimes wie Klassismus, Elitarismus, Linkenfeindlichkeit und die
„Reinhaltung des Volkskörpers“ kombiniert. Die Kehrseite dieser faschistoiden Medaille ist
die vernichtungsideologisch motivierte Gleichschaltung politischer Gegner*innen und
Assimilation ethnischer Minderheiten.
Der völkerrechtswidrige Angriffskrieg in Afrin ist, neben geostrategischen und ökonomischen
Interessen, deshalb wesentlich die Fortführung der türkischen Innenpolitik mit anderen
Mitteln. Die Kurd*innen – auch die in Syrien – sind das „ideale“ Feindbild des AKP-Regimes:
Gleichzeitig ethnische Minderheit und politische Opposition. Nicht nur innerhalb der Türkei
– der „demokratische Konföderalismus“, den linke kurdische Kräfte in Nordsyrien
initialisieren und der eine radikale politische wie wirtschaftliche Demokratie, soziale
Gleichheit, die Befreiung der Frau, gleichberechtigende kulturelle Pluralität, ökologische
Nachhaltigkeit und Frieden umfasst, ist ein radikaler Gegenentwurf zum AKP-Regime – und
straft die türkische Doktrin einer Wiederauflage des „Pax Ottomana“, nach der es Frieden in
der Vielvölkerregion nur unter türkischer Hegemonie geben könne, Lügen.
In dieser Konfliktlage hat sich Deutschland eindeutig positioniert: NATO-
Bündnispartnerschaft und der inhumane „Flüchtlingsdeal“ mit einem Regime, das die Türkei
immer offensichtlicher Richtung Faschismus treibt, sind scheinbar wichtiger als die
Anerkennung der kurdischen Leistungen bei der Bekämpfung des Islamischen Staates(IS),
wichtiger als die Stärkung demokratischer Kräfte in der Türkei und Nordsyrien, wichtiger als
Frieden in einer bürgerkriegsgebeutelten Region und wichtiger als das Völkerrecht.
Diese Friedens- und Demokratiefeindlichkeit drückt sich nicht nur durch Rüstungsexporte in
die Türkei, der unangebrachten diplomatischen Zurückhaltung angesichts dieser brutalen
Eskalation und die ökonomische und legitimatorische Subvention des AKP-Regimes im Rahmen des
„Flüchtlingsdeals“ aus. Insbesondere legen Bundes- und Landesregierungen und deren Behörden
absurde Doppelstandards an die Ableger der unterschiedlichen politischen Akteur*innen in
Deutschland an: So lässt die politisch angeblich neutrale Ditib ihre Imame für einen
erfolgreichen Angriffskrieg beten[1] und betreibt damit Propaganda für einen
Völkerrechtsbruch, gleichzeitig gibt es Staatsverträge mit genau diesem Verband[2].
Andererseits werden die kurdische Bewegung und linke türkische Oppositionsgruppen massiv
kriminalisiert. So wird zum Beispiel die „Föderation der Demokratischen Arbeitervereine
e.V.“ (DIDF) vom Verfassungsschutz als „linksextrem“ eingestuft, denn diese „prangert vor
allem angebliche[!] Menschenrechtsverletzungen in der Türkei“[3] an. Im Falle der kurdischen
Bewegung hat Deutschland bereits 1993 und in Folge dessen auch die EU 2002 die PKK als
Terrororganisation eingestuft. Kurdische Symboliken sind umfassenden Verboten ausgesetzt,
bereits das Zeigen von Fahnen kann zu Hausdurchsuchungen führen [4] – sogar die Symbole der
gegen den IS kämpfenden YPG/YPJ sind verboten. Fast gegen alle Möglichkeiten, sich im Sinne
einer kurdisch-linken Bewegung zu engagieren werden vom instrumentellen Terrorbegriff des
Verfassungsschutzes erfasst, indem diverse Vereine und Gruppen in die Nähe der PKK gerückt
werden[5].
Petitum:
- Bündnis90/DieGRÜNEN verurteilen den Angriffskrieg in Afrin als völkerrechtswidrigen,
antidemokratischen Akt und brutale, teilweise gegen die Zivilbevölkerung gerichtete,
Eskalation.
- Bündnis90/DieGRÜNEN betrachten die Türkei, solange sie sich unter Erdogan zunehmend in
eine faschistoide oder zumindest autokratische Richtung entwickelt, nicht länger als
geeigneten außenpolitischen Verbündeten und hält einen Stopp von Waffenexporten und
militärischer Kooperation für unabdingbar.
- Vor diesem Hintergrund fordern Bündnis90/DieGRÜNEN eine umfassende Neubewertung der
Organisationen der kurdischen Bewegung und der türkischen Linken durch die deutsche
Regierung und deren Sicherheitsbehörden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Grenze
dessen, was aus zivilgesellschaftlicher Sicht legitimer Widerstand ist, unter dem
zunehmend autoritärer werdenden AKP-Regime immer weiter von der Legalitätsgrenze
entfernt verläuft.
- Auch Staatsverträge mit Organisationen, die in Deutschland systematisch
Völkerrechtsbrüche propagieren, müssen nach Meinung von Bündnis90/DieGRÜNEN einer
umfassenden Neubewertung unterzogen und gegebenenfalls ausgesetzt oder aufgekündigt
werden.
Quellen:
Begründung
Der Dringlichkeit:
Der Angriffskrieg in Afrin begann nach der regulären Antragsfrist und erfordert eine umfassende Neubewertung der türkisch-kurdischen Gesamtsituation.
weitere Antragsteller*innen
- Carola von Paczensky (Hamburg-Altona KV)
- Paul Nellen (Hamburg-Mitte KV)
- Johannes Klein (Saarbrücken KV)
- Frank Steiner (Hamburg-Altona KV)
- Dorothea Meuren (Neckar-Bergstraße KV)
- Detlef Kröger (Hamburg-Eimsbüttel KV)
- Krystyna Grendus (Odenwald-Kraichgau KV)
- Carola Blume-Kullmann (Ettlingen KV)
- Ralf Henze (Odenwald-Kraichgau KV)
- Barbara Poneleit (Forchheim KV)
- Andreas Roll (Ludwigsburg KV)
- Gerhard Klünder (Warendorf KV)
- Manuela Braun (Rastatt/Baden-Baden KV)
- Marc Kersten (Köln KV)
- Carlos Echegoyen (Bonn KV)
- Frédéric Zucco (Augsburg-Stadt KV)
- Ruth Birkle (Karlsruhe-Land KV)
- Ali Demirhan (Herzogtum Lauenburg KV)
- Hendrik Hinrichs (Hamburg-Nord KV)
- Nabiha Ghanem (Soest KV)
- Hartmut Heilmann (Berlin-Tempelhof/Schöneberg KV)
- Andrea Piro (Rhein-Sieg KV)
- Fritz Lothar Winkelhoch (Oberberg KV)
- Andreas Rieger (Dahme-Spreewald KV)
Kommentare
Detlef Kröger:
Philipp Schmagold:
danke für deinen Einsatz.
Es gibt allerdings schon einen Antrag zu Afrin:
https://antraege.gruene.de/ao-bdk/Keine_Ruestungsexporte_in_die_Tuerkei_angsichts_der_Militaeroffensive_in_-4087
Bitte dort deinen Text als Änderungsantrag einbringen, dann steigen die Chancen, dass das Thema auf die Tagesordnung kommt.
Wird jeder Teilaspekt einzeln beantragt, wird das im V-Ranking problematisch.
Grüne Grüße!
Philipp