Veranstaltung: | 1. ordentlicher Bundesfrauenrat 2024 |
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Tagesordnungspunkt: | TOP 3 Antifeminismus und Rechtsruck als Gefahr für unsere Demokratie |
Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | Bundesfrauenrat |
Beschlossen am: | 04.05.2024 |
Antragshistorie: | Version 2 |
Istanbulkonvention für geflüchtete Frauen konsequent umsetzen – Rechtsruck und Antifeminismus entgegenstehen
Beschlusstext
Die Istanbul-Konvention verankert den Schutz von Frauen und Mädchen endlich
gesetzlich für alle Frauen, unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus in
Deutschland und der EU. Dies schließt die Verhinderung und Bekämpfung von Gewalt
gegen geflüchtete Frauen ein.Deshalb begrüßen wir sehr, dass die Europäische
Union selbst der Istanbul-Konvention beigetreten ist.
Die kürzlich beschlossenen Asylrechtsverschärfungen im Rahmen der Reform des
„Gemeinsamen europäischen Asylsystems“ (kurz: GEAS) stehen unseres Erachtens
nicht im Einklang mit den Vorgaben der Istanbul-Konvention. Diese gibt eine
sensible Prüfung individueller Schutzgründe durch geschultes Personal in
Asylverfahren vor. Schnellverfahren an den Außengrenzen verhindern dies und
somit das Erkennen oder geltend machen geschlechtsspezifischer Fluchtgründe.
Denn damit Frauen erlebte geschlechtsspezifische Gewalt als Fluchtgrund äußern
können, braucht es geschultes Personal, genug Zeit, Feinfühligkeit und eine
sichere, unterstützende Umgebung.
Wir werden daher weiterhin Druck ausüben, damit Frauen diese Unterstützung
zukommt. Solange GEAS in der nun beschlossen Form gilt und umgesetzt wird,
werden wir dafür eintreten, dass das vorgesehene Menschenrechtsmonitoring
tatsächlich und wirksam eingesetzt wird und den besonderen Schutzbedarf von
Frauen und anderen marginalisierten Gruppen in den Blick nimmt.
Wir setzen uns dafür ein, dass Frauen, die vor geschlechtsspezifischer Gewalt,
wie sexualisierter Gewalt, Femiziden, Zwangsverheiratung und
Genitalverstümmelung, fliehen und auf ihrer Flucht oft wieder Gewalt erleben, in
Europa endlich Schutz und Zuflucht finden, statt der Willkür in
Hafteinrichtungen ausgeliefert zu sein.
Auch in Deutschland muss die Umsetzung der Istanbul-Konvention noch konsequenter
forciert werden. Der Kontrollausschuss des Europarats GREVIO weist in seinem
ersten Bericht zur Umsetzung der Istanbul-Konvention in Deutschland zahlreiche
Umsetzungslücken auf, und zwar besonders bezüglich geflüchteter Frauen. Wir
Grüne setzen uns daher dafür ein, dass in der Migrations- und Flüchtlingspolitik
ein besonderer Fokus auf den Schutz von Frauen gelegt wird.
Im Einklang mit GREVIO verlangen wir den Einsatz unserer Regierung für die
sichere Unterbringung asylsuchender FLINTA sowohl in Deutschland als auch an den
Außengrenzen der EU. Dafür muss unter anderem die Anwendung des
Gewaltschutzgesetzes in Unterkünften für Geflüchtete sichergestellt werden.
Außerdem fordern wir die proaktive Thematisierung geschlechtsspezifischer
Fluchtgründe in Asylverfahren an den Außengrenzen und in Deutschland, und zwar
durch geschultes, sensibles Personal.
Es muss außerdem gewährleistet werden, dass der Aufenthalt einer (geflüchteten)
Frau in Deutschland nicht durch das Lösen aus einer Gewaltbeziehung gefährdet
ist. Betroffene von Partnerschaftsgewalt, deren Aufenthaltsstatus von dem
Aufenthaltsstatus ihres Ehemanns abhängt, sollen schneller einen eigenständigen
Aufenthaltstitel erhalten können, damit sie sich aus Gewaltbeziehungen lösen
können. Der Aufenthalt in einem Frauenhaus weit weg vom zugeordneten Wohnort
muss möglich sein.
Die schnelle, wirksame und vorbehaltlose Umsetzung der Istanbul-Konvention steht
Dank unserer Grünen Verhandler*innen im Koalitionsvertrag. Wir fordern alle
Mandatsträger*innen und Parteifunktionär*innen von BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN dazu
auf, sich im Einklang mit unserem Grundsatzprogramm weiter für ein humanitäres
Asylrecht und die konsequente Umsetzung der Istanbul-Konvention für geflüchtete
Frauen in Deutschland und Europa einzusetzen.
Der Bundesfrauenrat setzt sich dafür ein, dassdie Asylrechtsverschärfungen nicht
als das neue Normal oder gar als Erfolg gelten. Wir schließen uns der BAG
Frauenpolitik an, die die Zustimmung zur GEAS-Reform als antifeministischen
Rückschritt und eine Bestärkung des rechten Populismus in Europa bezeichnet.
Wir sind der Überzeugung,dass ein ständiger Diskurs über Abschottung und
Asylrechtsverschärfungen eine starke Verschiebung in der Migrationspolitik
verursacht hat. Dies nutzt insbesondere rechtsextremen Parteien und fördert
Rassismus und Gewalt in der Gesellschaft. Als intersektional feministische
Partei können wir dies nicht akzeptieren. Um dem Rechtsruck und dem
einhergehenden Antifeminismus entgegenzuwirken, ist es notwendig, klare Haltung
für die Menschenrechte zu zeigen und für die Umsetzung und Einhaltung der
Istanbul-Konvention zu kämpfen.