Veranstaltung: | 43. Bundesdelegiertenkonferenz Leipzig |
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Tagesordnungspunkt: | EP-F Europawahlprogramm (Kapitel 3) |
Status: | Beschluss (vorläufig) |
Beschluss durch: | Bundesdelegiertenkonferenz |
Beschlossen am: | 12.11.2018 |
Eingereicht: | 13.11.2018, 09:21 |
Antragshistorie: | Version 1 |
Kapitel 3: Sichern und stärken, was uns ausmacht: Freiheit, Demokratie und Menschenrechte
Beschlusstext
Die Europäische Union hat Unglaubliches geleistet: Zum ersten Mal in der Geschichte unseres
Kontinents leben wir in einem gemeinsamen Raum des Rechts und nicht nach dem Prinzip „Recht
des Stärkeren“. Die EU hat schon viele Schritte für mehr Gleichberechtigung, für den Schutz
von Minderheiten und für die Stärkung ihrer Demokratie getan.
Europas Werte sind basierend auf der Grundrechtecharta: Freiheit, Demokratie, Gleichheit,
Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte. Dieses Fundament muss all die Bewohner*innen der
Europäischen Union tragen und verdient es mit einem arbeitsfreien Feiertag gewürdigt zu
werden, der in allen Mitgliedsstaaten gemeinsam gefeiert wird.
Doch in den letzten Jahren und Monaten haben nationale und nationalistische, reaktionäre,
populistische und völkisch-rassistische Parteien die Grundprinzipien der Europäischen
Einigung angegriffen und ausgehöhlt. Wir stehen für die Stärkung der Demokratie und wünschen
uns gerade in Zeiten des Erstarkens der extremen Rechte ein solidarisches Europa, das sich
sozial erneuert und in dem Menschen sich frei begegnen können. Das heißt nicht,
Mitgliedsstaaten zu entmachten, sondern nationale Kompetenzen zu bündeln, um einen Raum der
Freiheit, der Sicherheit und des Rechts zu gewährleisten.
Diese Idee eines freiheitlichen demokratischen Europas leben wir und werden die Werte
Europas verteidigen. Wenn nationale Regierungen Rechte von Andersdenkenden mit Füßen treten
und die Unabhängigkeit von Justiz oder Presse in Frage stellen, stärken wir gezielt die
demokratischen Kräfte in den betroffenen Mitgliedstaaten. Wenn autoritäre Regierungen in
Mitgliedstaaten Demokratie und Rechtsstaatlichkeit durch Korruption untergraben, soll die
EU-Kommission den nationalen Regierungen die Kontrolle über die EU-Gelder entziehen können.
Wenn Menschen im Netz angegriffen werden, zum Beispiel aufgrund ihres Aussehens, ihrer
Behinderung oder sexuellen Identität oder weil sie angeblich nicht die richtige Herkunft
oder Religion haben, dann wollen wir gesamtgesellschaftliche Antworten mit einem Fokus auf
effiziente Rechtsdurchsetzung auch gegenüber internationalen Konzernen entwickeln. Eine
anlasslose Massenüberwachung lehnen wir ab. Wenn Menschen sich aus Not in die Hände von
Schleppern und Schmugglern begeben müssen, schaffen wir legale Flucht- und Migrationswege
und ein Einwanderungsgesetz, damit das Sterben auf dem Mittelmeer beendet und Einwanderung
ermöglicht wird.
Aber es bleibt viel zu tun: Demokratische Strukturen und Beteiligungsrechte wollen wir
stärken, Minderheiten noch effektiver schützen, Grundrechte ausbauen und Sicherheit
gewährleisten.
3.1. Grundrechte in der Europäischen Union sichern
Wir sind der Achtung der Menschenwürde, der Freiheit, Demokratie, Gleichheit,
Rechtsstaatlichkeit und der Wahrung der Menschenrechte einschließlich der Rechte der
Personen, die Minderheiten angehören, verpflichtet. Die Werte der Europäischen Union bilden
das Fundament der EU.
Wenn aber nationale Regierungen diese Rechte mit Füßen treten und immer autoritärer werden,
die Presse-, Meinungs- und Religionsfreiheit einschränken, Minderheiten schikanieren, die
Unabhängigkeit der Justiz oder die Freiheit der Künste aufheben, dann steht die EU häufig
nur ratlos daneben.
Wir müssen daher die demokratischen Kräfte in den betroffenen Mitgliedstaaten stärken.
Entsprechend wollen wir die Möglichkeiten der EU erweitern. Dafür gibt es nicht die eine
Antwort, sondern es braucht ein Paket an Maßnahmen. Wir schlagen daher folgende Punkte zur
Stärkung von Demokratie und Freiheit in der Europäischen Union vor:
Die Europäische Grundrechtecharta verbindlich machen
Unser langfristiges Ziel ist es, dass alle EU-Bürgerinnen und EU-Bürger die gleichen
einklagbaren Grundrechte bekommen, um ihre Grundrechte und die Demokratie in allen
Mitgliedsländern besser verteidigen zu können. Die bestehende Grundrechtecharta der EU
beinhaltet grundlegende politische Freiheiten und demokratische Prinzipien, ebenso wie
moderne Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger, zum Beispiel auf Zugang zu guter
Gesundheitsversorgung und guter Bildung. Derzeit gilt die Grundrechtecharta allerdings
unmittelbar nur für europäische Gesetze und Organe. Für das Handeln nationaler Regierungen
ohne Bezug auf das Europarecht gelten die Grundrechte des jeweiligen Landes und die
Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK).
Wir wollen eine Reform der Grundrechtecharta, so dass ihr Anwendungsbereich so ausgeweitet
wird, dass alle Bürgerinnen und Bürger der EU die in der Charta enthaltenen Grundrechte im
national vorgesehenen Instanzenweg auch gegenüber ihren jeweiligen Nationalstaaten einklagen
können. Das würde sie massiv stärken und die Möglichkeiten verbessern, Demokratie und
Rechtsstaatlichkeit zu verteidigen, gerade in den Ländern, in denen diese Prinzipien
angegriffen werden. Die Grundrechtecharta muss dabei uneingeschränkt auch in der digitalen
Sphäre durchgesetzt und hierfür gegebenenfalls weiterentwickelt werden.
Europaweiter Einsatz für Kinderrechte und Kinderschutz
Kinder haben eigenständige Rechte. Sie haben ein Recht auf Beteiligung und bedürfen unseres
besonderen Schutzes und unserer Fürsorge, damit sich sie sich altersgerecht entwickeln und
zu selbstbewussten Persönlichkeiten heranwachsen können. Das Kindeswohl ist bei allen
Angelegenheiten, die Kinder betreffen, vorrangig zu berücksichtigen.
Kinderrechte müssen EU-weit gelten und Kinderschutz umfassend gestärkt werden. Deswegen
setzen wir uns für eine konsequente Förderung der Kinderrechte und des Kinderschutzes im
Sinne der UN-Kinderrechtskonvention durch die Europäische Union ein.
Die Europäische Union muss wirksam darauf hinarbeiten, dass ihre hohen Standards im Bereich
Kinderrechte auch von den Mitgliedsstaaten umgesetzt werden. Die Einrichtungen der
Jugendhilfe in den Mitgliedsstaaten müssen gestärkt, Beratungsangebote ausgebaut und
materielle Notlagen abgefedert werden. Besonderes Augenmerk muss auf dem Schutz der Kinder
vor Gewalt und Vernachlässigung liegen.
Unabhängige Prüfung von Demokratie und Menschenrechten in den EU-Mitgliedstaaten
Der Übergang von legitimen Maßnahmen zu Verletzungen demokratischer Prinzipien oder gar
systematischen Menschenrechtsverletzungen ist nicht immer einfach festzustellen. Der EU
fehlt es bislang sowohl an klaren Kriterien als auch an Strukturen dafür. Deswegen brauchen
wir ein unabhängiges Gremium aus Verfassungsexpert*innen, das alle Mitgliedsländer
regelmäßig auf die Einhaltung demokratischer Grundsätze hin überprüft. Wir schlagen dafür
eine „Kopenhagen-Kommission“ vor. Sie soll Kriterien für die Überprüfung auf Grundlage der
in Artikel 2 des EU-Vertrages verankerten Prinzipien wie Achtung der Menschenwürde,
Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und Wahrung der Menschenrechte
entwickeln. Das Gremium soll durch die nationalen Parlamente sowie das Europaparlament
besetzt werden.
Die „Kopenhagen-Kommission“ soll weisungsunabhängig und kontinuierlich alle Mitgliedsländer
überprüfen und einmal jährlich über jedes Land berichten. Sie soll eng mit der
Grundrechteagentur zusammenarbeiten und diese als Ressource nutzen. Zusätzlich wollen wir
auch das Mandat der Grundrechteagentur stärken und ihre finanzielle Mittel erhöhen. Die
Ergebnisse der Kommission werden im Europaparlament, im Europäischen Rat und in den
nationalen Parlamenten diskutiert. Bei akuten und gravierenden Verletzungen von
demokratischen Prinzipien und Rechtsstaatlichkeit durch einzelne nationale Gesetze erstellt
die Kommission Ad-hoc-Berichte und schlägt der Europäischen Kommission
Sanktionsmöglichkeiten wie Geldstrafen vor.
Fördermittel an die Einhaltung demokratischer und rechtsstaatlicher Grundwerte binden
Derzeit hat die EU gegenüber Mitgliedsländern bei erheblichen Verletzungen von
demokratischen und rechtsstaatlichen Prinzipien nur die Möglichkeit, ein Verfahren
einzuleiten, das in letzter Instanz zu einem Stimmentzug dieses Mitgliedslandes führen kann.
Wir fordern für die EU weitere Möglichkeiten, auf entsprechende Probleme zu reagieren. Dazu
schlagen wir vor, bei der Vergabe von europäischen Fördermitteln anzusetzen, denn
europäische Ausgaben müssen auch europäischen Werten folgen.
Ein Entzug von Fördermitteln könnte jedoch die breite Bevölkerung treffen und nicht nur die
Regierungen, die demokratische Prinzipien verletzt haben. Deshalb wollen wir, dass dem
betreffenden Mitgliedsstaat nicht pauschal Mittel gestrichen, sondern zielgerichtet
eingefroren und direkt verwaltet von der Kommission an die Kommunen und andere
Fördermittelempfänger*innen ausgegeben werden. So kann das Geld weiterhin dort ankommen, wo
es gebraucht und sinnvoll verwendet wird, aber die Vergabemacht läge nicht mehr bei den
nationalen Regierungen.
Keine Fördermittel ohne Kooperation bei der Kontrolle
Korruption untergräbt Demokratie und Rechtsstaat. Um unter anderem Korruption bei der
Vergabe von europäischen Mitteln besser auf die Schliche zu kommen, hat die Europäische
Union endlich eine Europäische Staatsanwaltschaft eingerichtet. Allerdings wollen sich nicht
alle Mitgliedstaaten vom Europäischen Staatsanwalt über die Schulter schauen lassen. Aber
wir sagen: Wer Gelder von der EU haben möchte, muss auch Kontrollen über die rechtmäßige
Verwendung zulassen und dafür mit der Europäischen Staatsanwaltschaft kooperieren. Wenn ein
Mitgliedsland dies nicht tut, können dort nur Fördermittel an jene Akteur*innen ausgezahlt
werden, die eine Überprüfung durch die Europäische Staatsanwaltschaft zulassen.
Whistleblower schützen
Menschen, die sich trauen, Korruption offenzulegen, müssen besser geschützt werden. Daher
ist der Schutz von Hinweisgebern (Whistleblowern) nicht nur im Bereich der EU-Finanzen
nötig, sondern muss auch bei anderen illegalen Machenschaften gelten. Auf Druck der Grünen-
Fraktion im Europaparlament hat die Europäische Kommission einen Vorschlag gemacht, um
europaweit Whistleblower besser zu schützen, die im allgemeinen Interesse der Bevölkerung
Missstände aufdecken und dazu zum Beispiel Betriebsgeheimnisse preisgeben müssen. Nun gilt
es, daraus auch ein Gesetz zu machen, inklusive eines europäischen Zeugenschutzprogramms, um
Whistleblower vor Racheakten zu schützen. Auch um den Schutz von Hinweisgeber*innen zu
gewährleisten, verteidigen wir das bestehende Recht auf die anonyme und pseudonyme Nutzung
von Telemedien.
Unabhängigen Journalismus fördern
Unabhängige und demokratische Medien sind ein Garant für eine kritische Debatte und eine
demokratische Gesellschaft. Kritische Journalist*innen leisten dazu einen wesentlichen
Beitrag. In den letzten Jahren mussten wir aber erleben, dass Journalist*innen immer
stärkeren Gefahren ausgesetzt sind. Trauriger Höhepunkt ist die Ermordung der Bloggerin
Daphne Caruana Galizia und des Investigativreporters Jan Kuciak in Malta bzw. der Slowakei.
Die menschenfeindliche Hetze gegen Journalist*innen und Medien muss aufhören. Europa muss
ein Garant für die Pressefreiheit und unabhängigen Journalismus bleiben.
Für die Teilhabe an demokratischen Entscheidungsprozessen sind Bürger*innen zudem auf eine
vitale regionale Berichterstattung angewiesen. Hier ist in den vergangenen Jahren ein
starker Verlust an Vielfalt und Qualität zu verzeichnen: Immer mehr lokale Medien, auch
Blogs, können ihr Angebot nur noch schwer finanzieren. Wir wollen deshalb unabhängige Medien
weiter fördern, z.B. in der EU-Förderpolitik, durch Förderung des Wettbewerbs oder durch
einen Fond für investigativen Journalismus. Wir fordern die Einrichtung einer Europäischen
Zentrale für politische Bildung. Wir wollen ARTE in die wichtigsten EU-Sprachen übersetzen.
Unterstützung von Zivilgesellschaften und Medienvielfalt in der EU
In vielen Ländern schränken Regierungen den Einfluss und Handlungsspielraum
zivilgesellschaftlicher Initiativen, von Künstler*innen und Journalist*innen systematisch
ein. Doch Demokratie kann ohne eine aktive politische Zivilgesellschaft nicht funktionieren.
Um den Einschränkungen zivilgesellschaftlicher Handlungsspielräume („shrinking spaces“)
entgegenzutreten, ist ein Fonds für Demokratie- und Menschenrechtsverteidiger*innen
innerhalb der EU sinnvoll. Darüber hinaus streben wir die Einführung der Rechtsform eines
"Europäischen eingetragenen Vereins" an, um Nichtregierungsorganisationen europaweit der
Willkür der Nationalregierungen zu entziehen und ihren Status europäisch zu schützen. So
können jene, die sich hier für Demokratie einsetzen, unterstützt werden.
Wer GRÜN wählt, stimmt für
- die Anwendbarkeit der EU-Grundrechtecharta auf nationale Gesetze,
- die systematische Prüfung von Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten in allen EU-
Mitgliedstaaten,
- schärfere Maßnahmen gegen Korruption und bei Missachtung der europäischen Werte,
- ein europäisches Whistleblower-Schutz-Gesetz,
- einen Fonds für Demokratie- und Menschenrechtsaktivist*innen in der EU.
3.2 Europäische Demokratie stärken
Wir wollen die Entscheidungsprozesse in der Europäischen Union noch demokratischer machen,
das Parlament stärken und die Mitbestimmungsmöglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger
verbessern.
So ist das Europäische Parlament direkt gewählt, jedoch dem Europäischen Rat und dem
Ministerrat noch immer nicht in allen Politikfeldern gleichgestellt, zum Beispiel in der
Steuerpolitik oder der Außen- und Sicherheitspolitik der EU. Das muss sich dringend ändern:
Das Europäische Parlament soll in allen Bereichen gleichberechtigt mit dem Rat entscheiden
können und ein eigenes vollwertiges Initiativrecht für europäische Gesetzgebung erhalten.
Die wachsende Bedeutung einer starken EU als Vertreterin der europäischen Bevölkerung in der
Welt, als Gegengewicht gegen die Interessen multinationaler Unternehmen und als Streiterin
für Frieden, Nachhaltigkeit und eine gerechte globale Entwicklung gerät mit der
Nationalstaatsidee des 19. und 20. Jahrhunderts in ein immer größeres Spannungsverhältnis.
Die EU soll kein zentralistischer Superstaat sein. Gleichzeitig müssen die demokratische
Legitimation der EU und die Einflussmöglichkeiten der Bürger*innen mit dem Gewicht der
Aufgaben der EU Schritt halten. Die europäische Zivilgesellschaft und die politischen
Akteur*innen in EU und Mitgliedstaaten müssen in den nächsten Jahren entscheiden, wie sie
auf dem Weg der politischen Integration vorankommen wollen.
Wir wollen eine breite Diskussion über Unionsmodelle wie die Vereinigten Staaten von Europa,
den föderativen Bundesstaat oder die Europäische Republik führen und in die Gesellschaft
tragen. Als Teil dieser Frage ist auch zu klären, wie die Rolle der Regionen innerhalb der
Europäischen Union gestärkt werden kann, also etwa, ob es ausreicht, das
Subsidiaritätsprinzip auszuweiten oder ob in mehr Autonomie und Souveränität der Regionen
unter einem europäischen Dach auch Chancen liegen. Mittelfristig treten wir dafür ein, den
Rat in eine zweite Kammer zu überführen. Wir wollen diskutieren, ob diese aus den
Regierungen der Mitgliedstaaten oder den Regionen zusammengesetzt ist. Diese zweite Kammer
bildet zusammen mit dem Europäischen Parlament die Legislative.
Bei Gesetzgebungsverfahren sollen Fristen eingeführt werden, bis zu denen eine öffentliche
Debatte im Rat stattgefunden haben muss. Dabei müssen alle EU-Regierungen ihre jeweils
aktuelle Position zum Ratspräsidentschaftsvorschlag vorlegen.
Wir wollen für alle verbleibenden Politikbereiche, in denen heute noch per
Einstimmigkeitsprinzip entschieden wird, Mehrheitsentscheidungen einführen. Das betrifft
hauptsächlich die Gemeinsame Außen- und Verteidigungspolitik sowie die Steuerpolitik. Damit
stärken wir Europas Handlungsfähigkeit und verhindern, dass einzelne Mitgliedsländer
grundlegende Entscheidungen blockieren können.
Damit Klimaschutz und die mit ihm eng zusammenhängende Energiepolitik vorankommen, einzelne
Länder Fortschritte nicht blockieren können und Europa handlungsfähiger wird, setzen wir uns
für das Prinzip von Mehrheitsentscheidungen in allen Bereichen der Energiepolitik im
Europäischen Rat ein.
Während das Europaparlament im Plenum und in den Ausschüssen öffentlich tagt, ist der Rat
trotz Verbesserungen noch immer eine Art „Black Box“: Es ist kaum nachvollziehbar, welches
Mitgliedsland sich dort wie positioniert. Hier wollen wir mehr Transparenz, so dass alle
Mitgliedsländer offenlegen müssen, wofür sie in Brüssel eintreten.
Mehr Transparenz braucht es ebenso bei den Interessenvertreter*innen, die in Brüssel aktiv
sind. Zwar besitzen das Europäische Parlament und die EU-Kommission im Gegensatz zum
Bundestag ein Lobbyregister, aber dieses ist noch nicht ausreichend verbindlich. Um höchste
Transparenz zu schaffen, wollen wir verbindliche Lobbyregister für alle EU-Institutionen,
striktere Karenzzeiten und einen "legislativen Fußabdruck" durch den die Einflussnahme
Dritter auf EU-Gesetzgebung überprüfbarer wird - kontrolliert durch eine unabhängige
Institution auf EU-Ebene. Wir wollen die bestehende Verordnung über den Zugang der
Öffentlichkeit zu Dokumenten der EU zu einer umfassenden EU-Transparenzverordnung
weiterentwickeln.
Demokratie bedeutet: Bürger*innen entscheiden selbst, durch Wahlen und durch Abstimmungen.
Die Europäische Bürgerinitiative (EBI) gibt ihnen die Möglichkeit, durch 1 Million
Unterschriften neue EU-Gesetze anzustoßen. Der Vertrag von Lissabon geht damit den ersten
kleinen Schritt zu direkter Demokratie in Europa. Wir wollen dieses Instrument zur Teilhabe
stärken, ausbauen und entbürokratisieren. Die Bürgerinnen und Bürger sollen auch eine Reform
der Verträge fordern können. Erfolgreiche Europäische Bürgerinitiativen sollen dann auch zu
Gesetzesvorschlägen führen. Daher muss die Kommission spätestens nach einem Jahr nach einer
erfolgreichen Bürgerinitiative und einer Überprüfung auf die Vereinbarkeit mit den
Grundrechten in der EU einen Gesetzesvorschlag vorlegen. In jedem Fall wollen wir, dass das
Parlament zu einer Plenumsabstimmung über das Ziel der Initiative verpflichtet ist.
Eine Europäische Bürger*innen Initiative (EBI) soll auch auf die Einberufung eines
Bürgerforums gerichtet sein können, dessen Mitglieder nach dem Zufallsprinzip aus der
gesamten EU-Bevölkerung ausgelost werden und die das vorgelegte Thema ausführlich beraten
und konkrete Handlungsvorschläge in Form eines Bürgergutachtens machen.
Die Minority SafePack Initiative ist ein Beispiel für eine erfolgreiche Europäische
Bürgerinitiative. Sie umfasst ein Paket von gesetzlichen Regelungen zum Schutz und zur
Förderung von Minderheiten und Regionalsprachen und wird von uns ausdrücklich unterstützt.
Wir setzen uns für das einheitliche Recht ein, ab spätestens 16 Jahren bei Europäischen
Bürgerinitiativen und Wahlen zum EP mitzustimmen.
Wir treten dafür ein, dass Unionsbürger*innen an ihrem ständigen Wohnsitz überall in der EU
mitwählen dürfen, wenn sie seit fünf Jahren dort leben – und nicht nur für
Kommunalparlamente und das Europäische Parlament, sondern auch bei regionalen und nationalen
Wahlen. Als nächsten Schritt wollen wir das kommunale Wahlrecht auch Menschen ohne deutschen
Pass oder Unionsbürger*innenschaft eröffnen.
Für die Europawahlen unterstützen wir weiterhin das Prinzip der europäischen
Spitzenkandidat*innen und transnationalen Listen. Sobald die Möglichkeit einer
transnationalen Liste besteht, sollten die Spitzenkandidat*innen eine europäische
Parteiliste anführen. Zugleich halten wir an der Position fest, dass Präsident*in der
Europäischen Kommission nur werden kann, wer zuvor als Spitzenkandidat*in angetreten war.
Wir wollen, dass das Kollegium der EU-Kommissar*innen mindestens zu 50 Prozent mit Frauen
besetzt ist. Zur anstehenden Wahl im Mai ist eine Änderung des Wahlrechts aufgrund der Kürze
der Zeit ausgeschlossen. Für die Zukunft wollen wir ein europäisches Wahlrecht mit
transnationalen Listen, demokratischen Mindeststandards für Listenaufstellungen,
Mindestquotierungen sowie Transparenzregeln für die Parteienfinanzierung.
Wir wollen die Kontrollrechte des Europaparlaments stärken. Dazu braucht es das Recht,
Zeugen und Gesprächspartner vorzuladen, damit willkürliche Absagen zu Parlamentsanhörungen
aufhören. Außerdem muss das Plenum des Europaparlaments über die Einrichtung eines
Untersuchungsausschusses abstimmen, wenn 25 % der Mitglieder es verlangen.
Zur Änderung der Verträge unterstützen wir die Einberufung eines Europäischen Konvents oder
einer gewählten verfassungsgebenden Versammlung. Über ihre Vorschläge sollten dann die EU-
Bürger*innen durch ein EU-weites Referendum zusammen mit den Mitgliedstaaten, diese
möglichst mit einer qualifizierten Mehrheit, endgültig entscheiden können.
An der Umfrage der EU-Kommission zur Zeitumstellung haben 4,6 Millionen Menschen
teilgenommen und ein klares Votum für ein Ende der Zeitumstellung abgegeben. Dieses begrüßen
wir und werden uns weiterhin für das Ende der Zeitumstellung einsetzen.
Wer GRÜN wählt, stimmt für
- eine Stärkung des Europäischen Parlaments,
- mehr Transparenz und Abstimmung nach Mehrheitsprinzip im Europäischen Rat,
- ein verbindliches Lobbyregister,
- mehr direkte Demokratie durch die Aufwertung der Europäischen Bürgerinitiative.
3.3 Einwanderung gestalten, Flüchtlinge schützen, Fluchtursachen anpacken
Migration ist so alt wie die Menschheit. Sie ist Herausforderung, Antrieb für Entwicklung,
Chance und bereichert Kulturen überall auf der Welt. Europa war und ist ein Kontinent der
Migration. Menschen sind seit Jahrhunderten innerhalb Europas von einem in ein anderes Land
gezogen, haben den Kontinent verlassen, oder haben ihn neu bereichert. Der Abbau der Grenzen
innerhalb Europas und des Rechts auf Freizügigkeit war und ist eine der größten
Errungenschaften, denn der Wohlstand der Europäischen Union beruht nicht nur auf der
Freiheit von Waren, Dienstleistungen und Kapital. Essentiell für das Zusammenwachsen Europas
war stets die Freizügigkeit der Arbeitnehmer*innen. Möglich wurde dies, weil Europa früh
Beschränkungen und bürokratische Hindernisse abgebaut hat, um die Migration auf dem
Arbeitsmarkt zu begünstigen, unter anderem dadurch, dass Familienmitglieder von
Arbeitnehmer*innen selbstverständlich die gleichen Rechte wie Inländer*innen erhalten.
Doch seit dem Erstarken von Rechtspopulisten und -extremisten in Europa haben wir erleben
müssen, dass diese Errungenschaften keine Selbstverständlichkeiten sind. Für die Zukunft
Europas ist es existentiell, ob Menschenrechte und demokratische Prinzipien, wie es in
Artikel 2 des Vertrags der Europäischen Union heißt, auch künftig das Fundament unserer
Gemeinschaft bilden. Besonders vor dem Hintergrund unserer Geschichte stehen wir für die
Unveräußerlichkeit der Menschenrechte und das Recht auf Asyl für Schutzbedürftige. Sie zu
erhalten und gegen eine Rückkehr ins Nationale zu verteidigen, ist eine unserer zentralen
Aufgaben. Zu einer humanitären und geordneten Migrations- und Asylpolitik müssen alle EU-
Staaten beitragen.
Zugleich darf die Freiheit innerhalb Europas nicht zu einem Bollwerk nach außen werden. Bis
heute haben die EU-Mitgliedstaaten keine überzeugende gemeinsame und humanitäre Antwort auf
Migration und Flucht gegeben. Tagtäglich sterben Menschen auf dem Weg nach Europa. Das
Dublin-System, wonach Asylsuchende in dem Land Asyl beantragen müssen, das sie zuerst
betreten haben, ist ungerecht, wirkungslos und gescheitert. Damit wird die Verantwortung
aber weiter einseitig auf die Länder an den südlichen und östlichen Außengrenzen der EU
abgewälzt, statt eine faire Verteilung der Geflüchteten in Europa zu organisieren. Oftmals
werden dadurch Menschen, die lange hier leben und gut integriert sind, abgeschoben. Das
steht einer gerechten Asylpolitik im Wege und soll daher vermieden werden. Menschenrechte
sind unteilbar und dürfen nicht zur Disposition gestellt werden. Wir benötigen ein faires
Verteilungssystem mehr denn je.
Wir treten für eine Europäische Union ein, die ihre humanitäre Verantwortung, das Grundrecht
auf Asyl und den ungehinderten Zugang für Schutzsuchende und die Notwendigkeit, Verfahren
nach völkerrechtlichen Standards fair, zügig und geordnet durchzuführen, zusammenbringt. Ein
Europa, das Menschen, die vor Krieg, Hunger, Verfolgung und Gewalt fliehen müssen, Schutz
gewährt, anstatt sich mit Hilfe von Autokratien und Militärdiktaturen abzuschotten. Ein
Europa, das legale Fluchtwege und Einwanderungsmöglichkeiten bietet. Ein Europa, das
Asylsuchenden ein faires Verfahren und eine menschenwürdige Unterbringung garantiert und
seine Grenzen kontrolliert. Ein Europa, das Fluchtursachen und nicht Flüchtlinge bekämpft.
Ein Europa, das das Sterben im Mittelmeer beendet.
Das Recht auf Asyl ist nicht verhandelbar. Auf dieser Grundlage setzen wir uns für einen
gemeinsamen Aufbruch einer humanitären Koalition von Mitgliedstaaten und Kommunen ein, die
zusammen die Ärmel hochkrempeln und sich solidarisch an der Aufnahme von Geflüchteten
beteiligen wollen.
Gemeinsames Europäisches Einwanderungsrecht für legale (Arbeits-)Migration
Bis heute sind Europäer*innen diejenigen, die am wenigsten Hürden erleben, wenn sie
auswandern wollen. Aber in die EU einzuwandern, ist für viele Menschen quasi unmöglich. Da
bislang nur ein europäisches System der Arbeitsmigration für Hochqualifizierte besteht,
gehen jedoch auch potentielle Migrant*innen den Weg über das Asylsystem und scheitern.
Arbeitsmigration ist jedoch nicht nur eine Realität, sondern in Zeiten des Fachkräftemangels
und demographischen Wandels auch eine Notwendigkeit für Staaten wie Deutschland. Mit dem UN-
Migrationspakt (Global Compact for Migration) haben die Mitgliedstaaten der Vereinten
Nationen ein sehr umfassendes Rahmenwerk für sichere und geordnete Migration erarbeitet. Auf
dieser Grundlage soll ein europäisches Einwanderungsrecht mit gemeinsamen Rahmenregelungen
dabei helfen, gleiche Standards in Europa für die sichere und legale Einwanderung von
Menschen mit verschiedenen Qualifikationsniveaus und deren Familien zu etablieren. Denn auch
die internationale und europäische Arbeitsmigration muss im Einklang mit den Menschenrechten
stehen. Bei der Ausgestaltung der Regelungen geht es uns darum, die vielfältigen Chancen der
Migration für Migrant*innen, Ursprungs- und Empfängerländer zu nutzen.
Legale Fluchtwege schaffen
Wer verhindern will, dass sich Schlepper an der Not von Geflüchteten bereichern, die
angesichts von Verfolgung, Krieg und Gewalt ihr Leben bei der Flucht übers Mittelmeer aufs
Spiel setzen, muss sichere und legale Fluchtalternativen schaffen. Wir wollen, dass Menschen
nicht länger lebensgefährliche Fluchtwege über Kriegsgebiete, Wüsten und Meere nach Europa
auf sich nehmen müssen. Kooperationen der EU und deren Mitgliedstaaten mit Drittstaaten
müssen stets nach der Maßgabe erfolgen, dass Menschen- und Grundrechte sowie Europäische
Standards eingehalten werden. Daher dürfen die katastrophalen humanitären Zustände in Libyen
und anderen Staaten nicht länger ignoriert werden. Die Kooperation mit der libyschen
Küstenwache muss ein Ende haben.
Die EU-Mitgliedstaaten können Geflüchteten Schutz und eine verlässliche Perspektive sowie
Planbarkeit für die aufnehmenden Länder bieten. Und es ist allein eine Frage des politischen
Willens, die Länder an den EU-Außengrenzen endlich zu entlasten. Dazu wollen wir – neben der
Familienzusammenführung und humanitären Visa – großzügige und verlässliche
Aufnahmekontingente über das Resettlement-Programm des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten
Nationen (UNHCR) ermöglichen. Die EU-Länder müssen ihren Anteil an den jährlichen, vom UNHCR
ermittelten Resettlement-Bedarfe entsprechend ihrer Wirtschaftskraft erfüllen. Das
individuelle Asylrecht wird dadurch nicht angetastet. Zugleich nehmen wir unsere humanitäre
Verantwortung gegenüber besonders schutzbedürftigen Geflüchteten wahr – beispielsweise aus
UN-Flüchtlingslagern in Jordanien, dem Libanon oder der Türkei.
Ausbeutung von Migrant*innen und Geflüchteten verhindern
Zahlreiche Migrant*innen und Geflüchtete werden in der europäischen Landwirtschaft, der
Gastronomie und dem Baugewerbe ausgebeutet. Große Supermarktketten – gerade auch aus
Deutschland – verkaufen Obst und Gemüse, das unter ausbeuterischen Bedingungen in Europa
angebaut wird. Arbeitsschutzbedingungen werden systematisch verletzt und Löhne weit
unterhalb der gesetzlichen Bestimmungen gezahlt. Diese Form der modernen Sklaverei gehört
beendet. Die EU-Richtlinie zu Sanktionen gegen Arbeitgeber*innen muss konsequent angewendet
und gegebenenfalls verschärft werden. Wir wollen Beschwerdestellen einrichten, an die sich
Whistleblower*innen und Opfer von Ausbeutung, auch anonym, wenden können. Auch für
Geflüchtete gelten im digitalen Zeitalter Datenschutz, das Recht auf die Integrität
informationstechnischer Systeme sowie das Recht auf körperliche Unversehrtheit.
Kinder vor Gewalt schützen
Millionen Kinder fliehen allein oder mit ihren Eltern vor Kriegen, Gewalt, Hunger oder
politischer Verfolgung. Das Fehlen einer solidarischen Verteilungspolitik in Europa, aber
auch die Beschränkungen beim Familiennachzug führen dazu, dass Kinder sich allein auf den
Weg machen und dabei kriminellen Strukturen schutzlos ausgesetzt sind. Die Mitgliedsstaaten
und die EU müssen dem Kindeswohl oberste Priorität einräumen. Kinder müssen angemessen
untergebracht und versorgt werden. Inhaftierungen oder ein Leben in Lagern sind auch in
Ausnahmefällen nicht zu tolerieren. Für die Kinder und Jugendlichen in den Hotspots an den
europäischen Außengrenzen braucht es ein sofortiges europäisches Umverteilungsprogramm.
Seenotrettung gegen das Sterben im Mittelmeer
Das tausendfache Sterben im Mittelmeer muss beendet werden. Es ist eine unerträgliche
Schande, dass tausende Menschen auf der Flucht nach Europa ertrinken. Sogar in der EU wird
Rettungsbooten der seerechtlich garantierte sichere Hafen verweigert. Zivilgesellschaftliche
Seenotrettungs- und Flüchtlingsorganisationen, die dort einspringen, wo die europäischen
Staaten versagen oder ihre Schutzpflicht sogar wissentlich verweigern, dürfen nicht
kriminalisiert werden. Wer Flüchtlinge aus Seenot rettet, muss die Gewissheit haben, dafür
nicht bestraft zu werden, denn er handelt im Einklang mit See- und Völkerrecht. Die
Seenotretter*innen haben unsere volle Solidarität und Unterstützung. Das entlässt die EU und
die Mitgliedsstaaten nicht aus ihrer humanitären Pflicht, endlich ein europäisch
organisiertes und finanziertes ziviles Seenotrettungssystem aufzubauen.
Wir stellen uns an die Seite der vielen NGOs und Ehrenamtlichen in Europa, die jeden Tag
Menschenleben retten und auch an Land in den Hotspots und anderen Aufnahmeeinrichtungen
dafür sorgen, dass Geflüchtete versorgt, beraten und begleitet werden. Die Kriminalisierung
von Zivilcourage und humanitärem Engagement muss beendet werden.
Grenzkontrollen und Erstunterbringung human organisieren, EU-Asylbehörde ausbauen
Voraussetzung für einen solidarischen Verteilmechanismus und für die Freiheit im Inneren
ist, dass wir wissen, wer zu uns in die EU kommt. Das dient auch dem sicheren Zugang zu
einer guten Erstversorgung sowie zu einem fairen, nach völkerrechtlichen Standards
ausgerichteten Asylverfahren in Europa. Denn zentraler Bestandteil einer
menschenrechtlichen, humanen und geordneten Flucht- und Migrationspolitik ist, dass
Asylsuchende an den Außengrenzen in Europa zuverlässig registriert und erstversorgt sowie
ihre Daten abgeglichen werden. Selbstverständlich muss die EU ihre Außengrenzen
kontrollieren und gemeinschaftlich vor Terrorismus, Menschen- und Drogenhandel schützen. Die
Vermengung dieser wichtigen grenzpolizeilichen Aufgaben mit der europäischen Asylpolitik und
Flüchtlingsaufnahme ist jedoch zutiefst unseriös und politisch fahrlässig. Die europäische
Flüchtlingspolitik lässt sich nicht über Grenzkontrollen lösen oder gestalten. Grenzschutz
darf nicht bedeuten, dass niemand mehr rein kommt.
Wir wollen ein europäisches Grenzkontrollregime, das auf dem gemeinsamen Schutz der
Menschenrechte basiert und das Vertrauen in das Schengen-System stärkt, und keine einseitige
Aufrüstung von Frontex. Parallel dazu muss die EU-Asylbehörde in ihren Befugnissen so
erweitert werden, dass sie gemeinsam mit den Mitgliedstaaten für eine schnelle
Registrierung, eine humane Erstunterbringung mit medizinischer Versorgung und die
anschließende schnelle und faire Verteilung sorgt. Sie muss die gemeinsamen europäischen
Asylregeln gegenüber allen Mitgliedstaaten durchsetzen.
Essentiell dafür ist eine wirklich umfassende finanzielle, infrastrukturelle und personelle
Ausstattung dieser europäischen Erstaufnahmeeinrichtungen, damit nach einer umfassenden
Erstversorgung und Registrierung die Menschen in die anderen EU-Staaten verteilt werden
können. Dabei muss stets die Einhaltung menschenrechtlicher Standards kontrolliert werden.
Geflüchtete Frauen, Kinder, LSBTIQ* und Menschen mit Behinderung müssen umfassend vor Gewalt
geschützt und ihre spezifischen Belange berücksichtigt werden. Die Aufnahme an den
Außengrenzen darf für Geflüchtete nicht zur Sackgasse in Massenlagern werden. Zustände wie
z.B. in dem Hotspot auf Lesbos sind mit den Werten Europas nicht vereinbar und müssen
dringend beendet werden, indem Menschen aus diesen Lagern in EU-Staaten aufgenommen werden.
Abgesperrte Massenlager in der EU, Transitzonen und europäische Außenlager in Drittstaaten
lehnen wir ebenso ab, wie Abschottungs-Abkommen, mit denen Menschen in Drittstaaten
zurückgeschickt werden. Sie treten die Menschenrechte und internationales Recht mit Füßen,
schaffen zusätzliches Leid und stärken autokratische Regime. Die finanzielle Unterstützung
von repressiven Regimen entlang der Fluchtrouten lehnen wir entschieden ab. Die EU muss den
UNHCR besser und kontinuierlich dabei unterstützen, eine menschenwürdige Situation in ihren
Lagern herzustellen.
Die Einstufung von Staaten zu sicheren Dritt- oder Herkunftsländern ist aus unserer Sicht
das falsche Instrument. Es beschleunigt zudem keine Verfahren. Wir halten das Prinzip für
falsch. Um Verfahren zu beschleunigen, braucht es Personal und Priorisierungen.
Rückführungen scheitern an fehlenden Rückführungsabkommen.
Dem Umbau des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) zu einem Programm zum Abbau von
Flüchtlingsrechten treten wir entschieden entgegen.
Ein einheitliches europäisches Asylsystem mit einem solidarischen Verteilmechanismus
voranbringen
Zu einer humanitären und geordneten Migrationspolitik sollten alle EU-Staaten beitragen. Das
Dublin-System schiebt derzeit die Verantwortung einseitig auf Spanien, Italien, Malta und
Griechenland ab und hat ein gemeinsames Vorgehen in Europa unmöglich gemacht. Eine Reform
dieses Systems und ein fairer und solidarischer Verteilungsmechanismus sind deshalb
überfällig und wurden vom Europäischen Parlament längst beschlossen. Die Ministerinnen und
Minister der Mitgliedstaaten im Rat der EU müssen für diese Beschlüsse nun endlich den Weg
frei machen und ebenfalls zustimmen. Gleichzeitig gilt aber auch: Wenn sich nicht alle EU-
Staaten auf ein einheitliches Vorgehen bei der Asyl- und Migrationspolitik einigen können,
müssen die Länder, die die Notwendigkeit eines menschenrechtskonformen und abgestimmten
Systems erkannt haben, vorangehen. Für Kommunen, die Flüchtlinge aufnehmen möchten, fordern
wir Direkthilfen der EU.
Viele europäische Kommunen haben als Reaktion auf die Schließung von Häfen für aus Seenot
Gerettete Solidarität gezeigt und die Aufnahme der Menschen angeboten. Wir wollen, dass die
EU diese Solidarität unterstützt und Projekte im Rahmen der „Solidarity Cities“ finanziell
verstärkt fördert.
Auch wenn längst nicht mehr so viele Menschen zu uns kommen wie zuvor sind viele regionale
und kommunale Behörden mit einer Fülle von konkreten Herausforderungen konfrontiert:
Unterbringung, soziale Integration, medizinische Versorgung und Bildung. Dies spiegelt sich
bisher nicht angemessen in den Fördermöglichkeiten, die die EU im Rahmen des Asyl-,
Migrations- und Integrationsfonds (AMIF) zur Verfügung stellt, wider. Die EU sollte daher
Kommunen und Regionen bei der Aufnahme und Integration von Geflüchteten direkt mit einem
kommunalen Integrationsfonds unterstützen. Wir wollen die Kommunen finanziell und rechtlich
in die Lage versetzen und sie ermuntern, sich an Resettlement- und europäischen
Umverteilungsprogrammen zu beteiligen und Flüchtlinge auch in eigener Verantwortung
aufzunehmen. Grundlage dafür müssen gemeinsame europäische Asylstandards sein, die nicht
unter dem Existenzminimum in den jeweiligen EU-Ländern liegen dürfen. Die Regelungen der
Aufnahmerichtlinie zur medizinischen Versorgung schutzbedürftiger Gruppen muss konsequent
umgesetzt werden. Das umfasst die Gewährleistung und den Zugang zur erforderlichen
medizinischen Versorgung vor Ort.
Freiwillige Ausreise stärken – Spurwechsel ermöglichen
Jeder Mensch auf der Flucht hat den Anspruch auf ein faires Asylverfahren, auch wenn dieses
nicht für alle zu einer Aufenthaltserlaubnis führt. Nicht alle, die kommen, können bleiben.
Diejenigen, deren Asylanträge abgelehnt werden und bei denen keine anderen Gründe gegen eine
Rückkehr sprechen, müssen zurückgeführt werden, aber Abschiebungen sind immer mit
menschlichen Härten verbunden und in der Regel nicht freiwillig. Dieses im Verfahren zu
berücksichtigen und menschliche Härten bei Rückführungen so weit wie möglich zu vermeiden,
ist oberste Aufgabe einer verantwortlichen Asylpolitik. Freiwillige Rückkehr hat dabei immer
Vorrang. Daneben setzen wir europaweit auf ergebnisoffene und unabhängige Rückkehrberatung.
Auch eine angemessene Unterstützung für die Zeit nach der Rückkehr ist dabei wesentlich. Es
muss außerdem sichergestellt sein, dass für diejenigen, die abgeschoben werden sollen, kein
Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention oder eine erhebliche Gefahr für Leib,
Leben und Freiheit drohen. Der Abschluss von Rückführungsabkommen muss künftig
menschenrechtsbasierten Grundsätzen folgen und darf nicht mehr nur den innenpolitischen
Interessen der EU Mitgliedsstaaten dienen. Der einseitige Fokus auf Grenzpolitik und das
Knüpfen von Entwicklungshilfe an Bedingungen sind der falsche Weg und führen nicht dazu,
dass die Ursachen von Flucht behoben werden.
Abkommen mit Staaten, die eine fragwürdige Menschenrechtsbilanz aufweisen, sollten vor allem
dem Interesse dienen, Rechtsstaatlichkeit aufzubauen und Zivilgesellschaft vor Ort zu
stärken. Beim Abschluss von Rückführungsabkommen wollen wir denjenigen Ländern im Gegenzug
Unterstützung anbieten, die ihre Staatsbürger*innen schnell und unbürokratisch wieder
aufnehmen und ihnen Perspektiven sowie ein Leben in Sicherheit garantieren. Dieser Weg ist
erfolgreicher, als darauf zu bestehen, dass diese Länder zusätzlich zu ihren eigenen
Staatsbürger*innen auch sogenannte Drittstaatler*innen zurücknehmen, also Menschen, die auf
ihrem Weg das Land lediglich durchquert haben.
Abschiebungen in Kriegsgebiete wie Afghanistan lehnen wir ab. Menschen, die bereits in
Europa sind und die in Beschäftigung stehen, sollen im Rahmen eines sogenannten Spurwechsels
ins europäische Einwanderungssystem wechseln und hier bleiben können.
Fluchtursachen anpacken – Globale Gerechtigkeit verwirklichen
Wir stehen für eine Politik, die globale Gerechtigkeit zum Ziel hat. Diese Überzeugung
leitet uns bei unseren politischen Entscheidungen. Deshalb ist die beste Flüchtlingspolitik
für uns diejenige, die vorausschauend dazu beiträgt, dass weniger Menschen auf der Welt
gezwungen sind, ihre Heimat zu verlassen. Wir in Europa wollen dazu mehr beitragen, auch
wenn viele Ursachen der Flucht nicht in unseren Händen liegen. Denn oft stehen zum Beispiel
korrupte und rücksichtslose Eliten einer nachhaltigen Entwicklung in den Herkunftsländern im
Weg. Und viele Menschen fliehen, weil ihnen grundlegende Freiheitsrechte fehlen. Doch es
gibt auch Ursachen für Flucht, an denen wir in Europa sehr wohl beteiligt sind. Sie haben
mit der Art, wie wir konsumieren, wirtschaften und handeln, zu tun.
Deshalb darf europäische Wirtschafts-, Finanz-, Handels-, Agrar- oder Rüstungsexportpolitik
nicht nur an ihrem Nutzen für unsere Gesellschaften gemessen werden und auch nicht länger
Nachhaltigkeitsziele wie Frieden, Menschenrechte und globale Gerechtigkeit konterkarieren.
Wir stehen für eine Handelspolitik, die fair, ökologisch und gerecht gestaltet ist und
Mensch und Umwelt in den Mittelpunkt stellt. Wir wollen die Entwicklung der Wirtschaft in
den Partnerländern fördern, anstatt sie auszubeuten, und wollen wirkungsvoll gegen den
Landraub internationaler Konzerne vorgehen. Wir unterstützen die globale Energiewende sowie
die ärmsten Staaten beim Klimaschutz und bei der Anpassung an Klimaveränderungen. Wir treten
für eine ökologische Agrarwende und ökologisch-gerechte Fischereiverträge ein. Außerdem
gehören europäische Billigexporte in Entwicklungs- und Schwellenländer gestoppt, genauso wie
Rüstungs- und Waffenexporte in Kriegs- und Krisengebiete und die Ausfuhr europäischer
Überwachungstechnologie an Diktaturen. Das internationale Versprechen, 0,7 Prozent der
Wirtschaftsleistung in den jeweiligen EU-Mitgliedsstaaten für Entwicklungszusammenarbeit zu
verwenden, wollen wir zuverlässig einhalten. Dauerhafter Frieden, Freiheit vor Verfolgung
und nachhaltige Entwicklung in den Ländern des globalen Südens beginnen so auch bei uns.
Wer GRÜN wählt, stimmt für
• ein europäisches Einwanderungsrecht, das legale Migration ermöglicht,
• die Stärkung der Rechte und Interessen der (Arbeits-)Migrant*innen und ihren Schutz vor
Ausbeutung,
• einen europäischen Integrationsfonds, der Kommunen und Regionen unterstützt,
• ein einheitliches europäisches Asylsystem mit einem fairen und solidarischen
Verteilungsmechanismus,
• ein europäisch organisiertes und finanziertes ziviles Seenotrettungssystem.
3.4 Ein Europa der Gleichberechtigung schaffen
Wir wollen, dass Frauen gleichberechtigt und selbstbestimmt alle gesellschaftlichen Bereiche
gestalten können. Die Gleichberechtigung der Geschlechter und die Selbstbestimmung ist lange
Zeit durch Vorgaben aus Europa gestärkt und befördert worden. Dennoch ist noch einiges zu
tun, um Europa zu einem Kontinent der wirklichen Gleichberechtigung zu machen.
Doch aktuell werden diese Errungenschaften massiv in Frage gestellt. In Polen will die
rechtskonservative Regierung das sehr restriktive Abtreibungsrecht noch weiter verschärfen.
In Ungarn soll nach dem Willen der Orbán-Regierung die Geschlechterforschung an
Universitäten verboten werden. Und in ganz Europa vernetzen sich antiemanzipatorische
Gruppierungen, um Kampagnen gegen legale Schwangerschaftsabbrüche, Sexualaufklärung und
Gleichberechtigung zu starten.
Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit
Immer noch haben Frauen durchschnittlich weniger Geld und damit weniger Macht als Männer.
Sie werden für gleichwertige Tätigkeiten schlechter bezahlt als ihre männlichen Kollegen.
Viele Frauen arbeiten in Berufen, die finanziell viel zu gering entlohnt werden, etwa in der
Pflege oder der Kinderbetreuung. Im MINT-Bereich dagegen sind sie stark unterrepräsentiert.
In Deutschland klaffen die Löhne weiter auseinander als in allen anderen europäischen
Staaten. Dadurch besteht die Gefahr, dass Frauen langfristig die mühsam errungenen
Verbesserungen in der Gleichstellung verlieren.
Um das zu ändern, fordern wir eine europaweite Richtlinie, die Kriterien für die
Vergleichbarkeit von Tätigkeiten festlegt und Transparenz über Löhne und Gehälter für alle
schafft. Für Betroffene von Diskriminierung fordern wir die Möglichkeit, mit der
Unterstützung von Verbänden und Gewerkschaften klagen zu können. So wären die Frauen nicht
mehr auf sich allein gestellt, wenn sie vor Gericht ziehen müssen. Wir fordern die Hälfte
der Macht für Frauen, das gilt auch für die großen europäischen Firmen. Deshalb treten wir
für eine Frauenquote in Aufsichtsräten und Vorständen ein, die den Frauenanteil in Macht-
und Führungspositionen so lange erhöht, bis die Parität erreicht ist. Wir wollen
gleichzeitig auch dafür sorgen, dass die Führungsgremien der EU-Institutionen verpflichtend
paritätisch besetzt werden. Mit einer starken Vereinbarkeitsrichtlinie kann Europa Familien
unterstützen. Für uns Grüne ist es ein wichtiges Instrument der Arbeitszeitpolitik, um
Familien zu entlasten und einen ausgewogenen Mix aus Erwerbs- und Familienarbeit sowie
Freizeit und ehrenamtlichem Engagement zu ermöglichen.
Für sexuelle Selbstbestimmung, Schutz vor Gewalt und Ausbeutung
Wir kämpfen in ganz Europa für die Selbstbestimmung der Frauen über ihren eigenen Körper und
ihre Sexualität. Solidarisch stehen wir an der Seite all derjenigen, die – wie in Polen –
gegen rechtskonservative Kräfte kämpfen, die legale Schwangerschaftsabbrüche massiv
einschränken oder gar abschaffen wollen. Das Recht auf körperliche Selbstbestimmung,
selbstbestimmte Familienplanung und Zugang zu sicherer Verhütung muss für alle
sichergestellt sein und darf insbesondere nicht von den finanziellen Möglichkeiten abhängig
sein. Deshalb wollen wir den kostenlosen Zugang zu Verhütungsmitteln stärken.
Erstmals gibt es für den europäischen Raum ein völkerrechtlich bindendes Instrument zur
umfassenden Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen: die Istanbul-Konvention. Das ist eine große
Errungenschaft, mit der überall in Europa der Schutz vor Gewalt verbessert werden kann.
Nachdem auch die EU die Konvention ratifiziert hat, setzen wir uns nun dafür ein, dass diese
wichtige Vereinbarung konsequent in den EU-Staaten umgesetzt und eingehalten wird.
Dafür fordern wir eine Richtlinie gegen Gewalt an Frauen, die konkrete Ziele vorgibt, damit
Frauen und Mädchen - u.a. auch in den EU-Ländern, die die Konvention noch nicht ratifiziert
haben - besser geschützt werden und Verletzungen sanktioniert und vor dem Europäischen
Gerichtshof eingeklagt werden können. Die EU sollte bestehende Förderprogramme für Hilfs-
und Beratungsangebote aufstocken, damit etwa Hilfsstrukturen ausreichend finanziert sind.
Der Einsatz gegen Gewalt an Frauen umfasst für uns auch den Kampf gegen weibliche
Genitalverstümmelung, sowohl inner- als auch außerhalb Europas.
Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung und der Ausbeutung von Arbeitskraft muss
in Europa konsequent und wirkungsvoll bekämpft werden: mit Hilfe des Strafrechts, durch
Information und Beratung, durch die konsequente Durchsetzung der Arbeits- und Sozialrechte
der Betroffenen sowie durch Schutz und Hilfe für die Opfer. Diese dürfen nicht einfach in
ihre Herkunftsländer abgeschoben werden, sondern brauchen Schutzprogramme und ein
dauerhaftes Bleiberecht. Nur so können wir die Anzeige- und Aussagebereitschaft deutlich
erhöhen und damit Menschenhandel effektiv bekämpfen.
Gleichberechtigungs-Check in Politik und Haushalt
In einem Europa der Gleichberechtigung sollen Frauen und Männer zu gleichen Teilen von
politischem Handeln erreicht werden. Deswegen wollen wir Gender Mainstreaming konsequent
umsetzen. Das bedeutet, alle politischen Maßnahmen werden auf ihre Auswirkungen auf die
Gleichstellung der Geschlechter überprüft. Außerdem müssen Frauen gleichermaßen von
europäischen Geldern profitieren. Damit das sichergestellt wird, braucht es einen
„Gleichberechtigungs-Check” des jährlichen EU-Haushalts, also ein Gender-Budgeting. Um
gleichberechtigte Lebensverhältnisse erreichen zu können, bedarf es einer verlässlichen
wissenschaftlichen Grundlage zu Antidiskriminierungspolitik und geschlechtsspezifischen
Aspekten in allen Politikfeldern. Das Europäische Institut für Gleichstellungsfragen muss
dafür besser finanziert werden.
Wer GRÜN wählt, stimmt für
- gleiche Bezahlung für gleiche und gleichwertige Arbeit,
- Schutz vor sexualisierter Gewalt für alle Frauen und Kinder,
- sexuelle Selbstbestimmung von Frauen.
3.5 Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans*, Inter* und Queer*Menschen (LSBTIQ*)
stärken
Die Mitgliedschaft in der Europäischen Union hat in vielen Ländern die Lebenssituation von
LSBTIQ* erheblich verbessert. Die EU hat starke Impulse gesetzt für Gleichberechtigung und
gegen Diskriminierung. Auch in Deutschland wäre es ohne die Antidiskriminierungsrichtlinien
der EU nicht gelungen, das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz durchzusetzen. Die EU-
Grundrechtecharta enthält ein Verbot der Diskriminierung wegen der „sexuellen Ausrichtung“.
Wir treten für ein Europa ein, in dem jeder Mensch frei leben kann – unabhängig von
sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität. Das von der EU formulierte Ziel, einen Raum
der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts zu schaffen, muss für alle Menschen und Gruppen
Wirklichkeit werden.
Nach jahrzehntelangem Kampf für die „Ehe für alle“ dürfen in Deutschland und ungefähr der
Hälfte der anderen EU-Länder nun endlich gleichgeschlechtliche Paare heiraten. Weitere
Mitgliedstaaten bieten die Möglichkeit einer eingetragenen Partnerschaft. Nur in sechs
Mitgliedsstaaten ist noch keinerlei rechtliche Absicherung vorgesehen. Obwohl vielerorts
Gleichberechtigung auf dem Papier besteht, werden Menschen aufgrund ihrer sexuellen
Orientierung und Geschlechtsidentität immer noch abgewertet oder benachteiligt.
Rechtsnationale Kräfte versuchen, in ihrem Kampf gegen eine demokratische und freie
Gesellschaft autoritäre und patriarchale Wertvorstellungen wieder zum Gesellschaftsideal zu
machen. Der Schutz von Minderheiten gehört jedoch zu den Grundwerten der Europäischen Union.
Wir stehen in ganz Europa an der Seite der LSBTIQ* und stellen uns den Angriffen gegen ihre
Gleichberechtigung entgegen. Wir engagieren uns im Zuge der gemeinsamen Außenpolitik der EU
sowie in der Entwicklungszusammenarbeit für ihre Rechte und wollen ihnen bei Verfolgung in
der EU Schutz und Asyl bieten.
Wir wollen, dass die EU in ihrer Außen-, Handels- und Menschenrechtspolitik als Garantin der
Grundrechte und Grundfreiheit auftritt. Die EU-Förderung von gemeinsamen Projekten in
Grenzregionen muss die Themen Vielfalt und Antidiskriminierung mit einschließen. Auch
gegenüber ihren Dialogpartner*innen in aller Welt muss die EU immer betonen: Die Verfolgung
von Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung und geschlechtliche Identität ist eine
schwere Verletzung der universellen Menschenrechte.
In einigen EU-Mitgliedstaaten gelten sogenannte „Anti-Propaganda“-Gesetze, die
Diskriminierung und Hass gegen Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans*, Inter* und
Queer*Menschen befördern, indem etwa im Schulunterricht nicht mehr über Sexualität und
Homosexualität gesprochen werden darf. In Ungarn gibt es staatlich orchestrierte Angriffe
auf Wissenschaftler*innen, die sich mit Diskriminierung aufgrund von sexueller und
geschlechtlicher Identität befassen.
Wir packen die bestehenden Probleme an und stocken die Mittel für Aufklärungsarbeit und das
„Programm für die Förderung von Vielfalt“ auf.
Wir fordern eine europaweite Anerkennung eingetragener Partnerschaften und
gleichgeschlechtlicher Ehen und Regenbogenfamilien und die damit verbundene Anerkennung
ihrer Rechte als ersten Schritt auf dem Weg zur Öffnung der Ehe in ganz Europa. Der
Europäische Gerichtshof hat im Frühjahr 2018 geurteilt, dass ein in einem Mitgliedsland
anerkanntes eingetragenes Paar auch in einem anderen als solches anerkannt werden muss.
Jetzt gilt es, diese Rechtsprechung auch in allen Mitgliedsländern durchzusetzen.
Innerhalb der EU gibt es aber auch Positivbeispiele, von denen wir lernen können. In Ländern
wie Irland, Malta und Dänemark können Trans*Personen eine Anpassung der
Geschlechtszugehörigkeit vornehmen, ohne sich einem entwürdigenden Gutachten zu unterziehen.
Wir wollen, dass in allen EU-Staaten Vornamen- und Personenstandsänderungen durch einen
unkomplizierten Verwaltungsakt ermöglicht werden. Eine Geschlechtszugehörigkeit kann
schließlich nur von den betreffenden Menschen selbst festgelegt werden.
Wer GRÜN wählt, stimmt für
- mehr Geld für das „Programm für die Förderung von Vielfalt“,
- die europaweite Anerkennung eingetragener Partnerschaften, gleichgeschlechtlicher Ehen
und Regenbogenfamilien,
- eine einfache Änderung des Personenstandes bei Anpassung der Geschlechtszugehörigkeit,
- den Wegfall von entwürdigenden Gutachten bei der Geschlechtsanpassung.
3.6 Gegen Diskriminierung und Ausgrenzung - Menschenfeindlichkeit bekämpfen
Europa zeichnet sich durch Diversität und ein Miteinander verschiedener Religionen,
Sprachenvielfalt, Kulturen und Bräuche aus. Um noch besser zusammenzuwachsen, müssen wir
stärker gegen Hass und Menschenfeindlichkeit gegenüber bestimmten Gruppen vorgehen und die
Gleichheit vor dem Gesetz sicherstellen.
Niemand darf in Europa für seine Herkunft, sein Aussehen oder seinen Glauben diskriminiert
oder angefeindet werden. Das ist auch durch die Europäische Grundrechtecharta verboten. Aber
die Realität sieht anders aus: In den letzten Jahren steigen in einigen Mitgliedstaaten
körperliche und verbale Angriffe auf Minderheiten und Einzelpersonen wieder. Die EU muss
deshalb die Bekämpfung von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit stärker voranbringen.
Rassismus nimmt zu. Menschen werden auch aufgrund ihrer Hautfarbe oder ethnischen
Zugehörigkeit im öffentlichen Raum, bei der Arbeit, in der Schule oder Kita angefeindet oder
gar angegriffen. Zusätzlich führen unterschwelliger Rassismus und Diskriminierungen im
Alltag, zum Beispiel bei der Wohnungssuche, zu einer kontinuierlichen Benachteiligung und
Belastung für die betroffenen Menschen. Dem stellen wir uns entschieden entgegen und
streiten für ein demokratisches Miteinander. Dafür braucht es gesellschaftlicher
Sensibilisierung für das Problem Rassismus, den Abbau bestehender Diskriminierungen und
effektiver Strategien, beispielsweise zur Stärkung von Betroffenen ("Empowerment").
Durch Antisemitismus im Alltag leben viele Jüdinnen und Juden in europäischen Ländern nicht
mehr sicher. Antisemitismus findet sich heute in vielen gesellschaftlichen Bereichen in
unterschiedlichen Ausformungen, zum Beispiel an Schulen, wo es immer wieder zu psychischen
und körperlichen Schikanen kommt. Das ist unerträglich. Denn: „Nie wieder“ lautet das
Versprechen, dem sich Europa nach dem Zweiten Weltkrieg und der massenhaften Ermordung der
jüdischen Bevölkerung Europas verpflichtet hat. „Nie wieder“ muss Leitbild für Europas
Zukunft sein.
Wir stellen uns jeder Art von Antisemitismus entschlossen entgegen. Der Schutz vor
antisemitischen Anfeindungen und Gewalt muss eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe sein und
darf keinesfalls auf die Betroffenen abgeschoben werden. Kosten für die Sicherheit jüdischer
Einrichtungen dürfen nicht von EU-Mitgliedstaaten auf die jüdischen Gemeinden abgewälzt,
sondern müssen staatlich finanziert werden.
2017 gab es allein in Deutschland fast 1.500 antisemitische und mehr als 1.000
antimuslimische Straftaten. Es werden zum Beispiel Frauen mit Kopftuch im öffentlichen Raum
angegriffen. Antimuslimischer Rassismus insgesamt ist dabei keine gesellschaftliche
Randerscheinung, sondern findet sich auch in der Mitte der Gesellschaft.
Rechtspopulist*innen nutzen dieses „Feindbild Muslime“ für ihre Zwecke. Wir stehen an der
Seite der Muslim*innen, die friedlich, freundschaftlich und tolerant gegenüber anderen
Lebensweisen in unserer multikulturellen Gesellschaft mit uns zusammen leben. Dem Hass und
stereotypen Feindbildern gegen sie stellen wir uns entschieden entgegen.
Eine säkulare und weltanschaulich neutrale Politik, die konsequent an Menschenrechten und
Grundfreiheiten ausgerichtet ist, macht Europa zu einem sicheren Ort für Menschen, die
verschiedensten Religionen oder Weltanschauungen angehören und zugleich für alle, die keiner
Religion angehören wollen. Religions- und Glaubensfreiheit findet ihre Schranken, wo andere
in ihren Rechten und Freiheiten verletzt werden. Religiösen Fanatismus, der die offene
Gesellschaft und ihre Vielfalt angreift, dulden wir nicht.
Für Betroffene von Rassismus und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit sind Anlaufstellen
ein wichtiger Ort, um sich über ihre Rechte zu informieren und sie mit Unterstützung dieser
Stellen auch durchzusetzen. Diese müssen besser ausgestattet werden.
Demokratieinitiativen sind der Grundbaustein, der einen friedlichen Kampf gegen Rassismus,
Faschismus, Sexismus, Antisemitismus, Xenophobie, Homophobie, Islamophobie und
Sozialdarwinismus möglich macht. Wir setzen uns dafür ein, dass sie in allen Ländern der EU
aktiv sein können und ausreichend finanzielle Mittel für ihre wichtige Arbeit zur Verfügung
gestellt bekommen. Nur mit einem breiten zivilgesellschaftlichen Engagement kann der Kampf
für ein weltoffenes und demokratisches Europa und gegen den europäischen Rechtsruck gewonnen
werden.
Roma und Sinti gehören seit hunderten von Jahren zu Europa. Ebenso lange werden sie
diffamiert und diskriminiert. Antiziganistische Diskriminierung ist der Hauptgrund dafür,
dass Menschen mit Romno-Hintergrund oft arm und schlechter ausgebildet sind. Wir begrüßen,
dass im Rahmen des EU-Plans für die Inklusion der Roma bereits wichtige Maßnahmen auf den
Weg gebracht wurden und die EU-Kommission im Fall von Ungarn ein
Vertragsverletzungsverfahren wegen anhaltender Diskriminierung von Roma im Bildungswesen
angestrengt hat. Auch gegen die wachsende Unterdrückung in einigen weiteren Mitgliedsstaaten
muss die EU-Kommission wirksam vorgehen. Die Mittel im Kampf gegen Antiziganismus müssen
weiter aufgestockt, die europäische Roma-Strategie vollumfänglich auch in Deutschland
umgesetzt und die verbindliche Anwendung der Antirassismusrichtlinie noch konsequenter
vorangetrieben werden.
Zusätzlich kämpfen wir dafür, die Barrieren beim Abruf der Gelder zu verringern. Hierfür
unterstützen wir die konkrete Projektarbeit, insbesondere wenn sie strukturelle
Veränderungen ermöglicht. Ein essenzieller Bestandteil der Arbeit muss immer die Einbindung
der Betroffenen auf Augenhöhe sein. Es braucht insgesamt intensivere Anstrengungen, um
Betroffene zu empowern und zu fördern. Erst mit echter Hilfe zur Selbsthilfe können wir eine
langfristige und nachhaltige Verbesserung der Bedingungen erreichen. Es besteht ein
rechtlicher Anspruch auf Teilhabe in den Bereichen Arbeit, Bildung, Wohnen und Gesundheit.
Die Defizite bei der Durchsetzung dieses Anspruchs wollen wir sichtbar machen und aufheben.
Präventionsprogramme leisten wichtige Arbeit, um gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit
effektiv vorzubeugen. Daher wollen wir sie stärken und langfristig absichern.
Hass und Hetze finden heute nicht nur auf der Straße, sondern vermehrt auch im Internet und
in sozialen Netzwerken statt. Dagegen wollen wir europäisch vorgehen. Wir Grüne streiten
dafür, dass strafbare Meinungsäußerungen schnellstmöglich nach klaren, rechtsstaatlichen
Kriterien überprüft, gegebenenfalls gelöscht und tatsächlich verfolgt werden. Hierfür wollen
wir das bereits heute im EU-Recht verankerte ‚notice-and-take-down-Verfahren‘ weiter
konkretisieren.
Rassistische und nationalistische Akteur*innen vernetzen sich derzeit massiv.
Menschenfeindliche Denkmuster verbreiten sich rasant. Beides geschieht europaweit. Um diese
Netzwerke und Vorgänge analysieren und effektive Strategien zur Bekämpfung konzipieren zu
können, unterstützen wir die europaweite Forschung von Demokratie- und
Zivilgesellschaftsinstituten und bauen ihre Förderung aus.
Wer GRÜN wählt, stimmt für
- eine europaweite, ständige, systematische Erfassung von Straftaten gegen Menschen, die
zu einer bestimmten Gruppe gehören (gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit),
- eine Aufstockung der Mittel im Kampf gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit sowie
einen erleichterten Zugang zu diesen Mitteln für Förderung und Empowerment
- eine bessere Ausstattung der unabhängigen Gleichbehandlungsstellen,
- eine wirksame europäische Rechtsgrundlage für die Bekämpfung von Hasskommentaren im
Internet auch gegenüber internationalen Konzernen.
3.7 In und mit Europa Inklusion und barrierefreie Teilhabe verwirklichen und Menschenrechte
durchsetzen!
Menschen mit Behinderungen müssen in ganz Europa selbstbestimmt und gleichberechtigt leben
können.
Um ihre Rechte umzusetzen, wurden mit der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) auch für
die EU-Mitgliedstaaten verbindliche Vorgaben verankert. Menschen mit Behinderung müssen in
allen Lebensbereichen – bei der Bildung und Erwerbsarbeit, beim Wohnen, bei Reisen und in
ihrer Freizeit – den gleichen Zugang zur Teilhabe am politischen und gesellschaftlichen
Leben haben wie Menschen ohne Behinderungen. Inklusion heißt, dass alle Menschen
selbstbestimmt am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können und niemand ausgegrenzt wird.
Dafür müssen Barrieren aller Art abgebaut und das Recht auf eine selbstbestimmte und
eigenständige Lebensführung muss sichergestellt werden. Es darf kein Mensch gezwungen werden
in einer stationären Einrichtung leben zu müssen. (Art.19 UN-BRK). Wir brauchen endlich
einen „European Accessibilty Act“, der auch private Anbieter von Waren und Dienstleistungen
zum Abbau von Barrieren verpflichtet.
Die europäische Barrierefreiheits-Richtlinie verpflichtet auch private Anbieter von Waren
und Dienstleistungen zum Abbau von Barrieren. Wir setzen uns für einen barrierefreien
öffentlichen Raum ein, in dem Gebäude, Medien, Produkte, Dienstleistungen und
Veranstaltungen für Alle zugänglich und nutzbar sind. Dies gilt explizit auch für Webseiten,
Apps und sonstige digitale Angebote, soweit dies möglich ist. Hierzu ist es unumgänglich,
auch für die Privatwirtschaft verbindliche Vorgaben für die Barrierefreiheit zu formulieren.
Der Fortschrittsbericht der europäischen Kommission kommt ungeachtet aller politischen
Reformen zu dem Schluss, dass nicht alle von der EU und deren Mitgliedsstaaten ergriffenen
Maßnahmen den menschenrechtsbezogenen Ansatz der UN-Behindertenrechtskonvention verfolgen.
Wir GRÜNEN werden uns daher mit Nachdruck dafür einsetzen, dass die Menschenrechte von
Menschen mit Behinderung sichergestellt und die Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention
in allen EU-Mitgliedsstaaten voll umgesetzt werden. Hierzu gehört auch, dass der
Wahlrechtsausschluss von Menschen unter ständiger gesetzlicher Betreuung aufgehoben wird.
Wir setzen uns dafür ein, dass die 5. Antidiskriminierungsrichtlinie endlich kommt, denn sie
würde eine Lücke im europäischen Antidiskriminierungsrecht schließen. Wir halten es für
dringend geboten, das flickwerkartige System der Gleichbehandlungsrichtlinien und -
verordnungen zu vervollständigen und ein umfassendes Diskriminierungsverbot nicht nur
aufgrund von Behinderung, sondern auch Religion oder der Weltanschauung, des Alters oder der
sexuellen Ausrichtung außerhalb des Arbeitsmarktes. International anerkannte Menschenrechte
würden in der EU eine Rechtsgrundlage erhalten, und die VN-Konvention über die Rechte von
Menschen mit Behinderung würde auf europäischer Ebene rechtlich umgesetzt, wie zum Beispiel
das Recht auf Zugang zu allen Bildungseinrichtungen und das Recht auf selbstbestimmtes
Wohnen. Doch seit Jahren wird ihre Verabschiedung durch die deutsche Bundesregierung
blockiert. Wir Grünen kämpfen weiter gegen die Blockade und für den effektiven Schutz gegen
Diskriminierung auch außerhalb des Arbeitsmarktes.
Wir wollen, dass auch Menschen mit Behinderungen das Recht auf Freizügigkeit für sich nutzen
können, ohne dass sozialrechtliche Vorschriften der Mitgliedstaaten das verhindern. Auch
Menschen mit umfassender Betreuung sollen das Wahlrecht erhalten, das betrifft allein in
Deutschland 81.000 Menschen.
Wer GRÜN wählt, stimmt für
- die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in der EU,
- Inklusion, Selbstbestimmung und Barrierefreiheit,
- das Wahlrecht für alle Menschen mit Behinderung.
3.8. Europas Verbraucher*innen stärken
Wir treten für ein Europa ein, in dem die Rechte der Verbraucher*innen effektiv geschützt
werden, auch grenzüberschreitend. Denn im europäischen Binnenmarkt bewegen sich Waren,
Kapital, Dienstleistungen und Personen frei. Wir wollen sicherstellen, dass die Menschen in
Europa vor gesundheitlichen und finanziellen Gefahren geschützt werden und dass sie wissen,
was sie konsumieren. Sie müssen ihre Rechte gegenüber Unternehmen wirksam geltend machen
können.
Der Verbraucherschutz in der Europäischen Union ist eine Erfolgsgeschichte: Die
Datenschutzgrundverordnung, die Abschaffung der Roaming-Gebühren, das Verbot von
Tierversuchen zur Herstellung von Kosmetika, das „Bankkonto für alle“ und ein
Schnellwarnsystem für als gefährlich gemeldete Produkte sind nur einige wenige Beispiele.
Doch es gibt auch Probleme. Schon im September 2015 wurden die Abgasmanipulationen an VW-
Dieselautos bekannt – welche Ansprüche die Kund*innen geltend machen können, ist aber noch
immer unklar. Das liegt daran, dass für einzelne Verbraucher*innen Aufwand und Risiko
rechtlicher Schritte derart hoch sind, dass Unternehmen trotz betrügerischer
Geschäftspraktiken selten Folgen fürchten müssen. Die Möglichkeit kollektiven
Rechtsschutzes, bei dem Geschädigte wahlweise als Gruppe gemeinsam oder mit Hilfe von
Verbänden klagen können, muss daher europaweit eingeführt werden
Im europäischen Bahnverkehr wollen wir ein einheitliches Ticket-System schaffen. Der
Flickenteppich nationaler Fahrkarten macht die Bahn grenzüberschreitend unattraktiv. Häufig
werden nur Einzeltickets für die Strecken der jeweiligen nationalen Anbieter angeboten.
Verpasst ein Fahrgast wegen einer verspäteten Bahn zum Beispiel in Deutschland seinen
Anschlusszug nach Italien, muss er auf eigene Kosten ein neues Zugticket kaufen. Stattdessen
brauchen Fahrgäste ein anbieterunabhängiges System, mit dem sich ein Ticket für alle
Verkehrsträger für die gesamte EU – aus dem portugiesischen Dorf bis an die kroatische Küste
oder aus Süditalien nach Lappland, egal ob mit Bus, Bahn oder Tram. Das Interrailticket, das
wir allen Auszubildenden und Studierenden ein Jahr lang zur Verfügung stellen wollen, ist
erst der Anfang und soll perspektivisch ergänzt werden durch attraktive Angebote, die sich
jede*r leisten kann. Neue Serviceangebote wollen wir durch die Bereitstellung offener Daten
(Open Data) befördern.
Wir brauchen auch endlich verständliche und realistische Kennzeichnungen von Lebensmitteln.
Nährwerte wollen wir durch die leicht verständliche Lebensmittelampel kenntlich machen. Es
muss klar werden, wie viel Zucker, Salz und Fett Lebensmittel enthalten. Für Transfettsäuren
wollen wir einen gesetzlichen Grenzwert einführen. Für sämtliche, auch verarbeitete
Tierprodukte wollen wir eine EU-weite, verbindliche und umfassende Haltungskennzeichnung
einführen, damit Verbraucher*innen schnell erkennen können, wie ein Tier gehalten wurde.
Bereits die Einstiegsstufe soll so ausgestaltet sein, dass die Tiere ein Leben frei von Leid
führen können. Die Kennzeichnung soll ein echter Anreiz für eine bessere Tierhaltung sein -
und gleichzeitig dafür sorgen, dass Bäuer*innen angemessen entlohnt werden. Wenn tierische
Erzeugnisse in Produkten enthalten sind oder bei der Herstellung verwendet werden, muss das
angegeben werden.
Wir wollen einen starken Verbraucherschutz bei Finanzprodukten. Zu oft werden schlechte
Produkte an Verbraucher*innen vertrieben, in der Regel spielen dabei hohe Provisionen eine
große Rolle. Das wollen wir ändern. Deshalb wollen wir schrittweise eine komplette Abkehr
von Provisionen hin zu einer qualitativ hochwertigen Beratung auf Honorarbasis für alle.
Beratung muss individuell angepasst sein und den Anleger*innen stets den Weg zu guten
Finanzprodukten weisen.
Digitale Verbraucherrechte stärken
Datenschutz schützt nicht nur Daten, sondern vor allem unsere Privatsphäre und unsere
Menschenwürde. Datenschutz ist auch Verbraucherschutz. Vor allem unsere persönlichen
Vorlieben und Interessen gehen niemanden etwas an. Informationelle Selbstbestimmung ist ein
zentrales Grundrecht. Aber es ist gerade in Zeiten der Digitalisierung, der
Plattformökonomie und des „Internets der Dinge“ neu herausgefordert.
Produkte und Kaufgewohnheiten haben sich fundamental geändert. Aber welche
personenbeziehbare Daten im Internet preisgegeben, gesammelt und gespeichert werden, das
sollen die Betroffenen selbstbestimmt entscheiden können- und nicht Internet-Giganten wie
Google oder Facebook.
Mit der von den europäischen Grünen hart erkämpften Datenschutzgrundverordnung (DSVGO) hat
die EU einen Meilenstein für modernen Datenschutz gesetzt. Sie sorgt dafür, dass die
weltweiten Datenkonzerne in die Schranken gewiesen werden, und zeigt, dass wir als
Europäische Union gemeinsam Standards setzen können, die weltweite Ausstrahlung haben. Ihre
Umsetzung in der Praxis werden wir genau beobachten, wo nötig konkretisieren und weiter
verbessern. Auch die zur Realisierung einer europaweit einheitlichen Aufsicht geschaffenen
Strukturen wollen wir evaluieren und stärken.
So fordern wir bei der „e-Privacy“-Verordnung zum Schutz unserer elektronischen
Kommunikation unter anderem, dass mobile Endgeräte wie Smartphones, Tablets oder
Sprachassistenz-Systeme wie Alexa oder Siri schon vom Werk aus gemäß der Grundsätze "Privacy
by design" und "Privacy by default" den bestmöglichen Privatsphären-Schutz garantieren.
Zusätzlich erfordern es Wettbewerb und moderner Verbraucherschutz, dass die Grundsätze der
Interoperabilität wie wir sie aus dem Mobilfunk kennen, auch bei online-gestützten Angeboten
gelten. Was heute bei Telefon, SMS und Mail selbstverständlich ist, muss zum Beispiel auch
bei Messenger-Diensten oder sozialen Netzwerken gewährleistet werden, nämlich unkompliziert
zwischen Anbietern und Plattformen kommunizieren und wechseln zu können.
Wir wollen, dass Browser-Einstellungen wie „Do not track“ rechtsverbindlich werden, damit
nicht automatisch ein Nutzungsprofil erstellt wird. Damit unsere Grundrechte wirklich
geschützt werden, brauchen wir die bestmöglichen Datenschutzgrundeinstellungen und
Aufsichtsbehörden, die über die personellen und finanziellen Mittel verfügen, die
rechtlichen Vorgaben tatsächlich durchzusetzen. Wir dringen darauf, dass die derzeit in
Verhandlung befindliche e-Privacy-Verordnung weder weiter verzögert noch verwässert wird.
Datenschutz und IT-Sicherheit sind für uns konstituierend. Deswegen setzen wir uns für
verbindliche Ende-zu-Ende-Verschlüsselung als Standard unserer elektronischen Kommunikation
ein. Hintertüren und Sicherheitslücken sind ein strukturelles Risiko für unsere IT-
Sicherheit. . Deswegen dürfen staatliche Akteure Sicherheitslücken nicht ankaufen
beziehungsweise mit ihnen hehlen. Stattdessen bedarf es der Pflicht, solche Lücken umgehend
zu melden, und sie schnellstmöglich zu schließen.
Technische Geräte mit Zugang zum Internet erobern zudem immer mehr unseren Alltag: So
reguliert die intelligente Heizung entsprechend der Wettervorhersage selbständig die
Zimmertemperatur, und die Spielzeugpuppe kommuniziert mit Kindern. Sind diese Geräte nicht
ausreichend geschützt, bieten sie ein Einfallstor für kriminelle Hacker, die sich in die
Systeme einschalten könnten, um sie zu manipulieren.
Wir fordern verpflichtende Mindeststandards für die IT-Sicherheit von technischen Geräten.
Dazu gehören Verschlüsselung, Software, die auf dem neuesten Sicherheitsstand ist, und
regelmäßige kostenlose Software-Updates sowie starke Authentifizierungsmechanismen bei
vernetzten Geräten.
Wenn ein Sicherheitsproblem bei einem Auto festgestellt wird, wie zum Beispiel eine
mangelhafte Bremse, ist klar, dass der Hersteller dafür haftbar gemacht werden kann und die
fehlerhaften Autos zurückrufen muss. Doch für Software gibt es bislang noch keinerlei
Produkthaftung auf europäischer Ebene. Das muss sich ändern: Kommerzielle Hersteller von
Software müssen haften, wenn sie regelmäßige Sicherheitsupdates nicht bereitstellen und
bekannte Sicherheitslücken nicht schließen.
Bei dem Einsatz von Algorithmen muss gewährleistet werden, dass die Entscheidungen für die
Verbraucher*innen überprüfbar, transparent und diskriminierungsfrei erfolgen. Je sensibler
und teilhaberelevanter die Anwendungsfelder, desto mehr Kontrolle durch staatliche Behörden
ist notwendig. In Bereichen, die den Kern der persönlichen Grundrechte, unseres
Rechtsstaates oder seiner Solidarsysteme berühren, lehnen wir den bislang unregulierten
Einsatz ab. Hier bedarf es europaweit geltender, verbindlicher Vorgaben.
Die illegitime Einflussnahme auf demokratische Willensbildungsprozesse ist heute ein sehr
ernstzunehmendes Problem. Wir setzen uns dafür ein, dass politische Werbung im Internet und
sogenanntes Microtargeting streng reguliert werden. Das umfasst unter anderem klare Vorgaben
bezüglich eingesetzter Höchstbeträge und die Offenlegung und transparente Kennzeichnung von
Werbung und parteipolitischer Information. Für den Empfänger muss jederzeit ersichtlich
sein, auf welcher Grundlage er welche Werbung erhält. Demokratische Diskurse, politische
Willensbildungsprozesse und Wahlen müssen effektiv geschützt werden. Missbräuchlich
eingesetzte "social bots" können gezielt Desinformationen massenhaft verbreiten und Relevanz
vortäuschen. Bei der notwendigen Bekämpfung wollen wir auch die Betreiber digitaler
Plattformen in die Pflicht nehmen: Der Einsatz von bots muss klar erkennbar sein. Auch hier
bedarf es einer europaweit geltenden, verbindlichen Regelung.
Produkte nachhaltiger und sicherer machen
Produkte des alltäglichen Lebens, von Essen über Kleidung bis zu Kosmetika oder
Gebrauchsgegenständen, wollen wir sicher machen – durch strengere Grenzwerte bis hin zu
Verboten gesundheitsgefährdender Stoffe. Aus PVC und PVC-Weichmachern wollen wir wegen der
gesundheitlichen Risiken aussteigen. Nanopartikel kommen bereits in Lebensmitteln, Kosmetika
oder Medikamenten zum Einsatz, ihre Unbedenklichkeit ist aber nicht eindeutig festgestellt.
Wir fordern daher ein Register für Nanoprodukte. Die Definition von „Nanopartikeln“ muss so
eng gefasst werden, dass es keine Schlupflöcher gibt.
Spätestens seit dem Unglück in der Textilfabrik Rana Plaza 2013 hat bei vielen Menschen ein
Umdenken stattgefunden: Die Nachfrage nach fairer Kleidung steigt kontinuierlich. Wir
wollen, dass faire Mode Standard wird. Daher setzen wir uns für eine europäische
Transparenzrichtlinie ein, die die gesamte Herstellungs- und Lieferkette der Textilindustrie
umfasst und die Einhaltung konkreter Sorgfaltspflichten auf allen Stufen garantiert.
Frühzeitiger Verschleiß von Produkten ist für die Verbraucher*innen ein teures Ärgernis,
verschwendet Ressourcen und lässt die Müllberge weiter wachsen. Unser Ziel sind langlebige
Produkte, die repariert und recycelt werden können. Deswegen wollen wir ein europäisches
„Recht auf Reparatur“ schaffen, das Hersteller von Geräten verpflichtet, langfristig
Ersatzteile anzubieten sowie Reparaturanleitungen zu veröffentlichen. Wir fordern eine
verbindliche europäische Regelung gegen eine absichtliche Verkürzung der Lebensdauer von
Produkten. Außerdem müssen die Hersteller einer Rücknahmepflicht unterliegen, die Recycling
sicherstellt.
Für Soft- und Hardware braucht es Klarheit darüber, wie lange (Sicherheits-)Updates durch
die Hersteller zur Verfügung gestellt werden. Zudem brauchen wir klare Anforderungen an die
Lebensdauer und zur Kompatibilität mit Vorgängerversionen und -modellen. Die europäischen
Regelungen für die Gewährleistung wollen wir an die Lebensdauer von Produkten anpassen und
auch auf kommerzielle Software ausweiten. Gleichzeitig wollen wir Open-Hardware- und Open-
Source-Software-Produkte besonders fördern, da diese auch nach Ende der
Herstellerunterstützung noch weitergenutzt werden können.
Oft braucht man für ein neues Gerät auch ein neues Ladekabel, weil das alte nicht passt. Für
Ladegeräte und -kabel von Smartphones, Tablets und Laptops muss es einen einheitlichen und
verbindlichen europäischen Standard geben.
Wer GRÜN wählt, stimmt für
- den Schutz der Privatsphäre bei Smartphones, Tablets und „smarten“ Assistenten von
Anfang an,
- eine verbindliche Ende-zu-Ende-Verschlüsselung als Standard bei elektronischer
Kommunikation,
- eine Rücknahmepflicht bei den Herstellern für ein sicheres Recycling unserer Produkte,
- einen einheitlichen europäischen Standard für Ladegeräte und -kabel.
3.9 Kriminalität und Terror bekämpfen, Freiheit sichern
Schlagbäume schaffen kein Mehr an Sicherheit. Zur Verteidigung unserer Freiheit und gegen
Kriminalität und Terror brauchen wir eine stärkere europäische Kooperation der
Sicherheitsbehörden. Zahlreiche Straftaten wie Wohnungseinbruchdiebstahl, Taschendiebstähle
oder Betrugsdelikte erfolgen grenzübergreifend. Dementsprechend muss die Polizei auch
grenzübergreifend agieren. Auch islamistisch und rechtsextrem motivierter Terrorismus agiert
grenzüberschreitend. Dem stellen wir uns zur Verteidigung unserer Freiheit und zum Schutz
der Bürger*innen entschlossen entgegen. Hierfür setzen wir auf wirksame Prävention und
effektive Strafverfolgung. Das gilt insbesondere für den EU-weiten Datenaustausch und die
Pflege von Datenbanken. Bei allen Maßnahmen haben für uns rechtsstaatliche Standards wie
Rechtsklarheit, der Bestimmtheitsgrundsatz und das Verhältnismäßigkeitsprinzip höchste
Priorität. Das heißt, anders als die derzeit verfolgte Politik wollen wir nicht, dass unsere
Sicherheitskräfte anlasslos jede Menge Daten sammeln oder dass veraltete Technik effektive
Abgleiche verhindert. Wir wollen eine präzise und konsequente Strafverfolgung. Eine maßlose
Politik immer weiter reichender Grundrechtseingriffe hingegen schwächt unsere Freiheit und
sorgt nicht für mehr Sicherheit.
Europäisches Kriminalamt schaffen
Unsere Sicherheit darf nicht dadurch beeinträchtigt werden, dass die Polizeibehörden der
Mitgliedstaaten bei der Zusammenarbeit versagen und die Überwachung von Verdächtigen an den
innereuropäischen Grenzen endet. Deshalb fordern wir den Aufbau eines Europäischen
Kriminalamts (EKA). Das heißt, dass die derzeit weitgehend befugnisfreie europäische
Polizeibehörde Europol zu einer europäischen Polizei nach dem Vorbild des Bundeskriminalamts
mit eigenen Ermittlungsteams ausgebaut wird. Sie braucht eigenständige
Ermittlungsmöglichkeiten und -befugnisse, um in relevanten Fällen grenzüberschreitender
Kriminalität selbst einschreiten zu können. Sie muss ebenso effektiv wie rechtsstaatlich
gegen Terrorismusverdächtige, Mafiaorganisationen, Menschenhandel, aber auch
länderübergreifend agierende Einbruchsbanden und die gewaltbereite rechte Szene vorgehen.
Dafür braucht sie ausreichend Ressourcen und Personal. Kurzfristig wollen wir im Rahmen des
bestehenden Rechts Europol durch multinationale Ermittlungsgruppen (Joint Investigation
Teams) stärken.
Europaweite Vernetzung der Polizei
Während andere Parteien reflexartig neue Eingriffsbefugnisse, Überwachungsgesetze und
Grundrechtseingriffe fordern, wollen wir die Zusammenarbeit der Polizeibehörden der EU-
Staaten verbessern. Dazu wollen wir ein europaweites Austauschprogramm für Polizist*innen
ins Leben rufen. Die Zusammenarbeit von Polizist*innen in länderübergreifenden
Ermittlungsteams wollen wir mit zusätzlichen Mitteln aus dem EU-Haushalt fördern. Denn wer
gemeinsam im Team zusammengearbeitet hat, greift schneller zum Telefon, um seine Kolleginnen
und Kollegen aus anderen EU-Staaten zu informieren oder um Rat zu fragen. Dabei ist uns
wichtig, dass diese Vernetzung höchsten datenschutz-, bürgerrechtlichen und
rechtsstaatlichen Standards entspricht. Daher lehnen wir auch eine Weitergabe von sensiblen,
personenbezogenen Daten an solche Staaten ab, die diese nicht einhalten. Unter dieser
Bedingung kann auch das bestehende Europol-Informations-System (EIS) weiter ausgebaut
werden, so dass ein Abgleich der nationalen Polizeidatenbanken mit den Europol-Systemen
möglich wird und Ermittler so vor Ort schneller feststellen können, ob Straftäter
grenzüberschreitend agieren und die polizeiliche Rechtshilfe weiter optimiert wird.
Geheimdienste einhegen und scharf kontrollieren
Die Veröffentlichungen von Edward Snowden haben ein System der globalen anlasslosen
Massenüberwachung offenbart, die europäischen Grundrechten diametral entgegenlaufen.
Deswegen setzen wir Grüne uns für eine scharfe parlamentarische Kontrolle, klare
Rechtsgrundlagen, die Einhaltung des Trennungsgrundsatzes und eine europaweite Begrenzung
nachrichtendienstlicher Befugnisse ein.
Europäische Staatsanwaltschaft ausbauen
Der künftigen Europäischen Staatsanwaltschaft stehen wir positiv gegenüber. Sie kann
perspektivisch als zentrale Ermittlungs- und Anklagebehörde eine entscheidende Rolle auch
bei der Strafverfolgung von grenzüberschreitendem Terrorismus und organisierter Kriminalität
einnehmen und sollte nicht auf die Verfolgung von Betrug zu Lasten der EU beschränkt
bleiben. Noch nehmen aber nicht alle Mitgliedsstaaten an der Europäischen Staatsanwaltschaft
teil. Dies ist nicht ausreichend. Wir werben dafür, dass alle Mitgliedsstaaten mitwirken und
wollen, dass ein künftiges Europäisches Kriminalamt im Auftrag der Europäischen
Staatsanwaltschaft die Ermittlungen durchführt. Rechtsstaatlichkeit und Opferschutz sowie
Grundrechte, Beschuldigten- und Verteidigerrechte müssen ohne Absenkung des Schutzniveaus
gewährleistet sein, auch bei grenzüberschreitender Herausgabe-und Speicheranordnung für
elektronische Beweismittel in Strafsachen (E-Evidence).
Organisierte Kriminalität bekämpfen - Terrorismusnetzwerke aufdecken
Um die Finanzierungsquellen von Netzwerken im Bereich der organisierten Kriminalität und des
Terrorismus auszutrocknen, möchten wir eine zentrale europäische Behörde für den Kampf gegen
Geldwäsche schaffen. Wir wollen, dass Banken nur bei konkreten Verdachtsfällen und unter
höchsten rechtsstaatlichen Standards verdächtige Kontobewegungen direkt auch an die
europäische Stelle melden.
Rechtswidrige, gewaltverherrlichende Propaganda und terroristische Online-Inhalte müssen
nicht nur nach transparenten rechtsstaatlichen Kriterien schnellstmöglich gelöscht, sondern
auch von den nationalen Strafverfolgungsbehörden konsequent verfolgt werden. Hierfür bedarf
es einer zuverlässigen Kooperation der Plattformen mit den Strafverfolgungsbehörden.
Prävention stärken und Waffenrecht verschärfen
Wir wollen Radikalisierung und Kriminalität von Anfang an verhindern und
Präventionsprogramme europaweit ausbauen. Insbesondere Programme zur Deradikalisierung und
für Aussteiger*innen aus der islamistischen und gewaltbereiten rechten Szene wollen wir
etablieren und stärken. Um schwere Straftaten wie etwa Amoktaten zu verhindern, muss der
Zugang zu Waffen erschwert werden. Es ist immer noch viel zu einfach, an illegale
Schusswaffen und umgebaute Dekorationswaffen zu gelangen. Alle gefährlichen Waffen müssen
lückenlos registriert und die Eignung und Zuverlässigkeit der Besitzer*innen regelmäßig
geprüft werden. Wir wollen eine europaweite einheitliche Kennzeichnung und gemeinsame
Standards für die Deaktivierung von Feuerwaffen einführen.
Angesichts der Zunahme rassistisch motivierter Gewalttaten und der Ausbreitung rechten
Gedankenguts muss die demokratische Zivilgesellschaft umso mehr gestärkt werden. Während
demokratiefeindliche Gruppen sich international austauschen und ihre Kräfte bündeln,
verbleiben demokratische Initiativen meist sehr lokal verhaftet.
Wir setzen uns für die finanzielle Unterstützung, die Vernetzung und den internationalen
Austausch der demokratischen Kräfte ein. Entsprechende Fördermittel und Programme auf EU-
Ebene müssen aufgestockt werden. Eine besondere Rolle spielt dabei eine alltags- und
lebensweltbezogene Bildungsarbeit in Schulen und Jugendeinrichtungen.
Datenschutz sicherstellen
Die europäischen Innenminister, tatkräftig unterstützt von der Großen Koalition in Berlin,
fordern nach jedem Terroranschlag geradezu reflexhaft zusätzliche Datenbanken und
Massenüberwachung. Wer mit dem Flugzeug nach Europa reist, wird anlasslos registriert
werden, egal ob es sich um Terrorverdächtige, Tourist*innen oder Geschäftsreisende handelt.
Bestehende Polizei- und Grenzkontrollsysteme werden gerade verschärft, neue befinden sich im
Aufbau.
Die EU-Richtlinie zur Fluggastdatenspeicherung halten wir für rechtswidrig. Es ist nicht mit
unseren Grundrechten vereinbar, dass alle, die einen Flug buchen, wie Verdächtige behandelt
werden und hinnehmen müssen, dass ihre Daten fünf Jahre lang gespeichert und fortlaufend
einer automatisierten Rasterfahndung unterzogen werden. Auch die anlasslose
Vorratsdatenspeicherung von Handy- und Kommunikationsdaten ist bereits zweimal vom
Europäischen Gerichtshof als grundrechtswidrig aufgehoben worden. Einen neuen Anlauf zur
europaweiten Kommunikationsüberwachung wird es mit uns Grünen nicht geben. Wir kämpfen
weiterhin mit aller Vehemenz gegen alle Formen von anlasslosen Vorratsdatenspeicherungen.
Die angestrebte Datensammlung kostet viel Geld, das bei der gezielten Überwachung und
Verfolgung von terroristischen und anderen Gewaltbereiten fehlt. Während die EU-Staaten
Milliarden in den Aufbau neuer Datenbanken investieren, hat die europäische
Ermittlungsbehörde Europol ein jährliches Budget von wenigen hunderttausend Euro für
Ermittlungsteams. Viel zu oft enden deshalb Ermittlungen an nationalstaatlichen Grenzen.
Gleichzeitig werden bestehende Datenbanken, in denen Personen erfasst sind, wie zum Beispiel
im Schengener oder im Europol-Informationssystem, derzeit nicht richtig genutzt, weil es an
Personal und Informationsaustausch zwischen den EU-Staaten mangelt. Hier gibt es dringenden
Änderungsbedarf. Bei der notwendigen Effektivierung des Informationsaustauschs und der
Zusammenlegung von Datenbanken müssen höchste datenschutzrechtliche Standards beachtet
werden.
Wer GRÜN wählt, stimmt für
- eine effektive wie rechtsstaatliche europäische Sicherheitsarchitektur, die Freiheit
schützt und Sicherheit garantiert,
- ein Europäisches Kriminalamt mit eigenen Ermittlungsteams und zusätzliche Kompetenzen
für die Europäische Staatsanwaltschaft,
- eine europäische Behörde zur Bekämpfung von Geldwäsche,
- eine konsequente Präventionsarbeit und eine EU-weite Verschärfung des Zugangs zu
gefährlichen Waffen,
- die Wahrung und den Ausbau von Grund- und Freiheitsrechten der Bürger*innen Europas .