Veranstaltung: | 44. Bundesdelegiertenkonferenz Bielefeld |
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Tagesordnungspunkt: | V Verschiedenes |
Antragsteller*in: | Achim Jooß (Ortenau KV) und 22 weitere Antragsteller*innen (Frauenanteil: 26%) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 21.09.2019, 15:22 |
V-02: Wehrhafte Demokratie sichern - Verbotsverfahren gegen AfD einleiten
Antragstext
Die AfD ist im Kern eine rechtsextreme und antidemokratische Partei. Die Spaltungen der
letzten Jahre haben die AfD zudem immer weiter in die rechtsextreme Richtung verschoben.
Leute, wie Andreas Kalbitz, die ganz offen bei Neonaziaufmärschen mitmarschiert sind, nehmen
immer mehr Führungspositionen ein. Eine wehrhafte Demokratie muss nicht dulden, dass
Verfassungsfeinde versuchen, die Demokratie von innen zu zerstören. Deswegen haben die
Verfassungsväter und -mütter in Art 21 (2) GG vorgesehen, dass "Parteien, die nach ihren
Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche
demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der
Bundesrepublik Deutschland zu gefährden," als verfassungswidrig verboten werden können.
Bündnis 90/Die Grünen werden sich dafür einsetzen, gegen die AfD gemäß Art. 21 (2) GG ein
Parteiverbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht einzuleiten.
Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Rechtsprechung verschiedene Kriterien
aufgestellt, die für ein Perteiverbot erforderlich sind:
- Eine Partei muss agressiv kämpferisch gegen die bestehende freiheitlich demokratische
Grundordnung vorgehen. Das Bundesverfassungsgericht definiert den Begriff wie folgt:
„Der Begriff der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne von Art. 21 Abs. 2 GG
umfasst nur jene zentralen Grundprinzipien, die für den freiheitlichen Verfassungsstaat
schlechthin unentbehrlich sind.
a) Ihren Ausgangspunkt findet die freiheitliche demokratische Grundordnung in der Würde des
Menschen (Art. 1 Abs. 1 GG). Die Garantie der Menschenwürde umfasst insbesondere die Wahrung
personaler Individualität, Identität und Integrität sowie die elementare Rechtsgleichheit.
b) Ferner ist das Demokratieprinzip konstitutiver Bestandteil der freiheitlichen
demokratischen Grundordnung. Unverzichtbar für ein demokratisches System sind die
Möglichkeit gleichberechtigter Teilnahme aller Bürgerinnen und Bürger am Prozess der
politischen Willensbildung und die Rückbindung der Ausübung der Staatsgewalt an das Volk
(Art. 20 Abs. 1 und 2 GG).
c) Für den Begriff der freiheitlichen demokratischen Grundordnung sind schließlich die im
Rechtsstaatsprinzip wurzelnde Rechtsbindung der öffentlichen Gewalt (Art. 20 Abs. 3 GG) und
die Kontrolle dieser Bindung durch unabhängige Gerichte bestimmend. Zugleich erfordert die
verfassungsrechtlich garantierte Freiheit des Einzelnen, dass die Anwendung physischer
Gewalt den gebundenen und gerichtlicher Kontrolle unterliegenden staatlichen Organen
vorbehalten ist.“
( BVerfGE 144, 20–367 (Ls. 3))
Alle diese Prinzipien der freiheitlich demokratischen Grundordnung lehnt die AfD ab und geht
durch ihr parlamantarisches Handeln in Anträgen und Anfragen sowie durch ihre
außerparlamentarischen Handlungen wie bei Aufmärschen und Äußerungen der Anhänger*innen
aggressiv kämpferisch dagenen vor.
a) die AfD fällt in ihren parlamentarischen Anfragen immer wieder damit auf, Daten von
Minderheiten erheben und sammeln zu wollen, wie beispielweise von LGBTIQ-Menschen in
Thüringen oder von nicht deutschen Mitarbeiter*innen in den baden-württembergischen
Kulturbetieben. Die menschenverachtende Sprache vieler Mitglieder gleicht der Sprache des
NS-Terrors. Beispielsweise werden Ausländer*innen als "Parasiten" bezeichnet
(https://www.tagesspiegel.de/themen/reportage/rechte-vor-einzug-in-den-bundestag-so-extrem-
sind-die-kandidaten-der-afd/20350578.html) und ihnen damit die Menschenwürde abgesprochen.
b) Die gleichbereichtigte Teilnahme aller Bürger*innen am Prozess der Willensbildung
unterläuft die AfD zum Beispiel durch ihr dubioses Finanzgebahren und die Annahme verdeckter
Spenden z.B. über die Schweiz und mit Hilfe des Spendenwaschvereins "zur Erhaltung der
Rechtsstaatlichkeit und der bürgerlichen Freiheiten". Die Rückbindung der Ausübung der
Staatsgewalt an das Volk ist nur mit einer Polizei und einer Bundeswehr möglich, die der
Rechts- und Fachaufsicht einer gewählten Regierung unterliegt. Die AfD verfolgt in ihren
Forderungen eine entgegengesetzte Praxis, indem sie zum Beispiel fordert, Sportschütz*innen
als Hilfspolizist*innen einzusetzen, geht dies in die Richtung einer nicht demokratisch
kontrollierbaren Bürgerwehr. Uwe Junge geht sogar so weit, in einem Tweet
(https://twitter.com/Uwe_Junge_MdL/status/1151374857294286848) "einen Aufstand der Generale
[sic!]" zu fordern. Damit stellt Junge zumindest das Primat der Politik über die Bundeswehr
in Frage und fordert unterschwellig einen Militärputsch der Bundeswehr. Viele Anhänger*innen
der AfD haben sich über die grausame Ermordung Walther Lübckes offen gefreut und drohen
offen Politiker*innen und Journalist*innen wie Angela Merkel oder Georg Restle. Selbst der
Wahlausschuss in Sachsen konnte nach seiner Entscheidung wegen formaler Mängel nur einen
Teil der AfD-Landesliste zuzulassen nur noch unter Polizeischutz tagen. Dieses Verhalten
bedroht grundlegend die Arbeit demokratischer Organe.
c) Gerade im Asylrecht stellt die AfD immer wieder die Gewaltenteilung, die Möglichkeit
einer gerichtlicher Überprüfung von negativen Asylbescheiden und damit einen wesentlichen
Bestandteil des Rechtsstaatsprinzips öffentlich in Frage. Durch die Forderung nach
Bürgerwehren und Hilfspolizeibefugnisse wird auch das staatliche Gewaltmonopol in Frage
gestellt. Aussagen wie vom Europoabgeordneten Maximilian Krah, der sich "den Weg frei
schießen" (Quelle: https://www.lvz.de/Region/Mitteldeutschland/AfD-visiert-in-Sachsen-30-
plus-x-an-Urban-Wir-wollen-regieren) will, zeigen, dass die AfD auch vor tatsächlicher
Gewalt nicht zurückschreckt. Weitere Beispiele, die aggressiv kämpferischeres Verhalten
belegen, sind das demonstrative Sitzenbleiben des bayerischen Landtagsabgeordnerten Müller
bei der Gedenkminute für Walter Lübcke, das als Billigung von Gewalt gesehen werden kann
sowie für die Ablehnung des Parlamentarismus die Missachtung des Auschlusses von der Sitzung
durch den baden-württemberigeschen Landtagsabgeordneten Räpple.
Im Ergebnis ist die AfD der parlamentarische Arm eines rechtsextremen und
rechtsterroristischen Netzwerks. Daher hat die AfD auch die für ein Parteiverbot
erforderliche Relevanz, die das Bundesverfassungsgericht in seiner letzten Entscheidung im
zweiten NPD-Verbotsverfahren gefordert hat, damit ein Parteiverbot verhältnismäßig ist.
Diese Relevanz zeigt sich auch darin, dass in jedem Parlament, in dem die AfD eingezogen
ist, Provokationen und Grenzverschiebeungen an der Tagesordnung sind. Auch innerparteilich
ist die notwendige Relevanz der Verfassungsfeinde in der AfD gegeben.
Bündnis 90/Die Grünen halten die Kriterien, die das Bundesverfassungsgericht für ein
Parteiverbot aufgestellt hat, im Falle der AfD, wie oben dargelegt wurde, für erfüllt. Zur
Absicherung streben wir vor der Einleitung des Verbotsverfahrens die Einholung von
umfassenderen Rechtsgutachten durch die gemäß Art 43 (1) BverfgG antragsberechtigten Gremien
(Bundestag, Bundesrat oder Bundesregierung) an.
Um einen Erfolg nicht zu gefährden sehen wir eine Beobachtung der AfD durch den
Verfassungsschutz kritisch. Wir fordern, dass sich der Verfassungsschutz im Falle einer
Beobachtung zumindest genauso zurückhaltend verhält, wie seinerzeit im zweiten NPD-
Verbotsverfahren.
weitere Antragsteller*innen
- Christian Stettin (Wetterau KV)
- Dave Kolboom (Steinburg KV)
- Matthias Oomen (Berlin-Charlottenburg/Wilmersdorf KV)
- Karsten Finke (Bochum KV)
- Timo Pascal Viehl (Rostock KV)
- Karl-Heinz Trick (Ortenau KV)
- Benjamin Harter (Ortenau KV)
- Sabine Waldecker (Ortenau KV)
- Norbert Hense (Ortenau KV)
- Sylvia Dorn (Ortenau KV)
- Enrico Wolfgang Schandl (Ortenau KV)
- Manuela Rettig (Ulm KV)
- Tim Demisch (Berlin-Treptow/Köpenick KV)
- Judith Frauen (Hannover RV)
- Kai Schwarze (Garmisch-Partenkirchen KV)
- Esther Heins (Alb-Donau KV)
- Cornelia Hummel (Ortenau KV)
- Domenic Preukschas (Ortenau KV)
- Michael Christ (Ortenau KV)
- Andreas Durban (Ortenau KV)
- Miguel Martinez (Köln KV)
- Mathias Kruss (Ortenau KV)
Kommentare
Hans-Jörg Ernst Hosch:
Frank Rinkel:
Nichtdemokratische Parteien nutzten schon immer und das weltweit die Demokratie, um diese abzuschaffen.
Das Jahr 1933 soll uns als warnendes Beispiel dienen! Deshalb bin ich für ein Verbot der AfD uneingeschränkt!
Ulrich Dietl:
Ein Verbot sehe ich als das letzte Mittel - grundsätzlich.
Ein Verbot ist die erste Stufe an Ausübung von Gewalt an sich, hier jedoch gegen Gewalt - wiederum grundsätzlich.
Der gestellte Antrag sieht diese gegnerische Gewalt als gegen unser Zusammenleben gerichtet, grundsätzlich, nämlich gegen unser Grundgesetz (GG).
Dieses Grundsätzliche heißt unter anderem deshalb Grundgesetz, da dieses 'Gesetz' im alltäglichen Miteinander als unaussetzbar kontinuierliches Recht zu leben, wirksam vereinbart ist - von allen und für alle.
Diesen ‚Grund und Boden‘ will also niemand und ‚darf‘ niemand verlassen.
STANDPUNKT
Wer nun diesen ‚Grund und Boden‘ verlässt, entzieht mit seiner irgendwie dagegen gearteten ausgeübten Gewalt, das Fundament für ein gewaltfreies Zusammenleben. Jener entzieht sich die Grundrechte u. a. auf Freiheit und Selbstbestimmung, und somit das Recht auf Gewaltfreiheit durch seine Gewalt gegen, auch sein Grundgesetz selbst.
Sinngemäß konsterniert der Antrag - für meinem Verständnis:
• Die AfD übt Gewalt gegen 'das' Grundgesetz aus, gegen den ‚Grund und Boden‘ dieser Republik, gegen diese Gesellschaft.
• Die AfD übt damit Gewalt auch gegen sich selbst, auch gegen seine eigenen Grundrechte aus.
• Das Bundesverfassungsgericht möge dies bitte auf seinen Realitätsgehalt prüfen und ggf. damit für alle Akteure aufgeklärt verbieten, unterbinden.
• Ein Verbot käme dann einem Platzverweis gleich, ganz bestimmte gewaltfreie 'Räume' (Parteigründung, Debattenteilnahmen, ...) nicht mehr zu ‚betreten‘, bis solche grundsätzliche Gewalt öffentlich und nicht öffentlich unterlassen wäre. In den verbleibenden ‚Räumen‘ wollen wir uns mit den Akteuren weiter auseinandersetzen.
ENTSCHLUSS
Eine Prüfung des Bundesverfassungsgerichts auf Verbot der AfD unterstütze ich aus diesen Gesichtspunkten.
In noch tiefere Fragen und Details habe ich mich nicht eingelassen.
Günther Bieser:
Achim Jooß:
Hans-Jörg Ernst Hosch:
Ulrich Dietl:
Nur, wie 'gesagt', wenn Toleranz genutzt wird um gesellschaftliche Toleranz bewusst zu zerschlagen, nämlich unser grundästzlich vereinbartes, hier konkret das Grundgesetz / GG, wie ja von Achim (Jooß) direkt Bezug genommen, dann nur dann, sehe ich AUCH ein Verbot zusätzlich von BvG zu prüfen.
Das aber zu prüfen kann nur über einem Antrag erfolgen.
Mir ist keine andere sichere Klärung bekannt.
Und das Argument einen Antrag zu verlieren, ist ein zutiefst undemokratisches.
Da haben dann wir kräftig zu reflektieren.
Da sehe ich auch den Ansatz parallel - die AfD hat eine Ursache auch bei uns als Nicht-AfD an soziokultureller Klärungsschwäche, natürlich, eben solche Haltung ist auch zu klären Hans-Jörg.
Deshalb ist eine offene Debatte aufhellend für uns und für die psychomental abgespaltenen Leute der AfD - sie brauchen einen RÜckweg - natürlich.
Meine Wahrnehmung ist: Mit einem Verbotsantrag das prüfen lassen - rechtzeitig.
Ich sehe 6 Millionen Babys, Kinder, Mütter, Frauen, alte und junge Menschen.
Schon eine Person ist zu viel. OMG, dass wir das immer wieder sagen müssen.
Wer politisch Toleranz gezielt dazu nutzt um Toleranz, also Menschenwürde und Vielfalt zu zerschlagen, der muss auf Herz und Nieren geprüft werden - ist mindestens meine Haltung.
Dankbar für die Debatte.
René Adiyaman:
Achim Jooß:
Uwe Herzog:
Achim Jooß:
https://antraege.gruene.de/44bdk/Wehrhafte_Demokratie_sichern_-_Verbotsverfahren_gegen_AfD_einleiten-63471/5338
Hubert Geue:
Ausserdem beklagen wir zu Recht die aufgeheizte Polit-Stimmung, so ein aussichtsloses Unterfangen wird eines sicher erreichen: Dass die Rechten die GRÜNEN noch mehr hassen.
Achim Jooß:
Hubert Geue:
Deine Argumentation ist nicht ohne; die AfD ist höchtswahrscheinlich nicht von V-Leuten durchsetzt. Trotzdem sehe ich da null Chancen für ein Verbot u. angesichts dessen ist es unsinnig, die Fronten noch weiter zu verhärten u. erwünschte Solidaritätseffekte für die AFD zu kreieren. Könnte ein Eigentor werden.
Renate Kohlund:
Hubert Geue:
Achim Jooß:
Christian Hauer: