Veranstaltung: | 45. Bundesdelegiertenkonferenz Karlsruhe |
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Tagesordnungspunkt: | GSP-W In die Zukunft wirtschaften |
Status: | Beschluss (vorläufig) |
Beschluss durch: | Bundesdeligiertenkonferenz |
Beschlossen am: | 21.11.2020 |
Eingereicht: | 22.11.2020, 12:23 |
Antragshistorie: | Version 1 |
Kapitel 2: In die Zukunft wirtschaften
Beschlusstext
Kapitel 2: In die Zukunft wirtschaften
Sozial-Ökologische Marktwirtschaft
(90) Die Wirtschaft dient den Menschen und dem Gemeinwohl, nicht andersherum. Nachhaltiger
Wohlstand im Sinne von Klimaneutralität, Vorsorge und Gerechtigkeit ist Kern eines
zukunftsfähigen Wirtschaftssystems. Ziel ist ein Wirtschafts- und Finanzsystem, das die
planetaren Grenzen einhält und mehr Lebensqualität für alle Menschen erreicht, weltweit und
für zukünftige Generationen. Dazu ist es notwendig, grundlegend anders zu wirtschaften:
chancen-, ressourcen- und geschlechtergerecht. Dies bedeutet einen Wandel hin zu einer
sozial-ökologischen Marktwirtschaft innerhalb klarer Leitplanken und mit
Gemeinwohlorientierung, die Konzepte wie Wachstum, Effizienz, Wettbewerb und Innovation als
Mittel zum Zweck betrachtet und Konzentration ökonomischer Macht bei Wenigen vermeidet.
(91) Viele der strukturellen Anreize zum Produzieren, Handeln und Konsumieren stellen uns
vor ökologische Probleme dramatischen Ausmaßes und befeuern sozial-ökonomische
Verteilungskrisen, die behoben werden müssen. Um die Lebensbedingungen der Menschheit global
zu verbessern, wird auch in der sozial-ökologischen Transformation Wachstum in bestimmten
Bereichen wichtig sein, andere Bereiche werden schrumpfen. Wirtschaftswachstum ist nicht per
se das Problem, die mit Wachstumszwängen einhergehende Übernutzung natürlicher Ressourcen
und Ausbeutung menschlicher Arbeitskraft schon. Aus Vorsorge sind unsere Systeme deshalb auf
wissenschaftlicher Basis darauf auszurichten, auch beim Wirtschaften innerhalb der
planetaren Grenzen stabil zu bleiben- gerade im Hinblick auf wiederkehrende Wirtschafts- und
Finanzkrisen.
(92) Wohlstand definiert sich nicht allein durch materiellen Reichtum, sondern meint
Lebensqualität. Es geht auch um Sicherheit, Freiheit, Zeitsouveränität, gesunde
Lebensgrundlagen, Gleichberechtigung, kulturelle und politische Teilhabe und ein friedliches
Zusammenleben. Dafür sind ein neuer Wohlstandsbegriff und ein anderes Wirtschaften nötig.
Mit einem umfassenden Wohlstandsindikator können ökologische, soziale und qualitative
Merkmale erfasst werden. Wasser, Luft, Boden und Artenvielfalt sind globale Gemeingüter, die
abseits einer reinen Verwertungslogik allen Menschen zugutekommen müssen.
(93) Den Weg zur sozial-ökologischen Marktwirtschaft bereitet ein Green New Deal . Er
schafft den neuen Ordnungsrahmen für faires, ökologisches und nachhaltiges Wirtschaften,
indem er auf ein Bündnis aus Arbeit und Umwelt baut. Er investiert mutig in die Zukunft. Er
setzt neue Kräfte für Kreativität und Innovationen frei. Er sorgt für sozialen Ausgleich und
fördert eine geschlechtergerechte Gesellschaft
(94) Freies und kreatives Handeln von Menschen, fairer Wettbewerb, gesellschaftliche
Kooperation und die Vielfalt wirtschaftlichen Handelns können nachhaltigen Wohlstand,
Fortschritt und innovative Problemlösungen schaffen.
(95) Märkte können ein mächtiges Instrument für ökonomische Effizienz, Innovation und
technologischen Fortschritt sein. Ihre Dynamik und Schaffenskraft sind von großer Bedeutung,
um die großen Herausforderungen der ökologischen Krisen zu bewältigen. Unregulierte Märkte
aber sind zukunftsblind, krisenanfällig, instabil und können die Demokratie gefährden. Erst
klare Regeln stellen sicher, dass Märkte und Wettbewerb funktionieren und im
gesellschaftlichen Interesse wirken. Es ist Aufgabe des Staates, für Information,
Transparenz und Wahlfreiheit zu sorgen und die Durchsetzung von Verbraucher*innen-Rechten
sicherzustellen.
(96 neu) Märkte müssen so gestaltet sein, dass Verbraucher*innen als Marktteilnehmer*innen
effektiv vor Missbrauch geschützt sind und selbstbestimmte Entscheidungen treffen können.
Dazu gehören Vorsorge und Schutz auch für schwächere Verbraucher*innen ebenso wie
Wahlfreiheit und Transparenz in mittlerweile globalisierten und digitalisierten Märkten. Der
Staat muss für diese Verbraucher*innenrechte sorgen, die Durchsetzung dieser Rechte stärken
und die Verbraucherpolitik gesetzlich ausgestalten. Er darf die Verantwortung für die
Entwicklung der Wirtschaft nicht bei den Verbraucher*innen abladen. Es ist Aufgabe des
Staates, einen klaren Rechtsrahmen für Wirtschaft und Wettbewerb zu setzen.
(96) Der Markt ist nicht das alleinige Organisationsprinzip für das Wirtschaften in einer
Gesellschaft. Ein Großteil menschlicher Wirtschaftsbeziehungen erfolgt jenseits von Märkten
über den Staat, in Haushalten oder gemeinschaftlich organisierten Bereichen. Wir wollen den
Weg ebnen für soziales und ökologisches Unternehmer*innentum, für eine Wirtschaft des
Teilens sowie für frei zugängliches Wissen und frei zugängliche Gemeingüter. Unbezahlt
geleistete Arbeit muss anerkannt werden und darf nicht zu einer Benachteiligung führen. So
wird die sozial-ökologische Wirtschaft im Sinne des Gemeinwohls gestärkt.
([neu])Zum heutigen Zeitpunkt wissen wir nicht, welche Art des Zusammenlebens sich
langfristig als ökologisch und sozial tragbar erweisen wird. Um größere Handlungsspielräume
auch für kooperative und solidarische Formen des Wirtschaftens zu eröffnen, sollen
Initiativen unterstützt werden, die mit diesen Formen des Wirtschaftens experimentieren -
von der solidarischen Landwirtschaft mit gemeinschaftsgetragener Bäckerei über das
Druckerei-Kollektiv bis zum gemeinschaftlich organisierten Softwareentwicklungsbüro.
(97) Es gilt das Primat der Politik, auch gegenüber Wirtschaft und Kapital. Wir wollen es
neu begründen und durchsetzen. Dafür braucht es einen starken, effizienten und
handlungsfähigen Staat und klare Leitplanken aus Steuer-, Abgaben- und Ordnungsrecht sowie
intelligenter öffentlicher Forschungs- und Förderpolitik. Im Wettbewerb soll erfolgreich
sein, wer übergeordnete gesellschaftliche Ziele nicht konterkariert, sondern befördert.
(98) Nur wenn Preise die ökologische und soziale Wahrheit sagen, geht der Wettbewerb der
Märkte nicht zulasten von Mensch und Umwelt. Klimafreundliche und soziale Alternativen
können sich nur dann durchsetzen, wenn die Verursacher von ökologischen und sozialen Schäden
die Kosten für diese tragen.
(99) Zukunftsfähige Wirtschaftspolitik orientiert sich an einem neuen Wohlstandsmaß und
einer neuen Form der Wirtschaftsberichterstattung. Diese berücksichtigen - anders als das
Bruttoinlandsprodukt - neben ökonomischen auch ökologische, soziale und gesellschaftliche
Entwicklungen sowie Sorgearbeit, die zum größten Teil von Frauen – unbezahlt – geleistet
wird. Sorge- und Reproduktionsarbeit gehören zu den wichtigsten Aufgaben unserer
Gesellschaft. Deshalb braucht sie einen Rahmen, der Geschlechtergerechtigkeit auch in der
Wirtschaft sicherstellt.
(100) Zukunftsfähiges Wirtschaften braucht Planungssicherheit. Staatliche Wirtschafts-,
Investitions- und Infrastrukturpolitik muss langfristig und verlässlich stattfinden. Um
erfolgreich und nachhaltig zu wirtschaften, brauchen Unternehmen eine moderne und intakte
Infrastruktur, gut ausgebildete Fachkräfte, gute Finanzierungsbedingungen, eine
funktionierende öffentliche Verwaltung sowie soziale Stabilität und Rechtssicherheit. Dazu
zählen auch schnellere, bessere Planungsverfahren durch frühzeitige und wirksame
Verfahrensbeteiligung sowie Behörden und Gerichte mit ausreichendem Personal und einer
vollständig elektronischen Abwicklung von Anträgen.
(101) Infrastrukturen sind eine öffentliche Aufgabe. Öffentliche Güter und Institutionen
sowie soziale Infrastrukturen und bezahlbarer Wohnraum sind sicher zu stellen und müssen für
alle zugänglich sein. Grundinfrastrukturen der Sicherheit, des Rechts, der Mobilität und der
Verwaltung gehören in öffentliche Hand. Güter und Dienstleistungen von allgemeinem
Interesse, die kommunale Daseinsvorsorge und Selbstverwaltung müssen in öffentliche Hand und
von Marktmechanismen und Wettbewerb ausgenommen bleiben.Der Zugang zu öffentlichen Gütern,
die gesellschaftliche Teilhabe fördern - wie kommunale Freizeit- und Kultureinrichtungen –
soll daher bedarfsgerecht kostenlos ermöglicht werden. Die Beschaffungen des öffentlichen
Sektors müssen sich stärker an ökologischen und sozialen Faktoren, nicht nur am Preis
orientieren.
Wirtschafts- und Industriepolitik
(102) Wettbewerb unter gleichen Bedingungen ist die Voraussetzung dafür, dass Märkte
effizient funktionieren und Wohlstand und Fortschritt in nachhaltiger Weise hervorbringen
können. Es ist Aufgabe von Politik, Machtstellungen und Monopole zu verhindern und
aufzubrechen sowie jene Bereiche einer Gesellschaft zu definieren und auszugestalten, die
nicht durch Märkte dominiert werden sollen.
(103) Dumping, Protektionismus und mangelnde Regulierung führen zu unfairem Wettbewerb.
Darunter leiden viele Unternehmen in Europa und weltweit. Der Erwerb von
Unternehmensbeteiligungen, Direktinvestitionen, Marktzutritte und auch die Vergabe
öffentlicher Aufträge durch und an Dritte sollen auf der Basis von Standards und
Gegenseitigkeit erfolgen. Außereuropäische Übernahmen müssen dann, wenn nötig, auch
untersagt werden. Kritische Infrastruktur und Schlüsselindustrien gilt es zu schützen.
(104) Regulierung ist kein Selbstzweck. Sie muss sich an gesellschaftlichen Zielen
orientieren. Sie sollte Individuen und Unternehmen möglichst viel Freiheit in Bezug auf die
gewählten Mittel lassen. Es ist laufend zu überprüfen, ob es bestimmter Vorschriften noch
bedarf und sie ihren Schutzzweck weiterhin erfüllen. Dabei ist zu beachten, dass sowohl
ungeeignete politische Regeln als auch fehlende politische Regulierung Wettbewerb
einschränken und Marktmacht zementieren können. Regulierungen müssen so ausgestaltet sein,
dass sie nicht als Barriere für Gründungen wirken und zum Wettbewerbsnachteil für kleine
Unternehmen und das Handwerk werden. Sie sollen stattdessen bewirken, dass Machtunterschiede
möglichst ausgeglichen werden.
(105)Digitale Plattformen durchdringen immer mehr Bereiche des gesellschaftlichen und
wirtschaftlichen Lebens. Sie sind Grundlage von Wertschöpfung und neuen Geschäftsmodellen
und sollten daher im Fokus wirtschafts- und gesellschaftspolitischer Gestaltung stehen.
Plattformen müssen umfassend reguliert werden, um Grundrechte zu schützen, wachsende
wirtschaftliche Macht zu begrenzen, faire Wettbewerbs- und Arbeitsbedingungen
sicherzustellen sowie gemeinwohlorientierte Innovationen zu ermöglichen. Europa braucht
öffentlich-rechtliche wie auch gemeinnützige Alternativen zu den bisherigen privaten
Monopolen. Diese können Bürger*innen die Möglichkeit bieten, sich sowohl lokal als auch
digital zu organisieren und politisch Einfluss zu nehmen. Digitale Plattformen sind Teil der
Infrastruktur und müssen barrierefrei sein.
(106) Wirtschaftspolitisch muss der Staat mehr tun, als nur einen Rahmen zu setzen.
Deutschland kann nur mit einer nachhaltigen Wirtschaftsweise seine internationale Position
als globaler Industriestandort wahren, mit neuen Wertschöpfungsketten, neuen Produkten,
guten Arbeitsplätzen und zukunftsfähigen Geschäftsmodellen. Dazu braucht es eine aktive
Industriepolitik, die neuen Technologien zum Durchbruch verhilft, gerade da, wo der Markt
das Risiko scheut. Sie muss für fairen Wettbewerb sorgen, in Forschung, Digitalisierung und
die sozial-ökologische Transformation investieren, Arbeitsplätze schaffen und sichern und
die Gleichberechtigung der Geschlechter und nichtdiskriminierende Zugangsvoraussetzungen
sicherstellen.
(107) Unternehmer*innen dürfen nicht gezwungen werden, sich zwischen einem wirtschaftlich
erfolgreichen Weg oder einer sozialen und ökologischen Ausrichtung des Unternehmens zu
entscheiden. Wirtschaftliche Aktivität muss sich an langfristigen Zielen und
gesamtgesellschaftlichem Wohlstand ausrichten. Die Finanzberichterstattung soll mit
Langfristzielen ergänzt werden sowie mit verbindlichen Indikatoren, die im Kontext einer am
Gemeinwohl orientierten Bilanzierung die sozialen, ökologischen und gesellschaftlichen
Auswirkungen messen.
(108) Schlüsselprojekt einer sozial-ökologischen Industrie- und Innovationspolitik ist die
vollständige Dekarbonisierung der Produktionsprozesse in der gesamten Lieferkette.
Automobil- und Chemieindustrie sowie der Maschinenbau waren die Säulen des Erfolges der
deutschen Wirtschaft in den vergangenen Jahrzehnten, aber diese Branchen müssen sich neu
erfinden, um den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts gerecht zu werden. Dabei kann die
deutsche Industrie auf das bauen, was sie – ganz besonders den Mittelstand – stark gemacht
hat: ihre Ingenieurskunst, ihre Kreativität, die Sozialpartnerschaft mit den Gewerkschaften
sowie ihre europäische und globale Orientierung.
(109) Das Handwerk ist einer der wichtigsten Wirtschaftsfaktoren in Deutschland. In seiner
Vielfalt ist das Handwerk Voraussetzung für die Stadt der kurzen Wege, für attraktive
Regionen und für die sozial-ökologische Transformation. Das Handwerk muss dabei unterstützt
werden, seine Expertise, Qualität und Traditionen in die Zukunft zu übertragen und seine
wichtige Rolle am Arbeitsmarkt, insbesondere bei der Ausbildung von Fachkräften zu stärken
und auch in strukturschwachen Regionen zu erhalten und zu fördern.
(109-2) Tourismus ist zukunftsfähig, wenn er in seinen vielfältigen Erscheinungsformen
verantwortungsvoll und nachhaltig ist. Dazu gehören die gleichberechtigte Partizipation
aller Akteur*innen, die Umsetzung von Umwelt-, Natur- und Klimaschutz, die Stärkung der
lokalen Wirtschaft sowie eine Balance zwischen öffentlicher und individueller Mobilität.
Soziale, ökologische und kulturelle Belastungen von Reisen sollten im Einklang mit den
Gegebenheiten vor Ort sein beziehungsweise kompensiert werden.
(110) Entscheidend für eine Dekarbonisierung von Produktion und Konsum ist ihre Einbettung
in eine Kreislaufwirtschaft. Produktion und Konsum finden dabei so weit wie möglich in einem
regionalen Kreislaufsystem statt, sodass weniger endliche Ressourcen verwendet werden
müssen. Zentral dabei ist ein umfassendes Gebot für ressourcensparendes und
kreislauftaugliches Produktdesign. So wird die Zahl der neu produzierten Waren und Güter
minimiert, Produkte werden langlebiger und können repariert oder wiederaufbereitet werden.
(111) Als einer der größten Wirtschaftsräume der Welt kann die Europäische Union mit dem
gemeinsamen Binnenmarkt weltweit Standards setzen. Das gilt es zu nutzen, um die
Transformation voranzubringen, Menschenrechte zu schützen, wettbewerbsfähig zu bleiben,
Innovationen und Wertschöpfung zu fördern, sich weniger abhängig von anderen globalen
Playern zu machen und zugleich in der noch weitestgehend unregulierten digitalen Welt
Bürger*innen- und Verbraucher*innen-Rechte zu sichern.
(112) Die Grundstoffindustrie wird auch künftig ein zentraler Baustein bleiben. In einem
gemeinsamen Zusammenspiel von ökologischer und technologischer Innovation, Digitalisierung,
branchenübergreifender Kooperation und planungssicherer politischer Rahmensetzung sind die
Grundlagen dafür zu legen, dass Stahl, Beton, Baustoffe, Aluminium, Glas, Papier oder
Chemikalien weiter in Europa produziert werden. Die dafür nötigen Transformationsschritte
müssen wettbewerbsrechtlich ausgeglichen werden.
(113) Statt einer Abhängigkeit Europas im Bereich technischer Entwicklungen und Erfindungen
brauchen wir ausreichend eigene Produktions- und Entwicklungskapazitäten für systemrelevante
Produkte wie medizinische Präparate oder Techniken der kritischen Infrastruktur. Die
Regionalisierung in kritischen Bereichen und eine globale Kooperation gehören zusammen. Der
Markt allein kann das nicht richten.
(114) Das freie Unternehmer*innentum, die Gründer*innen und Start-ups sind die Treiber*innen
für Innovation. Grundlage für Neugründungen und Fortschritt sind Wagniskapital und
öffentliche wie private Investitionen in Forschung und Entwicklung. Wirtschafts- und
Forschungspolitik begünstigt neue Ideen zur sozial-ökologischen Transformation. Sie fördert
die Vernetzung von kleinen Unternehmen, Start-ups und Ausgründungen aus Hochschulen
europaweit. Sie unterstützt bei der Finanzierung, dem Zugang zu Ressourcen und beim Transfer
von Grundlagenforschung in die Praxis. Damit entstehen attraktive Rahmenbedingungen und
Diversität, für die besten Forscher*innen, Gründer*innen und Fachkräfte.
Eigentum und Gemeinwohl
(115) Ohne Recht auf Eigentum sind eine freiheitliche Gesellschaft und eine sozial-
ökologische Marktwirtschaft unvorstellbar. Gleichzeitig verpflichtet es gesellschaftlich,
weil eine zu starke Konzentration von Eigentum in den Händen Weniger Demokratie und
Marktwirtschaft bedroht. Es braucht eine gleichere Verteilung von Vermögen und Chancen.
(116) Grund und Boden unterliegen einer besonderen Sozialpflichtigkeit, weil sie
unvermehrbar und unverzichtbar sind. Deshalb müssen Renditen in diesem Bereich begrenzt sein
sowie Grund und Boden verstärkt in öffentliches oder gemeinwohlorientiertes Eigentum
überführt werden. Zum Wohl der Allgemeinheit bietet das Grundgesetz als letzte Möglichkeit
die Vergesellschaftung sowie die Enteignung, wo Märkte aus dem Ruder geraten.
Bodenwertsteigerungen werden gedämpft und bei Planungsrechtsänderungen wird die öffentliche
Hand beteiligt. Die Flächeninanspruchnahme ist zu begrenzen. Unser Ziel ist, den
Flächenverbrauch auf Netto Null zu senken und der Staat muss für vielfältig Besitzstrukturen
sorgen und eine gerechte Verteilung fördern.
(118) Es braucht neue Formen von gemeinwohlorientiertem oder gemeinschaftlichem Eigentum und
eine stärkere Gemeinwohlbindung. Genossenschaften und soziale Unternehmen leisten einen
wichtigen Beitrag hin zu einer gemeinwohlorientierten Wirtschaft. Ziel ist, dass Private
ihre Dienstleistungen und Produkte barrierefrei anbieten.
(118) Wissen wächst, wenn es geteilt wird. Der offene Zugang zu Wissen für alle Menschen
erhöht Innovationskraft, Wohlstand und Gerechtigkeit. Dabei wollen wir einen fairen Umgang
mit Wissen und Werken, Anreize zur Wissensgenerierung und die Stärkung offener und freier
Lizenzen. Die automatisierte Durchsetzung von exklusiven Eigentumsrechten darf die
Kommunikationsfreiheiten nicht einschränken. So viel Wissen wie möglich soll
Menschheitswissen werden und von der Allgemeinheit genutzt werden können. Bei kulturellen
Werken muss für Urheber*innen eine angemessene Vergütung sichergestellt werden.
Öffentlich finanziertes Wissen soll grundsätzlich allen kostenfrei zur Verfügung stehen.
Finanzmärkte und Banken
(119) Finanzmärkte und Banken haben die Aufgabe, realwirtschaftliche Investitionen zu
finanzieren und Sparer*innen attraktive Anlagemöglichkeiten zu bieten. Durch die
Deregulierung der Märkte geriet jedoch die Spekulation mit unproduktiven, komplexen
Finanzprodukten zum Hauptzweck. Spekulationen müssen eingedämmt werden und wir müssen zurück
zum sogenannten „boring banking“, bei dem die langfristige Finanzierung im Vordergrund steht
und nicht die kurzfristige Spekulation. Dafür muss das Einlagen- und Kreditgeschäft vom
riskanten Investmentbanking abgetrennt werden (Trennbankensystem). Es braucht einen
Finanzmarkt, der sich an der Finanzierung des Gemeinwohls beteiligt und es fördert statt ihm
zu schaden.
(120) Gute Finanzinstitute sind Grundpfeiler moderner Volkswirtschaften. Werden sie zu groß,
werden sie zur Gefahr. Deshalb sollte keine Bank oder Versicherung so groß sein, dass sie
eine ganze Volkswirtschaft in den Abgrund reißen kann. Eine Abwicklung muss ohne Rückgriff
auf Steuermittel jederzeit möglich sein. Außerdem brauchen Banken und Versicherungen eine
gute Eigenkapitalausstattung und wirksame Haftungsregeln.
(121) Deutschlands bestehendes Drei-Säulen-Bankwesen mit seinen vielen kleinen, lokalen
Banken hat sich bewährt. Der Finanzmarkt braucht eine effektive Aufsicht sowie einfache,
glasklare Regeln ohne Lücken, die für alle gelten – egal ob Banken, Hedgefonds, FinTechs
oder andere Finanzdienstleister. Diese Aufsicht soll mit klaren Zuständigkeiten einen
transparenten Finanzmarkt garantieren . Kleine Banken, von denen keine Gefahr für das
Finanzsystem ausgeht, müssen nicht so umfassend reguliert und beaufsichtigt werden wie
Großbanken.
(122) Finanzmärkte haben eine wichtige Funktion für die Ausgestaltung der Wirtschaft. Der
Umbau zu Klimaschutz und einer sozial-ökologischen Wirtschaftsweise wird beschleunigt, wenn
Anlagegelder nicht mehr in die alte, von fossilen Energien getragene Wirtschaft fließen. Die
öffentliche Hand und die öffentlich-rechtlichen Finanzinstitute müssen vorangehen und sich
vollständig aus Investitionen in Unternehmen zurückziehen, die auf fossile Energien, die
Zerstörung von Ökosystemen oder die Verletzung von Menschenrechten bauen. Für Anleger*innen
muss zu jeder Zeit transparent sein, welche ökologischen und sozialen Folgen mit ihren
Investitionen oder Einlagen verbunden sind. Es gilt, die Klima-, Nachhaltigkeits- und
Menschenrechtsrisiken im Finanzsektor durch eine am Gemeinwohl orientierte Bilanzierung
offenzulegen und einzupreisen. Das macht die Finanzierung von Investitionen in Klimaschutz
und Nachhaltigkeit günstiger als die Bereitstellung von Kapital für andere Zwecke.
Geld- und Fiskalpolitik
(123) Aufgabe der Geldpolitik von Zentralbanken sowie der Fiskalpolitik ist es, ökonomischen
Krisen entgegenzuwirken. Damit sichern sie Arbeitsplätze und Existenzen und fördern so den
gesamtgesellschaftlichen Wohlstand. Die Bekämpfung und Vermeidung von Arbeitslosigkeit muss
wichtiges Ziel der Politik sein.
(124) Die Zentralbanken allein stoßen an Grenzen, wenn es um die Stabilisierung der
Wirtschaft in Krisenzeiten geht. Insbesondere die Haushaltspolitik muss einen Beitrag
leisten, das Auf und Ab der Konjunktur auszugleichen und tiefe wirtschaftliche Krisen zu
verhindern. Deshalb gilt es, stets die Auswirkung von Staatsausgaben auf die
Gesamtwirtschaft zu berücksichtigen. Es ist sinnvoll, sowohl auf nationaler als auch auf
europäischer Ebene die Spielräume zur Kreditfinanzierung öffentlicher Ausgaben zu nutzen und
auszubauen, um Wirtschaftskrisen sowie deren soziale Folgen zu vermeiden und Investitionen
für die sozial ökologische Transformation zu ermöglichen. Langfristige Schuldentragfähigkeit
ist dabei stets zu gewährleisten und gerade mit Blick auf die Handlungsspielräume künftiger
Generationen gesetzlich zu verankern.
(125) Unsere gemeinsame europäische Währung trägt zu einem starken gemeinsamen Europa bei.
Die Währungsunion ist allerdings ein unvollendetes Projekt geblieben. So verschärfen sich
wirtschaftliche Unterschiede und Ungleichgewichte bei Wettbewerbsfähigkeit und Handel, ohne
dass es dagegen europäische Instrumente gibt. Daher gilt es, die europäische Währungsunion
zu vollenden, sie um eine Fiskal- und Sozialunion zu ergänzen und die dafür notwendigen
Vertragsveränderungen auf den Weg zu bringen.
(126) Die Zentralbanken sollten eigene Standards für digitale Währungen schaffen. Dazu
bedarf es einer europäischen Regulierung für die Entwicklung, die für Verbraucher*innen
Rechtssicherheit schafft. Eine Aushöhlung des Geld- und Währungsmonopols über private
Währungen im Euro-Raum darf nicht zugelassen werden.
(126-2) Digitale Zahlungen, Kryptowährungen und die Personen hinter den Accounts müssen
nachvollziehbar sein. Zur Bekämpfung von Verbrechen wie Geldwäsche, die Darstellung
sexualisierter Gewalt gegen Kinder, Steuerhinterziehung und Terror-Finanzierung braucht es
eine staatliche Infrastruktur.
(127) Die EU braucht eine eigene Zuständigkeit für die Wirtschafts- und Fiskalpolitik. Sie
braucht einen Haushalt, der groß genug ist, um makroökonomisch zu stabilisieren und in
schweren Krisen Zuschüsse für die nationalen Haushalte leisten und mit europäischen
Investitionen reagieren zu können. Dieser Haushalt muss über eigene Steuereinnahmen und
Eigenmittel verfügen. Um langfristige Investitionen zu finanzieren und schwere
Konjunktureinbrüche abzuwehren und zu bekämpfen, muss sich dieser Haushalt auch über Kredite
finanzieren können. Um den Euro zu stärken, müssen Staatsanleihen der Europäischen Union und
ihrer Mitgliedstaaten eine absolut sichere Geldanlage darstellen. Ein Zahlungsausfall muss
in jedem Fall ausgeschlossen sein.
(128) Die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank ist ein hohes Gut. Sie gilt es zu
bewahren. Krisen haben jedoch gezeigt, dass eine alleinige Ausrichtung auf das Ziel der
Preisniveaustabilität ein zu enges Mandat für die Geldpolitik ist. Daher sollte die EZB, wie
andere Zentralbanken auch, gleichberechtigt das Ziel der Wohlstandsmehrung und eines hohen
Beschäftigungsstands verfolgen. Hohe Zinsunterschiede zwischen den Mitgliedsstaaten können
Staaten hindern aus einer Krise herauszukommen. Insbesondere ohne eine gemeinsame
Fiskalpolitik der Eurozone, kann es für die Zentralbank notwendig sein, die Liquidität der
Staaten zu garantieren und Zinsunterschiede zu begrenzen.
(129) Auf europäischer Ebene ist eine stärkere Harmonisierung und Vergemeinschaftung von
wettbewerbssensiblen Steuern notwendig, wie etwa der Besteuerung von Unternehmensgewinnen
oder dem CO2 Verbrauch. Lohn- und Tarifpolitik sollten schrittweise stärker aufeinander
abgestimmt werden. Im Fall von hohen und dauerhaften Handelsungleichgewichten innerhalb der
Währungsunion müssen die Empfehlungen der Europäischen Kommission eine stärkere
Verbindlichkeit haben, etwa den Defizit- wie auch den Überschussländern symmetrische
Verpflichtungen zum Abbau aufzuerlegen. Mit öffentlichen Investitionen und guten Löhnen wird
die Binnennachfrage gestärkt und die Exportüberschüsse Deutschlands abgebaut.
Haushalts- und Steuerpolitik
(130) Haushaltsmittel gehören allen Bürger*innen. Mit ihnen ist stets sorgsam umzugehen und
es ist zu überprüfen, ob die angestrebten gesellschaftlichen Ziele auf effizientem Weg
erreicht werden. Dies ist ein wichtiger Beitrag, um Aufgaben wie beispielsweise die
Daseinsvorsorge und Infrastrukturinvestitionen finanzieren zu können. Die öffentlichen
Haushalte müssen in einer Demokratie klar, transparent und nachvollziehbar sein. Gender
Budgeting und die Beachtung von Klimaneutralität sind für einen gerechten Haushalt
unerlässlich.
(131) Wir stehen zu langfristig nachhaltigen Staatsfinanzen und zu gesetzlichen Regeln für
die Begrenzung der Kreditaufnahme. Dabei gilt es, nicht nur die Verbindlichkeiten zu
betrachten, sondern auch das Vermögen der öffentlichen Hand zu erhalten und auszubauen.
Investitionen in Infrastruktur und Nachhaltigkeit sichern die Handlungsspielräume künftiger
Generationen. In diesem Sinne ist der Anteil der öffentlichen Investitionen an der
Wirtschaftsleistung auszubauen. Für den Ausbau des öffentlichen Vermögens und die
langfristige Sicherung unseres Wohlstands kann eine Kreditfinanzierung sinnvoll und
pragmatisch geboten sein, insbesondere wenn sie eine gute Rendite verspricht.
(132) Infrastruktur ist öffentliche Aufgabe. Eine weitere Privatisierung öffentlicher
Unternehmen im Bereich der öffentlichen Pflichtaufgaben der Daseinsvorsorge darf es nicht
geben. Öffentlich-private Partnerschaften kommen höchstens nur dann in Betracht, wenn sich
durch sie ein Mehrwert oder geringere Kosten für die Steuerzahler*innen ergeben.
(133) Unser Steuersystem stellt die Finanzierung öffentlicher Aufgaben sicher. Es braucht
ein gerechtes Steuersystem, das verständlich und effizient ist und zu einer Angleichung der
Einkommen
führt. Das ist Grundlage für Akzeptanz und reduziert soziale Ungleichheit.
(134) Ein Steuersystem, das wirtschaftliche Dynamik schaffen will, begünstigt neue
Aktivitäten und Investitionen und besteuert Vermögen sowie leistungslose Einkommen. Das
Aufkommen der Steuern aus Kapitaleinkommen, aus großen Vermögen und Erbschaften muss wieder
deutlich erhöht werden. Die Besteuerung von Kapitaleinkommen muss mindestens dem Maß der
Besteuerung der Erwerbstätigkeit entsprechen. Der Vermögensaufbau von einkommensschwachen
Gruppen soll gefördert werden.
(135) Steuern lenken. Steuersysteme sollen gesellschaftliche Ziele abbilden. Nicht am
Gemeinwohl orientierte und ökologisch schädliche Tätigkeiten und Produkte sollen stärker
besteuert und damit verteuert werden. Die Steuerlast stärker vom Faktor Arbeit auf
Ressourcenverbrauch und Einkommen aus Kapital- und Bodenbesitz zu verlagern, begünstigt den
ökologischen Umbau und soziales Engagement.
(136) Steuerdumping schadet Volkswirtschaften. Unternehmensgewinne und digitale Umsätze
müssen stärker am Ort des Konsums besteuert und eine gemeinsame europäische
Bemessungsgrundlage muss eingeführt werden.
(137) Alle sollen sich ihrer finanziellen Lage entsprechend am Gemeinwohl beteiligen, denn
Daseinsvorsorge und Sozialsystem sind nur solidarisch zu finanzieren. Die Besteuerung soll
progressiver und damit eine Trendumkehr eingeleitet werden. Dafür braucht es Transparenz
über wirtschaftliche Verhältnisse und eine Verwaltung, die in der Lage ist, das Recht
durchzusetzen. Steuerhinterziehung und -umgehung, Schwarzarbeit, Geldwäsche und Sozialbetrug
sind mit allen Mitteln zu bekämpfen.
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