Antrag: | Grundwerte: Die Werte, die uns einen |
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Antragsteller*in: | BAG Christ*innen (dort beschlossen am: 02.10.2020) |
Status: | Geprüft |
Verfahrensvorschlag: | Erledigt durch: GSP.Z-01-050 |
Eingereicht: | 04.10.2020, 17:20 |
GSP.G-01-253-2: Grundwerte: Die Werte, die uns einen
Verfahrensvorschlag zu GSP.Z-01-050: Antragstext
Von Zeile 49 bis 54 (GSP.Z-01: Kapitel 4: Zusammen leben):
(173) Die deutsche Gesellschaft ist religiös und weltanschaulich plural. Eine plurale Gesellschaft braucht den friedensorientierten Dialog derzwischen Religionen und Weltanschauungen, die unterschiedliche Zugänge zur einen Welt bieten. Es geht um die Bewahrung und Durchsetzung der Freiheit, das persönliche Leben nach eigenen Lebensentwürfen und Wertvorstellungen zu gestalten. Das schließt die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses ebenso ein wie[Leerzeichen]das Recht, nach anderen Vorstellungen zu leben. Zu dieser Freiheit gehört auch Religions- und Weltanschauungskritik. Voraussetzung
Von Zeile 57 bis 63 (GSP.Z-01: Kapitel 4: Zusammen leben):
Regimen. Die Wahrung der grundrechtlichen Normen und Werte kann durch keine Religion relativiert werden, auch nicht bei Fragen der Geschlechtergerechtigkeit und LGBTIQ. Dass Konfessionsfreie, die mehr als ein Drittel der Gesellschaft ausmachen, weltanschaulich meist nicht organisiert sind, darf nicht zu ihrer Benachteiligung führen.
(174) Die christlichen Kirchen sind ein wichtiger Teil unserer Gesellschaft und verleihen ihr vielfältige Impulse. Der säkulare Staat muss sich am Neutralitätsprinzip ausrichten und organisatorisch prinzipiell von ihnen getrennt sein. Das bedeutet aber nicht ein Kooperationsverbot zwischen Staat und Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaften. Das kooperative Modell des Staatskirchenrechtes soll zu einem pluralen Religionsverfassungsrecht weiterentwickelt werden. Auch in Betrieben in kirchlicher Trägerschaft sind Koalitionsfreiheit, Streikrecht, betriebliche Mitbestimmung, Tarifverhandlungen und eine umfassende Prüfung der Rechte von Arbeitnehmer*innen durch Arbeitsgerichte als soziale Grundrechte zu gewährleisten.
(174) Die christlichen Kirchen sind Teil und Stütze unserer Gesellschaft. Der säkulare Staat muss sich am Neutralitätsprinzip ausrichten. Das bedeutet aber nicht ein Kooperationsverbot zwischen Staat und Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaften. Das kooperative Modell des Staatskirchenrechtes soll zu einem pluralen Religionsverfassungsrecht weiterentwickelt werden.
Kapitel 4: Zusammen leben
Zusammenhalt in Vielfalt
(165) Offen ist eine Gesellschaft, in der alle Bürger*innen die gleichen Rechte und
Möglichkeiten haben, die die Unterschiedlichkeit von Menschen und Regionen als Stärke
begreift und als Wert verteidigt, die soziale Ungleichheit verringern will und den Schutz
von Minderheiten gewährleistet. Individuelle Freiheit und persönliche Identität werden
geschützt. Die offene Gesellschaft ist eine gewaltfreie. Ihre Grenzen findet sie in den
Rechten und Freiheiten der Mitmenschen. Die offene Gesellschaft hinterfragt sich, lernt und
ist selbstkritisch. Sie beruht auf Bedingungen, die sie selbst nicht schützen kann. Deshalb
sind der Schutz und die Arbeit für sie eine dauernde politische Aufgabe.
(166) Menschen sind unterschiedlich, aber ihre Rechte und ihre Würde sind gleich. Eine
vielfältige, diskriminierungsfreie, gleichberechtigte Gesellschaft bedeutet demokratischen
Fortschritt für alle. Sie entwickelt sich stets weiter und handelt permanent die Regeln
ihres Zusammenlebens neu aus. In einer pluralistischen Gesellschaft bilden gleichberechtigte
Individuen aus vielfältigen Perspektiven ein Bündnis für ein gemeinsames Wir zum Schutz und
zur Förderung von Freiheit und Würde. Das gemeinsame Wir bedeutet Zusammenhalt in Vielfalt.
(167) Das gemeinsame Wir schließt alle ein, die in unserem Land leben. Wir sind
unterschiedlich, aber uns verbindet Respekt und Akzeptanz allen Menschen gegenüber,
unabhängig davon, wie sie leben, lieben, glauben und aussehen. Das macht den Reichtum
unseres „Wir“ aus.
(168) Eine vielfältige und inklusive Gesellschaft ist eine gleichberechtigte – mit gleichen
Rechten, Zugängen und gleicher Teilhabe. In einer vielfältigen Gesellschaft richtet sich
Zugehörigkeit nicht danach, wo jemand geboren ist, in welchem Stadtteil jemand wohnt, woher
die Eltern kommen oder wie viel sie verdienen, wie jemand aussieht, was jemand glaubt oder
wie der Name klingt.
(169) Diskriminierung trifft nicht alle gleichermaßen, aber sie geht alle gleichermaßen an.
Eine vielfältige Gesellschaft schützt alle Menschen vor Diskriminierung, Rassismus,
Antisemitismus und Gewalt – im Alltag, ob subtil oder durch gesellschaftliche Strukturen und
öffentliche Institutionen.
(170) In Deutschland leben Menschen zusammen, deren Familien bereits seit Generationen hier
ansässig sind, sowie Menschen, die in jüngerer Zeit eingewandert sind. Hier leben
Christ*innen, Jüdinnen und Juden, muslimische und nicht religiöse Menschen genauso wie
Nachkommen von Arbeitsmigrant*innen und von Geflüchteten. Viele bezeichnen sich als
Deutsche, manche als Neue Deutsche, Schwarze Deutsche, People of Color, Menschen mit Romani-
Hintergrund, Polnisch-Deutsche oder Türkisch-Deutsche und vieles mehr. In einem offenen
Deutschland werden alle von allen als dazugehörig anerkannt und können sich zugehörig
fühlen.
(171) Migration prägt und verändert unsere Gesellschaft. Eine vielfältige
Einwanderungsgesellschaft erfordert die gleichberechtigte politische, soziale und kulturelle
Teilhabe von Migrant*innen. Sie ist als Staatsziel im Grundgesetz zu verankern.
(172) Das Staatsbürgerschaftsrecht soll allen Menschen, die hier leben, arbeiten oder zur
Schule gehen, rechtliche Gleichheit, wirkliche Teilhabe und Zugehörigkeit ermöglichen. Dazu
gehören die erleichterte und beschleunigte Einbürgerung, die Ermöglichung von doppelter
Staatsangehörigkeit und die Ausweitung des Geburtsrechts. Menschen, die in Deutschland ihren
Lebensmittelpunkt haben und Teil dieser Gesellschaft geworden sind, sollen einen
Rechtsanspruch auf Einbürgerung haben. Die deutsche Staatsangehörigkeit soll durch Geburt im
Inland erworben werden können, wenn ein Elternteil rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt
in Deutschland hat. Mehrstaatigkeit bildet die Lebensrealität vieler Menschen ab.
(173) Die deutsche Gesellschaft ist religiös und weltanschaulich plural. Eine plurale
Gesellschaft braucht den friedensorientierten Dialog derzwischen Religionen und Weltanschauungen, die unterschiedliche Zugänge zur einen Welt bieten. Es geht um die
Bewahrung und Durchsetzung der Freiheit, das persönliche Leben nach eigenen Lebensentwürfen
und Wertvorstellungen zu gestalten. Das schließt die Freiheit des religiösen und
weltanschaulichen Bekenntnisses ebenso ein wie das Recht, nach anderen Vorstellungen zu
leben. Zu dieser Freiheit gehört auch Religions- und Weltanschauungskritik. Voraussetzung
für eine Zusammenarbeit mit öffentlichen Stellen ist die uneingeschränkte Anerkennung der
verfassungsmäßigen Ordnung des Grundgesetzes und die Unabhängigkeit von autokratischen
Regimen. Die Wahrung der grundrechtlichen Normen und Werte kann durch keine Religion
relativiert werden, auch nicht bei Fragen der Geschlechtergerechtigkeit und LGBTIQ. Dass Konfessionsfreie, die mehr als ein Drittel der Gesellschaft ausmachen, weltanschaulich meist nicht organisiert sind, darf nicht zu ihrer Benachteiligung führen.
(174) Die christlichen Kirchen sind ein wichtiger Teil unserer Gesellschaft und verleihen ihr vielfältige Impulse. Der säkulare Staat muss sich am Neutralitätsprinzip ausrichten und organisatorisch prinzipiell von ihnen getrennt sein. Das bedeutet aber nicht ein Kooperationsverbot zwischen Staat und Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaften. Das kooperative Modell des Staatskirchenrechtes soll zu einem pluralen Religionsverfassungsrecht weiterentwickelt werden. Auch in Betrieben in kirchlicher Trägerschaft sind Koalitionsfreiheit, Streikrecht, betriebliche Mitbestimmung, Tarifverhandlungen und eine umfassende Prüfung der Rechte von Arbeitnehmer*innen durch Arbeitsgerichte als soziale Grundrechte zu gewährleisten.
(174) Die christlichen Kirchen sind Teil und Stütze unserer Gesellschaft. Der säkulare Staat
muss sich am Neutralitätsprinzip ausrichten. Das bedeutet aber nicht ein Kooperationsverbot
zwischen Staat und Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaften. Das kooperative Modell des
Staatskirchenrechtes soll zu einem pluralen Religionsverfassungsrecht weiterentwickelt
werden.
(175) Aktives jüdisches Leben in Deutschland und Europa nach den schrecklichen Erfahrungen
der Shoa bedeutet eine große Verantwortung für den deutschen Staat und seine Bürger*innen.
Jüdinnen und Juden in ihrer Selbstentfaltung zu unterstützen sowie ihre Sicherheit und die
der jüdischen Einrichtungen zu gewährleisten ist eine wichtige Aufgabe für unsere
Gesellschaft. Sich Antisemitismus in jeder Form entgegenzustellen ist die Verpflichtung
unseres Rechtsstaates und die immer währende Aufgabe aller Menschen in Deutschland und in
Europa. Das Existenzrecht und die Sicherheit Israels mit gleichen Rechten für all seine
Bürger*innen sind unverhandelbar.
(176) Muslim*innen sind nach den Angehörigen der großen christlichen Konfessionen die größte
religiöse Gruppe in diesem Land. Der Islam gehört damit selbstverständlich zu Deutschland.
Moscheen und muslimische Gemeinden müssen vor Bedrohungen und Angriffen geschützt, die
Sicherheit von Muslim*innen muss gewährleistet werden. Antimuslimischen Rassismus zu
bekämpfen ist Aufgabe der gesamten Gesellschaft. Das Anliegen vieler Muslim*innen,
mittelfristig anerkannte und gleichberechtigte Religionsgemeinschaft(en) im Sinne und nach
den Regeln des Grundgesetzes bilden zu können, verdient Unterstützung. Das Ziel sind
Staatsverträge mit islamischen Religionsgemeinschaften.
(177) Menschen mit Romani-Hintergrund sind die größte Minderheit in Europa. Sie sind Teil
der europäischen Geschichte und Gegenwart seit mehr als 600 Jahren und in Deutschland als
nationale Minderheit anerkannt. Kultur und Sprache sind vom Staat zu schützen und zu
fördern. Antiziganistische Diskriminierung ist jedoch weit verbreitet und bis in die Mitte
der Gesellschaft verankert. Sie findet zum Beispiel bei der Wohnungs- und Arbeitssuche, im
Bereich Bildung und Gesundheit statt. Dagegen einzutreten ist unsere Verpflichtung. Das
Erinnern an den lange ignorierten und nicht anerkannten Holocaust an Menschen mit Romani-
Hintergrund in der Zeit des Nationalsozialismus ist unser aller Verantwortung.
(178) Inklusion ist ein Menschenrecht. In einer inklusiven Gesellschaft können alle Menschen
ohne Angst in ihren Eigenschaften und Lebensformen verschieden sein. In einer inklusiven
Gesellschaft werden die Rechte von Menschen mit Behinderung und deren gesellschaftliche
Teilhabe umfassend und wirksam realisiert und geschützt. Die Umsetzung der VN-
Behindertenrechtskonvention in allen Lebensbereichen beendet ausschließende Strukturen.
Leben mit einer Beeinträchtigung bedeutet besondere Anforderungen zur Selbstbestimmung.
Menschen mit Behinderung tragen mit ihren Fähigkeiten und Ressourcen zum Gemeinwohl bei.
Feminismus und Geschlechtergleichstellung
(179) Feminismus ist sowohl die Vision einer gleichberechtigten Gesellschaft als auch der
Weg dorthin. Er verspricht, echte Gleichberechtigung in allen Lebensbereichen einzulösen –
rechtlich, kulturell und ökonomisch.
(180) Eine Gesellschaft, in der gleiche Teilhabe für alle Geschlechter Wirklichkeit ist,
schützt und stärkt die Rechte aller Frauen in ihrer Unterschiedlichkeit und unabhängig von
Herkunft, Alter, Religion, Behinderung, Sexualität oder Klasse. Deshalb verfolgen wir einen
Feminismus, der verschiedene Diskriminierungsformen auch in ihrer Verschränkung erkennt und
an ihrer Beseitigung arbeitet.
(181) Gesellschaftlich vorgegebene Rollenzwänge führen zu ungleichen Chancen und häufig zu
individuellem Leid. Sexismus behindert Frauen im Job, in der Schule, in der Uni, vor
Gericht, im Privatleben, in den Medien, im Internet. Menschen aller Geschlechter profitieren
von der Überwindung feststehender Geschlechterrollen. Menschen benötigen von klein auf
vielfältige Vorbilder, um sich frei entfalten zu können. Gemeinsam schaffen wir eine
Gesellschaft, in der alle Menschen frei von einschränkenden Rollenbildern leben können.
(182) Das Recht auf Selbstbestimmung über den eigenen Körper und das eigene Leben muss auch
für Frauen, Mädchen, trans*, inter* und nicht-binäre Menschen uneingeschränkt gelten. Dieses
Recht zu realisieren ist Teil einer guten öffentlichen Gesundheitsversorgung. Zu ihr zählen
auch selbstbestimmte Schwangerschaftsabbrüche, die nichts im Strafgesetzbuch verloren haben.
Menschen mit einer nichtbinären Geschlechtsidentiät haben ausschließlich selbst das Recht,
ihr Geschlecht zu definieren. Selbstbestimmung setzt einen umfassenden Schutz vor Gewalt
voraus. Im Sinne der Istanbul-Konvention ist jegliche Form geschlechtsspezifischer,
körperlicher, seelischer und sexualisierter Gewalt konsequent zu bekämpfen.
(183) Frauen sollen in allen Bereichen der Gesellschaft mitbestimmen und Verantwortung
übernehmen können. Gleichberechtigung bedeutet nicht nur, aber auch mehr Frauen in
Führungspositionen – in der Politik, in der Zivilgesellschaft und der Wirtschaft. Wo
freiwillige Selbstverpflichtung nicht hilft, sind Quoten ein wichtiges Instrument für mehr
Parität. Sie zielen dabei immer auf eine Welt, in der sie sich selbst überflüssig machen.
(184) Eine offene Gesellschaft ist eine der Geschlechtervielfalt, in der alle Menschen ohne
Angst verschieden sein können. Freiheit und Würde bedeuten, sich einem Geschlecht zuordnen
zu können oder auch nicht. Und es bedeutet, die eigene sexuelle Identität selbstbestimmt zu
finden. Freiheit und Würde bedeuten auch, gemäß der eigenen sexuellen Orientierung die
Lebensform, die Partnerschaft und das Familienmodell selbst zu wählen und dafür jeweils die
gleichen Rechte und den gleichen Schutz vom Staat zu erhalten. Antiqueere, homo-, bi- und
transfeindliche Ressentiments und Diskriminierung sowie Angriffe auf lesbische, schwule,
bisexuelle, trans*, inter*, nicht-binäre und queere Menschen sind menschenrechtliche
Verstöße und müssen von der gesamten Gesellschaft klar zurückgewiesen werden.
Stadt und Land, Jung und Alt
(185) Die regionale Vielfalt, die verschiedenen historischen Erfahrungen und
unterschiedlichen Lebensstile der Menschen machen Deutschland aus. Auch die historische
Spaltung in Ost und West durch den Kalten Krieg sowie die Verwerfungen nach der
Wiedervereinigung haben Deutschland geprägt. Unterschiede anzuerkennen, zu schützen und
zugleich den sozialen Zusammenhalt zu stärken ist unsere Verpflichtung. Es ist Verantwortung
des Staates, die Lebensbedingungen in sich ökonomisch und strukturell unterschiedlich
entwickelnden Regionen im gesamten Bundesgebiet und auf allen Ebenen anzugleichen – etwa im
Verhältnis von ländlichen Gegenden zu Städten, vom Norden zum Süden, von Ost nach West, von
schrumpfenden zu wachsenden Regionen.
(186) Die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse ist als normative Aufgabe wichtig, aber
immer schwieriger zu definieren. Während in strukturschwachen Regionen oftmals staatliche
Institutionen fehlen, sind die Mieten dort meist günstiger. Die Sicherung von gleichwertigen
Lebensverhältnissen wird nicht durch das gleiche Angebot wie in den Metropolen zu erreichen
sein, wohl aber durch die Schaffung von Voraussetzungen für kreative, flexible und digitale
Lösungen. Es geht um eine neue Politik des Ausgleichs zwischen ländlichen Räumen und
Städten. Dazu dient eine neue Gemeinschaftsaufgabe „Regionale Daseinsvorsorge“.
(187) Gute und sichere öffentliche Räume und Institutionen sind Voraussetzungen dafür, dass
die Gesellschaft zusammenhält. Damit Sicherheit und Gemeinsamkeit möglich werden, garantiert
der Staat gute Versorgung, Anbindung von ländlichen Regionen und Orte der Begegnung. Zur
Daseinsvorsorge gehören etwa Breitbandanschlüsse und Mobilfunkversorgung, Frauenhäuser,
Ärzt*innen sowie Krankenhäuser, Kitas, Jugendhäuser, Musikschulen und Bibliotheken, auch in
den ländlichen Regionen, Sportplätze und Schwimmbäder in Stadt und Land. So helfen
öffentliche Räume und Institutionen, Freiheit und Selbstbestimmung zu ermöglichen,
Chancengleichheit herzustellen und Aufstiegschancen zu schaffen. Sie sind mehr als
staatliche Daseinsvorsorge, sie sind ein Zusammenspiel von demokratischer Staatlichkeit und
bürgerschaftlichem Zusammenleben.
(188) Es braucht bessere regionale Wirtschaftskreisläufe. Sie sind nicht nur ökologischer,
sondern können auch Regionen mit Strukturproblemen helfen. Die regionale
Wirtschaftsförderung ist so auszurichten, dass regionale Kreisläufe unterstützt werden, vor
Ort eine gute Infrastruktur vorhanden ist und auch ländliche Regionen verlässlich vernetzt
und an die Zentren angebunden sind. Dafür braucht es starke regionale Zentren als
Ankerpunkte in den Regionen, die ein breites Angebot an öffentlichen und kulturellen
Dienstleistungen vorhalten. Ein Beispiel sind die europäischen Metropolregionen. Bei der
Ansiedelung von Bildungsinstitutionen, Landes- und Bundesbehörden sollen strukturschwache
Gebiete besonders berücksichtigt werden.
(189) Die europäischen Gesellschaften sind geprägt durch demographischen Wandel.
Bevölkerungsverluste und -zuwächse sind sehr ungleich verteilt, vor allem zwischen Stadt und
Land, und sie prägen unterschiedliche Identitäten und kulturelle Erfahrungen. Gleichwertige
Lebensverhältnisse herzustellen ist ein verfassungsrechtliches Handlungsziel und Kernaufgabe
der Politik.
(190) Das gute Zusammenleben aller Generationen und Gerechtigkeit zwischen ihnen wird in
einer alternden Gesellschaft zentraler. In ihr braucht es neue Formen des Zusammenlebens und
eine altersgerechte Infrastruktur. Das wirkt Einsamkeit entgegen und stärkt den sozialen
Zusammenhalt. Im Zentrum sollte nicht nur die Versorgung älterer Menschen stehen, sondern
auch ihre Teilhabe am gesellschaftlichen und politischen Leben.
(191) Für viele Menschen ist die Familie das Fundament ihres Zusammenlebens und Glücks.
Deswegen stehen Familien zu Recht unter dem besonderen Schutz des Grundgesetzes. Familie ist
da, wo Menschen mit dem Ziel der Dauerhaftigkeit Verantwortung füreinander übernehmen, sich
umeinander kümmern und füreinander da sind. Familien verdienen Unterstützung. Egal ob mit
oder ohne Trauschein, ob alleinerziehend oder mit Partner*in, ob gleich- oder
mehrgeschlechtlich, ob Patchwork oder in Mehr-Eltern-Konstellationen – alle Formen sollen
rechtlich und sozial abgesichert sein.
(192) Viele Eltern wollen sich Sorge- und Erwerbsarbeit gleichberechtigt aufteilen. Das wird
möglich durch ein flächendeckendes, zeitlich flexibles und qualitativ hochwertiges
Betreuungs- und Bildungsangebot, einen Wandel der Arbeitswelt sowie eine Reduzierung der
Arbeitszeit.
(193) Kinder brauchen die Freiheit, sich zu bewegen, zu spielen und zu lernen, zu lachen und
zu weinen, zur Freude und zur Wut. Sie haben eigene Rechte. Diese gehören in den Mittelpunkt
von Politik und Gesellschaft und sind im Grundgesetz eigenständig zu garantieren. Kinder
sind Expert*innen in eigener Sache und sollten bei den sie betreffenden Angelegenheiten
beteiligt werden. Ihr Interesse muss Leitlinie in der Ausstattung von öffentlichen Räumen
und Institutionen sein.
(194) Kinder und Jugendliche haben ein Recht auf besonderen Schutz und auf
diskriminierungsfreie Förderung, die über bundesweite Qualitätskriterien für Kitas, Schulen,
Jugendämter und freie Träger zu garantieren sind. Kinderrechte gehören in alle Curricula für
Jura, Medizin, Erziehungswissenschaften und Polizei. Kinder müssen bei Entscheidungen
gehört, ihre Rechte und ihr Wille im Mittelpunkt stehen. Überall, wo mit Kindern umgegangen
wird, muss Basiswissen über Kinderrechte, insbesondere über Beteiligung, über den Schutz vor
Kindeswohlgefährdung und vor sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche, zur
Voraussetzung werden. In Kinderschutzverfahren muss die nötige Qualifikation bei allen
Beteiligten gesetzlich vorgegeben und tatsächlich gewährleistet sein.
(195) Guter, bezahlbarer Wohnraum für alle ist eine öffentliche Aufgabe. Wohnraum, Grund und
Boden dürfen keine Spekulationsobjekte sein. Das Recht auf Wohnen soll im Grundgesetz
verankert werden. Kein Mensch soll ohne Obdach sein oder darf bei der Wohnungssuche wegen
des Namens, der Herkunft, der sexuellen Identität oder einer Behinderung diskriminiert
werden. Auch kleine Gewerbetreibende dürfen nicht durch steigende Mieten aus ihren Vierteln
vertrieben werden. Es braucht ein starkes und soziales Mietrecht, eine gesetzliche
Begrenzung der Miethöhe und eine Mieter*innen-Mitbestimmung.
(196) Um das Recht auf Wohnen zu verwirklichen, ist ein hoher Bestand an öffentlichem und
sozial gebundenem Wohnraum nötig. Dort, wo viele Menschen zuziehen, muss in großem Umfang
gebaut werden. Dabei muss auf nachhaltiges Bauen und eine behutsame Nachverdichtung geachtet
werden.
(197) Eine lebendige, durchmischte, offene und barrierefreie Stadt der kurzen Wege ist
Leitbild: Dort leben Junge und Alte sowie Menschen verschiedener Herkunft gern in ihren
Wohnvierteln, haben es nicht weit zur Arbeit und zum nächsten Sportplatz. Der demographische
Wandel bringt neue Formen des Zusammenlebens. Ein ausreichender Bestand an barrierefreien
Wohnungen und Möglichkeiten für ältere Menschen, ein aktives Leben zu führen, sind
entscheidend.
(198) Sport verbindet. Alte und Junge, Menschen verschiedener Herkunft, mit verschiedenen
Erfahrungen – auf dem Fußballplatz sind alle gleich. In Deutschland engagieren sich viele
Millionen Menschen im Sport – in Vereinen und Organisationen – für Fairness, Teamgeist und
Verantwortung. Im Sport können die Werte einer offenen und solidarischen Gesellschaft gelebt
und vermittelt werden. Der organisierte Sport ist eine wichtige Stütze der Gesellschaft,
weil er Werte und Bildung vermittelt und Zusammenhalt schafft. Diese Strukturen zu erhalten
und zu stärken bedeutet, das friedliche Zusammenleben zu stärken. Auf internationaler Ebene
leistet der Sport einen wichtigen Beitrag zum Kulturaustausch und zu gegenseitiger
Begegnung. Sport findet nicht im politischen Vakuum statt. Das bedeutet Verantwortung für
den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft, für den Schutz von Menschenrechten und der Natur,
aber genauso als wirtschaftlicher Akteur und im Kampf gegen Doping.
(199) Privat übernehmen viele Menschen ehrenamtlich Verantwortung für andere, sei es in
Familie und Nachbarschaft oder in Vereinen, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften und
Initiativen. Das Ehrenamt hat eine konstitutive Rolle in unserer Demokratie und für unser
Zusammenleben. Dafür braucht es Zeit, Anerkennung und Förderung, die wir als Gesellschaft
bereitstellen müssen.
(200) Viele Menschen sind motiviert, freiwilligen Einsatz für die Gesellschaft zu bringen.
Die bestehenden Freiwilligendienste können zu einem neuen gesellschaftlichen
Generationenprojekt werden, wenn sie ausgebaut und auch für Menschen im Ruhestand geöffnet
werden, die Erfahrung und Können weiter einbringen wollen. Ein solcher
„Zivilgesellschaftsdienst“ soll Rentner*innen wie allen jungen Menschen, die ihn ausüben
wollen, unabhängig vom eigenen Geldbeutel offenstehen.
Kultur und die Künste
(201) Kunst ist frei. Kunst dient niemandem. Sie lässt sich nicht auf ihren materiellen Wert
reduzieren. Kunst ist vielfältig und deutungsoffen und nie homogen, sie ist dynamisch und
hybrid und niemals statisch. Kultur und die Künste lassen aus dem Zusammenspiel
unterschiedlichster Einflüsse und Zusammenhänge Neues entstehen und sind so Motor
gesellschaftlicher Veränderung. Wir schützen die Freiheit der Kunst und wenden uns dagegen,
Kunst und Kultur vereinheitlichen zu wollen oder alleinige Deutungshoheit über sie zu
beanspruchen.
(202) Freie Kultur und Kunst sind eine Grundlage für Demokratie und friedliches
Zusammenleben. Sie gehören zur Daseinsvorsorge und sind Ausdruck und Anlass individueller
und gesellschaftlicher Reflexion, persönlichen und kollektiven Erkenntnisgewinns sowie
persönlicher und kollektiver Entwicklung. Kulturelle Vielfalt sowie Transkulturalität zu
fördern und zu schützen ist wichtige Aufgabe in der offenen Gesellschaft. Der Zugang zu und
die Teilhabe an Kultur und den Künsten muss für alle gleich gewährleistet sein, ungeachtet
der Herkunft. Das gilt für kulturelle Bildung, Kulturinstitutionen und Freiräume
gleichermaßen. Es gilt für das Erleben ebenso wie für das Schaffen von Kunst. Kultur und
Sprache nationaler Minderheiten sowie anerkannte Regionalsprachen sind zu schützen und zu
fördern.
(203) Kultur und Kunst brauchen öffentliche Förderung auf Grundlage transparenter Kriterien,
Kulturschaffende eine verlässliche und angemessene soziale Absicherung, die freie Szene
braucht professionelle Rahmenbedingungen, unabhängig von privater und unternehmerischer
Unterstützung. Dazu gehören auch transparente Strukturen und faire Arbeitsbedingungen in den
öffentlich geförderten Kultureinrichtungen.
(204) Das Bewusstsein für die Singularität der Verbrechen des Nationalsozialismus als
universelle Mahnung an die gesamte Menschheit und die daraus folgende historische
Verantwortung wachzuhalten ist vordringliche Aufgabe deutscher Erinnerungskultur. Es kann
keinen Schlussstrich geben. Dazu gehört, die Aufarbeitung der NS-Verbrechen fortzuführen und
Raubkunst an die Eigentümer*innen und ihre Erb*innen zurückzugeben.
(205) Zur Erinnerungskultur gehört das Erinnern an die friedliche Revolution 1989/90 in
Ostdeutschland sowie die historische Aufarbeitung der Verbrechen des SED-Regimes. Erlittenes
und begangenes Unrecht dürfen nicht in Vergessenheit geraten. Erinnerungsstätten und
Opferberatungen benötigen daher eine auskömmliche Finanzierung. Der Zugang zu den Stasi-
Akten muss weiterhin für Betroffene, für Publizistik und Forschung gewährleistet sein.
(206) Die Erinnerungskultur einer vielfältigen Einwanderungsgesellschaft zeigt sich offen
für die vielstimmigen Geschichten und Erzählungen sowie die unterschiedlichen historischen
Erfahrungen der Menschen, die hier leben. Auch die kritische Aufarbeitung der kolonialen
Vergangenheit und der damit verbundenen Verbrechen muss selbstverständlicher Teil unserer
Bildungs- und Erinnerungskultur sein. Das ist Voraussetzung für eine Gesellschaft, in der
Menschen frei von Rassismus leben können.
(207) Deutschlands Kolonialvergangenheit ist auch im Kulturbereich viel zu wenig
aufgearbeitet. Es braucht eine umfängliche Forschung über die Herkunft von Sammlungsobjekten
und immateriellen Kulturgütern aus kolonialen Kontexten, ihre Rückgabe an die
Herkunftsgesellschaften sowie die Dekolonisierung von Kultureinrichtungen und des
öffentlichen Raums. Dies kann nur in enger Zusammenarbeit mit den Nachkommen der ehemals
Kolonisierten international wie hierzulande geschehen.
(208) Der internationale Austausch im Bereich Kunst, Theater, Musik, Literatur, Film und
anderer Künste stärkt die Bindung zwischen den Menschen rund um den Globus. Die
Intensivierung der internationalen Kulturbeziehungen ist ein Beitrag zur Öffnung, zu Frieden
und zum Schutz von Menschenrechten. Die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik übernimmt
dabei eine wichtige Rolle.
Gesundheit und Pflege
(209) Oberste Aufgabe jeder Gesundheitspolitik ist es, die Würde und Freiheit des Menschen
auch im Krankheits- und Pflegefall zu wahren und gleichzeitig Krankheiten und
Gesundheitsrisiken vorzubeugen. Gesundheitsversorgung und Pflege sind zentrale Pfeiler der
Daseinsvorsorge. Es ist öffentliche Aufgabe, jedem Menschen unabhängig von Alter, Einkommen,
Geschlecht, Herkunft, sozialer Lage oder Behinderung sowie vom Wohnort und Aufenthaltsstatus
Zugang zu einer qualitativ hochwertigen Versorgung, die sich an seinen Bedürfnissen
orientiert, zu garantieren. Die Versorgung muss dem Stand der wissenschaftlichen
Erkenntnisse entsprechen, den medizinischen Fortschritt berücksichtigen und auch den
Bedarfen von besonders verletzlichen Personengruppen gerecht werden.
(210) Gute Gesundheitspolitik setzt schon bei der Vermeidung von Erkrankungen und
Pflegebedürftigkeit an und nimmt dabei auch das psychische und soziale Wohlbefinden in den
Blick. Prekäre Lebensverhältnisse machen in vielen Fällen krank. Menschen, die in Armut
leben, haben eine höhere Wahrscheinlichkeit zu erkranken und oft einen schlechteren Zugang
zum Gesundheitssystem. Bewegungsmöglichkeiten, gesunde Ernährung und saubere Luft müssen
allen zur Verfügung stehen, um gesund zu bleiben. Prävention, Gesundheitsförderung und
‑schutz sind deshalb Querschnittsaufgaben, die in allen Politikbereichen verfolgt werden
müssen. Insbesondere eine gute Sozialpolitik ist Teil einer umfassenden Gesundheitsvorsorge.
(211) Internationale und solidarische Kooperation bei Gesundheitsforschung und beim Aufbau
guter Gesundheitssysteme ist eine gemeinsame Aufgabe der Weltgemeinschaft. Es braucht
weltweit Versorgungssicherheit mit zentralen Arzneimitteln und Materialien. Sie müssen auch
in Europa produziert werden.
(212) Gesundheitsversorgung ist öffentliche Aufgabe. Egal ob bei der freiberuflichen
Landärztin, dem Medizintechnikunternehmen oder in der staatlichen Uniklinik – sie muss dem
Menschen und seiner Gesundheit zugutekommen und dient nicht dem Zweck, hohe Renditen zu
erzielen. Die Planung und Finanzierung des Gesundheitswesens muss am Bedarf der
Patient*innen ausgerichtet werden. Entscheidend ist nicht, was sich rentiert, sondern was
notwendig ist. Insbesondere im Krankenhausbereich soll die Gemeinwohlorientierung gestärkt,
die Benachteiligung öffentlicher Träger beendet, die Trägervielfalt erhalten und der Trend
hin zur Privatisierung gestoppt werden. Klare politische Vorgaben zur Personalbemessung,
Behandlungs- und Versorgungsqualität sollen sicherstellen, dass alle Träger gleichermaßen
zum Nutzen der Patient*innen handeln. Dadurch werden Gewinnausschüttungen von Kliniken
beschränkt, damit öffentliches und beitragsfinanziertes Geld im System bleibt.
(213) Gleichwertige Lebensverhältnisse bedeuten eine gute Gesundheitsversorgung in der Stadt
und auf dem Land. Jeder Mensch muss Zugang zu medizinischer und psychotherapeutischer Hilfe
haben, egal wo er lebt. Dafür müssen die Grenzen zwischen ambulanter und stationärer
Versorgung überwunden und Gesundheitsregionen aufgebaut werden, die eine bestmögliche
Verknüpfung der verschiedenen Versorgungsangebote vor Ort erlauben. Durch ein Stufenmodell
von der ambulanten und stationären Grundversorgung bis hin zu Spezialkliniken kann die
Versorgung im ländlichen Raum gestärkt und zeitgleich eine gute Versorgungsqualität
sichergestellt werden.
(214) Nur ein gut finanziertes Gesundheitssystem kann die Würde der Patient*innen und die
Rechte der Beschäftigten gleichermaßen schützen. Falsche politische Weichenstellungen und
der daraus folgende ökonomische Druck haben zu Fehlanreizen zulasten des Patient*innen-
Wohls, Kosteneinsparungen zulasten des Personals und einer falschen Verteilung von Geldern
geführt. Die Krankenhausfinanzierung muss neu gedacht und auf wohnortunabhängige
Versorgungssicherheit und -qualität, auf eine gute Bezahlung für Beschäftigte, auf Vorsorge
und auf Krisenfestigkeit ausgerichtet werden. Kliniken sollen nicht nur nach erbrachter
Leistung, sondern nach ihrem gesellschaftlichen Auftrag finanziert werden. Dafür müssen die
Fallpauschalen reformiert und um eine strukturelle Finanzierung ergänzt werden. Die
Investitionsfinanzierung muss durch Bund und Länder gemeinsam verbessert werden. Die
Versorgungsplanung im Gesundheitssystem soll gestärkt werden. Stationäre und ambulante
Versorgung sollen zusammen gedacht, geplant und finanziert werden.
(215) Eine bessere Vernetzung, Koordination und Zusammenarbeit über alle Berufsgruppen
hinweg ist notwendig, um den Bedarfen der Patient*innen in einer älter werdenden
Gesellschaft besser gerecht zu werden. Eine gut abgestimmte integrierte Versorgung in Form
von Gesundheitsregionen, in denen Ärzt*innen, Psychotherapeut*innen, Pflegekräfte und andere
Heilberufe sowie ein gut ausgestatteter öffentlicher Gesundheitsdienst Hand in Hand und auf
Augenhöhe zusammenarbeiten, muss darum zur Regel werden. Dabei helfen eine umfassende
Versorgungsplanung, Gesundheitsberichterstattung, die Aufwertung und Ausweitung der
Kompetenzen in Gesundheits- und Pflegefachberufen und eine Stärkung der
Versorgungsforschung. Heilmittelerbringer*innen und gesundheitsnahe Berufe sind ein
essenzieller Teil unseres Gesundheitssystems und müssen finanziell besser abgesichert
werden. Eine Stärkung der professionellen Pflege und der hausärztlichen Versorgung ist
Voraussetzung für ein gutes Versorgungsnetz in der Fläche.
(216) Die Versorgung durch Hebammen und in Geburtshäusern sowie Kreißsälen muss sowohl in
ländlichen Regionen als auch in Städten gesichert sein. Die reproduktive Selbstbestimmung
muss gewährleistet sein, das bedeutet den kostenfreien Zugang zu Verhütungsmitteln und die
Sicherstellung von ärztlich vorgenommenen Schwangerschaftsabbrüchen. Das sind wichtige Teile
der Gesundheitsversorgung und der Selbstbestimmung von Frauen. Dazu gehört auch die Stärkung
von Frauengesundheit und geschlechtsspezifischer Medizin in Forschung und Praxis.
(217) Gute Gesundheit und Pflege gibt es nur unter guten Arbeitsbedingungen in allen
Gesundheitsberufen. Altenpfleger*innen, Krankenpfleger*innen oder Hebammen sind das Rückgrat
unserer Gesellschaft. In diesem Arbeitsbereich droht permanent die Gefahr von Überlastung
und Überarbeitung. Sich um andere zu kümmern darf nicht krank machen. Es braucht mehr
Personal, mehr Lohn und mehr Zeit. Um überhaupt mehr Personal zu gewinnen, muss sich die
Arbeit mit der Familie vereinbaren lassen und Fortbildung und Aufstiegschancen bieten. Der
Staat trägt hier auch aufgrund des im Grundgesetz festgeschriebenen Sozialstaatsgebots eine
besondere Verantwortung.
(218) Digitalisierung und Automatisierung können helfen, Arbeitsabläufe im Gesundheitswesen
zu vereinfachen und Arbeitsbedingungen zu verbessern, und so dazu beitragen, den
Fachkräftemangel im Gesundheitswesen zu bekämpfen. Mithilfe der Koordinierung und des
Abgleichs von Kapazitäten und der Übernahme von unterstützenden Tätigkeiten durch Robotik
und digitale Hilfsmittel kann mehr Zeit für die persönliche Arbeit mit Patient*innen und
menschliche Zuwendung gewonnen werden.
(219) Die Chancen der Digitalisierung gilt es sowohl bei der Organisierung der
Gesundheitsversorgung und im Pflegebereich als auch bei der Verwaltung von Gesundheitsdaten
und der individuellen Prävention zu nutzen. So wird auch in Zeiten des demographischen
Wandels ein zukunftsfähiges Gesundheitssystem erhalten. Aufgrund der Sensibilität von
Gesundheitsdaten kommt dem Datenschutz dabei eine herausragende Rolle zu. Gerade deshalb
sollte die Infrastruktur von staatlicher Seite und nicht von privaten Drittanbietern zur
Verfügung gestellt werden. Gesundheitsdaten inklusive der Patient*innen-Daten werden unter
Wahrung höchster Datenschutzstandards digital erfasst und der Forschung anonymisiert zur
Verfügung gestellt. Ihre eigenen Gesundheitsdaten müssen Patient*innen jederzeit zugänglich
sein.
(220) Solidarisch finanziert können die Herausforderungen der älter werdenden Gesellschaft
und die Kosten des medizinischen Fortschritts am besten bewältigt werden. Indem alle
Bevölkerungsgruppen in die Finanzierung über eine Bürgerversicherung einbezogen werden,
können die Belastungen fair und für alle tragfähig ausgestaltet werden. Gesundheit und
Pflege muss allen Menschen gleich zur Verfügung stehen. Beim Zugang darf es keinen
Unterschied nach Einkommen oder Versicherungsstatus geben. Im Falle von Pflegebedürftigkeit
muss sichergestellt sein, dass alle Menschen die Leistungen erhalten, die sie benötigen, und
die anfallenden Kosten auch stemmen können. Pflege darf kein Armutsrisiko sein.
(221) Leistungen, die medizinisch sinnvoll und gerechtfertigt sind und deren Wirksamkeit
wissenschaftlich erwiesen ist, müssen von der Solidargemeinschaft übernommen werden. Bei
Medikamenten und Impfstoffen, die etwa der Bekämpfung von Pandemien dienen und durch Patente
geschützt sind, sind kostengünstige Lizenzen notwendig, um Menschen weltweit versorgen zu
können. Diese Lizenzen müssen im Zweifel verpflichtend durchgesetzt werden.
(222) Statt um eine Kriminalisierung von Süchtigen und Konsument*innen geht es um
Prävention, Schadensminimierung, Entkriminalisierung und passgenaue Beratungs- und
Hilfsangebote. Cannabis sollte legalisiert werden. Eine kontrollierte Abgabe von
psychoaktiven Substanzen und eine an den gesundheitlichen Risiken orientierte Regulierung
sind der richtige Weg für wirksamen Jugend- und Gesundheitsschutz, zur Verhinderung von
Drogentoten und um kriminellen Strukturen und Drogenkriegen die Grundlage zu entziehen.
(223) Menschen sind immer Menschen, niemals „Fälle“, egal ob gesund, krank, pflegebedürftig
oder eingeschränkt. Patient*innen sind Akteur*innen mit starken Rechten. Sie müssen bei
relevanten Entscheidungen im Gesundheitswesen mitbestimmen und in entsprechende Gremien
eingebunden sein. Die Förderung der Gesundheitskompetenz, die Befähigung der Patient*innen
und unabhängige Gesundheitsberatung sollen zu einem festen Bestandteil unseres
Gesundheitssystems werden.
(224) Auch im Alter oder bei Pflegebedürftigkeit haben Menschen das Recht auf ein
selbstbestimmtes Leben. Menschen, die pflegebedürftig werden, wollen zumeist in ihrem
gewohnten Umfeld bleiben. Eine dezentrale Pflegestruktur, bei der die Wünsche, die
Selbstbestimmung und Selbstständigkeit der Betroffenen im Mittelpunkt stehen, ist dafür der
beste Weg. Deshalb sollen Kommunen mehr Möglichkeiten bekommen, das Angebot an Pflege und
Betreuung vor Ort zu gestalten. Ziel sind lebenswerte Quartiere für alle Generationen, in
denen professionelle Pflegeangebote und nachbarschaftliche Initiativen ineinandergreifen und
diese ältere und pflegebedürftige Menschen sowie pflegende Angehörige unterstützen.
Pflegende Angehörige verdienen grundsätzlich mehr Unterstützung und bessere
Rahmenbedingungen. Gute stationäre Pflege gibt es nur, wenn in Pflegeheimen die Bedürfnisse
und das Wohl der Patient*innen im Mittelpunkt stehen, nicht wenn zu Gunsten von hohen
Renditen an der Qualität oder an den Beschäftigten gespart wird.
(225) Zu einem Leben in Würde gehört auch ein Sterben in Würde. Eine bedarfsgerechte
Palliativversorgung in Stadt und Land ist unerlässlich. Auch damit Menschen die Möglichkeit
haben, zu Hause im Kreis der Angehörigen zu sterben. Zusätzlich braucht es genügend
Hospizplätze, die auch auf die Bedürfnisse der Sterbenden eingestellt sind.
Antragstext
Von Zeile 252 bis 253 einfügen:
Migrant*innen und das Klima schützen, wie es in den Zielen für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen vereinbart ist.
(53) Friedensprozesse brauchen auch den friedensorientierten Dialog zwischen Religionsgemeinschaften. Ein solcher Dialog stärkt den Frieden und die Solidarität innerhalb unserer Gesellschaft und zwischen den Nationen.
Grundwerte: Die Werte, die uns einen
(1) Im Mittelpunkt unserer Politik steht der Mensch in seiner Würde und Freiheit. Jeder
Mensch ist einzigartig und frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Die universellen
und unteilbaren Menschenrechte sind Anspruch und Maßstab unserer Politik.
(2) Die Werte, die unsere Politik tragen, sind Ökologie, Gerechtigkeit, Selbstbestimmung,
Demokratie und Frieden. Dieses Fundament bildet für uns die Grundlage für eine solidarische
Gesellschaft, in der sich die Freiheit der und des Einzelnen auch in der Achtung der Anderen
als Gleiche sowie in ihrer Würde und Freiheit entfaltet.
(3) Diese Werte, die auf dem Prinzip der Menschenwürde beruhen, ergänzen sich nicht nur, sie
stehen mitunter auch im Widerstreit. Werteorientierte Politik braucht also Gespräch und
Streit, Gestaltung und Erneuerung. Nur ein geschlossenes Weltbild kennt keine Widersprüche.
Eine demokratische Gesellschaft realisiert sich weder in Werte- oder Regellosigkeit noch in
starren Dogmen, sondern indem das Verhältnis der Werte zueinander immer wieder konkret
ausverhandelt wird. Das ist grundlegende Voraussetzung für die Legitimität von Politik.
(4) Politik gestaltet die Wirklichkeit im Heute für das Morgen und im Bewusstsein für das
Gestern. Ohne Woher kein Wohin. Wir blicken nach vorne im Wissen sowohl um die geglückten
Erfahrungen als auch um die Schuld und das Grauen in unserer Geschichte. Als Europäer*innen
handeln wir im Bewusstsein einer Verantwortung für globale Gerechtigkeit auf Grundlage der
Bürger*innen- und Menschenrechte, wie sie sich in der Allgemeinen Erklärung der
Menschenrechte sowie im Grundgesetz und der EU-Grundrechtecharta manifestieren. Die Lehren
aus den Menschheitsverbrechen des Nationalsozialismus sind uns Verpflichtung.
(5) Unsere Politik richtet sich an alle Menschen. Wir verstehen uns als Bündnispartei, die
auf der Grundlage gemeinsamer Überzeugungen offen ist für unterschiedliche Erfahrungen,
Vorstellungen und Ansätze. Sie orientiert sich nicht an der Summe einzelner Interessen oder
einzelner Gruppen, sondern verbindet verschiedene Interessen zu einer gemeinsamen Vision für
eine bessere Zukunft. Das kann anstrengend sein, aber nur so entsteht aus den vielen
verschiedenen Erfahrungen und Ideen Neues.
(6) Jede Zeit hat ihre Aufgabe. Die Aufgabe unserer Zeit ist, eine krisenfeste Gesellschaft
demokratisch zu gestalten. Dazu sind Wohlstand im Sinne von Klimaneutralität, Vorsorge und
Gerechtigkeit sowie globale Verantwortung neu zu definieren und die Politik ist darauf
auszurichten. Um Krisen zu meistern, braucht es Zusammenhalt – in einer Gesellschaft, die
allen Bürger*innen die gleichen Rechte und Möglichkeiten gewährt, die die
Unterschiedlichkeit von Menschen und Regionen als Stärke und Wert begreift, die die Rechte
und Teilhabe von Minderheiten schützt und fördert sowie Spannungen durch Respekt ausgleicht.
Wir streben nach einem gemeinsamen Wir in einer vielfältigen Gesellschaft.
Ökologie
(7) Die Umwelt des Menschen zu schützen und zu erhalten ist Voraussetzung für ein Leben in
Würde und Freiheit. Sauberes Wasser und saubere Luft, Artenvielfalt und fruchtbare Böden
sind notwendige Bedingungen für unsere Entfaltungsfreiheit und Emanzipation. Eine Politik,
welche die natürlichen Lebensgrundlagen schützt, erhält die Möglichkeit zur Selbstbestimmung
für uns und künftige Generationen. Das 21. Jahrhundert ist das Zeitalter des Anthropozän.
Darin ist der Mensch zum entscheidenden Einflussfaktor dafür geworden, wie sich unsere Erde
verändert. Die Natur braucht uns nicht. Wir brauchen sie.
(8) Das Wissen um die planetaren Grenzen ist Leitlinie unserer Politik. Wir überschreiten
derzeit durch unser Handeln die ökologischen Belastungsgrenzen in Bereichen wie
Artenvielfalt, Klimaerhitzung oder Meeresversauerung und gefährden so die Stabilität unseres
Ökosystems und die Lebensgrundlagen der Menschen. Es ist unsere Aufgabe, uns durch sozialen,
wirtschaftlichen und technologischen Fortschritt zum Wohle der Menschen so nachhaltig
weiterzuentwickeln, dass wir unsere Lebensgrundlagen bewahren und den Weg in die ökologische
Moderne einschlagen.
(9) Wir haben nur diese eine Erde, in ihrer Schönheit und natürlichen Vielfalt. Menschen
sind nicht die einzigen Lebewesen, die fühlen. Daher ist es Pflicht für uns Menschen, das
Wohl von Tieren und die gesamte lebendige Natur zu schützen.
(10) Eine intakte Umwelt ist Voraussetzung für Gesundheit. Der Erhalt unserer natürlichen
Lebensgrundlagen und die Maßnahmen zur Eindämmung der Klimakrise verhindern massive
Gesundheitsschäden und schützen im Sinne der Vorsorge die Gesundheit zukünftiger
Generationen.
(11) Wir haben die Erde von unseren Kindern nur geborgt. Ziel einer nachhaltigen Entwicklung
ist auch die ökologische Gerechtigkeit zwischen den Generationen. Es ist unsere
Verpflichtung, nachfolgenden Generationen faire Handlungsspielräume und
Entscheidungsfreiheiten zu ermöglichen.
(12) Die Klimakrise und Zerstörung unserer Lebensgrundlagen verschärft bestehende
Ungleichheiten und trifft damit insbesondere Frauen. Ökologische Maßnahmen müssen von Frauen
mitgestaltet werden. Nachhaltigkeit bedeutet auch Geschlechtergerechtigkeit.
(13) Unter der Zerstörung der Natur leiden diejenigen früher und am stärksten, die dazu am
wenigsten beitragen und ihr am wenigsten entgehen können. Wo reiche Menschen sich noch
teilweise anpassen können, spüren ärmere die Folgen mit brutaler Härte. Umwelt- und
Klimapolitik sind eine Voraussetzung für soziale Gerechtigkeit. Jedoch können ökologische
Maßnahmen in Widerspruch zu sozialen Interessen geraten. Daher muss ökologische Politik
soziale Interessen immer miteinbeziehen.
(14) Wir denken Ökologie global. Ein Leben in Würde und Freiheit bedeutet ein Recht aller
Menschen auf Selbstbestimmung und Teilhabe. Globale Umweltgerechtigkeit nimmt die
historische Verantwortung der Industriestaaten für die Zerstörung der Umwelt in den Blick.
Deshalb sind wir in der Pflicht, die ökologischen und sozialen Kosten unseres Wirtschaftens
zu reduzieren, statt sie in andere Weltregionen zu verlagern, sowie diejenigen zu
unterstützen, die schon heute stark von Umweltzerstörungen betroffen sind und das in Zukunft
noch stärker sein werden.
(15) Eine nachhaltige Wirtschaftsweise schützt nicht nur Lebensgrundlagen, sondern erhöht
auch Wohlstand und Lebensqualität. Das erfordert eine grundlegende Dekarbonisierung unserer
Wirtschaft und unserer Lebensweise, für die in den kommenden Jahrzehnten erhebliche
Investitionen notwendig sind.
(16) Der Weg in die ökologische Moderne sichert Demokratie und Selbstbestimmung für heute
und für künftige Generationen. Sonst verlieren wir, was wir mit dem Klima schützen: Freiheit
und Würde. Demokratische Verfahren bringen die Kreativität und den gesellschaftlichen
Zusammenhalt hervor, die es zur Bewältigung der ökologischen Krisen braucht.
Gerechtigkeit
(17) Die Würde und Freiheit des Menschen werden in einer gerechten und solidarischen
Gesellschaft verwirklicht. Solidarität schafft gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Gerechtigkeit heißt für uns gleiche und größtmögliche Freiheit für alle. Sie ist die
Grundlage für ein gutes Leben.
(18) Gerechtigkeit bedeutet mehr als ein Leben ohne Armut. Soziale Gerechtigkeit braucht
einen starken Sozialstaat, der nicht nur materielle Sicherheit und Teilhabe gewährleistet
und Menschen vor Armut schützt, sondern die Voraussetzungen für ein selbstbestimmtes,
glückliches Leben schafft. Jeder hat das Recht auf materielle Sicherheit und soziale
Teilhabe sowie ein Leben frei von existenzieller Not.
(19) Eine gerechte Gesellschaft ermöglicht, gleichberechtigt am gesellschaftlichen Leben
teilzunehmen. Das verlangt starke öffentliche Räume und Institutionen – gute Kitas,
Kindergärten und Schulen, Hochschulen, Schwimmbäder und Sportplätze, Bibliotheken und
Theater, einen gut ausgebauten öffentlichen Nahverkehr, Breitbandanschlüsse für alle, gute
gesundheitliche Versorgung und gleichwertige Lebensverhältnisse in der Stadt und auf dem
Land. In Zeiten der Individualisierung, in der sich viele Menschen einsam fühlen, sind
solche Orte von besonderer Bedeutung.
(20) Die Finanzierung einer starken Daseinsvorsorge ist öffentliche Aufgabe.
(21) Gute und diskriminierungsfreie Bildung ist Voraussetzung für Gerechtigkeit. Wir
brauchen ein ganzheitliches und am Menschen orientiertes Bildungssystem. Das Vertrauen, dass
wir die Zukunft für uns und die Generationen nach uns ermöglichen und gestalten können, ist
ein notwendiger Antrieb für gesellschaftlichen Fortschritt.
(22) Eine Gesellschaft ist dann sozial, wenn ihr Wohlstand gerecht verteilt ist.
Unregulierter Kapitalismus produziert Ungleichheit und Machtkonzentration. Zu große
Ungleichheit bedroht den Zusammenhalt der Gesellschaft und damit einen Pfeiler der
Demokratie. Aufgabe von Politik ist es, durch Regulierung, Investitionen und Steuern
Ungleichheit zu reduzieren und einen Ausgleich zu schaffen. Große Vermögen bringen soziale
Verpflichtungen mit sich.
(23) Alle Menschen sollen unabhängig vom Geschlecht an der Gesellschaft teilhaben können.
Gerechtigkeit bedeutet, dass bezahlte und unbezahlte Arbeit, Einkommen, Zugang zu Bildung,
Eigentum und Zeit zwischen den Geschlechtern gerecht verteilt sind.
(24) Ohne die staatliche Garantie für diskriminierungsfreie und gleiche Rechte, Zugänge und
Teilhabe für alle ist Gerechtigkeit nicht herstellbar. Das heißt auch, dass die Bekämpfung
von Rassismus und allen Formen von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit grundlegende
Aufgabe von Staat und Gesellschaft ist.
(25) Soziales und ökologisches Wirtschaften schafft Innovation und Fortschritt und trägt so
zu einer gerechten Gesellschaft bei. Dafür braucht es gemeinsame Regeln, die fairen
Wettbewerb ermöglichen, die Konzentration von Macht verhindern und Verbraucher*innen-Rechte
schützen. Eine sozial-ökologische Marktwirtschaft trägt dazu bei, dass Menschen sich
verwirklichen können, Informationen effektiv genutzt werden, Wohlstand zum Wohle aller
entsteht und die Versorgung mit grundlegenden Gütern gewährleistet ist.
(26) Um globale Gerechtigkeit zu ermöglichen, muss das Weltwirtschaftssystem ein sozial-
ökologisches werden, das nach demokratischen Regeln organisiert ist und auf der Grundlage
von Kooperation und Solidarität und nicht auf Dominanz beruht.
Selbstbestimmung
(27) Menschen begegnen sich als Gleiche – in ihren Rechten und ihrer Würde. Selbst über das
eigene Leben bestimmen zu können, macht die Würde und Freiheit eines Menschen aus. Politik
hat die Aufgabe, die Freiheit und das Recht zur Selbstbestimmung zu schützen. Sie erkennt
Unterschiede an und verhindert undemokratische und damit ungerechtfertigte Herrschaft.
Voraussetzung für Selbstbestimmung, Freiheit und eine freie Entfaltung ist eine
Gesellschaft, in der weder der soziale Status, das Geschlecht oder die Herkunft noch die
Religion oder äußere Merkmale noch rassistische Zuschreibungen, das Alter oder eine
Behinderung noch die sexuelle Orientierung oder die sexuelle Identität einen Einfluss darauf
haben, wer dazugehört und wer nicht. Freiheit muss gesellschaftlich aktiv ermöglicht werden.
(28) Selbstbestimmtes Leben ist auf soziale, rechtliche, demokratische und ökologische
Voraussetzungen angewiesen, sonst bleibt es das Privileg weniger. Freie Entfaltung braucht
eine barrierefreie Infrastruktur, Sicherheit und Schutz vor Gewalt und Kriminalität.
Informationelle Selbstbestimmung und informationstechnische Sicherheit sind im digitalen
Zeitalter zu garantieren.
(29) Die gleichberechtigte Teilhabe aller Menschen ist Voraussetzung für den
gesellschaftlichen Zusammenhalt und für die individuelle Selbstbestimmung. Eine inklusive
Gesellschaft verändert Strukturen und schafft öffentliche Institutionen, die allen Menschen
offenstehen und allen in ihrer Unterschiedlichkeit und Vielfalt Partizipation ermöglichen.
(30) Selbstbestimmtes Leben setzt wirtschaftliche Freiheit voraus. Die Freiheit, den Beruf
zu wählen, Verträge zu schließen und ein Gewerbe oder Unternehmen zu gründen, gehört dazu.
Alle haben das Recht, in einer Gewerkschaft für gute Arbeitsbedingungen und Löhne zu
kämpfen. Wirtschaftliche Freiheit gewährleistet Eigentumsfreiheit, die sozial verpflichtet.
(31) In einer Welt, in der die Anforderungen an jede*n Einzelne*n steigen, in der alle immer
schneller, anpassungsfähiger und immer besser sein müssen, darf es auch Schwäche geben.
Jeder Mensch verdient Wertschätzung und Anerkennung für seine individuellen
Lebensentscheidungen, solange sie nicht zulasten Dritter gehen. Damit sich alle mit ihren
Stärken und Schwächen selbstbestimmt entfalten können, braucht es eine solidarische
Gesellschaft.
(32) Freiheit bedeutet Verantwortung für sich selbst und für andere. Sie fordert Individuen
und Gesellschaft heraus. Sie verlangt uns allen etwas ab. Freiheit und Selbstbestimmung
finden ihre Grenze dort, wo durch sie anderen Menschen und zukünftigen Generationen Freiheit
und Selbstbestimmung genommen werden. Nur demokratische und rechtsstaatliche Verfahren
können die Einschränkung von Freiheit und Selbstbestimmung legitimieren.
(33) Eine gleichberechtigte Gesellschaft ist eine, in der auch Mädchen und Frauen
selbstbestimmt über ihr Leben und ihren Körper entscheiden können. Das setzt die
Emanzipation von Verhältnissen der Unterdrückung und der Gewalt voraus. Wir stehen an der
Seite von Mädchen und Frauen, die global für ihr Selbstbestimmungsrecht streiten.
(34) Kinder sind keine kleinen Erwachsenen. Sie haben eigene Rechte auf Förderung ihrer
Entwicklung, auf Schutz, Teilhabe, Gehörtwerden und Bildung. Selbstbestimmung ist nur
möglich, wenn allen Kindern und Jugendlichen gleiche Chancen gegeben werden.
Demokratie
(35) Demokratie heißt gleiche politische Freiheit für alle. Die Demokratie lebt von
Voraussetzungen, die sie selbst nicht garantieren kann. Deshalb braucht sie Demokrat*innen.
Demokratie steht nie still. Sie entwickelt sich immer weiter. Demokratie ist die Staatsform,
die zur Selbstkorrektur in der Lage ist.
(36) Demokratie ist mehr als die Herrschaft der Mehrheit, denn sie garantiert den Schutz von
Menschen-, Freiheits- und Minderheitenrechten auf Grundlage eines liberalen Rechtsstaates.
Auch die wehrhafte Demokratie braucht Bürger*innen, die sie aktiv verteidigen und ihr immer
wieder neue Kraft geben. Das ist der beste Schutz gegen die Zerstörung von innen.
(37) In einer Demokratie eignen sich Menschen ihre Zukunft gemeinsam an und verwandeln
äußeres Geschehen in gemeinsame Entscheidungen. Demokratie ist anstrengend. Sie braucht
respektvollen Streit genauso wie den Kompromiss. Demokratie braucht Freiheit, sie muss
Bürger*innen- und Menschenrechte garantieren und ist sogleich an soziale Voraussetzungen und
Solidarität gebunden.
(38) Gewaltenteilung und ein starker Rechtsstaat tragen eine demokratische Gesellschaft. Der
Rechtsstaat verankert das Gewaltmonopol des Staates und hegt es ein.
(39) Wir stehen für eine inklusive, vielfältige Demokratie. In einer diverser werdenden
Gesellschaft, in der vielfältige Perspektiven zusammenkommen und sich Gehör verschaffen,
sehen wir die Aufgabe, Unterschiede anzuerkennen, Nachteile auszugleichen und
Gleichberechtigung zu schaffen. Das ist die Grundlage für die wechselseitige Anerkennung als
Gleiche in einer vielfältigen Gesellschaft. Demokratie ermöglicht ein gesellschaftliches
Wir, das nicht in Partikularinteressen auseinanderfällt. Sie wird reicher durch den Respekt
vor verschiedenen Erfahrungen.
(40) Allen Geschlechtern kommt in der Demokratie gleiche Gestaltungs- und Entscheidungsmacht
zu. Um Frauen an allen demokratischen Prozessen gleichberechtigt zu beteiligen, braucht es
Parität sowie Lebensbedingungen, die allen ermöglichen, Erwerbs- und Sorgearbeit sowie
gesellschaftliche und politische Arbeit zu vereinbaren.
(41) Demokratie ist eine öffentliche Angelegenheit. Der demokratische Meinungsstreit braucht
eine starke und lebendige Zivilgesellschaft, Engagement und Bürger*innen-Beteiligung, starke
und freie Medien, Kultur und Wissenschaft sowie gute Bildungseinrichtungen. Für die offene
Auseinandersetzung nach klaren Regeln braucht Demokratie immer wieder Innovationen und
Parteien, in denen sich Menschen zusammenfinden, um Meinungen zu bündeln und sich mit
Programmen und Haltungen der öffentlichen Debatte und der Entscheidung zu stellen.
(42) Demokratie ist darauf angewiesen, dass sich Menschen einmischen und repräsentiert
sehen. Demokratie braucht Zugänge und auch direkte Beteiligung, um die unterschiedlichen
Perspektiven und Positionen in den demokratischen Prozess einbringen zu können.
(43) Demokratie beruht auf nachvollziehbaren Entscheidungswegen und auf Transparenz über
Einflussnahme – etwa durch Unternehmen, Lobbyismus oder andere Staaten. Ein zu starker
Einfluss bestimmter Gruppen und ökonomischer Interessen untergräbt die Eigenständigkeit und
Glaubwürdigkeit politischen Handelns und muss eingegrenzt werden.
(44) Der Schutz, die Förderung und die Gewährleistung der Menschenrechte sind konstitutiv
für die Demokratie.
(45) Der Föderalismus in Deutschland ist eine Lehre aus dem düstersten Kapitel unserer
Geschichte und verhindert zentralstaatliche Übergriffe auf die Bürger*innen-Rechte. Er
verpflichtet zur Kooperation. Das Zusammenspiel von Bund, Ländern und Kommunen sichert
demokratische und soziale Stabilität. Es stärkt vielfältige Regionen und sorgt für eine
nahbare, ansprechbare Politik. Im Streben nach gleichwertigen Lebensverhältnissen tragen
Bund und Länder gemeinsame Verantwortung.
(46) Die europäische Integration ist konstitutiv – sie zu einer Föderalen Europäischen
Republik ökologisch, sozial und demokratisch weiterzuentwickeln ist Voraussetzung und Teil
einer demokratischen Gestaltung globaler Fragen.
Frieden
(47) Gelebte Freiheit und garantierte Würde benötigen Frieden. Das Zusammenleben der
Menschen fußt auf der Fähigkeit, Konflikte gewaltfrei und friedlich zu lösen und die
Menschenrechte aller zu wahren. Wo Gewalt friedliche Politik verneint, können Menschenrechte
und Gewaltfreiheit in Konflikt geraten. Wir setzen auf die Mittel der Politik, die dem Geist
der Kooperation in globaler Verantwortung entsprechen.
(48) Würde, Freiheit und Gleichheit ergeben sich aus der Universalität und Unteilbarkeit der
Menschenrechte. Die verbrieften Menschenrechte sind nicht verhandelbar – weder gegenüber
machtpolitischen oder wirtschaftlichen Interessen noch gegenüber einem kulturellen
Relativismus. Die Würde jedes Menschen ist unantastbar. Dies zu gewährleisten ist
Verpflichtung nationaler und internationaler Politik. Wir tragen als internationale
Gemeinschaft Verantwortung, gegen schwerste Menschenrechtsverletzungen und Völkermord im
Rahmen der Vereinten Nationen vorzugehen.
(49) Gewaltfreiheit ist mehr als die Nichtanwendung physischer Gewalt, Frieden mehr als die
Abwesenheit von Krieg. Kooperation, Dialog, demokratischer Ausgleich von Interessen und die
Stärke des Rechts, genauso Multilateralismus, internationale Partnerschaft und europäische
Einigung sind der Weg, um globale Herausforderungen, vor denen die Menschheit als Ganzes
steht, zu bewältigen.
(50) Frauenrechte sind Menschenrechte. Die Verwirklichung von Frauenrechten, der Schutz vor
geschlechtsspezifischer Gewalt, Verfolgung und Diskriminierung sowie eine aktive Mädchen-
und Frauenförderung in allen Bereichen sollen die internationale Politik leiten.
(51) Das vereinigte Europa ist ein einzigartiges Friedensprojekt. Gegen einen autoritären
Nationalismus ist das Versprechen der europäischen Einigung auf Frieden, Freiheit,
Solidarität und Stabilität wichtiger Anker multilateraler und menschenrechtsorientierter
Politik in der Welt.
(52) Humanitäre Verantwortung und internationale Solidarität bestimmen unser politisches
Handeln. Unser Ziel ist eine weltweite Ordnung mit internationalen Institutionen. Sie soll
Frieden, Gerechtigkeit und Freiheit sichern, Armut verringern, den gleichberechtigten Zugang
zu globalen Gemeingütern ermöglichen, Demokratie fördern, die gleichberechtigte Teilhabe von
Frauen und Minderheitengruppen garantieren, die verbrieften Menschenrechte aller
Migrant*innen und das Klima schützen, wie es in den Zielen für nachhaltige Entwicklung der
Vereinten Nationen vereinbart ist.
(53) Friedensprozesse brauchen auch den friedensorientierten Dialog zwischen Religionsgemeinschaften. Ein solcher Dialog stärkt den Frieden und die Solidarität innerhalb unserer Gesellschaft und zwischen den Nationen.
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Von Zeile 49 bis 54 (GSP.Z-01: Kapitel 4: Zusammen leben):
(173) Die deutsche Gesellschaft ist religiös und weltanschaulich plural. Eine plurale Gesellschaft braucht den friedensorientierten Dialog derzwischen Religionen und Weltanschauungen, die unterschiedliche Zugänge zur einen Welt bieten. Es geht um die Bewahrung und Durchsetzung der Freiheit, das persönliche Leben nach eigenen Lebensentwürfen und Wertvorstellungen zu gestalten. Das schließt die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses ebenso ein wie[Leerzeichen]das Recht, nach anderen Vorstellungen zu leben. Zu dieser Freiheit gehört auch Religions- und Weltanschauungskritik. Voraussetzung
Von Zeile 57 bis 63 (GSP.Z-01: Kapitel 4: Zusammen leben):
Regimen. Die Wahrung der grundrechtlichen Normen und Werte kann durch keine Religion relativiert werden, auch nicht bei Fragen der Geschlechtergerechtigkeit und LGBTIQ. Dass Konfessionsfreie, die mehr als ein Drittel der Gesellschaft ausmachen, weltanschaulich meist nicht organisiert sind, darf nicht zu ihrer Benachteiligung führen.
(174) Die christlichen Kirchen sind ein wichtiger Teil unserer Gesellschaft und verleihen ihr vielfältige Impulse. Der säkulare Staat muss sich am Neutralitätsprinzip ausrichten und organisatorisch prinzipiell von ihnen getrennt sein. Das bedeutet aber nicht ein Kooperationsverbot zwischen Staat und Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaften. Das kooperative Modell des Staatskirchenrechtes soll zu einem pluralen Religionsverfassungsrecht weiterentwickelt werden. Auch in Betrieben in kirchlicher Trägerschaft sind Koalitionsfreiheit, Streikrecht, betriebliche Mitbestimmung, Tarifverhandlungen und eine umfassende Prüfung der Rechte von Arbeitnehmer*innen durch Arbeitsgerichte als soziale Grundrechte zu gewährleisten.
(174) Die christlichen Kirchen sind Teil und Stütze unserer Gesellschaft. Der säkulare Staat muss sich am Neutralitätsprinzip ausrichten. Das bedeutet aber nicht ein Kooperationsverbot zwischen Staat und Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaften. Das kooperative Modell des Staatskirchenrechtes soll zu einem pluralen Religionsverfassungsrecht weiterentwickelt werden.
Kapitel 4: Zusammen leben
Zusammenhalt in Vielfalt
(165) Offen ist eine Gesellschaft, in der alle Bürger*innen die gleichen Rechte und
Möglichkeiten haben, die die Unterschiedlichkeit von Menschen und Regionen als Stärke
begreift und als Wert verteidigt, die soziale Ungleichheit verringern will und den Schutz
von Minderheiten gewährleistet. Individuelle Freiheit und persönliche Identität werden
geschützt. Die offene Gesellschaft ist eine gewaltfreie. Ihre Grenzen findet sie in den
Rechten und Freiheiten der Mitmenschen. Die offene Gesellschaft hinterfragt sich, lernt und
ist selbstkritisch. Sie beruht auf Bedingungen, die sie selbst nicht schützen kann. Deshalb
sind der Schutz und die Arbeit für sie eine dauernde politische Aufgabe.
(166) Menschen sind unterschiedlich, aber ihre Rechte und ihre Würde sind gleich. Eine
vielfältige, diskriminierungsfreie, gleichberechtigte Gesellschaft bedeutet demokratischen
Fortschritt für alle. Sie entwickelt sich stets weiter und handelt permanent die Regeln
ihres Zusammenlebens neu aus. In einer pluralistischen Gesellschaft bilden gleichberechtigte
Individuen aus vielfältigen Perspektiven ein Bündnis für ein gemeinsames Wir zum Schutz und
zur Förderung von Freiheit und Würde. Das gemeinsame Wir bedeutet Zusammenhalt in Vielfalt.
(167) Das gemeinsame Wir schließt alle ein, die in unserem Land leben. Wir sind
unterschiedlich, aber uns verbindet Respekt und Akzeptanz allen Menschen gegenüber,
unabhängig davon, wie sie leben, lieben, glauben und aussehen. Das macht den Reichtum
unseres „Wir“ aus.
(168) Eine vielfältige und inklusive Gesellschaft ist eine gleichberechtigte – mit gleichen
Rechten, Zugängen und gleicher Teilhabe. In einer vielfältigen Gesellschaft richtet sich
Zugehörigkeit nicht danach, wo jemand geboren ist, in welchem Stadtteil jemand wohnt, woher
die Eltern kommen oder wie viel sie verdienen, wie jemand aussieht, was jemand glaubt oder
wie der Name klingt.
(169) Diskriminierung trifft nicht alle gleichermaßen, aber sie geht alle gleichermaßen an.
Eine vielfältige Gesellschaft schützt alle Menschen vor Diskriminierung, Rassismus,
Antisemitismus und Gewalt – im Alltag, ob subtil oder durch gesellschaftliche Strukturen und
öffentliche Institutionen.
(170) In Deutschland leben Menschen zusammen, deren Familien bereits seit Generationen hier
ansässig sind, sowie Menschen, die in jüngerer Zeit eingewandert sind. Hier leben
Christ*innen, Jüdinnen und Juden, muslimische und nicht religiöse Menschen genauso wie
Nachkommen von Arbeitsmigrant*innen und von Geflüchteten. Viele bezeichnen sich als
Deutsche, manche als Neue Deutsche, Schwarze Deutsche, People of Color, Menschen mit Romani-
Hintergrund, Polnisch-Deutsche oder Türkisch-Deutsche und vieles mehr. In einem offenen
Deutschland werden alle von allen als dazugehörig anerkannt und können sich zugehörig
fühlen.
(171) Migration prägt und verändert unsere Gesellschaft. Eine vielfältige
Einwanderungsgesellschaft erfordert die gleichberechtigte politische, soziale und kulturelle
Teilhabe von Migrant*innen. Sie ist als Staatsziel im Grundgesetz zu verankern.
(172) Das Staatsbürgerschaftsrecht soll allen Menschen, die hier leben, arbeiten oder zur
Schule gehen, rechtliche Gleichheit, wirkliche Teilhabe und Zugehörigkeit ermöglichen. Dazu
gehören die erleichterte und beschleunigte Einbürgerung, die Ermöglichung von doppelter
Staatsangehörigkeit und die Ausweitung des Geburtsrechts. Menschen, die in Deutschland ihren
Lebensmittelpunkt haben und Teil dieser Gesellschaft geworden sind, sollen einen
Rechtsanspruch auf Einbürgerung haben. Die deutsche Staatsangehörigkeit soll durch Geburt im
Inland erworben werden können, wenn ein Elternteil rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt
in Deutschland hat. Mehrstaatigkeit bildet die Lebensrealität vieler Menschen ab.
(173) Die deutsche Gesellschaft ist religiös und weltanschaulich plural. Eine plurale
Gesellschaft braucht den friedensorientierten Dialog derzwischen Religionen und Weltanschauungen, die unterschiedliche Zugänge zur einen Welt bieten. Es geht um die
Bewahrung und Durchsetzung der Freiheit, das persönliche Leben nach eigenen Lebensentwürfen
und Wertvorstellungen zu gestalten. Das schließt die Freiheit des religiösen und
weltanschaulichen Bekenntnisses ebenso ein wie das Recht, nach anderen Vorstellungen zu
leben. Zu dieser Freiheit gehört auch Religions- und Weltanschauungskritik. Voraussetzung
für eine Zusammenarbeit mit öffentlichen Stellen ist die uneingeschränkte Anerkennung der
verfassungsmäßigen Ordnung des Grundgesetzes und die Unabhängigkeit von autokratischen
Regimen. Die Wahrung der grundrechtlichen Normen und Werte kann durch keine Religion
relativiert werden, auch nicht bei Fragen der Geschlechtergerechtigkeit und LGBTIQ. Dass Konfessionsfreie, die mehr als ein Drittel der Gesellschaft ausmachen, weltanschaulich meist nicht organisiert sind, darf nicht zu ihrer Benachteiligung führen.
(174) Die christlichen Kirchen sind ein wichtiger Teil unserer Gesellschaft und verleihen ihr vielfältige Impulse. Der säkulare Staat muss sich am Neutralitätsprinzip ausrichten und organisatorisch prinzipiell von ihnen getrennt sein. Das bedeutet aber nicht ein Kooperationsverbot zwischen Staat und Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaften. Das kooperative Modell des Staatskirchenrechtes soll zu einem pluralen Religionsverfassungsrecht weiterentwickelt werden. Auch in Betrieben in kirchlicher Trägerschaft sind Koalitionsfreiheit, Streikrecht, betriebliche Mitbestimmung, Tarifverhandlungen und eine umfassende Prüfung der Rechte von Arbeitnehmer*innen durch Arbeitsgerichte als soziale Grundrechte zu gewährleisten.
(174) Die christlichen Kirchen sind Teil und Stütze unserer Gesellschaft. Der säkulare Staat
muss sich am Neutralitätsprinzip ausrichten. Das bedeutet aber nicht ein Kooperationsverbot
zwischen Staat und Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaften. Das kooperative Modell des
Staatskirchenrechtes soll zu einem pluralen Religionsverfassungsrecht weiterentwickelt
werden.
(175) Aktives jüdisches Leben in Deutschland und Europa nach den schrecklichen Erfahrungen
der Shoa bedeutet eine große Verantwortung für den deutschen Staat und seine Bürger*innen.
Jüdinnen und Juden in ihrer Selbstentfaltung zu unterstützen sowie ihre Sicherheit und die
der jüdischen Einrichtungen zu gewährleisten ist eine wichtige Aufgabe für unsere
Gesellschaft. Sich Antisemitismus in jeder Form entgegenzustellen ist die Verpflichtung
unseres Rechtsstaates und die immer währende Aufgabe aller Menschen in Deutschland und in
Europa. Das Existenzrecht und die Sicherheit Israels mit gleichen Rechten für all seine
Bürger*innen sind unverhandelbar.
(176) Muslim*innen sind nach den Angehörigen der großen christlichen Konfessionen die größte
religiöse Gruppe in diesem Land. Der Islam gehört damit selbstverständlich zu Deutschland.
Moscheen und muslimische Gemeinden müssen vor Bedrohungen und Angriffen geschützt, die
Sicherheit von Muslim*innen muss gewährleistet werden. Antimuslimischen Rassismus zu
bekämpfen ist Aufgabe der gesamten Gesellschaft. Das Anliegen vieler Muslim*innen,
mittelfristig anerkannte und gleichberechtigte Religionsgemeinschaft(en) im Sinne und nach
den Regeln des Grundgesetzes bilden zu können, verdient Unterstützung. Das Ziel sind
Staatsverträge mit islamischen Religionsgemeinschaften.
(177) Menschen mit Romani-Hintergrund sind die größte Minderheit in Europa. Sie sind Teil
der europäischen Geschichte und Gegenwart seit mehr als 600 Jahren und in Deutschland als
nationale Minderheit anerkannt. Kultur und Sprache sind vom Staat zu schützen und zu
fördern. Antiziganistische Diskriminierung ist jedoch weit verbreitet und bis in die Mitte
der Gesellschaft verankert. Sie findet zum Beispiel bei der Wohnungs- und Arbeitssuche, im
Bereich Bildung und Gesundheit statt. Dagegen einzutreten ist unsere Verpflichtung. Das
Erinnern an den lange ignorierten und nicht anerkannten Holocaust an Menschen mit Romani-
Hintergrund in der Zeit des Nationalsozialismus ist unser aller Verantwortung.
(178) Inklusion ist ein Menschenrecht. In einer inklusiven Gesellschaft können alle Menschen
ohne Angst in ihren Eigenschaften und Lebensformen verschieden sein. In einer inklusiven
Gesellschaft werden die Rechte von Menschen mit Behinderung und deren gesellschaftliche
Teilhabe umfassend und wirksam realisiert und geschützt. Die Umsetzung der VN-
Behindertenrechtskonvention in allen Lebensbereichen beendet ausschließende Strukturen.
Leben mit einer Beeinträchtigung bedeutet besondere Anforderungen zur Selbstbestimmung.
Menschen mit Behinderung tragen mit ihren Fähigkeiten und Ressourcen zum Gemeinwohl bei.
Feminismus und Geschlechtergleichstellung
(179) Feminismus ist sowohl die Vision einer gleichberechtigten Gesellschaft als auch der
Weg dorthin. Er verspricht, echte Gleichberechtigung in allen Lebensbereichen einzulösen –
rechtlich, kulturell und ökonomisch.
(180) Eine Gesellschaft, in der gleiche Teilhabe für alle Geschlechter Wirklichkeit ist,
schützt und stärkt die Rechte aller Frauen in ihrer Unterschiedlichkeit und unabhängig von
Herkunft, Alter, Religion, Behinderung, Sexualität oder Klasse. Deshalb verfolgen wir einen
Feminismus, der verschiedene Diskriminierungsformen auch in ihrer Verschränkung erkennt und
an ihrer Beseitigung arbeitet.
(181) Gesellschaftlich vorgegebene Rollenzwänge führen zu ungleichen Chancen und häufig zu
individuellem Leid. Sexismus behindert Frauen im Job, in der Schule, in der Uni, vor
Gericht, im Privatleben, in den Medien, im Internet. Menschen aller Geschlechter profitieren
von der Überwindung feststehender Geschlechterrollen. Menschen benötigen von klein auf
vielfältige Vorbilder, um sich frei entfalten zu können. Gemeinsam schaffen wir eine
Gesellschaft, in der alle Menschen frei von einschränkenden Rollenbildern leben können.
(182) Das Recht auf Selbstbestimmung über den eigenen Körper und das eigene Leben muss auch
für Frauen, Mädchen, trans*, inter* und nicht-binäre Menschen uneingeschränkt gelten. Dieses
Recht zu realisieren ist Teil einer guten öffentlichen Gesundheitsversorgung. Zu ihr zählen
auch selbstbestimmte Schwangerschaftsabbrüche, die nichts im Strafgesetzbuch verloren haben.
Menschen mit einer nichtbinären Geschlechtsidentiät haben ausschließlich selbst das Recht,
ihr Geschlecht zu definieren. Selbstbestimmung setzt einen umfassenden Schutz vor Gewalt
voraus. Im Sinne der Istanbul-Konvention ist jegliche Form geschlechtsspezifischer,
körperlicher, seelischer und sexualisierter Gewalt konsequent zu bekämpfen.
(183) Frauen sollen in allen Bereichen der Gesellschaft mitbestimmen und Verantwortung
übernehmen können. Gleichberechtigung bedeutet nicht nur, aber auch mehr Frauen in
Führungspositionen – in der Politik, in der Zivilgesellschaft und der Wirtschaft. Wo
freiwillige Selbstverpflichtung nicht hilft, sind Quoten ein wichtiges Instrument für mehr
Parität. Sie zielen dabei immer auf eine Welt, in der sie sich selbst überflüssig machen.
(184) Eine offene Gesellschaft ist eine der Geschlechtervielfalt, in der alle Menschen ohne
Angst verschieden sein können. Freiheit und Würde bedeuten, sich einem Geschlecht zuordnen
zu können oder auch nicht. Und es bedeutet, die eigene sexuelle Identität selbstbestimmt zu
finden. Freiheit und Würde bedeuten auch, gemäß der eigenen sexuellen Orientierung die
Lebensform, die Partnerschaft und das Familienmodell selbst zu wählen und dafür jeweils die
gleichen Rechte und den gleichen Schutz vom Staat zu erhalten. Antiqueere, homo-, bi- und
transfeindliche Ressentiments und Diskriminierung sowie Angriffe auf lesbische, schwule,
bisexuelle, trans*, inter*, nicht-binäre und queere Menschen sind menschenrechtliche
Verstöße und müssen von der gesamten Gesellschaft klar zurückgewiesen werden.
Stadt und Land, Jung und Alt
(185) Die regionale Vielfalt, die verschiedenen historischen Erfahrungen und
unterschiedlichen Lebensstile der Menschen machen Deutschland aus. Auch die historische
Spaltung in Ost und West durch den Kalten Krieg sowie die Verwerfungen nach der
Wiedervereinigung haben Deutschland geprägt. Unterschiede anzuerkennen, zu schützen und
zugleich den sozialen Zusammenhalt zu stärken ist unsere Verpflichtung. Es ist Verantwortung
des Staates, die Lebensbedingungen in sich ökonomisch und strukturell unterschiedlich
entwickelnden Regionen im gesamten Bundesgebiet und auf allen Ebenen anzugleichen – etwa im
Verhältnis von ländlichen Gegenden zu Städten, vom Norden zum Süden, von Ost nach West, von
schrumpfenden zu wachsenden Regionen.
(186) Die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse ist als normative Aufgabe wichtig, aber
immer schwieriger zu definieren. Während in strukturschwachen Regionen oftmals staatliche
Institutionen fehlen, sind die Mieten dort meist günstiger. Die Sicherung von gleichwertigen
Lebensverhältnissen wird nicht durch das gleiche Angebot wie in den Metropolen zu erreichen
sein, wohl aber durch die Schaffung von Voraussetzungen für kreative, flexible und digitale
Lösungen. Es geht um eine neue Politik des Ausgleichs zwischen ländlichen Räumen und
Städten. Dazu dient eine neue Gemeinschaftsaufgabe „Regionale Daseinsvorsorge“.
(187) Gute und sichere öffentliche Räume und Institutionen sind Voraussetzungen dafür, dass
die Gesellschaft zusammenhält. Damit Sicherheit und Gemeinsamkeit möglich werden, garantiert
der Staat gute Versorgung, Anbindung von ländlichen Regionen und Orte der Begegnung. Zur
Daseinsvorsorge gehören etwa Breitbandanschlüsse und Mobilfunkversorgung, Frauenhäuser,
Ärzt*innen sowie Krankenhäuser, Kitas, Jugendhäuser, Musikschulen und Bibliotheken, auch in
den ländlichen Regionen, Sportplätze und Schwimmbäder in Stadt und Land. So helfen
öffentliche Räume und Institutionen, Freiheit und Selbstbestimmung zu ermöglichen,
Chancengleichheit herzustellen und Aufstiegschancen zu schaffen. Sie sind mehr als
staatliche Daseinsvorsorge, sie sind ein Zusammenspiel von demokratischer Staatlichkeit und
bürgerschaftlichem Zusammenleben.
(188) Es braucht bessere regionale Wirtschaftskreisläufe. Sie sind nicht nur ökologischer,
sondern können auch Regionen mit Strukturproblemen helfen. Die regionale
Wirtschaftsförderung ist so auszurichten, dass regionale Kreisläufe unterstützt werden, vor
Ort eine gute Infrastruktur vorhanden ist und auch ländliche Regionen verlässlich vernetzt
und an die Zentren angebunden sind. Dafür braucht es starke regionale Zentren als
Ankerpunkte in den Regionen, die ein breites Angebot an öffentlichen und kulturellen
Dienstleistungen vorhalten. Ein Beispiel sind die europäischen Metropolregionen. Bei der
Ansiedelung von Bildungsinstitutionen, Landes- und Bundesbehörden sollen strukturschwache
Gebiete besonders berücksichtigt werden.
(189) Die europäischen Gesellschaften sind geprägt durch demographischen Wandel.
Bevölkerungsverluste und -zuwächse sind sehr ungleich verteilt, vor allem zwischen Stadt und
Land, und sie prägen unterschiedliche Identitäten und kulturelle Erfahrungen. Gleichwertige
Lebensverhältnisse herzustellen ist ein verfassungsrechtliches Handlungsziel und Kernaufgabe
der Politik.
(190) Das gute Zusammenleben aller Generationen und Gerechtigkeit zwischen ihnen wird in
einer alternden Gesellschaft zentraler. In ihr braucht es neue Formen des Zusammenlebens und
eine altersgerechte Infrastruktur. Das wirkt Einsamkeit entgegen und stärkt den sozialen
Zusammenhalt. Im Zentrum sollte nicht nur die Versorgung älterer Menschen stehen, sondern
auch ihre Teilhabe am gesellschaftlichen und politischen Leben.
(191) Für viele Menschen ist die Familie das Fundament ihres Zusammenlebens und Glücks.
Deswegen stehen Familien zu Recht unter dem besonderen Schutz des Grundgesetzes. Familie ist
da, wo Menschen mit dem Ziel der Dauerhaftigkeit Verantwortung füreinander übernehmen, sich
umeinander kümmern und füreinander da sind. Familien verdienen Unterstützung. Egal ob mit
oder ohne Trauschein, ob alleinerziehend oder mit Partner*in, ob gleich- oder
mehrgeschlechtlich, ob Patchwork oder in Mehr-Eltern-Konstellationen – alle Formen sollen
rechtlich und sozial abgesichert sein.
(192) Viele Eltern wollen sich Sorge- und Erwerbsarbeit gleichberechtigt aufteilen. Das wird
möglich durch ein flächendeckendes, zeitlich flexibles und qualitativ hochwertiges
Betreuungs- und Bildungsangebot, einen Wandel der Arbeitswelt sowie eine Reduzierung der
Arbeitszeit.
(193) Kinder brauchen die Freiheit, sich zu bewegen, zu spielen und zu lernen, zu lachen und
zu weinen, zur Freude und zur Wut. Sie haben eigene Rechte. Diese gehören in den Mittelpunkt
von Politik und Gesellschaft und sind im Grundgesetz eigenständig zu garantieren. Kinder
sind Expert*innen in eigener Sache und sollten bei den sie betreffenden Angelegenheiten
beteiligt werden. Ihr Interesse muss Leitlinie in der Ausstattung von öffentlichen Räumen
und Institutionen sein.
(194) Kinder und Jugendliche haben ein Recht auf besonderen Schutz und auf
diskriminierungsfreie Förderung, die über bundesweite Qualitätskriterien für Kitas, Schulen,
Jugendämter und freie Träger zu garantieren sind. Kinderrechte gehören in alle Curricula für
Jura, Medizin, Erziehungswissenschaften und Polizei. Kinder müssen bei Entscheidungen
gehört, ihre Rechte und ihr Wille im Mittelpunkt stehen. Überall, wo mit Kindern umgegangen
wird, muss Basiswissen über Kinderrechte, insbesondere über Beteiligung, über den Schutz vor
Kindeswohlgefährdung und vor sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche, zur
Voraussetzung werden. In Kinderschutzverfahren muss die nötige Qualifikation bei allen
Beteiligten gesetzlich vorgegeben und tatsächlich gewährleistet sein.
(195) Guter, bezahlbarer Wohnraum für alle ist eine öffentliche Aufgabe. Wohnraum, Grund und
Boden dürfen keine Spekulationsobjekte sein. Das Recht auf Wohnen soll im Grundgesetz
verankert werden. Kein Mensch soll ohne Obdach sein oder darf bei der Wohnungssuche wegen
des Namens, der Herkunft, der sexuellen Identität oder einer Behinderung diskriminiert
werden. Auch kleine Gewerbetreibende dürfen nicht durch steigende Mieten aus ihren Vierteln
vertrieben werden. Es braucht ein starkes und soziales Mietrecht, eine gesetzliche
Begrenzung der Miethöhe und eine Mieter*innen-Mitbestimmung.
(196) Um das Recht auf Wohnen zu verwirklichen, ist ein hoher Bestand an öffentlichem und
sozial gebundenem Wohnraum nötig. Dort, wo viele Menschen zuziehen, muss in großem Umfang
gebaut werden. Dabei muss auf nachhaltiges Bauen und eine behutsame Nachverdichtung geachtet
werden.
(197) Eine lebendige, durchmischte, offene und barrierefreie Stadt der kurzen Wege ist
Leitbild: Dort leben Junge und Alte sowie Menschen verschiedener Herkunft gern in ihren
Wohnvierteln, haben es nicht weit zur Arbeit und zum nächsten Sportplatz. Der demographische
Wandel bringt neue Formen des Zusammenlebens. Ein ausreichender Bestand an barrierefreien
Wohnungen und Möglichkeiten für ältere Menschen, ein aktives Leben zu führen, sind
entscheidend.
(198) Sport verbindet. Alte und Junge, Menschen verschiedener Herkunft, mit verschiedenen
Erfahrungen – auf dem Fußballplatz sind alle gleich. In Deutschland engagieren sich viele
Millionen Menschen im Sport – in Vereinen und Organisationen – für Fairness, Teamgeist und
Verantwortung. Im Sport können die Werte einer offenen und solidarischen Gesellschaft gelebt
und vermittelt werden. Der organisierte Sport ist eine wichtige Stütze der Gesellschaft,
weil er Werte und Bildung vermittelt und Zusammenhalt schafft. Diese Strukturen zu erhalten
und zu stärken bedeutet, das friedliche Zusammenleben zu stärken. Auf internationaler Ebene
leistet der Sport einen wichtigen Beitrag zum Kulturaustausch und zu gegenseitiger
Begegnung. Sport findet nicht im politischen Vakuum statt. Das bedeutet Verantwortung für
den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft, für den Schutz von Menschenrechten und der Natur,
aber genauso als wirtschaftlicher Akteur und im Kampf gegen Doping.
(199) Privat übernehmen viele Menschen ehrenamtlich Verantwortung für andere, sei es in
Familie und Nachbarschaft oder in Vereinen, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften und
Initiativen. Das Ehrenamt hat eine konstitutive Rolle in unserer Demokratie und für unser
Zusammenleben. Dafür braucht es Zeit, Anerkennung und Förderung, die wir als Gesellschaft
bereitstellen müssen.
(200) Viele Menschen sind motiviert, freiwilligen Einsatz für die Gesellschaft zu bringen.
Die bestehenden Freiwilligendienste können zu einem neuen gesellschaftlichen
Generationenprojekt werden, wenn sie ausgebaut und auch für Menschen im Ruhestand geöffnet
werden, die Erfahrung und Können weiter einbringen wollen. Ein solcher
„Zivilgesellschaftsdienst“ soll Rentner*innen wie allen jungen Menschen, die ihn ausüben
wollen, unabhängig vom eigenen Geldbeutel offenstehen.
Kultur und die Künste
(201) Kunst ist frei. Kunst dient niemandem. Sie lässt sich nicht auf ihren materiellen Wert
reduzieren. Kunst ist vielfältig und deutungsoffen und nie homogen, sie ist dynamisch und
hybrid und niemals statisch. Kultur und die Künste lassen aus dem Zusammenspiel
unterschiedlichster Einflüsse und Zusammenhänge Neues entstehen und sind so Motor
gesellschaftlicher Veränderung. Wir schützen die Freiheit der Kunst und wenden uns dagegen,
Kunst und Kultur vereinheitlichen zu wollen oder alleinige Deutungshoheit über sie zu
beanspruchen.
(202) Freie Kultur und Kunst sind eine Grundlage für Demokratie und friedliches
Zusammenleben. Sie gehören zur Daseinsvorsorge und sind Ausdruck und Anlass individueller
und gesellschaftlicher Reflexion, persönlichen und kollektiven Erkenntnisgewinns sowie
persönlicher und kollektiver Entwicklung. Kulturelle Vielfalt sowie Transkulturalität zu
fördern und zu schützen ist wichtige Aufgabe in der offenen Gesellschaft. Der Zugang zu und
die Teilhabe an Kultur und den Künsten muss für alle gleich gewährleistet sein, ungeachtet
der Herkunft. Das gilt für kulturelle Bildung, Kulturinstitutionen und Freiräume
gleichermaßen. Es gilt für das Erleben ebenso wie für das Schaffen von Kunst. Kultur und
Sprache nationaler Minderheiten sowie anerkannte Regionalsprachen sind zu schützen und zu
fördern.
(203) Kultur und Kunst brauchen öffentliche Förderung auf Grundlage transparenter Kriterien,
Kulturschaffende eine verlässliche und angemessene soziale Absicherung, die freie Szene
braucht professionelle Rahmenbedingungen, unabhängig von privater und unternehmerischer
Unterstützung. Dazu gehören auch transparente Strukturen und faire Arbeitsbedingungen in den
öffentlich geförderten Kultureinrichtungen.
(204) Das Bewusstsein für die Singularität der Verbrechen des Nationalsozialismus als
universelle Mahnung an die gesamte Menschheit und die daraus folgende historische
Verantwortung wachzuhalten ist vordringliche Aufgabe deutscher Erinnerungskultur. Es kann
keinen Schlussstrich geben. Dazu gehört, die Aufarbeitung der NS-Verbrechen fortzuführen und
Raubkunst an die Eigentümer*innen und ihre Erb*innen zurückzugeben.
(205) Zur Erinnerungskultur gehört das Erinnern an die friedliche Revolution 1989/90 in
Ostdeutschland sowie die historische Aufarbeitung der Verbrechen des SED-Regimes. Erlittenes
und begangenes Unrecht dürfen nicht in Vergessenheit geraten. Erinnerungsstätten und
Opferberatungen benötigen daher eine auskömmliche Finanzierung. Der Zugang zu den Stasi-
Akten muss weiterhin für Betroffene, für Publizistik und Forschung gewährleistet sein.
(206) Die Erinnerungskultur einer vielfältigen Einwanderungsgesellschaft zeigt sich offen
für die vielstimmigen Geschichten und Erzählungen sowie die unterschiedlichen historischen
Erfahrungen der Menschen, die hier leben. Auch die kritische Aufarbeitung der kolonialen
Vergangenheit und der damit verbundenen Verbrechen muss selbstverständlicher Teil unserer
Bildungs- und Erinnerungskultur sein. Das ist Voraussetzung für eine Gesellschaft, in der
Menschen frei von Rassismus leben können.
(207) Deutschlands Kolonialvergangenheit ist auch im Kulturbereich viel zu wenig
aufgearbeitet. Es braucht eine umfängliche Forschung über die Herkunft von Sammlungsobjekten
und immateriellen Kulturgütern aus kolonialen Kontexten, ihre Rückgabe an die
Herkunftsgesellschaften sowie die Dekolonisierung von Kultureinrichtungen und des
öffentlichen Raums. Dies kann nur in enger Zusammenarbeit mit den Nachkommen der ehemals
Kolonisierten international wie hierzulande geschehen.
(208) Der internationale Austausch im Bereich Kunst, Theater, Musik, Literatur, Film und
anderer Künste stärkt die Bindung zwischen den Menschen rund um den Globus. Die
Intensivierung der internationalen Kulturbeziehungen ist ein Beitrag zur Öffnung, zu Frieden
und zum Schutz von Menschenrechten. Die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik übernimmt
dabei eine wichtige Rolle.
Gesundheit und Pflege
(209) Oberste Aufgabe jeder Gesundheitspolitik ist es, die Würde und Freiheit des Menschen
auch im Krankheits- und Pflegefall zu wahren und gleichzeitig Krankheiten und
Gesundheitsrisiken vorzubeugen. Gesundheitsversorgung und Pflege sind zentrale Pfeiler der
Daseinsvorsorge. Es ist öffentliche Aufgabe, jedem Menschen unabhängig von Alter, Einkommen,
Geschlecht, Herkunft, sozialer Lage oder Behinderung sowie vom Wohnort und Aufenthaltsstatus
Zugang zu einer qualitativ hochwertigen Versorgung, die sich an seinen Bedürfnissen
orientiert, zu garantieren. Die Versorgung muss dem Stand der wissenschaftlichen
Erkenntnisse entsprechen, den medizinischen Fortschritt berücksichtigen und auch den
Bedarfen von besonders verletzlichen Personengruppen gerecht werden.
(210) Gute Gesundheitspolitik setzt schon bei der Vermeidung von Erkrankungen und
Pflegebedürftigkeit an und nimmt dabei auch das psychische und soziale Wohlbefinden in den
Blick. Prekäre Lebensverhältnisse machen in vielen Fällen krank. Menschen, die in Armut
leben, haben eine höhere Wahrscheinlichkeit zu erkranken und oft einen schlechteren Zugang
zum Gesundheitssystem. Bewegungsmöglichkeiten, gesunde Ernährung und saubere Luft müssen
allen zur Verfügung stehen, um gesund zu bleiben. Prävention, Gesundheitsförderung und
‑schutz sind deshalb Querschnittsaufgaben, die in allen Politikbereichen verfolgt werden
müssen. Insbesondere eine gute Sozialpolitik ist Teil einer umfassenden Gesundheitsvorsorge.
(211) Internationale und solidarische Kooperation bei Gesundheitsforschung und beim Aufbau
guter Gesundheitssysteme ist eine gemeinsame Aufgabe der Weltgemeinschaft. Es braucht
weltweit Versorgungssicherheit mit zentralen Arzneimitteln und Materialien. Sie müssen auch
in Europa produziert werden.
(212) Gesundheitsversorgung ist öffentliche Aufgabe. Egal ob bei der freiberuflichen
Landärztin, dem Medizintechnikunternehmen oder in der staatlichen Uniklinik – sie muss dem
Menschen und seiner Gesundheit zugutekommen und dient nicht dem Zweck, hohe Renditen zu
erzielen. Die Planung und Finanzierung des Gesundheitswesens muss am Bedarf der
Patient*innen ausgerichtet werden. Entscheidend ist nicht, was sich rentiert, sondern was
notwendig ist. Insbesondere im Krankenhausbereich soll die Gemeinwohlorientierung gestärkt,
die Benachteiligung öffentlicher Träger beendet, die Trägervielfalt erhalten und der Trend
hin zur Privatisierung gestoppt werden. Klare politische Vorgaben zur Personalbemessung,
Behandlungs- und Versorgungsqualität sollen sicherstellen, dass alle Träger gleichermaßen
zum Nutzen der Patient*innen handeln. Dadurch werden Gewinnausschüttungen von Kliniken
beschränkt, damit öffentliches und beitragsfinanziertes Geld im System bleibt.
(213) Gleichwertige Lebensverhältnisse bedeuten eine gute Gesundheitsversorgung in der Stadt
und auf dem Land. Jeder Mensch muss Zugang zu medizinischer und psychotherapeutischer Hilfe
haben, egal wo er lebt. Dafür müssen die Grenzen zwischen ambulanter und stationärer
Versorgung überwunden und Gesundheitsregionen aufgebaut werden, die eine bestmögliche
Verknüpfung der verschiedenen Versorgungsangebote vor Ort erlauben. Durch ein Stufenmodell
von der ambulanten und stationären Grundversorgung bis hin zu Spezialkliniken kann die
Versorgung im ländlichen Raum gestärkt und zeitgleich eine gute Versorgungsqualität
sichergestellt werden.
(214) Nur ein gut finanziertes Gesundheitssystem kann die Würde der Patient*innen und die
Rechte der Beschäftigten gleichermaßen schützen. Falsche politische Weichenstellungen und
der daraus folgende ökonomische Druck haben zu Fehlanreizen zulasten des Patient*innen-
Wohls, Kosteneinsparungen zulasten des Personals und einer falschen Verteilung von Geldern
geführt. Die Krankenhausfinanzierung muss neu gedacht und auf wohnortunabhängige
Versorgungssicherheit und -qualität, auf eine gute Bezahlung für Beschäftigte, auf Vorsorge
und auf Krisenfestigkeit ausgerichtet werden. Kliniken sollen nicht nur nach erbrachter
Leistung, sondern nach ihrem gesellschaftlichen Auftrag finanziert werden. Dafür müssen die
Fallpauschalen reformiert und um eine strukturelle Finanzierung ergänzt werden. Die
Investitionsfinanzierung muss durch Bund und Länder gemeinsam verbessert werden. Die
Versorgungsplanung im Gesundheitssystem soll gestärkt werden. Stationäre und ambulante
Versorgung sollen zusammen gedacht, geplant und finanziert werden.
(215) Eine bessere Vernetzung, Koordination und Zusammenarbeit über alle Berufsgruppen
hinweg ist notwendig, um den Bedarfen der Patient*innen in einer älter werdenden
Gesellschaft besser gerecht zu werden. Eine gut abgestimmte integrierte Versorgung in Form
von Gesundheitsregionen, in denen Ärzt*innen, Psychotherapeut*innen, Pflegekräfte und andere
Heilberufe sowie ein gut ausgestatteter öffentlicher Gesundheitsdienst Hand in Hand und auf
Augenhöhe zusammenarbeiten, muss darum zur Regel werden. Dabei helfen eine umfassende
Versorgungsplanung, Gesundheitsberichterstattung, die Aufwertung und Ausweitung der
Kompetenzen in Gesundheits- und Pflegefachberufen und eine Stärkung der
Versorgungsforschung. Heilmittelerbringer*innen und gesundheitsnahe Berufe sind ein
essenzieller Teil unseres Gesundheitssystems und müssen finanziell besser abgesichert
werden. Eine Stärkung der professionellen Pflege und der hausärztlichen Versorgung ist
Voraussetzung für ein gutes Versorgungsnetz in der Fläche.
(216) Die Versorgung durch Hebammen und in Geburtshäusern sowie Kreißsälen muss sowohl in
ländlichen Regionen als auch in Städten gesichert sein. Die reproduktive Selbstbestimmung
muss gewährleistet sein, das bedeutet den kostenfreien Zugang zu Verhütungsmitteln und die
Sicherstellung von ärztlich vorgenommenen Schwangerschaftsabbrüchen. Das sind wichtige Teile
der Gesundheitsversorgung und der Selbstbestimmung von Frauen. Dazu gehört auch die Stärkung
von Frauengesundheit und geschlechtsspezifischer Medizin in Forschung und Praxis.
(217) Gute Gesundheit und Pflege gibt es nur unter guten Arbeitsbedingungen in allen
Gesundheitsberufen. Altenpfleger*innen, Krankenpfleger*innen oder Hebammen sind das Rückgrat
unserer Gesellschaft. In diesem Arbeitsbereich droht permanent die Gefahr von Überlastung
und Überarbeitung. Sich um andere zu kümmern darf nicht krank machen. Es braucht mehr
Personal, mehr Lohn und mehr Zeit. Um überhaupt mehr Personal zu gewinnen, muss sich die
Arbeit mit der Familie vereinbaren lassen und Fortbildung und Aufstiegschancen bieten. Der
Staat trägt hier auch aufgrund des im Grundgesetz festgeschriebenen Sozialstaatsgebots eine
besondere Verantwortung.
(218) Digitalisierung und Automatisierung können helfen, Arbeitsabläufe im Gesundheitswesen
zu vereinfachen und Arbeitsbedingungen zu verbessern, und so dazu beitragen, den
Fachkräftemangel im Gesundheitswesen zu bekämpfen. Mithilfe der Koordinierung und des
Abgleichs von Kapazitäten und der Übernahme von unterstützenden Tätigkeiten durch Robotik
und digitale Hilfsmittel kann mehr Zeit für die persönliche Arbeit mit Patient*innen und
menschliche Zuwendung gewonnen werden.
(219) Die Chancen der Digitalisierung gilt es sowohl bei der Organisierung der
Gesundheitsversorgung und im Pflegebereich als auch bei der Verwaltung von Gesundheitsdaten
und der individuellen Prävention zu nutzen. So wird auch in Zeiten des demographischen
Wandels ein zukunftsfähiges Gesundheitssystem erhalten. Aufgrund der Sensibilität von
Gesundheitsdaten kommt dem Datenschutz dabei eine herausragende Rolle zu. Gerade deshalb
sollte die Infrastruktur von staatlicher Seite und nicht von privaten Drittanbietern zur
Verfügung gestellt werden. Gesundheitsdaten inklusive der Patient*innen-Daten werden unter
Wahrung höchster Datenschutzstandards digital erfasst und der Forschung anonymisiert zur
Verfügung gestellt. Ihre eigenen Gesundheitsdaten müssen Patient*innen jederzeit zugänglich
sein.
(220) Solidarisch finanziert können die Herausforderungen der älter werdenden Gesellschaft
und die Kosten des medizinischen Fortschritts am besten bewältigt werden. Indem alle
Bevölkerungsgruppen in die Finanzierung über eine Bürgerversicherung einbezogen werden,
können die Belastungen fair und für alle tragfähig ausgestaltet werden. Gesundheit und
Pflege muss allen Menschen gleich zur Verfügung stehen. Beim Zugang darf es keinen
Unterschied nach Einkommen oder Versicherungsstatus geben. Im Falle von Pflegebedürftigkeit
muss sichergestellt sein, dass alle Menschen die Leistungen erhalten, die sie benötigen, und
die anfallenden Kosten auch stemmen können. Pflege darf kein Armutsrisiko sein.
(221) Leistungen, die medizinisch sinnvoll und gerechtfertigt sind und deren Wirksamkeit
wissenschaftlich erwiesen ist, müssen von der Solidargemeinschaft übernommen werden. Bei
Medikamenten und Impfstoffen, die etwa der Bekämpfung von Pandemien dienen und durch Patente
geschützt sind, sind kostengünstige Lizenzen notwendig, um Menschen weltweit versorgen zu
können. Diese Lizenzen müssen im Zweifel verpflichtend durchgesetzt werden.
(222) Statt um eine Kriminalisierung von Süchtigen und Konsument*innen geht es um
Prävention, Schadensminimierung, Entkriminalisierung und passgenaue Beratungs- und
Hilfsangebote. Cannabis sollte legalisiert werden. Eine kontrollierte Abgabe von
psychoaktiven Substanzen und eine an den gesundheitlichen Risiken orientierte Regulierung
sind der richtige Weg für wirksamen Jugend- und Gesundheitsschutz, zur Verhinderung von
Drogentoten und um kriminellen Strukturen und Drogenkriegen die Grundlage zu entziehen.
(223) Menschen sind immer Menschen, niemals „Fälle“, egal ob gesund, krank, pflegebedürftig
oder eingeschränkt. Patient*innen sind Akteur*innen mit starken Rechten. Sie müssen bei
relevanten Entscheidungen im Gesundheitswesen mitbestimmen und in entsprechende Gremien
eingebunden sein. Die Förderung der Gesundheitskompetenz, die Befähigung der Patient*innen
und unabhängige Gesundheitsberatung sollen zu einem festen Bestandteil unseres
Gesundheitssystems werden.
(224) Auch im Alter oder bei Pflegebedürftigkeit haben Menschen das Recht auf ein
selbstbestimmtes Leben. Menschen, die pflegebedürftig werden, wollen zumeist in ihrem
gewohnten Umfeld bleiben. Eine dezentrale Pflegestruktur, bei der die Wünsche, die
Selbstbestimmung und Selbstständigkeit der Betroffenen im Mittelpunkt stehen, ist dafür der
beste Weg. Deshalb sollen Kommunen mehr Möglichkeiten bekommen, das Angebot an Pflege und
Betreuung vor Ort zu gestalten. Ziel sind lebenswerte Quartiere für alle Generationen, in
denen professionelle Pflegeangebote und nachbarschaftliche Initiativen ineinandergreifen und
diese ältere und pflegebedürftige Menschen sowie pflegende Angehörige unterstützen.
Pflegende Angehörige verdienen grundsätzlich mehr Unterstützung und bessere
Rahmenbedingungen. Gute stationäre Pflege gibt es nur, wenn in Pflegeheimen die Bedürfnisse
und das Wohl der Patient*innen im Mittelpunkt stehen, nicht wenn zu Gunsten von hohen
Renditen an der Qualität oder an den Beschäftigten gespart wird.
(225) Zu einem Leben in Würde gehört auch ein Sterben in Würde. Eine bedarfsgerechte
Palliativversorgung in Stadt und Land ist unerlässlich. Auch damit Menschen die Möglichkeit
haben, zu Hause im Kreis der Angehörigen zu sterben. Zusätzlich braucht es genügend
Hospizplätze, die auch auf die Bedürfnisse der Sterbenden eingestellt sind.
Antragstext
Von Zeile 252 bis 253 einfügen:
Migrant*innen und das Klima schützen, wie es in den Zielen für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen vereinbart ist.
(53) Friedensprozesse brauchen auch den friedensorientierten Dialog zwischen Religionsgemeinschaften. Ein solcher Dialog stärkt den Frieden und die Solidarität innerhalb unserer Gesellschaft und zwischen den Nationen.
Grundwerte: Die Werte, die uns einen
(1) Im Mittelpunkt unserer Politik steht der Mensch in seiner Würde und Freiheit. Jeder
Mensch ist einzigartig und frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Die universellen
und unteilbaren Menschenrechte sind Anspruch und Maßstab unserer Politik.
(2) Die Werte, die unsere Politik tragen, sind Ökologie, Gerechtigkeit, Selbstbestimmung,
Demokratie und Frieden. Dieses Fundament bildet für uns die Grundlage für eine solidarische
Gesellschaft, in der sich die Freiheit der und des Einzelnen auch in der Achtung der Anderen
als Gleiche sowie in ihrer Würde und Freiheit entfaltet.
(3) Diese Werte, die auf dem Prinzip der Menschenwürde beruhen, ergänzen sich nicht nur, sie
stehen mitunter auch im Widerstreit. Werteorientierte Politik braucht also Gespräch und
Streit, Gestaltung und Erneuerung. Nur ein geschlossenes Weltbild kennt keine Widersprüche.
Eine demokratische Gesellschaft realisiert sich weder in Werte- oder Regellosigkeit noch in
starren Dogmen, sondern indem das Verhältnis der Werte zueinander immer wieder konkret
ausverhandelt wird. Das ist grundlegende Voraussetzung für die Legitimität von Politik.
(4) Politik gestaltet die Wirklichkeit im Heute für das Morgen und im Bewusstsein für das
Gestern. Ohne Woher kein Wohin. Wir blicken nach vorne im Wissen sowohl um die geglückten
Erfahrungen als auch um die Schuld und das Grauen in unserer Geschichte. Als Europäer*innen
handeln wir im Bewusstsein einer Verantwortung für globale Gerechtigkeit auf Grundlage der
Bürger*innen- und Menschenrechte, wie sie sich in der Allgemeinen Erklärung der
Menschenrechte sowie im Grundgesetz und der EU-Grundrechtecharta manifestieren. Die Lehren
aus den Menschheitsverbrechen des Nationalsozialismus sind uns Verpflichtung.
(5) Unsere Politik richtet sich an alle Menschen. Wir verstehen uns als Bündnispartei, die
auf der Grundlage gemeinsamer Überzeugungen offen ist für unterschiedliche Erfahrungen,
Vorstellungen und Ansätze. Sie orientiert sich nicht an der Summe einzelner Interessen oder
einzelner Gruppen, sondern verbindet verschiedene Interessen zu einer gemeinsamen Vision für
eine bessere Zukunft. Das kann anstrengend sein, aber nur so entsteht aus den vielen
verschiedenen Erfahrungen und Ideen Neues.
(6) Jede Zeit hat ihre Aufgabe. Die Aufgabe unserer Zeit ist, eine krisenfeste Gesellschaft
demokratisch zu gestalten. Dazu sind Wohlstand im Sinne von Klimaneutralität, Vorsorge und
Gerechtigkeit sowie globale Verantwortung neu zu definieren und die Politik ist darauf
auszurichten. Um Krisen zu meistern, braucht es Zusammenhalt – in einer Gesellschaft, die
allen Bürger*innen die gleichen Rechte und Möglichkeiten gewährt, die die
Unterschiedlichkeit von Menschen und Regionen als Stärke und Wert begreift, die die Rechte
und Teilhabe von Minderheiten schützt und fördert sowie Spannungen durch Respekt ausgleicht.
Wir streben nach einem gemeinsamen Wir in einer vielfältigen Gesellschaft.
Ökologie
(7) Die Umwelt des Menschen zu schützen und zu erhalten ist Voraussetzung für ein Leben in
Würde und Freiheit. Sauberes Wasser und saubere Luft, Artenvielfalt und fruchtbare Böden
sind notwendige Bedingungen für unsere Entfaltungsfreiheit und Emanzipation. Eine Politik,
welche die natürlichen Lebensgrundlagen schützt, erhält die Möglichkeit zur Selbstbestimmung
für uns und künftige Generationen. Das 21. Jahrhundert ist das Zeitalter des Anthropozän.
Darin ist der Mensch zum entscheidenden Einflussfaktor dafür geworden, wie sich unsere Erde
verändert. Die Natur braucht uns nicht. Wir brauchen sie.
(8) Das Wissen um die planetaren Grenzen ist Leitlinie unserer Politik. Wir überschreiten
derzeit durch unser Handeln die ökologischen Belastungsgrenzen in Bereichen wie
Artenvielfalt, Klimaerhitzung oder Meeresversauerung und gefährden so die Stabilität unseres
Ökosystems und die Lebensgrundlagen der Menschen. Es ist unsere Aufgabe, uns durch sozialen,
wirtschaftlichen und technologischen Fortschritt zum Wohle der Menschen so nachhaltig
weiterzuentwickeln, dass wir unsere Lebensgrundlagen bewahren und den Weg in die ökologische
Moderne einschlagen.
(9) Wir haben nur diese eine Erde, in ihrer Schönheit und natürlichen Vielfalt. Menschen
sind nicht die einzigen Lebewesen, die fühlen. Daher ist es Pflicht für uns Menschen, das
Wohl von Tieren und die gesamte lebendige Natur zu schützen.
(10) Eine intakte Umwelt ist Voraussetzung für Gesundheit. Der Erhalt unserer natürlichen
Lebensgrundlagen und die Maßnahmen zur Eindämmung der Klimakrise verhindern massive
Gesundheitsschäden und schützen im Sinne der Vorsorge die Gesundheit zukünftiger
Generationen.
(11) Wir haben die Erde von unseren Kindern nur geborgt. Ziel einer nachhaltigen Entwicklung
ist auch die ökologische Gerechtigkeit zwischen den Generationen. Es ist unsere
Verpflichtung, nachfolgenden Generationen faire Handlungsspielräume und
Entscheidungsfreiheiten zu ermöglichen.
(12) Die Klimakrise und Zerstörung unserer Lebensgrundlagen verschärft bestehende
Ungleichheiten und trifft damit insbesondere Frauen. Ökologische Maßnahmen müssen von Frauen
mitgestaltet werden. Nachhaltigkeit bedeutet auch Geschlechtergerechtigkeit.
(13) Unter der Zerstörung der Natur leiden diejenigen früher und am stärksten, die dazu am
wenigsten beitragen und ihr am wenigsten entgehen können. Wo reiche Menschen sich noch
teilweise anpassen können, spüren ärmere die Folgen mit brutaler Härte. Umwelt- und
Klimapolitik sind eine Voraussetzung für soziale Gerechtigkeit. Jedoch können ökologische
Maßnahmen in Widerspruch zu sozialen Interessen geraten. Daher muss ökologische Politik
soziale Interessen immer miteinbeziehen.
(14) Wir denken Ökologie global. Ein Leben in Würde und Freiheit bedeutet ein Recht aller
Menschen auf Selbstbestimmung und Teilhabe. Globale Umweltgerechtigkeit nimmt die
historische Verantwortung der Industriestaaten für die Zerstörung der Umwelt in den Blick.
Deshalb sind wir in der Pflicht, die ökologischen und sozialen Kosten unseres Wirtschaftens
zu reduzieren, statt sie in andere Weltregionen zu verlagern, sowie diejenigen zu
unterstützen, die schon heute stark von Umweltzerstörungen betroffen sind und das in Zukunft
noch stärker sein werden.
(15) Eine nachhaltige Wirtschaftsweise schützt nicht nur Lebensgrundlagen, sondern erhöht
auch Wohlstand und Lebensqualität. Das erfordert eine grundlegende Dekarbonisierung unserer
Wirtschaft und unserer Lebensweise, für die in den kommenden Jahrzehnten erhebliche
Investitionen notwendig sind.
(16) Der Weg in die ökologische Moderne sichert Demokratie und Selbstbestimmung für heute
und für künftige Generationen. Sonst verlieren wir, was wir mit dem Klima schützen: Freiheit
und Würde. Demokratische Verfahren bringen die Kreativität und den gesellschaftlichen
Zusammenhalt hervor, die es zur Bewältigung der ökologischen Krisen braucht.
Gerechtigkeit
(17) Die Würde und Freiheit des Menschen werden in einer gerechten und solidarischen
Gesellschaft verwirklicht. Solidarität schafft gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Gerechtigkeit heißt für uns gleiche und größtmögliche Freiheit für alle. Sie ist die
Grundlage für ein gutes Leben.
(18) Gerechtigkeit bedeutet mehr als ein Leben ohne Armut. Soziale Gerechtigkeit braucht
einen starken Sozialstaat, der nicht nur materielle Sicherheit und Teilhabe gewährleistet
und Menschen vor Armut schützt, sondern die Voraussetzungen für ein selbstbestimmtes,
glückliches Leben schafft. Jeder hat das Recht auf materielle Sicherheit und soziale
Teilhabe sowie ein Leben frei von existenzieller Not.
(19) Eine gerechte Gesellschaft ermöglicht, gleichberechtigt am gesellschaftlichen Leben
teilzunehmen. Das verlangt starke öffentliche Räume und Institutionen – gute Kitas,
Kindergärten und Schulen, Hochschulen, Schwimmbäder und Sportplätze, Bibliotheken und
Theater, einen gut ausgebauten öffentlichen Nahverkehr, Breitbandanschlüsse für alle, gute
gesundheitliche Versorgung und gleichwertige Lebensverhältnisse in der Stadt und auf dem
Land. In Zeiten der Individualisierung, in der sich viele Menschen einsam fühlen, sind
solche Orte von besonderer Bedeutung.
(20) Die Finanzierung einer starken Daseinsvorsorge ist öffentliche Aufgabe.
(21) Gute und diskriminierungsfreie Bildung ist Voraussetzung für Gerechtigkeit. Wir
brauchen ein ganzheitliches und am Menschen orientiertes Bildungssystem. Das Vertrauen, dass
wir die Zukunft für uns und die Generationen nach uns ermöglichen und gestalten können, ist
ein notwendiger Antrieb für gesellschaftlichen Fortschritt.
(22) Eine Gesellschaft ist dann sozial, wenn ihr Wohlstand gerecht verteilt ist.
Unregulierter Kapitalismus produziert Ungleichheit und Machtkonzentration. Zu große
Ungleichheit bedroht den Zusammenhalt der Gesellschaft und damit einen Pfeiler der
Demokratie. Aufgabe von Politik ist es, durch Regulierung, Investitionen und Steuern
Ungleichheit zu reduzieren und einen Ausgleich zu schaffen. Große Vermögen bringen soziale
Verpflichtungen mit sich.
(23) Alle Menschen sollen unabhängig vom Geschlecht an der Gesellschaft teilhaben können.
Gerechtigkeit bedeutet, dass bezahlte und unbezahlte Arbeit, Einkommen, Zugang zu Bildung,
Eigentum und Zeit zwischen den Geschlechtern gerecht verteilt sind.
(24) Ohne die staatliche Garantie für diskriminierungsfreie und gleiche Rechte, Zugänge und
Teilhabe für alle ist Gerechtigkeit nicht herstellbar. Das heißt auch, dass die Bekämpfung
von Rassismus und allen Formen von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit grundlegende
Aufgabe von Staat und Gesellschaft ist.
(25) Soziales und ökologisches Wirtschaften schafft Innovation und Fortschritt und trägt so
zu einer gerechten Gesellschaft bei. Dafür braucht es gemeinsame Regeln, die fairen
Wettbewerb ermöglichen, die Konzentration von Macht verhindern und Verbraucher*innen-Rechte
schützen. Eine sozial-ökologische Marktwirtschaft trägt dazu bei, dass Menschen sich
verwirklichen können, Informationen effektiv genutzt werden, Wohlstand zum Wohle aller
entsteht und die Versorgung mit grundlegenden Gütern gewährleistet ist.
(26) Um globale Gerechtigkeit zu ermöglichen, muss das Weltwirtschaftssystem ein sozial-
ökologisches werden, das nach demokratischen Regeln organisiert ist und auf der Grundlage
von Kooperation und Solidarität und nicht auf Dominanz beruht.
Selbstbestimmung
(27) Menschen begegnen sich als Gleiche – in ihren Rechten und ihrer Würde. Selbst über das
eigene Leben bestimmen zu können, macht die Würde und Freiheit eines Menschen aus. Politik
hat die Aufgabe, die Freiheit und das Recht zur Selbstbestimmung zu schützen. Sie erkennt
Unterschiede an und verhindert undemokratische und damit ungerechtfertigte Herrschaft.
Voraussetzung für Selbstbestimmung, Freiheit und eine freie Entfaltung ist eine
Gesellschaft, in der weder der soziale Status, das Geschlecht oder die Herkunft noch die
Religion oder äußere Merkmale noch rassistische Zuschreibungen, das Alter oder eine
Behinderung noch die sexuelle Orientierung oder die sexuelle Identität einen Einfluss darauf
haben, wer dazugehört und wer nicht. Freiheit muss gesellschaftlich aktiv ermöglicht werden.
(28) Selbstbestimmtes Leben ist auf soziale, rechtliche, demokratische und ökologische
Voraussetzungen angewiesen, sonst bleibt es das Privileg weniger. Freie Entfaltung braucht
eine barrierefreie Infrastruktur, Sicherheit und Schutz vor Gewalt und Kriminalität.
Informationelle Selbstbestimmung und informationstechnische Sicherheit sind im digitalen
Zeitalter zu garantieren.
(29) Die gleichberechtigte Teilhabe aller Menschen ist Voraussetzung für den
gesellschaftlichen Zusammenhalt und für die individuelle Selbstbestimmung. Eine inklusive
Gesellschaft verändert Strukturen und schafft öffentliche Institutionen, die allen Menschen
offenstehen und allen in ihrer Unterschiedlichkeit und Vielfalt Partizipation ermöglichen.
(30) Selbstbestimmtes Leben setzt wirtschaftliche Freiheit voraus. Die Freiheit, den Beruf
zu wählen, Verträge zu schließen und ein Gewerbe oder Unternehmen zu gründen, gehört dazu.
Alle haben das Recht, in einer Gewerkschaft für gute Arbeitsbedingungen und Löhne zu
kämpfen. Wirtschaftliche Freiheit gewährleistet Eigentumsfreiheit, die sozial verpflichtet.
(31) In einer Welt, in der die Anforderungen an jede*n Einzelne*n steigen, in der alle immer
schneller, anpassungsfähiger und immer besser sein müssen, darf es auch Schwäche geben.
Jeder Mensch verdient Wertschätzung und Anerkennung für seine individuellen
Lebensentscheidungen, solange sie nicht zulasten Dritter gehen. Damit sich alle mit ihren
Stärken und Schwächen selbstbestimmt entfalten können, braucht es eine solidarische
Gesellschaft.
(32) Freiheit bedeutet Verantwortung für sich selbst und für andere. Sie fordert Individuen
und Gesellschaft heraus. Sie verlangt uns allen etwas ab. Freiheit und Selbstbestimmung
finden ihre Grenze dort, wo durch sie anderen Menschen und zukünftigen Generationen Freiheit
und Selbstbestimmung genommen werden. Nur demokratische und rechtsstaatliche Verfahren
können die Einschränkung von Freiheit und Selbstbestimmung legitimieren.
(33) Eine gleichberechtigte Gesellschaft ist eine, in der auch Mädchen und Frauen
selbstbestimmt über ihr Leben und ihren Körper entscheiden können. Das setzt die
Emanzipation von Verhältnissen der Unterdrückung und der Gewalt voraus. Wir stehen an der
Seite von Mädchen und Frauen, die global für ihr Selbstbestimmungsrecht streiten.
(34) Kinder sind keine kleinen Erwachsenen. Sie haben eigene Rechte auf Förderung ihrer
Entwicklung, auf Schutz, Teilhabe, Gehörtwerden und Bildung. Selbstbestimmung ist nur
möglich, wenn allen Kindern und Jugendlichen gleiche Chancen gegeben werden.
Demokratie
(35) Demokratie heißt gleiche politische Freiheit für alle. Die Demokratie lebt von
Voraussetzungen, die sie selbst nicht garantieren kann. Deshalb braucht sie Demokrat*innen.
Demokratie steht nie still. Sie entwickelt sich immer weiter. Demokratie ist die Staatsform,
die zur Selbstkorrektur in der Lage ist.
(36) Demokratie ist mehr als die Herrschaft der Mehrheit, denn sie garantiert den Schutz von
Menschen-, Freiheits- und Minderheitenrechten auf Grundlage eines liberalen Rechtsstaates.
Auch die wehrhafte Demokratie braucht Bürger*innen, die sie aktiv verteidigen und ihr immer
wieder neue Kraft geben. Das ist der beste Schutz gegen die Zerstörung von innen.
(37) In einer Demokratie eignen sich Menschen ihre Zukunft gemeinsam an und verwandeln
äußeres Geschehen in gemeinsame Entscheidungen. Demokratie ist anstrengend. Sie braucht
respektvollen Streit genauso wie den Kompromiss. Demokratie braucht Freiheit, sie muss
Bürger*innen- und Menschenrechte garantieren und ist sogleich an soziale Voraussetzungen und
Solidarität gebunden.
(38) Gewaltenteilung und ein starker Rechtsstaat tragen eine demokratische Gesellschaft. Der
Rechtsstaat verankert das Gewaltmonopol des Staates und hegt es ein.
(39) Wir stehen für eine inklusive, vielfältige Demokratie. In einer diverser werdenden
Gesellschaft, in der vielfältige Perspektiven zusammenkommen und sich Gehör verschaffen,
sehen wir die Aufgabe, Unterschiede anzuerkennen, Nachteile auszugleichen und
Gleichberechtigung zu schaffen. Das ist die Grundlage für die wechselseitige Anerkennung als
Gleiche in einer vielfältigen Gesellschaft. Demokratie ermöglicht ein gesellschaftliches
Wir, das nicht in Partikularinteressen auseinanderfällt. Sie wird reicher durch den Respekt
vor verschiedenen Erfahrungen.
(40) Allen Geschlechtern kommt in der Demokratie gleiche Gestaltungs- und Entscheidungsmacht
zu. Um Frauen an allen demokratischen Prozessen gleichberechtigt zu beteiligen, braucht es
Parität sowie Lebensbedingungen, die allen ermöglichen, Erwerbs- und Sorgearbeit sowie
gesellschaftliche und politische Arbeit zu vereinbaren.
(41) Demokratie ist eine öffentliche Angelegenheit. Der demokratische Meinungsstreit braucht
eine starke und lebendige Zivilgesellschaft, Engagement und Bürger*innen-Beteiligung, starke
und freie Medien, Kultur und Wissenschaft sowie gute Bildungseinrichtungen. Für die offene
Auseinandersetzung nach klaren Regeln braucht Demokratie immer wieder Innovationen und
Parteien, in denen sich Menschen zusammenfinden, um Meinungen zu bündeln und sich mit
Programmen und Haltungen der öffentlichen Debatte und der Entscheidung zu stellen.
(42) Demokratie ist darauf angewiesen, dass sich Menschen einmischen und repräsentiert
sehen. Demokratie braucht Zugänge und auch direkte Beteiligung, um die unterschiedlichen
Perspektiven und Positionen in den demokratischen Prozess einbringen zu können.
(43) Demokratie beruht auf nachvollziehbaren Entscheidungswegen und auf Transparenz über
Einflussnahme – etwa durch Unternehmen, Lobbyismus oder andere Staaten. Ein zu starker
Einfluss bestimmter Gruppen und ökonomischer Interessen untergräbt die Eigenständigkeit und
Glaubwürdigkeit politischen Handelns und muss eingegrenzt werden.
(44) Der Schutz, die Förderung und die Gewährleistung der Menschenrechte sind konstitutiv
für die Demokratie.
(45) Der Föderalismus in Deutschland ist eine Lehre aus dem düstersten Kapitel unserer
Geschichte und verhindert zentralstaatliche Übergriffe auf die Bürger*innen-Rechte. Er
verpflichtet zur Kooperation. Das Zusammenspiel von Bund, Ländern und Kommunen sichert
demokratische und soziale Stabilität. Es stärkt vielfältige Regionen und sorgt für eine
nahbare, ansprechbare Politik. Im Streben nach gleichwertigen Lebensverhältnissen tragen
Bund und Länder gemeinsame Verantwortung.
(46) Die europäische Integration ist konstitutiv – sie zu einer Föderalen Europäischen
Republik ökologisch, sozial und demokratisch weiterzuentwickeln ist Voraussetzung und Teil
einer demokratischen Gestaltung globaler Fragen.
Frieden
(47) Gelebte Freiheit und garantierte Würde benötigen Frieden. Das Zusammenleben der
Menschen fußt auf der Fähigkeit, Konflikte gewaltfrei und friedlich zu lösen und die
Menschenrechte aller zu wahren. Wo Gewalt friedliche Politik verneint, können Menschenrechte
und Gewaltfreiheit in Konflikt geraten. Wir setzen auf die Mittel der Politik, die dem Geist
der Kooperation in globaler Verantwortung entsprechen.
(48) Würde, Freiheit und Gleichheit ergeben sich aus der Universalität und Unteilbarkeit der
Menschenrechte. Die verbrieften Menschenrechte sind nicht verhandelbar – weder gegenüber
machtpolitischen oder wirtschaftlichen Interessen noch gegenüber einem kulturellen
Relativismus. Die Würde jedes Menschen ist unantastbar. Dies zu gewährleisten ist
Verpflichtung nationaler und internationaler Politik. Wir tragen als internationale
Gemeinschaft Verantwortung, gegen schwerste Menschenrechtsverletzungen und Völkermord im
Rahmen der Vereinten Nationen vorzugehen.
(49) Gewaltfreiheit ist mehr als die Nichtanwendung physischer Gewalt, Frieden mehr als die
Abwesenheit von Krieg. Kooperation, Dialog, demokratischer Ausgleich von Interessen und die
Stärke des Rechts, genauso Multilateralismus, internationale Partnerschaft und europäische
Einigung sind der Weg, um globale Herausforderungen, vor denen die Menschheit als Ganzes
steht, zu bewältigen.
(50) Frauenrechte sind Menschenrechte. Die Verwirklichung von Frauenrechten, der Schutz vor
geschlechtsspezifischer Gewalt, Verfolgung und Diskriminierung sowie eine aktive Mädchen-
und Frauenförderung in allen Bereichen sollen die internationale Politik leiten.
(51) Das vereinigte Europa ist ein einzigartiges Friedensprojekt. Gegen einen autoritären
Nationalismus ist das Versprechen der europäischen Einigung auf Frieden, Freiheit,
Solidarität und Stabilität wichtiger Anker multilateraler und menschenrechtsorientierter
Politik in der Welt.
(52) Humanitäre Verantwortung und internationale Solidarität bestimmen unser politisches
Handeln. Unser Ziel ist eine weltweite Ordnung mit internationalen Institutionen. Sie soll
Frieden, Gerechtigkeit und Freiheit sichern, Armut verringern, den gleichberechtigten Zugang
zu globalen Gemeingütern ermöglichen, Demokratie fördern, die gleichberechtigte Teilhabe von
Frauen und Minderheitengruppen garantieren, die verbrieften Menschenrechte aller
Migrant*innen und das Klima schützen, wie es in den Zielen für nachhaltige Entwicklung der
Vereinten Nationen vereinbart ist.
(53) Friedensprozesse brauchen auch den friedensorientierten Dialog zwischen Religionsgemeinschaften. Ein solcher Dialog stärkt den Frieden und die Solidarität innerhalb unserer Gesellschaft und zwischen den Nationen.
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Migrant*innen und das Klima schützen, wie es in den Zielen für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen vereinbart ist.
(53) Friedensprozesse brauchen auch den friedensorientierten Dialog zwischen Religionsgemeinschaften. Ein solcher Dialog stärkt den Frieden und die Solidarität innerhalb unserer Gesellschaft und zwischen den Nationen.
Grundwerte: Die Werte, die uns einen
(1) Im Mittelpunkt unserer Politik steht der Mensch in seiner Würde und Freiheit. Jeder
Mensch ist einzigartig und frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Die universellen
und unteilbaren Menschenrechte sind Anspruch und Maßstab unserer Politik.
(2) Die Werte, die unsere Politik tragen, sind Ökologie, Gerechtigkeit, Selbstbestimmung,
Demokratie und Frieden. Dieses Fundament bildet für uns die Grundlage für eine solidarische
Gesellschaft, in der sich die Freiheit der und des Einzelnen auch in der Achtung der Anderen
als Gleiche sowie in ihrer Würde und Freiheit entfaltet.
(3) Diese Werte, die auf dem Prinzip der Menschenwürde beruhen, ergänzen sich nicht nur, sie
stehen mitunter auch im Widerstreit. Werteorientierte Politik braucht also Gespräch und
Streit, Gestaltung und Erneuerung. Nur ein geschlossenes Weltbild kennt keine Widersprüche.
Eine demokratische Gesellschaft realisiert sich weder in Werte- oder Regellosigkeit noch in
starren Dogmen, sondern indem das Verhältnis der Werte zueinander immer wieder konkret
ausverhandelt wird. Das ist grundlegende Voraussetzung für die Legitimität von Politik.
(4) Politik gestaltet die Wirklichkeit im Heute für das Morgen und im Bewusstsein für das
Gestern. Ohne Woher kein Wohin. Wir blicken nach vorne im Wissen sowohl um die geglückten
Erfahrungen als auch um die Schuld und das Grauen in unserer Geschichte. Als Europäer*innen
handeln wir im Bewusstsein einer Verantwortung für globale Gerechtigkeit auf Grundlage der
Bürger*innen- und Menschenrechte, wie sie sich in der Allgemeinen Erklärung der
Menschenrechte sowie im Grundgesetz und der EU-Grundrechtecharta manifestieren. Die Lehren
aus den Menschheitsverbrechen des Nationalsozialismus sind uns Verpflichtung.
(5) Unsere Politik richtet sich an alle Menschen. Wir verstehen uns als Bündnispartei, die
auf der Grundlage gemeinsamer Überzeugungen offen ist für unterschiedliche Erfahrungen,
Vorstellungen und Ansätze. Sie orientiert sich nicht an der Summe einzelner Interessen oder
einzelner Gruppen, sondern verbindet verschiedene Interessen zu einer gemeinsamen Vision für
eine bessere Zukunft. Das kann anstrengend sein, aber nur so entsteht aus den vielen
verschiedenen Erfahrungen und Ideen Neues.
(6) Jede Zeit hat ihre Aufgabe. Die Aufgabe unserer Zeit ist, eine krisenfeste Gesellschaft
demokratisch zu gestalten. Dazu sind Wohlstand im Sinne von Klimaneutralität, Vorsorge und
Gerechtigkeit sowie globale Verantwortung neu zu definieren und die Politik ist darauf
auszurichten. Um Krisen zu meistern, braucht es Zusammenhalt – in einer Gesellschaft, die
allen Bürger*innen die gleichen Rechte und Möglichkeiten gewährt, die die
Unterschiedlichkeit von Menschen und Regionen als Stärke und Wert begreift, die die Rechte
und Teilhabe von Minderheiten schützt und fördert sowie Spannungen durch Respekt ausgleicht.
Wir streben nach einem gemeinsamen Wir in einer vielfältigen Gesellschaft.
Ökologie
(7) Die Umwelt des Menschen zu schützen und zu erhalten ist Voraussetzung für ein Leben in
Würde und Freiheit. Sauberes Wasser und saubere Luft, Artenvielfalt und fruchtbare Böden
sind notwendige Bedingungen für unsere Entfaltungsfreiheit und Emanzipation. Eine Politik,
welche die natürlichen Lebensgrundlagen schützt, erhält die Möglichkeit zur Selbstbestimmung
für uns und künftige Generationen. Das 21. Jahrhundert ist das Zeitalter des Anthropozän.
Darin ist der Mensch zum entscheidenden Einflussfaktor dafür geworden, wie sich unsere Erde
verändert. Die Natur braucht uns nicht. Wir brauchen sie.
(8) Das Wissen um die planetaren Grenzen ist Leitlinie unserer Politik. Wir überschreiten
derzeit durch unser Handeln die ökologischen Belastungsgrenzen in Bereichen wie
Artenvielfalt, Klimaerhitzung oder Meeresversauerung und gefährden so die Stabilität unseres
Ökosystems und die Lebensgrundlagen der Menschen. Es ist unsere Aufgabe, uns durch sozialen,
wirtschaftlichen und technologischen Fortschritt zum Wohle der Menschen so nachhaltig
weiterzuentwickeln, dass wir unsere Lebensgrundlagen bewahren und den Weg in die ökologische
Moderne einschlagen.
(9) Wir haben nur diese eine Erde, in ihrer Schönheit und natürlichen Vielfalt. Menschen
sind nicht die einzigen Lebewesen, die fühlen. Daher ist es Pflicht für uns Menschen, das
Wohl von Tieren und die gesamte lebendige Natur zu schützen.
(10) Eine intakte Umwelt ist Voraussetzung für Gesundheit. Der Erhalt unserer natürlichen
Lebensgrundlagen und die Maßnahmen zur Eindämmung der Klimakrise verhindern massive
Gesundheitsschäden und schützen im Sinne der Vorsorge die Gesundheit zukünftiger
Generationen.
(11) Wir haben die Erde von unseren Kindern nur geborgt. Ziel einer nachhaltigen Entwicklung
ist auch die ökologische Gerechtigkeit zwischen den Generationen. Es ist unsere
Verpflichtung, nachfolgenden Generationen faire Handlungsspielräume und
Entscheidungsfreiheiten zu ermöglichen.
(12) Die Klimakrise und Zerstörung unserer Lebensgrundlagen verschärft bestehende
Ungleichheiten und trifft damit insbesondere Frauen. Ökologische Maßnahmen müssen von Frauen
mitgestaltet werden. Nachhaltigkeit bedeutet auch Geschlechtergerechtigkeit.
(13) Unter der Zerstörung der Natur leiden diejenigen früher und am stärksten, die dazu am
wenigsten beitragen und ihr am wenigsten entgehen können. Wo reiche Menschen sich noch
teilweise anpassen können, spüren ärmere die Folgen mit brutaler Härte. Umwelt- und
Klimapolitik sind eine Voraussetzung für soziale Gerechtigkeit. Jedoch können ökologische
Maßnahmen in Widerspruch zu sozialen Interessen geraten. Daher muss ökologische Politik
soziale Interessen immer miteinbeziehen.
(14) Wir denken Ökologie global. Ein Leben in Würde und Freiheit bedeutet ein Recht aller
Menschen auf Selbstbestimmung und Teilhabe. Globale Umweltgerechtigkeit nimmt die
historische Verantwortung der Industriestaaten für die Zerstörung der Umwelt in den Blick.
Deshalb sind wir in der Pflicht, die ökologischen und sozialen Kosten unseres Wirtschaftens
zu reduzieren, statt sie in andere Weltregionen zu verlagern, sowie diejenigen zu
unterstützen, die schon heute stark von Umweltzerstörungen betroffen sind und das in Zukunft
noch stärker sein werden.
(15) Eine nachhaltige Wirtschaftsweise schützt nicht nur Lebensgrundlagen, sondern erhöht
auch Wohlstand und Lebensqualität. Das erfordert eine grundlegende Dekarbonisierung unserer
Wirtschaft und unserer Lebensweise, für die in den kommenden Jahrzehnten erhebliche
Investitionen notwendig sind.
(16) Der Weg in die ökologische Moderne sichert Demokratie und Selbstbestimmung für heute
und für künftige Generationen. Sonst verlieren wir, was wir mit dem Klima schützen: Freiheit
und Würde. Demokratische Verfahren bringen die Kreativität und den gesellschaftlichen
Zusammenhalt hervor, die es zur Bewältigung der ökologischen Krisen braucht.
Gerechtigkeit
(17) Die Würde und Freiheit des Menschen werden in einer gerechten und solidarischen
Gesellschaft verwirklicht. Solidarität schafft gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Gerechtigkeit heißt für uns gleiche und größtmögliche Freiheit für alle. Sie ist die
Grundlage für ein gutes Leben.
(18) Gerechtigkeit bedeutet mehr als ein Leben ohne Armut. Soziale Gerechtigkeit braucht
einen starken Sozialstaat, der nicht nur materielle Sicherheit und Teilhabe gewährleistet
und Menschen vor Armut schützt, sondern die Voraussetzungen für ein selbstbestimmtes,
glückliches Leben schafft. Jeder hat das Recht auf materielle Sicherheit und soziale
Teilhabe sowie ein Leben frei von existenzieller Not.
(19) Eine gerechte Gesellschaft ermöglicht, gleichberechtigt am gesellschaftlichen Leben
teilzunehmen. Das verlangt starke öffentliche Räume und Institutionen – gute Kitas,
Kindergärten und Schulen, Hochschulen, Schwimmbäder und Sportplätze, Bibliotheken und
Theater, einen gut ausgebauten öffentlichen Nahverkehr, Breitbandanschlüsse für alle, gute
gesundheitliche Versorgung und gleichwertige Lebensverhältnisse in der Stadt und auf dem
Land. In Zeiten der Individualisierung, in der sich viele Menschen einsam fühlen, sind
solche Orte von besonderer Bedeutung.
(20) Die Finanzierung einer starken Daseinsvorsorge ist öffentliche Aufgabe.
(21) Gute und diskriminierungsfreie Bildung ist Voraussetzung für Gerechtigkeit. Wir
brauchen ein ganzheitliches und am Menschen orientiertes Bildungssystem. Das Vertrauen, dass
wir die Zukunft für uns und die Generationen nach uns ermöglichen und gestalten können, ist
ein notwendiger Antrieb für gesellschaftlichen Fortschritt.
(22) Eine Gesellschaft ist dann sozial, wenn ihr Wohlstand gerecht verteilt ist.
Unregulierter Kapitalismus produziert Ungleichheit und Machtkonzentration. Zu große
Ungleichheit bedroht den Zusammenhalt der Gesellschaft und damit einen Pfeiler der
Demokratie. Aufgabe von Politik ist es, durch Regulierung, Investitionen und Steuern
Ungleichheit zu reduzieren und einen Ausgleich zu schaffen. Große Vermögen bringen soziale
Verpflichtungen mit sich.
(23) Alle Menschen sollen unabhängig vom Geschlecht an der Gesellschaft teilhaben können.
Gerechtigkeit bedeutet, dass bezahlte und unbezahlte Arbeit, Einkommen, Zugang zu Bildung,
Eigentum und Zeit zwischen den Geschlechtern gerecht verteilt sind.
(24) Ohne die staatliche Garantie für diskriminierungsfreie und gleiche Rechte, Zugänge und
Teilhabe für alle ist Gerechtigkeit nicht herstellbar. Das heißt auch, dass die Bekämpfung
von Rassismus und allen Formen von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit grundlegende
Aufgabe von Staat und Gesellschaft ist.
(25) Soziales und ökologisches Wirtschaften schafft Innovation und Fortschritt und trägt so
zu einer gerechten Gesellschaft bei. Dafür braucht es gemeinsame Regeln, die fairen
Wettbewerb ermöglichen, die Konzentration von Macht verhindern und Verbraucher*innen-Rechte
schützen. Eine sozial-ökologische Marktwirtschaft trägt dazu bei, dass Menschen sich
verwirklichen können, Informationen effektiv genutzt werden, Wohlstand zum Wohle aller
entsteht und die Versorgung mit grundlegenden Gütern gewährleistet ist.
(26) Um globale Gerechtigkeit zu ermöglichen, muss das Weltwirtschaftssystem ein sozial-
ökologisches werden, das nach demokratischen Regeln organisiert ist und auf der Grundlage
von Kooperation und Solidarität und nicht auf Dominanz beruht.
Selbstbestimmung
(27) Menschen begegnen sich als Gleiche – in ihren Rechten und ihrer Würde. Selbst über das
eigene Leben bestimmen zu können, macht die Würde und Freiheit eines Menschen aus. Politik
hat die Aufgabe, die Freiheit und das Recht zur Selbstbestimmung zu schützen. Sie erkennt
Unterschiede an und verhindert undemokratische und damit ungerechtfertigte Herrschaft.
Voraussetzung für Selbstbestimmung, Freiheit und eine freie Entfaltung ist eine
Gesellschaft, in der weder der soziale Status, das Geschlecht oder die Herkunft noch die
Religion oder äußere Merkmale noch rassistische Zuschreibungen, das Alter oder eine
Behinderung noch die sexuelle Orientierung oder die sexuelle Identität einen Einfluss darauf
haben, wer dazugehört und wer nicht. Freiheit muss gesellschaftlich aktiv ermöglicht werden.
(28) Selbstbestimmtes Leben ist auf soziale, rechtliche, demokratische und ökologische
Voraussetzungen angewiesen, sonst bleibt es das Privileg weniger. Freie Entfaltung braucht
eine barrierefreie Infrastruktur, Sicherheit und Schutz vor Gewalt und Kriminalität.
Informationelle Selbstbestimmung und informationstechnische Sicherheit sind im digitalen
Zeitalter zu garantieren.
(29) Die gleichberechtigte Teilhabe aller Menschen ist Voraussetzung für den
gesellschaftlichen Zusammenhalt und für die individuelle Selbstbestimmung. Eine inklusive
Gesellschaft verändert Strukturen und schafft öffentliche Institutionen, die allen Menschen
offenstehen und allen in ihrer Unterschiedlichkeit und Vielfalt Partizipation ermöglichen.
(30) Selbstbestimmtes Leben setzt wirtschaftliche Freiheit voraus. Die Freiheit, den Beruf
zu wählen, Verträge zu schließen und ein Gewerbe oder Unternehmen zu gründen, gehört dazu.
Alle haben das Recht, in einer Gewerkschaft für gute Arbeitsbedingungen und Löhne zu
kämpfen. Wirtschaftliche Freiheit gewährleistet Eigentumsfreiheit, die sozial verpflichtet.
(31) In einer Welt, in der die Anforderungen an jede*n Einzelne*n steigen, in der alle immer
schneller, anpassungsfähiger und immer besser sein müssen, darf es auch Schwäche geben.
Jeder Mensch verdient Wertschätzung und Anerkennung für seine individuellen
Lebensentscheidungen, solange sie nicht zulasten Dritter gehen. Damit sich alle mit ihren
Stärken und Schwächen selbstbestimmt entfalten können, braucht es eine solidarische
Gesellschaft.
(32) Freiheit bedeutet Verantwortung für sich selbst und für andere. Sie fordert Individuen
und Gesellschaft heraus. Sie verlangt uns allen etwas ab. Freiheit und Selbstbestimmung
finden ihre Grenze dort, wo durch sie anderen Menschen und zukünftigen Generationen Freiheit
und Selbstbestimmung genommen werden. Nur demokratische und rechtsstaatliche Verfahren
können die Einschränkung von Freiheit und Selbstbestimmung legitimieren.
(33) Eine gleichberechtigte Gesellschaft ist eine, in der auch Mädchen und Frauen
selbstbestimmt über ihr Leben und ihren Körper entscheiden können. Das setzt die
Emanzipation von Verhältnissen der Unterdrückung und der Gewalt voraus. Wir stehen an der
Seite von Mädchen und Frauen, die global für ihr Selbstbestimmungsrecht streiten.
(34) Kinder sind keine kleinen Erwachsenen. Sie haben eigene Rechte auf Förderung ihrer
Entwicklung, auf Schutz, Teilhabe, Gehörtwerden und Bildung. Selbstbestimmung ist nur
möglich, wenn allen Kindern und Jugendlichen gleiche Chancen gegeben werden.
Demokratie
(35) Demokratie heißt gleiche politische Freiheit für alle. Die Demokratie lebt von
Voraussetzungen, die sie selbst nicht garantieren kann. Deshalb braucht sie Demokrat*innen.
Demokratie steht nie still. Sie entwickelt sich immer weiter. Demokratie ist die Staatsform,
die zur Selbstkorrektur in der Lage ist.
(36) Demokratie ist mehr als die Herrschaft der Mehrheit, denn sie garantiert den Schutz von
Menschen-, Freiheits- und Minderheitenrechten auf Grundlage eines liberalen Rechtsstaates.
Auch die wehrhafte Demokratie braucht Bürger*innen, die sie aktiv verteidigen und ihr immer
wieder neue Kraft geben. Das ist der beste Schutz gegen die Zerstörung von innen.
(37) In einer Demokratie eignen sich Menschen ihre Zukunft gemeinsam an und verwandeln
äußeres Geschehen in gemeinsame Entscheidungen. Demokratie ist anstrengend. Sie braucht
respektvollen Streit genauso wie den Kompromiss. Demokratie braucht Freiheit, sie muss
Bürger*innen- und Menschenrechte garantieren und ist sogleich an soziale Voraussetzungen und
Solidarität gebunden.
(38) Gewaltenteilung und ein starker Rechtsstaat tragen eine demokratische Gesellschaft. Der
Rechtsstaat verankert das Gewaltmonopol des Staates und hegt es ein.
(39) Wir stehen für eine inklusive, vielfältige Demokratie. In einer diverser werdenden
Gesellschaft, in der vielfältige Perspektiven zusammenkommen und sich Gehör verschaffen,
sehen wir die Aufgabe, Unterschiede anzuerkennen, Nachteile auszugleichen und
Gleichberechtigung zu schaffen. Das ist die Grundlage für die wechselseitige Anerkennung als
Gleiche in einer vielfältigen Gesellschaft. Demokratie ermöglicht ein gesellschaftliches
Wir, das nicht in Partikularinteressen auseinanderfällt. Sie wird reicher durch den Respekt
vor verschiedenen Erfahrungen.
(40) Allen Geschlechtern kommt in der Demokratie gleiche Gestaltungs- und Entscheidungsmacht
zu. Um Frauen an allen demokratischen Prozessen gleichberechtigt zu beteiligen, braucht es
Parität sowie Lebensbedingungen, die allen ermöglichen, Erwerbs- und Sorgearbeit sowie
gesellschaftliche und politische Arbeit zu vereinbaren.
(41) Demokratie ist eine öffentliche Angelegenheit. Der demokratische Meinungsstreit braucht
eine starke und lebendige Zivilgesellschaft, Engagement und Bürger*innen-Beteiligung, starke
und freie Medien, Kultur und Wissenschaft sowie gute Bildungseinrichtungen. Für die offene
Auseinandersetzung nach klaren Regeln braucht Demokratie immer wieder Innovationen und
Parteien, in denen sich Menschen zusammenfinden, um Meinungen zu bündeln und sich mit
Programmen und Haltungen der öffentlichen Debatte und der Entscheidung zu stellen.
(42) Demokratie ist darauf angewiesen, dass sich Menschen einmischen und repräsentiert
sehen. Demokratie braucht Zugänge und auch direkte Beteiligung, um die unterschiedlichen
Perspektiven und Positionen in den demokratischen Prozess einbringen zu können.
(43) Demokratie beruht auf nachvollziehbaren Entscheidungswegen und auf Transparenz über
Einflussnahme – etwa durch Unternehmen, Lobbyismus oder andere Staaten. Ein zu starker
Einfluss bestimmter Gruppen und ökonomischer Interessen untergräbt die Eigenständigkeit und
Glaubwürdigkeit politischen Handelns und muss eingegrenzt werden.
(44) Der Schutz, die Förderung und die Gewährleistung der Menschenrechte sind konstitutiv
für die Demokratie.
(45) Der Föderalismus in Deutschland ist eine Lehre aus dem düstersten Kapitel unserer
Geschichte und verhindert zentralstaatliche Übergriffe auf die Bürger*innen-Rechte. Er
verpflichtet zur Kooperation. Das Zusammenspiel von Bund, Ländern und Kommunen sichert
demokratische und soziale Stabilität. Es stärkt vielfältige Regionen und sorgt für eine
nahbare, ansprechbare Politik. Im Streben nach gleichwertigen Lebensverhältnissen tragen
Bund und Länder gemeinsame Verantwortung.
(46) Die europäische Integration ist konstitutiv – sie zu einer Föderalen Europäischen
Republik ökologisch, sozial und demokratisch weiterzuentwickeln ist Voraussetzung und Teil
einer demokratischen Gestaltung globaler Fragen.
Frieden
(47) Gelebte Freiheit und garantierte Würde benötigen Frieden. Das Zusammenleben der
Menschen fußt auf der Fähigkeit, Konflikte gewaltfrei und friedlich zu lösen und die
Menschenrechte aller zu wahren. Wo Gewalt friedliche Politik verneint, können Menschenrechte
und Gewaltfreiheit in Konflikt geraten. Wir setzen auf die Mittel der Politik, die dem Geist
der Kooperation in globaler Verantwortung entsprechen.
(48) Würde, Freiheit und Gleichheit ergeben sich aus der Universalität und Unteilbarkeit der
Menschenrechte. Die verbrieften Menschenrechte sind nicht verhandelbar – weder gegenüber
machtpolitischen oder wirtschaftlichen Interessen noch gegenüber einem kulturellen
Relativismus. Die Würde jedes Menschen ist unantastbar. Dies zu gewährleisten ist
Verpflichtung nationaler und internationaler Politik. Wir tragen als internationale
Gemeinschaft Verantwortung, gegen schwerste Menschenrechtsverletzungen und Völkermord im
Rahmen der Vereinten Nationen vorzugehen.
(49) Gewaltfreiheit ist mehr als die Nichtanwendung physischer Gewalt, Frieden mehr als die
Abwesenheit von Krieg. Kooperation, Dialog, demokratischer Ausgleich von Interessen und die
Stärke des Rechts, genauso Multilateralismus, internationale Partnerschaft und europäische
Einigung sind der Weg, um globale Herausforderungen, vor denen die Menschheit als Ganzes
steht, zu bewältigen.
(50) Frauenrechte sind Menschenrechte. Die Verwirklichung von Frauenrechten, der Schutz vor
geschlechtsspezifischer Gewalt, Verfolgung und Diskriminierung sowie eine aktive Mädchen-
und Frauenförderung in allen Bereichen sollen die internationale Politik leiten.
(51) Das vereinigte Europa ist ein einzigartiges Friedensprojekt. Gegen einen autoritären
Nationalismus ist das Versprechen der europäischen Einigung auf Frieden, Freiheit,
Solidarität und Stabilität wichtiger Anker multilateraler und menschenrechtsorientierter
Politik in der Welt.
(52) Humanitäre Verantwortung und internationale Solidarität bestimmen unser politisches
Handeln. Unser Ziel ist eine weltweite Ordnung mit internationalen Institutionen. Sie soll
Frieden, Gerechtigkeit und Freiheit sichern, Armut verringern, den gleichberechtigten Zugang
zu globalen Gemeingütern ermöglichen, Demokratie fördern, die gleichberechtigte Teilhabe von
Frauen und Minderheitengruppen garantieren, die verbrieften Menschenrechte aller
Migrant*innen und das Klima schützen, wie es in den Zielen für nachhaltige Entwicklung der
Vereinten Nationen vereinbart ist.
(53) Friedensprozesse brauchen auch den friedensorientierten Dialog zwischen Religionsgemeinschaften. Ein solcher Dialog stärkt den Frieden und die Solidarität innerhalb unserer Gesellschaft und zwischen den Nationen.
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