Die Reproduktionsmedizin, aber auch Adoption und Pflegekinderwesen schaffen heute eine Vielzahl von Konstellationen, in denen Kinder nicht bei ihren biologischen Eltern aufwachsen. Der Grüne Familienbegriff schützt alle Formen des Zusammenlebens mit Kindern und unterscheidet hier nicht zwischen biologischer und sozialer Elternschaft. Insofern ist dem Kapitel 191 zuzustimmen.
In der Adoptionsforschung ist es schon lange anerkannt, dass man Kindern am besten so früh wie möglich von ihrer Herkunft erzählt, um ihnen eine kontinuierliche und gesunde Identitätsentwicklung zu ermöglichen. Die Kenntnis der eigenen Herkunft und - soweit möglich - auch die Umstände der Zeugung sind von elementarer Bedeutung für die Persönlichkeitsentwicklung. Biografiearbeit ist inzwischen selbstverständlicher Bestandeil im Adoptions- und Pflegekinderwesen.
Bei Adoptivkindern ist die genetische Herkunft zumeist anhand des Geburtenregisters nachvollziehbar. Da sich viele Menschen auf der Suche nach ihrer Herkunft erst in ihrem letzten Lebensabschnitt auf den Weg begeben, wurden die Aufbewahrungsfristen der Adoptionsakten von früher 60 auf nunmehr 100 Jahre erweitert. Die neu geschaffene Möglichkeit der Vertraulichen Geburt bietet Müttern in Notsituationen die Möglichkeit, ihre Kinder verantwortungsvoll und ohne gesundheitliche Risiken anonym zu entbinden und lässt den Kindern zugleich die Chance, zu einem späteren Zeitpunkt zumindest Kenntnis über die biologische Mutter zu erlangen. Im Pflegekinderwesen beträgt die Aufbewahrungsfrist der Akten nur 5 Jahre, so dass bereits Menschen mit Ende 20 oft kaum eine Möglichkeit haben, ihre eigene Geschichte zu ergründen. Bei Menschen, deren Zeugung z.B. auf Samenspende oder Leihmutterschaft zurückgeht, besteht die Möglichkeit, die Kenntnis über die eigene Herkunft zu erlangen häufig gar nicht. In Abwägung der unterschiedlichen Interessen kommt dem Bedürfnis des Kindes hier eine herausgehobene Bedeutung zu und bedarf eines besonderen Schutzes.
In dem Änderungsantrag wurde bewusst die Formulierung "Mensch" und nicht "Kind" gewählt. So wird offen gelassen, zu welchem Zeitpunkt die Kenntnis der Herkunft erlangt werden kann.
vgl. auch:
Kommentare