Antrag Kapitel: | Kapitel 3: Solidarität sichern |
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Antragsteller*in: | BAG Globale Entwicklung (dort beschlossen am: 30.04.2021) |
Status: | Geprüft |
Verfahrensvorschlag: | Erledigt durch: PB.I-01-162 |
Eingereicht: | 29.04.2021, 15:26 |
PB.S-01-439: Kapitel 3: Solidarität sichern
Verfahrensvorschlag zu PB.I-01-162: Antragstext
Von Zeile 159 bis 167 (PB.I-01: Kapitel 6: International zusammenarbeiten):
internationale Zusammenarbeit und Solidarität unter dem Dach der zu reformierenden Weltgesundheitsorganisation als Sonderorganisation der Vereinten Nationen. Wir wollen dieDie WHO in ihrer Ausstattungsoll die koordinierende Organisation der globalen Gesundheit sein. Dazu wollen wir sie mit deutlich höheren Beiträgen und einem klaren Mandat als koordinierende Organisationbefähigen. Sie soll Gesundheitssysteme weltweit stärken können, für eine bessere Versorgung lokaler Bevölkerungen, sorgen sowie zur Prävention, Diagnose und Reaktion auf nichtübertragbare wie übertragbare Krankheiten. Ihre zentrale Rolle in der globalen GesundheitPandemievorsorge und-bekämpfung wollen wir weiter stärken. In der Gruppe derden G20 werden wir uns dafür einsetzen, ihr einen formellen Sitz einzuräumen. MedikamenteMit Blick auf die Bekämpfung der Corona-Pandemie hat Priorität, dass noch in diesem Jahr die bestehenden Produktionskapazitäten von Covid-19-Impfstoffen erhöht und Impfstoffe müssen in allen Ländern erschwinglichim Rahmen der COVAX-Allianz an einkommensschwache Länder geliefert werden. Zusätzlich setzen wir uns für einen aktiven Technologie- und zugänglich sein, das Patentrecht muss entsprechend flexibel seinWissenstransfer für die Herstellung entscheidender Arzneimittel ein. Die Gewährleistung offener, fairer und flexibler globaler Lieferketten ist dafür genauso Voraussetzung wie die Aufhebung weltweiter Exportrestriktionen für Covid-19-Impfstoffe. Wo freiwillige Produktionspartnerschaften nicht ausreichen, unterstützen wir Anträge auf Erteilung von verpflichtenden Lizenzen gegen Entschädigungen für COVID-Impfstoffe und bringen uns in diesem Sinne bei der WTO für eine temporäre Aussetzung für Patente für Technologien zur Bekämpfung von Covid-19 in die Verhandlungen ein. Monopole auf geistiges Eigentum zur Bekämpfung von Krankheiten dürfen den Zugang zu überlebenswichtigen Schutzmaterialien, Impfstoffen und Arzneimitteln nicht versperren. Wir unterstützen die Einbindung und einen Beobachterstatus Taiwans in der WHO.
Die großen Herausforderungen unserer Zeit sind global: Pandemien, die Klimakrise, Hunger,
Migration und die sozial-ökologische Transformation als besondere Aufgabe. Wir können sie
nur gemeinsam meistern. Jahrelang hat Deutschland in Europa und der Welt aber allenfalls
moderiert, oft gezögert, ist abgetaucht. Es ist Zeit, wieder eine aktive Außenpolitik zu
betreiben und als gestaltende Kraft voranzugehen im Sinne einer multilateralen und
vorsorgenden, einer kohärenten und wertegeleiteten Politik – stets europäisch und entlang
einer verlässlichen deutsch-französischen Zusammenarbeit, transatlantisch und im Rahmen der
Vereinten Nationen.
Gestützt auf die Agenda der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung, das Pariser
Klimaabkommen und die rechtebasierte internationale Ordnung setzen wir uns für eine globale
Strukturpolitik ein, die den Schutz öffentlicher Güter, eine gerechte Ressourcenverteilung
sowie Entwicklungschancen für alle als beste Vorsorge gegen Konflikte, Gewalt oder das
unermessliche Leid von Flucht und Vertreibung begreift.
Ausgangspunkt unserer Politik ist eine gestärkte und handlungsfähige Europäische Union. Die
Werte, auf denen sie gründet, wollen wir nach innen verteidigen und nach außen beherzt
vertreten: Menschenrechte, Demokratie, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit. Die EU als
Friedensmacht ist nicht nur Antwort auf eine lange und schmerzvolle Geschichte von Kriegen
und Feindseligkeiten auf unserem Kontinent, exportiert in die ganze Welt, sondern vor allem
ein Zukunftsversprechen, das es einzulösen gilt. Sie ist unser schützenswertes und
einmaliges Zuhause. Gerade weil wir überzeugte Europäer*innen sind, streiten wir für ihre
stetige Fortentwicklung. Wir arbeiten für eine europäische Wertegemeinschaft, die ihre
Abhängigkeit von Dritten in kritischen Bereichen ab- und ihre strategische Souveränität
ausbaut – in einem Gleichgewicht von Kooperation, wo möglich, und Eigenständigkeit, wo
nötig. Nur eine handlungsfähige und krisenfeste EU ist in der Lage, kritische Infrastruktur
und öffentliche Güter zu schützen, global für das Völkerrecht und die universalen
Menschenrechte einzustehen. Mit dem größten Binnenmarkt der Welt hat die EU wirtschaftlich
erheblichen Einfluss. Diesen Hebel wollen wir nutzen, um die globale Transformation gerecht
zu gestalten und ambitionierte Standards zu setzen.
Der erheblichen Widerstände und Dilemmata, die das bedeutet, sind wir uns bewusst. Das
autoritäre Hegemonialstreben einer chinesischen Regierung, das Menschen- und
Bürger*innenrechte systematisch aushebelt, zwingt Staaten nicht nur in wirtschaftliche und
politische Abhängigkeit, sondern spaltet auch Europa. Zugleich wird eine globale sozial-
ökologische Transformation ohne China, auch ohne Russland oder Brasilien, nicht möglich
sein. Das allein zeigt: Der Systemwettbewerb mit autoritären Staaten und Diktaturen ist
real, lässt bisweilen nur die Wahl zwischen Regen oder Traufe – und stellt uns vor derart
beachtliche Aufgaben, dass jede Form des Alleingangs zum Scheitern verurteilt wäre.
Wir können die vielen Widersprüche und Grenzen außen-, entwicklungs- und
sicherheitspolitischen Handelns nicht auflösen. Die Verteidigung von Menschenrechten,
Demokratie und das klare Bekenntnis zu Freiheitsbewegungen führen an die Grenzen politischer
Handlungsfähigkeit. Wir können uns aber dieser Verantwortung nicht entziehen. Umso zentraler
ist europäische Kohärenz und sind politische Bündnisse mit allen anderen Staaten, aber
gerade auch Regionen und zivilgesellschaftlichen oder zwischenstaatlichen Akteuren, für die
der Wert von Kooperation und die Stärke des Rechts ebenfalls Grundlage internationaler
Beziehungen sind. Diese Bündnisse wollen wir selbstbewusst mitgestalten. Souverän sind wir
nur gemeinsam.
Wir setzen auf den ehrlichen Interessensausgleich, die Achtung der Rechte marginalisierter
Gruppen, auf Zusammenarbeit und Rechtsstaatlichkeit, auf Konfliktprävention und
regelbasierte Konfliktbearbeitung in einer eng vernetzten Welt. Unser Ziel ist eine
Weltordnung, in der Konflikte nicht über das Recht des Stärkeren, sondern am
Verhandlungstisch gelöst werden. Und wir reichen allen die Hand, die daran teilhaben wollen.
All das tun wir im Wissen um Deutschlands Verantwortung in der Welt und im Bewusstsein um
die Verbrechen des Nationalsozialismus.
Als hochentwickelter und exportorientierter Industriestaat gehört Deutschland zu den
Hauptverursachern globaler Erwärmung und agiert als entscheidender Player einer
Globalisierung, die eben nicht nur Wohlstand und Entwicklung bedeutet, sondern auch zu
Ausbeutung von Mensch und Umwelt führt. Diese Verantwortung verstehen wir als Antrieb für
ambitionierte Veränderung und entschiedenes Handeln mit dem Ziel globaler Gerechtigkeit und
setzen dafür bei uns selbst an.
Das bedeutet auch: Wir fordern die Einhaltung und den Schutz der Menschenrechte nicht nur
von anderen ein, sondern messen uns selbst daran. Menschenrechte sind völkerrechtliche
Pflicht und unverrückbare Grundlage einer wertegeleiteten internationalen Politik. „Alle
Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren“: Artikel 1 der Allgemeinen
Erklärung der Menschenrechte ist Leitbild unseres Engagements – auch in der europäischen
Flüchtlingspolitik. Sie ist das große Versagen Europas. In keinem anderen Bereich scheitern
die europäischen Regierungen derart an den eigenen Ansprüchen von Moral, Menschenrechten und
internationalem Recht.
Das Versagen ist zugleich global: Nirgends auf der Welt wird Flucht angemessen und nach
klaren, menschenrechtsbasierten Prinzipien begegnet. Diese Regeln aber gibt es, ebenso wie
es immer wieder Momente in unserer Geschichte gab, da nach ihnen gehandelt wurde. Hier
wollen wir anknüpfen und – wenn nicht gesamteuropäisch, dann in einer humanitären Koalition
der Willigen innerhalb und außerhalb der EU – einen Paradigmenwechsel hin zur konsequenten
Vorbeugung gegen Fluchtursachen und zu einem menschenwürdigen Umgang mit Geflüchteten
vorantreiben. Wir setzen auf Rationalität und Handlungswillen, auf Humanität und
Verantwortung – und auf den unerlässlichen Pragmatismus der Nothilfe.
Die Größe und Komplexität der internationalen Herausforderungen, die da vor uns liegen,
sollte Messlatte unseres außenpolitischen Handelns sein. Die globalen Aufgaben sind
erheblich. Wagen wir die entsprechenden Antworten.
Wir treiben die sozial-ökologische Transformation voran
Schubkraft für globale Transformation
Mehr denn je bedrohen Klimaveränderungen und der Verlust von Artenvielfalt menschliche
Sicherheit und Freiheit sowie die nachhaltige Entwicklung – überall auf der Welt. Die Zeit
drängt. Darum braucht es in den nächsten Jahren einen energischen Schub für eine sozial-
ökologische Transformation. Die nachhaltigen Entwicklungsziele der Agenda 2030 und des
Klimaabkommens von Paris waren ein Aufbruch. Alle Länder sind seitdem verpflichtet, bei sich
zu Hause anzufangen und ihren Beitrag für die gemeinsame Aufgabe zu leisten – schließlich
sind es unsere Entscheidungen in Wirtschaft und Handel, bei Agrar- oder Rüstungsexporten,
die sich weltweit stark auf Klima, Artenschutz und globale Gerechtigkeit auswirken. Wir
wollen alle Politikbereiche in Deutschland auf die Transformation ausrichten und einen
Nachhaltigkeits- und Menschenrechts-TÜV einführen. Es gilt unsere internationalen Zusagen
einzuhalten und die öffentlichen Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit im Rahmen der ODA-
Quote sowie der internationalen Klimafinanzierung und Biodiversität zu erfüllen. Auch
international wollen wir neuen Schwung in die sozial-ökologische Transformation bringen,
indem wir auf eine verbindliche Transformationsquote hinwirken. Wir bündeln die Ausgaben für
Entwicklungszusammenarbeit, internationale Klimafinanzierung und Teile der humanitären
Hilfe, um eine globale Transformation entlang den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten
Nationen und den Pariser Klimazielen zu finanzieren. Deutschlands Beitrag soll die ODA-Quote
erfüllen und bis 2025 8 Milliarden Euro zur internationalen Klimafinanzierung bereitstellen.
Klimaaußenpolitik
Wir verfolgen eine ambitionierte, nachhaltige und menschenrechtskonforme Klimaaußenpolitik.
Sie ist klimapolitisch notwendig, kann nachhaltige Entwicklung fördern, Ressourcenkonflikten
vorbeugen und Frieden sichern. Klimaaußenpolitik kann zu einer Win-win-Situation für Europa,
seine Nachbarn und die Länder des globalen Sonnengürtels führen. Sie bedeutet zum einen,
dass wir Europäer*innen unseren Bedarf an grüner Energie durch Klimapartnerschaften decken
helfen: grüner Wasserstoff statt Öl- und Gasimporte. Andererseits werden wir so endlich
unserer historischen Verantwortung gerecht, indem wir Elektrifizierung und
Technologietransfers insbesondere in afrikanischen Ländern vorantreiben und den massiven
Ausbau der erneuerbaren Energien in diesen Ländern unterstützen. Nur so können wir es
schaffen, global auf den 1,5-Grad-Pfad zu kommen. Wir stärken die bestehenden Fonds für
Klimaanpassung und Klimaschutz („Adaptation and Mitigation“) und setzen uns dafür ein, dass
es auch einen Fonds zum Ausgleich von Schäden und Verlusten („Loss and Damage“) gibt. Daraus
können zum Beispiel Klimarisikoversicherungen finanziert werden. Entwicklungs- und
Investitionsbanken wie die Weltbank sollten zu Transformationsbanken umgebaut werden.
Klima- und Umweltschutz schützt Menschenrechte
Der Schutz der Menschenrechte verpflichtet zum Klima- und Umweltschutz, umgekehrt schützt
Klima- und Umweltschutz Menschenrechte. Wir treten für verbindliche Mechanismen zum Schutz
von Menschen ein, die aufgrund von Extremwetterereignissen oder schleichender
Umweltveränderung ihre Heimat verlassen müssen. Regionale Ansätze, die den Betroffenen eine
selbstbestimmte und würdevolle Migration ermöglichen, unterstützen wir. Zugleich wollen wir
jene Staaten in die Pflicht nehmen, die historisch am meisten zur Erderwärmung beigetragen
haben. Die „Task Force on Displacement“ wollen wir strukturell stärken und setzen uns dafür
ein, dass ihre Empfehlungen ebenso umgesetzt werden wie der Globale Pakt für eine sichere,
geordnete und reguläre Migration sowie der Globale Pakt für Flüchtlinge. Initiativen zur
Stärkung des Rechtswegs und das Instrument der Klimaklagen unterstützen wir. Die
französische Initiative, das Umweltvölkerrecht zu kodifizieren und zu konsolidieren, greifen
wir auf und machen uns dafür stark, in einem ersten Schritt das Recht auf saubere Umwelt in
einer Resolution der VN-Generalversammlung zu verbriefen.
Armut weltweit bekämpfen
Durch die Corona-Pandemie ist die Armut weltweit dramatisch angestiegen. Armutsbekämpfung
ist zentrales Ziel unseres internationalen Engagements. Darum setzen wir uns dafür ein, dass
Menschen weltweit sozial abgesichert werden und wollen – gemeinsam mit lokalen
Organisationen und Expert*innen – zum Aufbau und einer nachhaltigen Stärkung von sozialen
Sicherungssystemen beitragen. In einem ersten Schritt können Menschen in besonders von Armut
betroffenen Regionen durch finanzielle Direkthilfen („social cash transfers“) im Rahmen der
ODA-Mittel abgesichert werden. Grundsätzlich wollen wir, dass soziale Sicherungsprogramme
die vulnerabelsten Gruppen erreichen – und Geschlechtergerechtigkeit und sozialen
Zusammenhalt fördern.
Wir stärken die multilaterale Zusammenarbeit
Vereinte Nationen reformieren
Ohne die Vereinten Nationen ist die multilaterale Zusammenarbeit an der sozial-ökologischen
Transformation nicht zu meistern. Ihre Institutionen versorgen überall auf der Welt
Millionen von Geflüchteten, stellen Bildung, Nahrung und Gesundheit zur Verfügung. Sie
vermitteln in unzähligen Kriegen und Konflikten und sind der Rahmen, in dem die beiden
wichtigsten multilateralen Abkommen der vergangenen Jahre ausgehandelt worden sind: die
2030-Agenda für nachhaltige Entwicklung und das Pariser Klimaschutzabkommen. Das Engagement
Deutschlands und der EU für die Vereinten Nationen werden wir finanziell, personell und
diplomatisch substanziell verstärken, besser koordinieren und internationale Vereinbarungen
konsequent in nationale und europäische Politik umsetzen. So schaffen wir die
Voraussetzungen für notwendige Reformen des VN-Systems. Der Sicherheitsrat und andere Organe
der Vereinten Nationen sollten an die Realitäten des 21. Jahrhunderts angepasst werden.
Dabei geht es um eine gerechtere Repräsentation der Regionen im Sicherheitsrat. Das Konzept
der Vetomächte ist nicht mehr zeitgemäß. Wir zielen darauf, dass das Vetorecht langfristig
abgeschafft wird. Als Zwischenschritt sollte im Falle von schwersten Verbrechen gegen die
Menschlichkeit ein Veto im Sicherheitsrat mit einer Begründung und einem Alternativvorschlag
versehen werden. Wenn der Sicherheitsrat im Falle von schwersten Menschenrechtsverletzungen
anhaltend blockiert ist, soll die Generalversammlung an seiner Stelle über
friedenserzwingende Maßnahmen mit qualifizierter Mehrheit beschließen.
Resilienz gegen Epidemien erhöhen – WHO stärken
Zum Schutz vor neuen und zur Bekämpfung der alten Krankheiten setzen wir auf verstärkte
internationale Zusammenarbeit und Solidarität unter dem Dach der zu reformierenden
Weltgesundheitsorganisation als Sonderorganisation der Vereinten Nationen. Wir wollen dieDie
WHO in ihrer Ausstattungsoll die koordinierende Organisation der globalen Gesundheit sein. Dazu wollen wir sie mit deutlich höheren Beiträgen und einem klaren Mandat als
koordinierende Organisationbefähigen. Sie soll Gesundheitssysteme weltweit stärken können, für eine bessere Versorgung lokaler Bevölkerungen, sorgen sowie zur Prävention, Diagnose und Reaktion auf nichtübertragbare wie übertragbare Krankheiten. Ihre zentrale Rolle in der globalen GesundheitPandemievorsorge und-bekämpfung wollen wir weiter stärken. In der Gruppe derden G20 werden
wir uns dafür einsetzen, ihr einen formellen Sitz einzuräumen. MedikamenteMit Blick auf die Bekämpfung der Corona-Pandemie hat Priorität, dass noch in diesem Jahr die bestehenden Produktionskapazitäten von Covid-19-Impfstoffen erhöht und Impfstoffe
müssen in allen Ländern erschwinglichim Rahmen der COVAX-Allianz an einkommensschwache Länder geliefert werden. Zusätzlich setzen wir uns für einen aktiven Technologie- und zugänglich sein, das Patentrecht muss entsprechend
flexibel seinWissenstransfer für die Herstellung entscheidender Arzneimittel ein. Die Gewährleistung offener, fairer und flexibler globaler Lieferketten ist dafür genauso Voraussetzung wie die Aufhebung weltweiter Exportrestriktionen für Covid-19-Impfstoffe. Wo freiwillige Produktionspartnerschaften nicht ausreichen, unterstützen wir Anträge auf Erteilung von verpflichtenden Lizenzen gegen Entschädigungen für COVID-Impfstoffe und bringen uns in diesem Sinne bei der WTO für eine temporäre Aussetzung für Patente für Technologien zur Bekämpfung von Covid-19 in die Verhandlungen ein. Monopole auf geistiges Eigentum zur Bekämpfung von Krankheiten dürfen den
Zugang zu überlebenswichtigen Schutzmaterialien, Impfstoffen und Arzneimitteln nicht
versperren. Wir unterstützen die Einbindung und einen Beobachterstatus Taiwans in der WHO.
50 Prozent Frauen in internationalen Verhandlungen
Wir wollen dem Multilateralismus neue Impulse für mehr Zusammenarbeit geben. Transformation
gelingt nur mit Kooperation, und die gelingt nur durch Einbeziehung der betroffenen
gesellschaftlichen Gruppen. Nach wie vor ist die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen der
stärkste Indikator dafür. Wir wollen schrittweise für Deutschland und Europa eine 50-
Prozent-Quote in allen diplomatischen und multilateralen Verhandlungen, für die Entsendung
in internationale Organisationen sowie auf den Umsetzungsebenen durchsetzen. Um das zu
ermöglichen, ist eine 50-Prozent-Quote für Frauen im Auswahlverfahren für das Personal in
internationalen Einsätzen, in den international arbeitenden Ministerien sowie im gehobenen
und höheren Europäischen Auswärtigen Dienst notwendig. Es braucht vergleichbare Kriterien,
Standards, Indikatoren und Zeitrahmen für die Gleichstellungspläne der Ministerien,
vergleichbar mit dem „Gender Equality Plan“ nach dem Vorbild der schwedischen Regierung.
Wir arbeiten an guten Beziehungen in einer multipolaren
Welt
Für eine aktive europäische Nachbarschaftspolitik
Die EU muss vor allem in ihrer direkten Nachbarschaft mehr Verantwortung übernehmen. Die EU-
Erweiterungspolitik ist dabei eine Erfolgsgeschichte, die wir fortschreiben wollen. Deshalb
treten wir für konkrete Fortschritte bei der europäischen Integration des westlichen Balkans
und eine Aufnahme der Beitrittsgespräche mit Albanien und Nordmazedonien auf Grundlage der
Kopenhagener Kriterien ein. In Osteuropa streiten viele mutige Menschen in Ländern wie
Armenien, Georgien, der Ukraine oder Belarus für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und
Menschenrechte. Wir unterstützen die demokratische Zivilgesellschaft und unabhängige Medien
in den östlichen Nachbarländern, wollen mehr Austausch zwischen Ost und West ermöglichen und
über die Östliche Partnerschaft der EU Justizreformen vorantreiben. Den EU-assoziierten
Ländern der Östlichen Partnerschaft wollen wir den Weg zu einem EU-Beitritt offenhalten. Im
Süden braucht es eine neue Mittelmeerpolitik, die gemeinsam Entwicklungspotenziale für die
Region realisiert und sich zugleich den enormen Herausforderungen stellt: Terrorismus,
autoritäre Regime, Staatszerfall. Gemeinsam wollen wir im Rahmen ambitionierter
Energiepartnerschaften den Mittelmeerraum zu einer Plus-Energie-Region machen. Derweil hat
zu unserem großen Bedauern mit Großbritannien erstmals ein Land das gemeinsame Haus der EU
verlassen. Es ist gut, dass mit dem Handels- und Kooperationsabkommen die Grundlage für
einen Neubeginn geschaffen wurde. Es bedarf aber weiterer Anstrengungen, um zu verhindern,
dass europäische Standards ausgehöhlt werden. Der Frieden auf der irischen Insel ohne harte
Grenze hat weiter Priorität.
USA
Die transatlantische Partnerschaft bleibt ein Stützpfeiler der deutschen Außenpolitik,
jedoch muss sie erneuert, europäisch gefasst, multilateral und an klaren gemeinsamen Werten
und demokratischen Zielen ausgerichtet werden. Als Kern einer erneuerten transatlantischen
Agenda der EU schlagen wir vor, einen gemeinsamen starken Impuls für die weltweite
Klimapolitik, ausgehend von den Pariser Klimazielen, zu geben. Wir setzen auch bei
Digitalisierung, der Stärkung des Multilateralismus, in Handelsfragen sowie bei der
Gesundheit auf eine gute Kooperation mit den USA. Wir wollen uns gemeinsam für den
weltweiten Menschenrechtsschutz und eine regelbasierte Weltordnung einsetzen. Das schließt
eine Verständigung über den Umgang mit autoritären Staaten wie China und Russland mit ein.
Der sicherheitspolitische Fokus der USA wird sich auch mit der neuen US-Regierung nicht
wieder zuvorderst auf Europa richten. Die EU und ihre Mitgliedstaaten müssen selbst mehr
außen- und sicherheitspolitische Verantwortung übernehmen. Das gilt insbesondere für die
Sicherheit der östlichen Nachbarländer der EU wie auch der baltischen Staaten und Polens.
Wir wollen die transatlantische Debatte auf vielen Ebenen führen, auch auf den jeweiligen
föderalen und lokalen, und damit nachhaltige, diverse gesellschaftliche Netzwerke knüpfen.
China
China ist Europas Wettbewerber, Partner, systemischer Rivale. Wir verlangen von China ein
Ende seiner eklatanten Menschenrechtsverletzungen etwa in Xinjiang und Tibet und zunehmend
auch in Hongkong. Es braucht dennoch einen konstruktiven Klima-Dialog mit China und wir
streben gemeinsame politische, wirtschaftliche und technologische Anstrengungen zur
Bekämpfung der Klimakrise an. Die Kooperation mit China darf nicht zu Lasten von
Drittstaaten oder von Menschen- und Bürger*innenrechten gehen. Wir halten uns an Europas
„Ein-China-Politik“ und betonen, dass Chinas Vereinigung nicht gegen den Willen der
Bevölkerung Taiwans erzwungen werden darf. Unsere Handelsbeziehungen mit China wollen wir
nutzen, um fairen Marktzugang für ausländische Investitionen, Rechtssicherheit und gleiche
Wettbewerbsbedingungen einzufordern. Wir erwarten, dass China die entscheidenden Kernnormen
der Internationalen Arbeitsorganisation ILO ratifiziert und die Zwangsarbeit beendet. Das
europäische Lieferkettengesetz muss angesichts der Menschenrechtsverletzung – etwa in
Xinjiang – Waren aus Zwangsarbeit den Zugang zum Binnenmarkt ebenso verwehren, wie es
Unternehmen für ihre Produkte in Haftung nimmt. Wir werden an einer engen europäischen und
transatlantischen Koordinierung gegenüber China arbeiten, besonders auch in den Bereichen
5G-Ausbau und Schutz kritischer Infrastruktur.
Russland
Russland hat sich zunehmend in einen autoritären Staat gewandelt und untergräbt immer
offensiver Demokratie und Stabilität in der EU und in der gemeinsamen Nachbarschaft.
Gleichzeitig erstarkt die Demokratiebewegung in Russland. Die mutige Zivilgesellschaft, die
der immer härteren Repression durch den Kreml die Stirn bietet und für Menschenrechte,
Demokratie und Rechtsstaatlichkeit kämpft, wollen wir unterstützen und den Austausch mit ihr
intensivieren. Für eine Lockerung der Sanktionen, die wegen der völkerrechtswidrigen
Annexion der Krim und des militärischen Vorgehens gegen die Ukraine gegen Russland verhängt
wurden, hat die EU klare Bedingungen formuliert. An diesen werden wir festhalten und die
Sanktionen bei Bedarf verschärfen. Wir verlangen, dass die russische Regierung ihre Zusagen
aus dem Minsker Abkommen umsetzt. Das Pipeline-Projekt Nord Stream 2 ist nicht nur klima-
und energiepolitisch, sondern auch geostrategisch schädlich – insbesondere für die Situation
der Ukraine – und muss daher gestoppt werden.
Türkei
Wir stehen an der Seite all derer, die in der Türkei für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und
Menschenrechte kämpfen. Wir verurteilen die Menschenrechts- und Rechtsstaatsverletzungen,
fordern eine Freilassung aller politischen Gefangenen und die Rückkehr zu einem politischen
Dialog- und Friedensprozess in der kurdischen Frage. Wir weisen die aggressive Außenpolitik
der türkischen Regierung entschieden zurück und fordern sie auf, zu einer multilateralen
Außen- und Sicherheitspolitik zurückzukehren – das gilt es auch in der NATO zu
thematisieren. Die Wiederaufnahme der Gespräche über einen EU-Beitritt kann es erst geben,
wenn die Türkei eine Kehrtwende zurück zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit vollzieht. Der
bestehende EU-Türkei-Deal untergräbt internationales Asylrecht, ist gescheitert und muss
daher beendet werden. Dafür braucht es ein neues, völkerrechts- und rechtsstaatskonformes
Abkommen, das aus den Fehlern der Vergangenheit lernt, die notwendige finanzielle und
logistische Unterstützung vor Ort garantiert und eine verbindliche Kontingentzusage zur
Umsiedlung besonders schutzbedürftiger Geflüchteter in die EU enthält. Wir lehnen es
entschieden ab, dass Menschen in Deutschland mit familiären Bindungen in die Türkei von der
türkischen Regierung politisch und religiös instrumentalisiert werden, unter anderem durch
in Deutschland tätige Vereine und Staatsmedien.
Israel und Palästina
Deutschland hat eine historische Verantwortung gegenüber Israel. Die Existenz und die
Sicherheit Israels als nationale Heimstätte des jüdischen Volkes mit gleichen Rechten für
all seine Bürger*innen sind unverhandelbar. Die Fortsetzung der engen Beziehungen sowie
Frieden und Stabilität im Nahen Osten sind ein zentrales Anliegen deutscher Außen- und
Sicherheitspolitik. Die zunehmende Bedrohung Israels in seiner Nachbarschaft verurteilen
wir. Die Sicherheitslage in der Region ist fragil und darf nicht weiter eskaliert werden.
Einseitige Maßnahmen wie eine Annexion von besetzten Gebieten oder der fortschreitende
völkerrechtswidrige Siedlungsbau laufen dem Ziel einer friedlichen und politischen Lösung
des Konflikts entgegen. Für Frieden und Sicherheit braucht es eine Zweistaatenregelung mit
zwei souveränen, lebensfähigen und demokratischen Staaten für Israelis und
Palästinenser*innen. Die angekündigten Wahlen in den palästinensischen Gebieten sind ein
positives Zeichen. Die Chance der politischen und wirtschaftlichen Abkommen Israels mit
arabischen Staaten wollen wir nutzen, um einen multilateralen Friedensprozess wieder
aufleben zu lassen und einen langfristigen Frieden in der Region zu schaffen. Europa soll
sich hierfür eng mit der neuen US-Regierung koordinieren.
Nachbarschaft und Partnerschaft mit Afrika
Die afrikanischen Staaten und die Europäische Union sind regional wie historisch eng
verbunden und teilen gemeinsame Interessen. Die afrikanischen Gesellschaften sind divers und
vielfältig mit über 3.000 Sprachen in 54 Staaten. In den Beziehungen mit den afrikanischen
Staaten setzen wir uns – auf Basis einer gemeinsamen, globalen Verantwortung für Frieden,
nachhaltige Entwicklung und Gerechtigkeit – für eine in der Bundesregierung und der EU
abgestimmte und differenzierte Politik ein. Die Zukunft liegt in einer Afrikapolitik, die
sich von kolonialen und patriarchalen Denkmustern freimacht und gleichzeitig die europäische
Verantwortung gegenüber dem Kontinent ernst nimmt. Die Fortsetzung einer einseitigen
Politik, die in weiten Teilen auf Fluchtabwehr, unfairen Handelsbeziehungen und der
Ausbeutung von Rohstoffen fußt, lehnen wir ab. Anstatt für sich ewig konterkarierende
Ansätze machen wir uns für eine gemeinsame und kohärente EU-Afrika-Strategie stark, die
Zukunftsthemen wie Klimaschutz und Digitalisierung ebenso ins Zentrum rückt wie die globale
sozial-ökologische Transformation und zivile Krisenprävention. Der Afrikanischen Union
stehen wir bei der Umsetzung ihrer Agenda 2063 und der regionalen Entwicklungsagenden nach
Kräften zur Seite.
Wir verteidigen die Menschenrechte
Menschenrechtsverteidiger*innen schützen
Menschenrechtsverteidiger*innen sind Held*innen. Sie verteidigen überall auf der Welt oft
unter Lebensgefahr für sich und ihre Familien die Einhaltung der Menschenrechte an
vorderster Front. Sie bedürfen unseres Schutzes, unserer Solidarität und aktiven
Unterstützung – auf allen Ebenen. An den besonders betroffenen deutschen
Auslandsvertretungen sollten deshalb Menschenrechtsreferent*innen als extra Anlaufstelle
etabliert und sollte eine ressortübergreifende systematische Berichterstattung über die
Menschenrechtslage im Land eingeführt werden. Für Menschenrechtsverteidiger*innen, die nicht
in ihrem Land bleiben können, weil sie dort akut gefährdet sind, wollen wir schneller und
häufiger als bisher humanitäre Visa bereitstellen und die neu eingerichtete Elisabeth-
Selbert-Initiative zu ihrer temporären Aufnahme ausbauen. Auf internationaler Ebene setzen
wir uns für den Ausbau von Förderungsmöglichkeiten für zivilgesellschaftliche Initiativen
und die finanzielle Stärkung der entsprechenden Schutzinstrumente und Institutionen, wie
beispielsweise Sonderberichterstatter*innen, ein.
Kriegsverbrecher*innen zur Rechenschaft ziehen
Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Völkermord und Kriegsverbrechen dürfen nicht ungestraft
bleiben – als Zeichen der Gerechtigkeit an die Opfer, als Signal der Abschreckung, als
Voraussetzung für Frieden und Versöhnung. Das deutsche Völkerstrafrecht bietet die
Möglichkeit der Verurteilung auch hier in Deutschland. Dazu werden wir die Kapazitäten beim
Bundeskriminalamt und der Generalbundesanwaltschaft ausbauen. Die Ermittlungen in Fällen
sexualisierter Gewalt sollten verbessert und die Strafprozessordnung sollte dort reformiert
werden, wo sie den Besonderheiten von Völkerstrafrechtsverfahren noch nicht Rechnung trägt.
International setzen wir uns für die Stärkung des Internationalen Strafgerichtshofes und des
Mechanismus der Vereinten Nationen für die Untersuchung und Verfolgung von schwersten
Kriegsverbrechen in Syrien (IIIM) ein – politisch wie finanziell. Gerade Kinder und
Jugendliche, die sexualisierte und geschlechtsbasierte Gewalt, Entführungen, Rekrutierung
als Kindersoldat*innen erlebt haben, leiden unter schweren Traumata. Wird dieses Leid nicht
aufgearbeitet, beeinträchtigt es das Leben dieser Menschen und ihrer Familien sowie den
gesellschaftlichen Zusammenhalt über Generationen. Die individuelle Traumabearbeitung wollen
wir durch mehr qualifiziertes Personal und sichere Traumazentren vor Ort auch mit unseren
internationalen Partnern und in Deutschland deutlich ausbauen.
Keine Überwachungstechnologie für Diktaturen
Verschlüsselte Kommunikation rettet tagtäglich Menschenleben. In den sozialen Medien werden
Menschenrechtsverletzungen, die ansonsten unentdeckt geblieben wären, für alle sichtbar. Und
ohne Satellitenbilder ließe sich etwa die Vertreibung ganzer Dorfgemeinschaften in
Kriegsgebieten gar nicht erst nachvollziehen. Zugleich sind es oft europäische
Überwachungstools, die es autokratischen Regierungen ermöglichen, unliebsame Aktivist*innen
zu verfolgen. Wir zielen auf ein europäisches Moratorium für die Ausfuhr, den Verkauf und
die Weitergabe von Überwachungsinstrumenten an repressive Regime. Entsprechende
Schutzklauseln wollen wir in der deutschen wie europäischen Exportkontrolle verankern. Wir
fördern die Entkriminalisierung verschlüsselter Kommunikation und stärken die Multi-
Stakeholder-Governance des Internets auf internationaler Ebene. Im Rahmen unserer
internationalen Zusammenarbeit setzen wir uns für den Zugang aller zu digitaler Technologie
ein. Den freien Zugang zu Informationen als einem globalen öffentlichen Gut gilt es zu
fördern und zu schützen. Durch die Unterstützung von Trainings stärken wir die sichere
digitale Vernetzung zivilgesellschaftlicher Organisationen weltweit.
Für Selbstbestimmung von Frauen und Mädchen weltweit
Die Gleichstellung der Geschlechter ist ein Menschenrecht. Ohne Geschlechtergerechtigkeit
kann auch Armut nicht wirksam bekämpft werden. In vielen der ärmsten oder
konfliktgebeutelten Länder sind Frauen und Mädchen besonders von Armut, Hunger und Gewalt
betroffen. Wir setzen uns konsequent für die Rechte von Frauen und Mädchen weltweit ein, für
ein selbstbestimmtes Leben. Bildung und Gesundheit sind dafür die Schlüssel. Wir engagieren
uns dafür, Frauen und Mädchen den uneingeschränkten Zugang zu gleichwertiger Bildung zu
sichern sowie ihre sexuellen und reproduktiven Rechte zu schützen. Es braucht innovative
Bildungsangebote wie kompakte nachholende Grundbildung für Frauen oder Berufsbildung in
Krisen- und Post-Konfliktkontexten. Unsere internationale Zusammenarbeit werden wir darum
finanziell und konzeptionell auf diese Aufgabe hin ausrichten, die Erreichung der
Geschlechtergerechtigkeit als Querschnittsaufgabe sowie reproduktive Gesundheit und das
Recht auf Bildung in allen Projekten verankern.
Menschenrechtskonventionen umsetzen, Institutionen stärken
Um Menschenrechte tatsächlich und rechtlich durchsetzen zu können, müssen internationale
Menschenrechtskonventionen ratifiziert und Menschenrechtsinstitutionen gestärkt werden. Es
gilt insbesondere die ILO-Konvention für die Rechte indigener Völker, das
Fakultativprotokoll zum Sozialpakt und die Wanderarbeiterkonvention der Vereinten Nationen
zu ratifizieren. Das ist für Deutschland seit vielen Jahren überfällig. Auf europäischer
Ebene setzen wir uns für die Umsetzung der Urteile des Europäischen Gerichtshofs für
Menschenrechte ein. Das Instrument der gezielten EU-Sanktionen gegen
Menschenrechtsverbrecher*innen befürworten wir. Die Beauftragte der Bundesregierung für
Menschenrechtspolitik und Humanitäre Hilfe, die Nationale Stelle zur Verhütung von Folter
und das Deutsche Institut für Menschenrechte wollen wir besser ausstatten, damit sie ihre
Aufgaben planbar erfüllen können. Menschenrechte und Demokratieförderung sind Grundpfeiler
unserer entwicklungspolitischen Arbeit.
Rechte von Minderheiten schützen
Der Umgang mit Minderheiten ist der Gradmesser für den Menschenrechtsschutz in einer
Gesellschaft. Wir setzen uns dafür ein, die Rechte von Minderheiten auf internationaler
Ebene zu stärken – auch innerhalb der EU. Nach wie vor setzen die einzelnen Staaten den
durch die Vereinten Nationen vorgegebenen Minderheitenschutz in nationales Recht um, ohne
dass einheitlich kontrolliert wird, ob das umfassend genug ist. Damit ist der Schutz
lückenhaft. Wir werden außenpolitisch für die weltweite Umsetzung der Yogyakarta-Prinzipien
zum Schutz von LSBTIQ* eintreten. In der Entwicklungspolitik wollen wir hier einen neuen
Fokus setzen und unser Engagement deutlich steigern. Selbst innerhalb der EU gibt es große
Unterschiede: Es existieren keine gemeinsamen EU-Mindeststandards, kein einheitlicher
Rechtsrahmen, der den Schutz und die Förderung von Minderheiten gewährt. Das wollen wir
ändern. In der EU werden wir uns für die Verabschiedung der 5.
Antidiskriminierungsrichtlinie einsetzen, damit international anerkannte Menschenrechte in
der EU eine Rechtsgrundlage erhalten und die VN-Konvention über die Rechte von Menschen mit
Behinderungen auf europäischer Ebene rechtlich umgesetzt wird. Den EU-Aktionsplan gegen
Rassismus treiben wir national und international voran.
Wir schützen Geflüchtete
Eine menschenwürdige Flüchtlingspolitik in Europa umsetzen
Wir treten für eine Europäische Union ein, die ihre humanitäre Verantwortung, das Grundrecht
auf Asyl und die Notwendigkeit, Verfahren nach völkerrechtlichen Standards fair und zügig
durchzuführen, zusammenbringt. So schwer das derzeit in der EU der 27 auch ist. Zustände wie
in den Lagern auf den griechischen Inseln oder an der Grenze zu Kroatien bedeuten einen
Bruch mit europäischen Werten und Menschenrechten. Der Blockade einer gemeinsamen und
humanen Flüchtlingspolitik zwischen den Mitgliedstaaten begegnen wir mit folgendem Plan: In
gemeinschaftlichen von den europäischen Partnern geführten Einrichtungen innerhalb der EU an
den rechtsstaatlich und europäisch kontrollierten EU-Außengrenzen sollen die Geflüchteten
registriert werden und einen ersten Sicherheitscheck durchlaufen. So wissen wir, wer zu uns
kommt, und werden zugleich unserer humanitären Verantwortung gerecht. Die Menschen, die nach
Europa kommen, müssen medizinisch und psychologisch erstversorgt und menschenwürdig
untergebracht werden. Unter Berücksichtigung persönlicher Umstände wie familiärer Bindungen
oder der Sprachkenntnisse bestimmt die EU-Agentur für Asylfragen den Aufnahme-Mitgliedstaat.
Der zugrunde liegende Verteilmechanismus stützt sich zunächst auf die Bereitschaft von
Regionen und Städten, Geflüchtete freiwillig aufzunehmen. Wer das tut, erhält Hilfe aus
einem EU-Integrationsfonds. Reichen die Aufnahmeplätze nicht aus, weiten alle
Mitgliedstaaten im Verhältnis von Bruttoinlandsprodukt und Bevölkerungsgröße verpflichtend
ihr Angebot aus oder leisten einen mindestens gleichwertigen Beitrag zu den Gesamtkosten.
Das Asylverfahren findet im aufnehmenden Mitgliedstaat statt. Die Kommission stellt sicher,
dass die gemeinsamen Regeln und Mindeststandards eingehalten werden. Wir werden mit
handlungswilligen Ländern und Regionen vorangehen, um die derzeitige katastrophale Situation
an den Außengrenzen zu beenden. Geschlossene Lager, Transitzonen oder europäische Außenlager
in Drittstaaten lehnen wir ab.
Familien zusammenführen
Niemand sollte für das völkerrechtlich verbriefte Recht, um Asyl zu ersuchen, das eigene
Leben oder das der Familie riskieren müssen. Genau das ist aber bittere Realität: Immer noch
reichen die Möglichkeiten für sichere Zugangswege bei weitem nicht aus und Geflüchtete sind
deshalb gezwungen, auf lebensgefährliche Routen durch die Wüste oder über das Meer
auszuweichen. Wir wollen sichere und geordnete Zugangswege schaffen – und so verhindern,
dass Schlepper aus der Not und dem Leid der Geflüchteten Profit schlagen können. Dabei sind
wir dem besonderen Schutz der Familie gemäß Grundgesetz, VN-Kinderrechtskonvention und
Europäischer Menschenrechtskonvention verpflichtet und treten dafür ein, die Einschränkungen
beim Familiennachzug wieder aufzuheben. Familien gehören zusammen und das Kindeswohl hat
oberste Priorität. Auch Menschen mit subsidiärem Schutzstatus müssen deshalb ihre
Kernfamilien ohne die bisherigen Einschränkungen nachholen können und mit Geflüchteten
gleichgestellt werden. Wir wollen den Geschwisternachzug wieder ermöglichen. An deutschen
und europäischen Botschaften braucht es mehr Personal und die Möglichkeit, digital Anträge
zu stellen, um die Wartezeiten für Visa von Familienangehörigen zu verkürzen. Auch mit
humanitären Visa möchten wir Schutzbedürftigen die Möglichkeit geben, sicher nach Europa zu
kommen und hier um Asyl zu ersuchen.
Sichere Zugangswege durch humanitäre Aufnahmepartnerschaft
Im Rahmen des Resettlement-Programms des UNHCR werden durch die Vereinten Nationen
anerkannte, besonders schutzbedürftige Geflüchtete solidarisch und geordnet auf die
Aufnahmeländer verteilt, statt sie ihrem Schicksal auf gefährlichen Fluchtrouten zu
überlassen. Das rettet Leben, nimmt Schleppern die Geschäftsgrundlage und folgt einem
bewährten, planbaren Verfahren. Im Globalen Pakt für Flüchtlinge ist die Weltgemeinschaft
übereingekommen, das Resettlement zu verstärken. Doch faktisch sinkt die Zahl der
Aufnahmeplätze seit Jahren. Wir schlagen vor, zusammen mit der neuen US-Administration und
Kanada sowie anderen in einer globalen humanitären Partnerschaft die Aufnahme besonders
schutzbedürftiger Geflüchteter aus dem Resettlement-Programm deutlich auszubauen. So stärken
wir die Vereinten Nationen, schaffen Planbarkeit auf allen Seiten, gehen mit gutem Beispiel
voran und regen andere Staaten an, dem internationalen Bündnis beizutreten. Das individuelle
Asylrecht bleibt durch das Resettlement unangetastet.
Landesaufnahmeprogramme ermöglichen
Mehrere Bundesländer und über 200 Kommunen in Deutschland sind bereit, mehr Geflüchtete als
von der Bundesregierung zugesagt bei sich aufzunehmen. Dass diese weiteren Aufnahmeplätze
dringend gebraucht werden, ist angesichts der elenden Zustände in den Lagern an den EU-
Außengrenzen, etwa auf den griechischen Inseln oder an der bosnisch-kroatischen Grenze,
offensichtlich. Wir wollen eine humanitäre Aufnahmepolitik, bei der der Bund und die Länder
kooperativ zusammenarbeiten und die die Aufnahmebereitschaft von Kommunen und Ländern nicht
mehr ignoriert. Länder und Kommunen sollen mehr Mitsprache- und Gestaltungsmöglichkeiten
erhalten, wenn es um die humanitäre Aufnahme Geflüchteter geht. Mit einer Änderung der
Zustimmungsregel zwischen dem Bundesinnenministerium und den Ländern von Einvernehmen in
Benehmen wollen wir klarstellen, dass sich Bundesländer künftig über den Königsteiner
Schlüssel hinaus selbständig und frei für die Aufnahme von Geflüchteten entscheiden können.
Der Bund soll weiter die finanziellen und infrastrukturellen Aufgaben erfüllen.
Menschenrechte einhalten, Außengrenzen sichern
Ein gemeinsamer Raum der Freizügigkeit und ohne Binnengrenzen braucht kontrollierte
Außengrenzen. Eine Außengrenze muss aber auch legale Zugangswege haben. Dass tausende
Menschen jährlich im Mittelmeer ertrinken, weil europäische Regierungen ihnen nicht
ausreichend sichere Zugangswege ermöglichen und auch die Rettung aus Seenot verweigern, ist
eine Schande. Wir streiten weiter für eine zivile und flächendeckende, europäisch
koordinierte und finanzierte Seenotrettung. Da ein gemeinsames Vorgehen aller europäischen
Mitgliedstaaten derzeit nicht möglich erscheint, wollen wir mit jenen vorangehen, die die
Seenotrettung als völkerrechtliche Pflicht ernst nehmen: Gerettete müssen zum nächsten
sicheren Hafen gebracht werden. Wir stehen fest an der Seite zivilgesellschaftlicher
Rettungsinitiativen und treten dafür ein, dass die Kriminalisierung und behördliche
Behinderung ihrer Arbeit beendet wird. Wir wollen, dass die Seenotrettung explizit ins
Aufgabenprofil von Frontex aufgenommen wird, und setzen auf eine europäische Grenzkontrolle,
die den gemeinsamen Schutz der Menschenrechte zur Grundlage hat und wichtige
grenzpolizeiliche Aufgaben wahrnimmt, ohne sie zur Fluchtabwehr zu missbrauchen. Das moderne
Asylrecht beruht auf der Einzelfallprüfung, das völker- und europarechtlich verbriefte
Nichtzurückweisungsgebot gilt immer und überall. Die Genfer Flüchtlingskonvention gilt
uneingeschränkt. Ihre Aushöhlung führt weder zu mehr Sicherheit noch zu mehr europäischer
Handlungsfähigkeit in der Flüchtlingspolitik. Völkerrechtswidrige Pushbacks, von nationalen
Grenzpolizeien oder Frontex begangen, müssen geahndet werden. Das entsprechende Monitoring
durch die EU-Grundrechteagentur wollen wir ausbauen. Es bedarf einer engen parlamentarischen
Kontrolle von Frontex-Einsätzen sowie einer systematischen Menschenrechtsbeobachtung vor
Ort.
Aufnahme- und Transitländer unterstützen
Die humanitäre Versorgung von Geflüchteten außerhalb der Europäischen Union ist Bestandteil
unserer globalen Verantwortung. Wir wollen die finanzielle und logistische Unterstützung von
Erstaufnahme- und Transitländern wie der Türkei, dem Libanon, dem Sudan, Pakistan oder
Uganda sowie der dort tätigen Hilfsorganisationen ausbauen. Die deutsche und europäische
Zusammenarbeit mit Drittstaaten muss stets so erfolgen, dass Menschen- und Grundrechte sowie
internationale Asylstandards eingehalten werden. „Migrationspartnerschaften“ mit repressiven
Regimen lehnen wir ab, genauso wie die Kooperation mit der libyschen Küstenwache. Statt
„sichere Herkunftsländer“ zu definieren, brauchen wir für Rückführungen
menschenrechtskonforme Rückübernahmeabkommen. Wir wollen denjenigen Ländern, die ihren
Staatsbürger*innen nach einer Rückkehr Sicherheit garantieren, im Gegenzug über
Visaerleichterungen oder Ausbildungspartnerschaften verlässliche Aussicht auf eine geordnete
Migration eröffnen. Rückübernahmeabkommen dürfen aber nicht zur Bedingung in anderen
Politikbereichen, etwa entwicklungspolitischer oder rechtsstaatlicher Unterstützung, gemacht
werden und nicht für Drittstaatsangehörige gelten.
Fluchtursachen strukturell angehen
Wir wollen verhindern, dass Menschen überhaupt fliehen und ihre bisherige Heimat
unfreiwillig verlassen müssen. Deshalb rücken wir die strukturellen Ursachen von Vertreibung
und unsere dahingehende Verantwortung ins Zentrum unserer Politik. Denn viele politische
Entscheidungen, die wir in Deutschland und Europa treffen, haben direkte Auswirkungen auf
die Lebensbedingungen in anderen Weltregionen. Wir machen uns stark für zivile
Krisenprävention und wollen mit einer restriktiven Ausfuhrkontrolle europäische
Rüstungsexporte in Kriegs- und Krisengebiete sowie an Autokraten beenden. Wir setzen uns für
ein gerechtes Handelssystem ein, das auch den Interessen des globalen Südens dient. Wir
treiben die sozial-ökologische Transformation unserer Wirtschaft voran. Uns ist bewusst:
Nicht alle Ursachen von Vertreibung können wir beeinflussen. Viele Menschen fliehen, weil
sie verfolgt oder ihnen grundlegende Rechte vorenthalten werden. Umso entscheidender ist
konsequentes Handeln überall dort, wo auch unser Wirtschaften und Konsumieren andernorts zu
Ausbeutung oder Perspektivlosigkeit führen.
Wir streiten für eine gerechte Weltwirtschaftsordnung
Globale Krisenprävention
Die Corona-Krise führt in vielen Entwicklungsländern zu Kapitalflucht und Währungskrisen und
offenbart so die Schwächen der Währungsordnung. Unser Ziel bleibt langfristig der Aufbau
eines kooperativen Weltwährungssystems. Der IWF muss in Krisensituationen sehr viel mehr
Liquidität unkonditioniert bereitstellen können. Dafür werden wir uns für eine deutliche
Aufstockung der Sonderziehungsrechte einsetzen. Deutschland und Europa könnten vorangehen
und nicht genutzte Sonderziehungsrechte Entwicklungsländern zur Verfügung stellen, wie
Kanada es bereits getan hat. Der IWF sollte Entwicklungsländern auch bei der Einführung und
Durchführung von Kapitalverkehrskontrollen helfen und dafür mit den Staaten mit globalen
Finanzzentren zusammenarbeiten. Das Stimmengewicht muss sich zugunsten von
Entwicklungsländern verschieben. Die EU-Staaten sollten ihre Stimmrechte zusammenlegen.
Entwicklung ermöglichen, Schulden streichen
Viele Entwicklungsländer sind überschuldet. Beispielsweise gibt Pakistan 40 Prozent seines
Etats für den Schuldendienst, aber nur 2 Prozent für Gesundheit aus. Das derzeitige
Schuldenmoratorium ist richtig, verschiebt das Problem aber in die Zukunft. Wir brauchen
einen echten Schuldenerlass. Dafür muss ein international transparentes und unabhängiges
Staateninsolvenzverfahren für die Länder geschaffen werden, die nicht in ihrer eigenen
Währung verschuldet sind. Private Gläubiger müssen rechtlich dazu verpflichtet werden, an
einem Insolvenzverfahren teilzunehmen. So können wir den Zustand beenden, dass einzelne
Gläubiger eine Entschuldung blockieren, und verhindern, dass einzelne private Gläubiger wie
Geierfonds auf Kosten anderer profitieren. Damit wollen wir den zu hoch verschuldeten
Staaten im globalen Süden auch ermöglichen, ihre Gesundheitssysteme zu verbessen, sie für
alle zugänglich zu machen sowie Ansätze zum Schutz von Wasser-, Sanitärversorgung und
Hygiene voranzutreiben. Schuldenerlasse und -umwandlungen soll es für Maßnahmen im
Gesundheitsbereich sowie im Kampf gegen die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Corona-
Krise geben. Zudem werden wir uns für ein langfristiges globales Corona-Hilfspaket für
strukturschwache Länder, Krisenregionen sowie Flüchtlingslager engagieren.
Spekulation mit Nahrungsmitteln verbieten
Nahrungsmittelpreise sind oft starken Schwankungen unterworfen. Verantwortlich dafür sind
nicht nur Wetter und Ernten, sondern auch skrupellose Spekulant*innen, die fette Profite
machen, wenn Menschen hungern. Wir werden uns in der EU für striktere Regulierungen
einsetzen, um Nahrungsmittelspekulation zu unterbinden. Dafür braucht es strenge
Berichtspflichten für Händler*innen. Konsequente Preis- und Positionslimits müssen an allen
europäischen Börsen eingeführt werden. Ziel ist es, dass Derivate nur noch zur Absicherung
bestehender Risiken und nicht mehr spekulativ eingesetzt werden können.
Wir treten ein für Frieden und Sicherheit
Vorausschauend für den Frieden
Unsere Außen- und Sicherheitspolitik zielt darauf, Konflikte zu verhindern, und setzt
deshalb auf Vorausschau gemäß der VN-Agenda für nachhaltige Entwicklung. Wir ergänzen den
traditionellen Sicherheitsbegriff um die menschliche Sicherheit und rücken damit die
Bedürfnisse von Menschen in den Fokus. Den Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD) und die
Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) gilt es zu stärken. Die personellen und
finanziellen Mittel für zivile Krisenprävention sollten gezielt erhöht und langfristig
planbarer werden. Wir wollen eine permanente und schnell einsatzbereite Reserve an EU-
Mediator*innen und Expert*innen für Konfliktverhütung, Friedenskonsolidierung und Mediation
aufbauen. Die Bereiche Polizei, Justiz und Friedensförderung wollen wir mit 1.000
Fachkräften ausstatten. Wir setzen uns dafür ein, die Deutsche Stiftung Friedensforschung,
den neu eingerichteten Fachbereich an der Deutschen Hochschule der Polizei und andere
wissenschaftliche Einrichtungen zu stärken und die Bedeutung von Friedensarbeit
gesamtgesellschaftlich noch sichtbarer zu machen. Die finanzielle Förderung des Zivilen
Friedensdienstes (ZFD) wollen wir deutlich erhöhen und den kontinuierlichen Ausbau
bedarfsgerecht fördern. Darüber hinaus ist ein ressortgemeinsamer Fonds „Krisenprävention,
Konfliktbewältigung und Friedensförderung“ nötig, der angemessen ausgestattet sein muss. Es
gilt Instrumente der Krisenfrüherkennung und Analysekapazitäten zu stärken, um auch die
langfristigen Folgen der Pandemie abwenden zu können.
Internationale Politik feministisch gestalten
Wir gestalten unsere Außen-, Entwicklungs- und Sicherheitspolitik feministisch. Frauen,
Mädchen und marginalisierte Gruppen sind in besonderem Maße von Kriegen, Konflikten und
Armut betroffen. Die Wahrung ihrer Rechte und ihrer Rolle als Gestalter*innen in der
internationalen Politik fördert Frieden, Entwicklung, Stabilität und Sicherheit. Es geht
darum, die Perspektiven von Frauen, Mädchen und marginalisierten Gruppen zu stärken, zu
schützen und bei allen bi- oder multilateralen Verhandlungen immer mindestens
gleichberechtigt einzubeziehen. Dazu braucht es auch Genderanalysen für einzelne
Länderkontexte in regelmäßigen Abständen und bedarfsgerechte Strategien und Genderbudgeting.
Es gilt die Umsetzung der VN-Resolution 1325 „Frauen, Frieden, Sicherheit“ voranzutreiben,
sexualisierte und genderbasierte Gewalt entschieden einzudämmen, die reproduktiven Rechte
von Frauen zu schützen und die Sicherheit und Partizipation von Frauen und Mädchen in der
Prävention, bei der Transformation von Konflikten und in Stabilisierungsprozessen in den
Fokus zu nehmen.
Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik stärken
Gerade vor dem Hintergrund des zunehmenden Autoritarismus und der weltweiten Angriffe auf
Kunst- und Wissenschaftsfreiheit wollen wir die auswärtige Kultur- und Bildungspolitik
stärken. Sie sichert Zugänge zur Zivilgesellschaft vor allem in Krisenzeiten, stärkt
demokratischen Austausch und baut neue Partnerschaften auf. Auch die Aufarbeitung der
Verbrechen des Nationalsozialismus werden wir durch internationale Kultur- und
Jugendbegegnungen und durch zivilgesellschaftlichen Austausch stärken. Die Verantwortung für
die koloniale Vergangenheit Deutschlands wollen wir zum Beispiel in gemeinsamen
Geschichtsbuchkommissionen mit ehemaligen kolonialisierten Staaten aufarbeiten.
Kulturmittlerorganisationen, wie etwa Goethe-Institute, und die deutschen Schulen im Ausland
sollen finanziell besser ausgestattet und digital fit gemacht werden, die Programme für
verfolgte Künstler*innen und Wissenschaftler*innen sowie Maßnahmen gegen
Desinformationskampagnen wollen wir verstärken.
Europarat und OSZE stärken
Frieden in Europa bedeutet mehr als Frieden, Sicherheit und Stabilität in der EU. Damit die
Vision einer friedlichen Zukunft für alle Europäer*innen Wirklichkeit werden kann, wollen
wir die gemeinsamen, über die EU hinausreichenden europäischen Institutionen wie den
Europarat und die OSZE stärken und weiterentwickeln, um alle europäischen Staaten
einzubinden. Nur so können wir tatsächlich ein effektives und starkes System kollektiver
Sicherheit in ganz Europa schaffen. Es bleibt unser Ziel, die östlichen Nachbarn Europas auf
der Basis gemeinsamer Werte für eine solche Perspektive zu gewinnen, was gerade angesichts
der nationalistischen und rückwärtsgewandten Politik Russlands, die Europas Sicherheit und
die Selbstbestimmung der Nachbarn Russlands untergräbt, nötig ist.
Neuer Schub für Abrüstung
Abrüstung und Rüstungskontrolle bedeuten global mehr Sicherheit für alle. Unser Anspruch ist
noch immer nichts Geringeres als eine atomwaffenfreie Welt. Nach der Aufkündigung des
Vertrags über nukleare Mittelstreckensysteme (INF-Vertrag) zwischen den USA und Russland ist
eine neue Vertragsinitiative nötig. Wir wollen den transatlantischen Neustart nach der US-
Präsidentschaftswahl und das Wiederbeleben des New-START-Vertrags nutzen, um mit den USA
über Barack Obamas „Global Zero“ ins Gespräch zu kommen. Eine Welt ohne Atomwaffen gibt es
nur über Zwischenschritte: internationale Initiativen zur Reduzierung der Zahl von
Atomwaffen, einen Verzicht der NATO auf jeden Erstschlag und eine breite öffentliche Debatte
über veraltete Abschreckungsdoktrinen des Kalten Krieges. Dazu gehören ein Deutschland frei
von Atomwaffen und ein Beitritt Deutschlands zum VN-Atomwaffenverbotsvertrag. Wir wissen,
dass dafür zahlreiche Gespräche im Bündnis notwendig sind, auch mit unseren europäischen
Partnerstaaten, und vor allem die Stärkung der Sicherheit und Rückversicherung unserer
polnischen und baltischen Bündnispartner.
Keine deutschen Waffen in Kriegsgebiete und Diktaturen
Exporte von Waffen und Rüstungsgütern an Diktatoren, menschenrechtsverachtende Regime und in
Kriegsgebiete verbieten sich. Für die Reduktion von Rüstungsexporten wollen wir eine
gemeinsame restriktive Rüstungsexportkontrolle der EU mit einklagbaren strengen Regeln und
Sanktionsmöglichkeiten. Kooperationen mit dem Sicherheitssektor anderer Staaten müssen an
die Einhaltung demokratischer, rechtsstaatlicher und menschenrechtlicher Kriterien geknüpft
werden. Für Deutschland werden wir ein Rüstungsexportkontrollgesetz vorlegen und ein
Verbandsklagerecht bei Verstößen gegen das neue Gesetz einführen und für eine wirksame
Endverbleibskontrolle sorgen. Hermesbürgschaften für Rüstungsexporte darf es nicht geben.
Den Einsatz von Sicherheitsfirmen in internationalen Konflikten wollen wir streng regulieren
und private Militärfirmen verbieten.
Autonome tödliche Waffensysteme international ächten
Autonome tödliche Waffensysteme, die keiner wirksamen Steuerung mehr durch den Menschen bei
Auswahl und Bekämpfung von Zielen unterliegen, stellen eine unberechenbare Bedrohung dar. Im
Sinne von Frieden und Stabilität wollen wir Autonomie in Waffensystemen international
verbindlich regulieren und Anwendungen, die gegen ethische und völkerrechtliche Grundsätze
verstoßen, ächten und verbieten. Das gilt auch für digitale Waffen wie Angriffs- und
Spionagesoftware. Hierbei müssen Deutschland und die EU eine globale Führungsrolle
einnehmen. Um eine Militarisierung des Weltraumes zu verhindern, wollen wir
weiterentwickelte, international verbindliche Regeln auf den Weg bringen.
Sicherheit im Cyber-Raum schaffen
Digitalisierung und neue Technologien verändern die moderne Kriegsführung. Wir wollen den
Einsatz von militärischen Cyberfähigkeiten durch die Bundeswehr ausnahmslos der
parlamentarischen Kontrolle des Deutschen Bundestages unterstellen. Es braucht Leitlinien
für das Vorgehen der Bundeswehr im Cyberraum. Gleichzeitig muss die Bundeswehr
kontinuierlich an der Stärkung ihres Eigenschutzes arbeiten, ohne ihr defensives
Selbstverständnis aufzugeben. Es braucht dringend eine internationale Initiative, um
Rüstungskontrolle zu regulieren, und vertrauensbildende Maßnahmen für den Cyberraum. Wir
setzen uns für weltweit anerkannte Regeln im Cyberraum sowie eine Selbstverpflichtung ein,
zivile Infrastruktur nicht militärisch anzugreifen. Auch sollte die europäische
Zusammenarbeit im Bereich Cyberabwehr ausgebaut werden, wozu Deutschland einen Beitrag
leisten sollte.
Internationale Schutzverantwortung wahrnehmen
Es ist wichtig, frühzeitig auf Konflikte einzuwirken und zu verhindern, dass sie zu
bewaffneten Auseinandersetzungen eskalieren. Uns leitet das Konzept der Responsibility to
Prepare, Protect and Rebuild der Vereinten Nationen, das die Staatengemeinschaft
verpflichtet, Menschen vor schwersten Menschenrechtsverletzungen und Verbrechen gegen die
Menschlichkeit und Völkermord zu schützen. Die Staaten sind gleichermaßen verpflichtet, ihre
Instrumente für Prävention, Krisenreaktion und Nachsorge bzw. Wiederaufbau kriegszerstörter
Gesellschaften auszubauen. Wir bekennen uns zu internationalen Friedenseinsätzen im Rahmen
der Vereinten Nationen, die zu Stabilität, Sicherheit und Frieden beitragen. Die Anwendung
militärischer Gewalt als Ultima Ratio kann in manchen Situationen nötig sein, um Völkermord
zu verhindern und die Möglichkeit für eine politische Lösung eines Konflikts zu schaffen.
Ein Militäreinsatz braucht einen klaren und erfüllbaren Auftrag, ausgewogene zivile und
militärische Fähigkeiten und unabhängige (Zwischen‑)Evaluierungen. Bewaffnete Einsätze der
Bundeswehr im Ausland sind in ein System gegenseitiger kollektiver Sicherheit – das heißt
nicht in verfassungswidrige Koalitionen der Willigen – und in ein politisches Gesamtkonzept
einzubetten, basierend auf dem Grundgesetz und dem Völkerrecht. Bei Eingriffen in die
Souveränität eines Staates oder dort, wo staatliche Souveränität fehlt, braucht es ein
Mandat der Vereinten Nationen. Wenn das Vetorecht im Sicherheitsrat missbraucht wird, um
schwerste Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu decken, steht die Weltgemeinschaft vor
einem Dilemma, weil Nichthandeln genauso Menschenrechte und Völkerrecht schädigt wie
Handeln.
Moderne Bundeswehr
Der Auftrag und die Aufgaben der Bundeswehr müssen sich an den realen und strategisch
bedeutsamen Herausforderungen für Sicherheit und Friedenssicherung orientieren. Wir wollen
die Bundeswehr entsprechend ihrem Auftrag und ihren Aufgaben personell und materiell sicher
ausstatten. Dass Soldat*innen mit nicht ausreichender Schutzausrüstung in Einsätze gehen,
ist nicht hinnehmbar. Deutschland soll sich auf seine Bündnispartner verlassen können und
genauso sollen sich die Bündnispartner auf Deutschland verlassen können. Die
Gesamtverantwortung für den Einsatz muss begründet, Informationen über alle Operationen im
Einsatz der Verbündeten müssen vollständig zugänglich sein. Die Bundeswehr soll die Vielfalt
unserer Gesellschaft abbilden. Menschenfeindliche Ideologien und rechtsextremistische
Strukturen in der Bundeswehr werden wir konsequent verfolgen und zerschlagen. Neben der
umfassenden Aufklärung ist die Prävention entscheidend. Präventive Maßnahmen wie
verantwortungsbewusste Personalgewinnung und zeitgemäße politische Bildung sind überfällig.
Den bewaffneten Einsatz der Bundeswehr im Inneren lehnen wir ab.
NATO strategisch neu ausrichten
Die NATO leidet unter divergierenden sicherheitspolitischen Interessen innerhalb der Allianz
bis hin zur gegenseitigen militärischen Bedrohung. Ihr fehlt in dieser tiefen Krise eine
klare strategische Perspektive. Trotzdem bleibt sie aus europäischer Sicht neben der EU
unverzichtbarer Akteur, der die gemeinsame Sicherheit Europas garantieren kann und der als
Staatenbündnis einer Renationalisierung der Sicherheitspolitik entgegenwirkt. Wir brauchen
eine strategische Neuaufstellung der NATO, eine gemeinsame Bedrohungsanalyse und darauf
aufbauend eine Debatte über eine faire Lastenverteilung zwischen den Mitgliedstaaten. Das
willkürliche NATO-2-Prozent-Ziel, das vor fast 20 Jahren verabschiedet wurde, gibt darauf
keine Antwort und wir lehnen es deshalb ab. Wir setzen uns für eine neue Zielbestimmung ein,
die nicht abstrakt und statisch ist, sondern von den Aufgaben ausgeht, und werden mit den
NATO-Partnern darüber das Gespräch suchen. Durch eine stärkere militärische Zusammenarbeit
und Koordinierung innerhalb der EU und mit den europäischen NATO-Partnern wie Großbritannien
und Norwegen wollen wir erreichen, dass strategische Interessen auf Grundlage von
europäischen Werten wie Multilateralismus, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit gemeinsam
entwickelt und geschlossen und überzeugender vertreten werden.
Die EU-Sicherheitsunion vorantreiben
Gemeinsam mit den internationalen Partnern muss die Europäische Union ihrer Verantwortung
für die eigene Sicherheit und Verteidigung gerecht werden. Die gemeinsame Sicherheits- und
Verteidigungspolitik (GSVP) setzt eine gemeinsame EU-Außenpolitik voraus. Wir wollen eine
EU-Sicherheitsunion etablieren mit einer starken parlamentarischen Kontrolle und einer
gemeinsamen restriktiven Rüstungsexportpolitik. Anstatt immer mehr Geld in nationale,
militärische Parallelstrukturen zu leiten, sollte die verstärkte Zusammenarbeit der
Streitkräfte in der EU ausgebaut, sollten militärische Fähigkeiten gebündelt und allgemein
anerkannte Fähigkeitslücken geschlossen werden. Dafür ist eine geeignete Ausstattung, der
Ausbau von EU-Einheiten sowie eine Stärkung und Konsolidierung der gemeinsamen EU-
Kommandostruktur nötig. Die Umwidmung ziviler Gelder aus dem EU-Haushalt für militärische
Zwecke lehnen wir ab.
Antragstext
Von Zeile 438 bis 440 einfügen:
werden. Wir investieren in Gesundheitsforschung, zum Beispiel bei Medikamenten oder der Entwicklung neuer Testverfahren. Öffentliche Förderung für Medikamenten- und Impfstoffforschung knüpfen wir an gemeinwohlorientierte Bedingungen, wie Preisgarantien oder die Teilhabe am geistigen Eigentum, um den weltweiten Zugang zu resultierenden Gesundheitsprodukten zu verbessern.Auch die Produktion von Medikamenten und Medizinprodukten soll – in europäischer Kooperation – vorangetrieben werden, die Versorgung, zum Beispiel mit
Die Pandemie hat uns gezeigt, was eine Gesellschaft stark macht – dass man sich unterhakt
und einander vertraut. Sie hat uns spüren lassen, wie kostbar Gemeinsamkeit für unser
individuelles Glück ist, wie sehr wir andere Menschen brauchen und wie groß die Gefahr ist,
wenn eine Gesellschaft auseinanderdriftet. Diese alte und doch noch mal neu erlebte
Erfahrung ist Auftrag, Solidarität und Schutz in konkrete, bessere Politik zu übersetzen.
Wir wollen alles dafür tun, die Bedingungen für ein gutes Leben – von Kindesbeinen an – zu
verbessern: materielle Sicherheit, Chancen und Teilhabe zu garantieren und ein
Sicherheitsversprechen zu geben, das umso stärker ist, je mehr Unterstützung gebraucht wird.
Freiheitsrechte bleiben ein Privileg von wenigen, wenn die sozialen Voraussetzungen dafür
nicht für alle gewährleistet werden. Gesellschaften ohne existenzielle Not sind
krisenfester, solidarische und gleichberechtigte Gesellschaften stärker.
Corona hat uns schonungslos die Stärken und Schwächen unseres Sozialstaates vor Augen
geführt: wie wichtig ein robustes Gesundheitssystem für alle ist. Wie zentral eine
Wirtschaftskraft ist, die für gesellschaftlichen Wohlstand und damit einen Sozialstaat
sorgt, der Menschen bei Jobverlust oder Wirtschaftseinbruch vor Obdachlosigkeit bewahrt. Sie
hat aber zugleich bestehende Ungleichheiten verschärft. Wer arm ist, wird schneller krank.
Frauen tragen eine besondere Last in den systemrelevanten Berufen der Pflege, der Erziehung
und im Einzelhandel, sind aber deutlich schlechter bezahlt und in Entscheidungsprozessen
weniger repräsentiert. Selbständige, die ohnehin schon größere Risiken eingehen, stürzen
ohne Verdienst in Existenzangst oder -not. Wer die Kinder allein erzieht, ist durch
Kinderbetreuung, Homeschooling und Homeoffice noch mal mehr gefordert. Die Pandemie hat uns
auf unsere individuellen Lebensumstände zurückgeworfen. Wenn die Wohnung eng ist, der Garten
fehlt, aber die Schwimmhalle dicht ist, ist es dreifach schwer. Einsamkeit wird größer.
Jetzt ist die Zeit, die richtigen Lehren zu ziehen. Der Weg aus der Pandemie muss zu einem
neuen sozialen Sicherheitsversprechen führen. Wir wollen Schritt für Schritt die sozialen
Systeme so verändern, dass sie allen Menschen Sicherheit und Halt geben, auch in Zeiten
persönlicher und gesellschaftlicher Umbrüche, und ihnen Teilhabe ermöglichen. Unsere
Bibliotheken und Bolzplätze, Sport- und Musikvereine, Theater und Jugendzentren – kurz,
unsere öffentlichen und sozialen Orte – sollten zu den schönsten und stärksten Räumen des
Miteinanders werden.
Glück und Chancen dürfen nicht davon abhängen, ob man im Norden oder Süden, Osten oder
Westen, in der Stadt oder auf dem Land lebt, entsprechend sind gleichwertige
Lebensverhältnisse Verfassungsgrundsatz. Wir setzen alles daran, aus diesem oftmals noch
unerfüllten Anspruch Realität zu machen. Wer auf dem Land wohnt, braucht genauso einen
Zugang zu Ärzt*innen, schnellem Internet, öffentlicher Daseinsvorsorge wie Städter*innen.
Und wer in der Stadt lebt, muss auch dort guten und bezahlbaren Wohnraum finden können.
Wohnen ist die soziale Frage unserer Zeit und für viele Menschen, viele Familien bis weit in
die Mittelschicht hinein eine der Existenz.
Unser Gesundheitssystem soll allen eine gleichwertige Gesundheitsversorgung garantieren,
aber es klaffen Lücken: Gesundheitsämter wurden kaputtgespart, in Krankenhäusern und der
Verwaltung fehlt Personal, die, die da sind, arbeiten am Anschlag. Wir wollen die Vorzeichen
ändern und Vorsorge zum Leitprinzip machen: Kliniken sollen ihrem gesellschaftlichen Auftrag
entsprechend finanziert werden, auch auf dem Land braucht es Zugang zu Geburtshilfe und
Notfallhilfen. In der Pflege setzen wir uns ein für bessere Arbeitsbedingungen, mehr
Personal, Sicherheit für Menschen, die Pflege benötigen, und für diejenigen, die Angehörige
oder Freund*innen pflegen.
Digitalisierung, globaler Wettbewerb und der nötige Umbau der Wirtschaft bedeuten für viele
Menschen große Veränderungen, die mit der Angst vor Verlusten einhergehen. Aber Angst lähmt
und macht mürbe. Menschen benötigen auch im Übergang Sicherheit. Es gilt die Risiken
abzusichern und Perspektiven zu geben, etwa durch eine Arbeitsversicherung und durch
Weiterbildung. Starke Tarifpartner, starke Gewerkschaften und demokratische Mitbestimmung
können ebenfalls dazu beitragen, die großen Herausforderungen beim Übergang in eine sozial-
ökologische Marktwirtschaft gemeinsam zu bewältigen. Wir werden zeigen, dass Transformation
und Digitalisierung hin zu einem klimagerechten Wohlstand zukunftsfähige Jobs schaffen, mit
guten Arbeitsbedingungen und gerecht verteilter Arbeit.
Wir fördern Kinder, Jugendliche und Familien
Kinder in den Mittelpunkt
Kinder müssen sich bestmöglich und frei entfalten können. Dabei haben sie ein Recht auf
besonderen Schutz, Förderung und Beteiligung. Kinder sind keine kleinen Erwachsenen, sondern
haben ganz eigene Bedürfnisse, die bei Entscheidungen angehört, mitgedacht und abgewogen
werden müssen. Wir werden deshalb sicherstellen, dass das Wohl von Kindern bei staatlichen
Entscheidungen ein größeres Gewicht bekommt. Deshalb müssen starke Kinderrechte entlang der
Grundprinzipien der UN-Kinderrechtskonvention ins Grundgesetz. Mit einem Nationalen
Aktionsplan für Kinder- und Jugendbeteiligung wollen wir sicherstellen, dass alle Kinder und
Jugendlichen über ihre Rechte informiert sind und unabhängig vom soziokulturellen
Hintergrund, altersgerecht und niedrigschwellig Beteiligung leben können. Die Jugendarbeit
spielt hierbei eine wichtige Rolle, darum wollen wir die Jugendverbände mit einem
Verbandsklagerecht gegenüber Kommunen stärken. Werdende Demokrat*innen brauchen Mitmach- und
Medienkompetenz sowie politische Bildung, die wir als Querschnittsaufgaben in Kitas, Schulen
und Jugendhilfe konzeptionell und finanziell stärken. Beim Aufbau oder der Auswahl von
Angeboten im Sozialraum, bei allen Bau- und Wohnumfeldmaßnahmen, die Kinder und Jugendliche
betreffen, werden wir sie beteiligen, ihr Wohl sichern und dies im Baugesetzbuch
berücksichtigen.
Eine Kindergrundsicherung gegen Kinderarmut
In einem reichen Land wie Deutschland darf kein Kind in Armut aufwachsen – doch vor allem
bei Alleinerziehenden oder Geringverdienenden mit Kindern reicht das Geld oft vorn und
hinten nicht. Jedes Kind verdient unsere Unterstützung. Daher wollen wir Familien stärken
mit einer einfachen und gerechten Kinder- und Familienförderung: der Kindergrundsicherung.
Unser Vorschlag: Kindergeld, Kinderzuschlag, das Sozialgeld für Kinder und die Bedarfe für
Bildung und Teilhabe in eine neue eigenständige Leistung zusammenzufassen. Mit der
Kindergrundsicherung bekommt jedes Kind einen festen Garantie-Betrag, Kinder in Familien mit
geringen oder gar keinem Einkommen bekommen zusätzlich noch einen GarantiePlus-Betrag. Je
niedriger das Familieneinkommen, desto höher der GarantiePlus-Betrag. Nach einmaliger
Beantragung bei Geburt wird die Höhe der Kindergrundsicherung automatisch berechnet und
ausgezahlt. So kommt die Kindergrundsicherung garantiert bei jedem Kind an und Schritt für
Schritt beenden wir Kinderarmut. Sie ist gerecht, denn Kinder, die mehr brauchen, bekommen
auch mehr. Die Kindergrundsicherung verbinden wir mit einer Neuermittlung dessen, was Kinder
zum Leben brauchen.
Kinder- und Jugendhilfe für alle Kinder
Ob Kita, Hortbetreuung, Familienberatung, Hilfen zur Erziehung oder Angebote der
Jugendarbeit – die Kinder- und Jugendhilfe begleitet Familien beim Aufwachsen der Kinder.
Sozialarbeiter*innen und Pädagog*innen leisten dabei unter hohem Zeit- und Arbeitsdruck
Enormes. Durch gesetzliche Vorgaben zur Personalplanung wollen wir für besser ausgestattete
Jugendämter und Entlastung der Fachkräfte sorgen. Leistungsansprüche von Kindern und
Jugendlichen mit körperlichen und geistigen Behinderungen werden bisher in einem eigenen
Sozialgesetzbuch für Menschen mit Behinderungen geregelt. Das grenzt aus. Mit einem
Bundesinklusionsgesetz soll sichergestellt werden, dass alle Angebote der Kinder- und
Jugendhilfe künftig so ausgestaltet sind, dass sie sich auch an Kinder und Jugendliche mit
Behinderungen und ihre Eltern richten. Wir wollen auf dem eingeschlagenen Weg hin zu einem
inklusiven SGB VIII zügiger voranschreiten. Daher werden wir die Länder und Kommunen, die
bereits vor Umsetzung des Bundesinklusionsgesetzes alle Kinder unter dem Dach der
Jugendhilfe vereinen wollen, mit einem Bundesmodellprogramm unterstützen. So können
wertvolle Anregungen für den bundesweiten Umstrukturierungsprozess gewonnen werden.
Teilhabe und Schutz in der digitalen Welt
Kinder und Jugendliche wachsen als Digital Natives auf, sie sollen sicher und selbstbestimmt
mit Tablets, Smartphones und Co. umgehen können. Wir stärken die digitale Bildung als
Gemeinschaftsaufgabe von Eltern, Kitas, Schulen und der Jugendhilfe, mit Fortbildungen für
Fachkräfte und Unterstützungsangeboten für Eltern. Alle sollen digitale Kompetenzen erwerben
können, das geht nur mit entsprechender Hardware: Kinder in Familien im Hartz-IV- oder
Kinderzuschlags-Bezug sollen für die Schule einen Laptop erhalten, wenn sie diesen
benötigen. Kinder und Jugendliche brauchen im Netz besonderen Schutz vor Straftaten wie
Hassrede, Cybergrooming oder sexualisierter Gewalt, dem Mobbing im Netz wollen wir einen
Riegel vorschieben. Dafür setzen wir auf eine Präventionsstrategie, mit verpflichtenden
sicheren Voreinstellungen für Plattformen und leicht auffindbaren Beschwerdemöglichkeiten.
Vor kommerziellem Sammeln ihrer Daten durch private Anbieter werden wir Kinder schützen.
Kinder vor sexualisierter Gewalt schützen
Für viele Kinder und Jugendliche ist sexualisierte Gewalt leidvoller Alltag. Dagegen gehen
wir hart vor – mit starker Prävention, konsequenter Strafverfolgung und einem Maßnahmenpaket
zur Qualitätssicherung und zum Kinderschutz in familiengerichtlichen Verfahren. Das oberste
Ziel ist es, Taten zu verhindern. Dafür braucht es Aufklärung, Qualifizierung und gelebte
Schutzkonzepte überall dort, wo Kinder und Jugendliche sich aufhalten und betreut werden.
Basiswissen über Kinderrechte, insbesondere Beteiligung, Schutz bei Kindeswohlgefährdung und
Missbrauch gehören in die Curricula für Jura, Medizin, Pädagogik und Polizei. Die
Fortbildungspflicht für Familienrichter*innen und die Anforderungen an die Qualifikation von
Verfahrensbeiständen sind klar gesetzlich zu regeln. Die wichtige Arbeit des Unabhängigen
Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs werden wir auf eine gesetzliche
Grundlage stellen und damit dauerhaft absichern. Wir werden bundesweit spezialisierte
Fachberatungsstellen und telefonische sowie Online-Beratungsangebote finanziell absichern.
Mehr Zeit für Familien
Den Kopf frei haben für die Familie, die Kinder, auch wenn sie krank sind, das ist unser
Ziel. Mit der KinderZeit Plus wollen wir das Elterngeld auf 24 Monate ausweiten: pro
Elternteil je acht Monate, weitere acht Monate können flexibel untereinander aufgeteilt
werden. Wird die KinderZeit Plus Teilzeit in Anspruch genommen, verlängert dies entsprechend
den Bezugszeitraum. Sie kann bis zum 14. Geburtstag des Kindes genommen werden, denn auch
bei älteren Kindern kann mehr Aufmerksamkeit nötig sein. Wir unterstützen Eltern dabei,
Familie und Arbeit mit einer neuen Arbeitszeitkultur und einem flexiblen Vollzeitkorridor in
eine ausgewogene Balance zu bringen, Familienarbeit partnerschaftlich zu teilen und
Teilzeitfallen zu vermeiden. Niemand soll sich zwischen Kind und Job entscheiden müssen,
darum soll der Anspruch auf ein Kinderkrankengeld auf 15 Tage im Jahr pro Kind und
Elternteil steigen, Alleinerziehende bekommen 30 Tage. Weil gerade in den ersten beiden
Lebensjahren viele Infekte mitgenommen werden, sollte es in dieser Zeit einen zusätzlichen
erhöhten Anspruch auf Kinderkrankengeld geben. Die Altersgrenze wollen wir auch hier auf 14
Jahre anheben, ein ärztliches Attest wird erst ab dem vierten Erkrankungstag des Kindes
verpflichtend. Für die besondere Zeit direkt nach der Geburt wollen wir neben dem
Mutterschutz auch für den zweiten Elternteil eine 14-tägige Freistellung einrichten.
Alleinerziehenden den Rücken stärken
Alleinerziehende leisten enorm viel und sind dennoch besonders oft von Armut bedroht. Mit
der Kindergrundsicherung helfen wir mehrfach: Mit der Neuermittlung der Mindestbedarfe von
Kindern steigt auch der Mindestunterhalt. Und anders als beim heutigen Kindergeld soll nur
die Hälfte auf den Unterhaltsvorschuss angerechnet werden. Nach einer Trennung soll es bei
der Betreuung nicht zusätzlich knirschen, darum werden Mehrkosten für die Ausübung des
Umgangs, egal nach welchem Modell, angemessen berücksichtigt. Für Eltern im
Grundsicherungsbezug wollen wir einen Umgangsmehrbedarf einführen. Ob wichtiger Abendtermin
im Job, ein Beratungsgespräch oder Arztbesuch – Kinder können und sollten nicht immer dabei
sein. Es gilt, familienunterstützende Dienstleistungen zu fördern, zum Beispiel für
ergänzende Kinderbetreuung oder haushaltsnahe Dienstleistungen. Das gilt besonders im
Krankheitsfall, denn Kinder und Haushalt müssen trotzdem versorgt sein.
Absicherung für alle Familienformen
Ob Patchwork-, Stief- oder Regenbogenfamilie – Familien sind vielfältig und diese Vielfalt
muss ein modernes Familienrecht auch abbilden. Soziale Eltern übernehmen innerhalb der
Familie oft Verantwortung und sind wichtige Wegbegleiter. Rechtlich gesehen sind sie aber
auch nach Jahren Außenstehende für ihr Kind: Im Kindergarten, in der Schule oder bei
Ärzt*innen ist es nicht vorgesehen, dass sie Entscheidungen für ihre Kinder treffen. Mit der
Weiterentwicklung des „kleinen Sorgerechts“ hin zu einer elterlichen Mitverantwortung, die
auf Antrag beim Jugendamt auf bis zu zwei weitere Erwachsene übertragen werden kann, geben
wir allen Beteiligten mehr Sicherheit. Zwei-Mütter-Familien sollen nicht mehr durch das
langwierige Stiefkindadoptionsverfahren müssen, darum streben wir an, das Abstammungsrecht
zu reformieren, sodass die Co-Mutter analog zu Vätern in heterosexuellen Ehen automatisch
als zweites rechtliches Elternteil gilt. Bei Kinderwunsch sollen auch nichteheliche
Lebensgemeinschaften und lesbische Paare die Möglichkeit einer Kostenerstattung für die
künstliche Befruchtung erhalten. Verantwortung wird nicht nur da füreinander übernommen, wo
Kinder sind. Mit dem Pakt für das Zusammenleben werden wir eine neue Rechtsform schaffen,
die das Zusammenleben zweier Menschen, die füreinander Verantwortung übernehmen, unabhängig
von der Ehe rechtlich absichert.
Wir sorgen für gute Arbeit und faire Löhne
Mindestlohn anheben
Arbeit muss gerecht bezahlt werden. Und die Menschen brauchen gute Arbeitsbedingungen. Aber
in unserem reichen Land arbeiten noch immer Millionen Menschen im Niedriglohnsektor mit
schlechten Löhnen und unsicheren Beschäftigungsverhältnissen. Besonders oft sind davon
Frauen betroffen. Das wollen wir ändern. Den gesetzlichen Mindestlohn werden wir sofort auf
12 Euro anheben. Für weitere Erhöhungen soll die Mindestlohnkommission den Auftrag bekommen,
dass der Mindestlohn wirksam vor Armut schützen und mindestens der Entwicklung der
Tariflöhne entsprechen muss. Leiharbeiter*innen sollen vom ersten Tag an den gleichen Lohn
für gleiche Arbeit bekommen wie Stammbeschäftigte – plus Flexibilitätsprämie. Ohne
sachlichen Grund dürfen Arbeitsverträge nicht mehr befristet werden. Gegen den vielfachen
Missbrauch von Werkverträgen und die Abwälzung unternehmerischer Verantwortung mittels
Subunternehmerketten gehen wir ordnungspolitisch vor. Wir wollen den Arbeitsschutz stärken,
damit er wirksam vor Stress, Burn-out und Entgrenzung der Arbeit schützt. Mobbing und
Diskriminierung am Arbeitsplatz nehmen wir ernst und wollen besser davor schützen.
Vollbeschäftigung schaffen
Wir wollen allen Menschen ermöglichen, am Arbeitsleben teilzuhaben, denn ein guter
Arbeitsplatz ist eine wichtige Quelle für Einkommen, Anerkennung und Selbstverwirklichung.
Dazu müssen wir gute und sichere Jobs schaffen. Wir wollen die Beschäftigung weiter erhöhen
und damit auch verhindern, dass Corona langfristige Spuren am Arbeitsmarkt hinterlässt. Mit
dauerhaft höheren öffentlichen Investitionen, mehr Gründungsgeist und Forschung sowie
Innovation wollen wir ein Umfeld für viele neue Jobs schaffen. Der deutsche Arbeitsmarkt war
dabei in den letzten Jahren gespalten: Fachkräftemangel und deutliche Lohnsteigerungen für
Hochqualifizierte in einigen Branchen, prekäre Beschäftigung, unfreiwillige Teilzeit und
stagnierende Reallöhne in anderen. Dem wollen wir mit einer sozial gerechten Arbeitspolitik
entgegentreten. Damit sorgen wir für gute Löhne und trocknen den Niedriglohnsektor
mittelfristig aus. Langzeitarbeitslose brauchen eine besonders intensive Betreuung durch die
Arbeitsagentur, für Menschen ohne Perspektiven am ersten Arbeitsmarkt schaffen wir einen
dauerhaften sozialen Arbeitsmarkt.
Sozialpartnerschaft stärken, Tarifbindung erhöhen
Die Sozialpartnerschaft, Tarifverträge und Mitbestimmung sind Eckpfeiler der sozialen
Marktwirtschaft. Sie haben unser Land stark gemacht. Da, wo sie gelten, sorgen sie meistens
für anständige Löhne und gute Arbeitsbedingungen. Wir wollen, dass Tarifverträge und starke
Mitbestimmung wieder für mehr anstatt für immer weniger Beschäftigte und Betriebe gelten.
Bei der öffentlichen Vergabe sollen im Einklang mit europäischem Recht die Unternehmen zum
Zug kommen, die tarifgebunden sind oder mindestens Tariflöhne zahlen. Dafür setzen wir auf
ein Bundestariftreuegesetz. Zudem wollen wir es leichter machen, Tarifverträge für
allgemeinverbindlich zu erklären, damit sie für alle in einer Branche gelten. Betriebsräte,
die sich für Mitarbeiter*innen einsetzen, brauchen auch selbst mehr Schutz. Gleiches gilt
auch für die Beschäftigten, die erstmals einen Betriebsrat gründen wollen. Die
Mitbestimmungsrechte wollen wir ausbauen und modernisieren, wenn es um die
Personalentwicklung, die Stärkung von Frauen und die Verbesserung der Klimabilanz im
Unternehmen geht. Der Wandel der Arbeitswelt, den Digitalisierung und ökologische
Transformation mit sich bringen, muss gemeinsam mit den Beschäftigten im Betrieb gestaltet
werden.
Selbstbestimmter arbeiten, digitale Chancen nutzen
Wir wollen Beschäftigte dabei unterstützen, ihre Arbeit besser an ihr Familien- und
Privatleben anzupassen. Eine moderne Arbeitswelt bedeutet für uns auch mehr Mitsprache bei
Ort, Lage und Umfang der Arbeit. In der Corona-Krise wurde das Arbeiten von zu Hause zu
einer weit verbreiteten Erfahrung, für viele verbunden mit mehr Eigenständigkeit und weniger
Stress, wenn etwa das lange Pendeln wegfiel. Für andere aber auch zur echten Belastungsprobe
– wenn zu Hause Arbeitszimmer, Arbeitsschutz und auch Kolleg*innen fehlen. Homeoffice kann
zudem auch zur Entgrenzung von Arbeit und zum Abbau des bisherigen Arbeitsortes außerhalb
der eigenen vier Wände führen. Die Möglichkeit zur Selbstbestimmung im Arbeitsleben wollen
wir daher erhalten und stärken, indem wir ein Recht auf Homeoffice einführen – mit Blick auf
betriebliche Möglichkeiten, aber auch mit strikten Schutzkriterien versehen. Ein
Arbeitsplatz im Unternehmen muss aber ebenfalls allen zur Verfügung stehen.
Mehr Freiraum bei der Arbeitszeit
Ob im Büro, in der Pflege oder auf Montage – für viele Menschen ist der körperliche oder
psychische Druck durch Arbeit gewachsen. Gleichzeitig ist Zeit zu haben – für sich selbst
oder die Familie – für viele Menschen ein immer größerer Wert. Kürzere Arbeitszeiten, wie
beispielsweise die IG Metall sie als Beitrag zur Bewältigung des Strukturwandels in der
Automobilbranche vorgeschlagen hat, können eine Chance sein, Arbeit gerechter zu verteilen,
Arbeitsplätze zu sichern und Arbeitnehmer*innen zu entlasten. Wir wollen Beschäftigte in der
Pflege, in der die Belastung besonders hoch ist, mit besseren Arbeitsbedingungen
unterstützen und deshalb die 35-Stunden-Woche einführen. Darüber hinaus wollen wir die
Möglichkeiten aller Arbeitnehmer*innen, selbst flexibler über die eigene Arbeitszeit zu
bestimmen – gerade um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erleichtern –, verbessern.
Dafür wollen wir die starre Vollzeit zu einer Wahlarbeitszeit zwischen 30 und 40 Stunden bei
flexiblem Arbeitszeitkorridor umgestalten. Versuche, das Arbeitszeitgesetz zum Nachteil der
Arbeitnehmer*innen aufzuweichen, lehnen wir ab. Die europäische Arbeitszeitrichtlinie wollen
wir konsequent umsetzen.
Arbeitsversicherung stärkt Chancen
Wir wollen die Arbeitsmarktpolitik auf die Zukunft ausrichten und die
Arbeitslosenversicherung zu einer Arbeitsversicherung umbauen. Zentral dafür ist ein
Rechtsanspruch auf Weiterbildung und die Stärkung der beruflichen Qualifikation. In einer
Welt, in der häufige Berufswechsel für viele Menschen Normalität sind und man nicht mehr
automatisch 40 Jahre im gleichen Betrieb arbeitet, brauchen alle Menschen Anlaufstellen und
Unterstützung, um ihr Berufsleben selbstbestimmt zu gestalten. Überall dort, wo es eine
Arbeitsagentur gibt, sollen Bildungsagenturen zentrale Anlaufstellen werden und Menschen bei
der Neuorientierung unterstützen, Weiterbildungsberatung und -förderung sollen damit
vereinfacht werden. Den Zugang zur Arbeitsversicherung werden wir deutlich erleichtern und
bereits ab vier Monaten sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung einen Anspruch auf
Arbeitslosengeld einführen. Auch selbständige Berufstätigkeit muss sozial besser abgesichert
werden. Dafür vereinfachen wir den Zugang zur freiwilligen Arbeitslosenversicherung und
schaffen eine Zugangsmöglichkeit für alle Selbständigen auch mit Wahltarifen. Wir wollen
Gründungen aus Phasen der Arbeitslosigkeit heraus besser fördern und durch die Krise
zurückgeworfene junge Berufsanfänger*innen mit einem Einstiegszuschuss eine Brücke in den
Arbeitsmarkt bauen.
Besserer Schutz bei online vermittelter Arbeit
Vom Handwerkerdienst über Software-Entwicklung bis zur Reinigung – immer mehr
Dienstleistungen werden über Online-Plattformen vermittelt (Gig-Working) oder finden sogar
ortsunabhängig in der Cloud statt (Crowd-Working). Die Digitalisierung von Tätigkeiten und
die digitale Vermittlung von Arbeit bergen viele neue Chancen. Aber Arbeitsrecht und
Arbeitsschutz müssen an die Onlinewelt angepasst werden, damit daraus nicht neue Formen von
Ausbeutung und Abhängigkeiten entstehen. Wir wollen Scheinselbständigkeit verhindern, indem
wir bei der Abgrenzung zwischen selbständiger Tätigkeit und abhängiger Beschäftigung für
mehr Rechts- und Planungssicherheit sorgen. Wenn der/die Auftragnehmer*in einer Plattform
angibt, einen Arbeitnehmerstatus zu haben, soll künftig der/die Auftraggeber*in beweisen,
dass dem nicht so ist. Unfaires Preis-Dumping gilt es durch ein Mindesthonorar für
zeitbasierte Dienstleistungen zu unterbinden. Arbeitnehmerähnliche Personen und Solo-
Selbständige, die für Plattformen tätig werden, sollen sich künftig leichter tariflich
organisieren können, und branchenspezifisch sollen weitere verbindliche Honoraruntergrenzen
vereinbart werden können, die auch für allgemeinverbindlich erklärt werden können.
Plattformbetreiber tragen eine Verantwortung für ihre Auftragnehmer*innen. Wir wollen mit
klaren Mindeststandards beim Arbeits- und Datenschutz und bei den allgemeinen
Geschäftsbedingungen für Fairplay bei der Plattformökonomie sorgen.
Faire Arbeitsbedingungen für Beschäftigte aus europäischen
Nachbarstaaten
In jedem europäischen Nachbarland arbeiten zu können, das ist eine der großen
Errungenschaften unseres vereinten Europas. Was in hochqualifizierten Berufen viel Freiheit
gebracht hat, führte in manchen Dienstleistungsbereichen zu ausbeuterischen
Arbeitsrealitäten. Missstände in den deutschen Schlachthöfen haben das schlaglichtartig
gezeigt. Doch auch anderswo, zum Beispiel auf dem Bau oder in der Pflege, herrschen vielfach
ausbeuterische Verhältnisse. Wir wollen, dass alle Beschäftigten – egal, wie lange sie hier
arbeiten – genauso gut bezahlt und abgesichert sind wie ihre deutschen Kolleg*innen. Dafür
braucht es ein wirksames Vorgehen gegen Schwarzarbeit und Scheinselbständigkeit, ein
Verbandsklagerecht der Gewerkschaften, eine europäische Sozialversicherungsnummer, höhere
Mindeststandards für Unterkünfte von entsandten Beschäftigten, eine bessere Regulierung der
Vermittlungsagenturen und mehr Kontrolle durch eine gestärkte Europäische Arbeitsbehörde.
Arbeitnehmer*innen aus anderen EU-Staaten müssen besser über ihre Rechte informiert werden.
Wir schaffen Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern
Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit
Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit, von dieser Selbstverständlichkeit sind wir immer
noch weit entfernt. Durchschnittlich verdienen Frauen im gesamten Erwerbsleben etwa nur halb
so viel wie Männer, was sich auch in ihrer ungenügenden Alterssicherung bemerkbar macht. Wir
werden ein effektives Entgeltgleichheitsgesetz einführen, das auch für kleine Betriebe gilt
und die Unternehmen verpflichtet, von sich aus über die Bezahlung von Frauen und Männern und
über ihre Maßnahmen zum Schließen des eigenen Pay-Gaps zu berichten. Dieses Gesetz muss auch
ein wirksames Verbandsklagerecht enthalten, damit bei strukturellen Benachteiligungen auch
Verbände die Klage übernehmen können und die Betroffenen nicht auf sich allein gestellt
sind. Lohncheckverfahren können Diskriminierungen aufdecken. Deshalb werden wir
Tarifpartner*innen und Unternehmen verpflichten, alle Lohnstrukturen auf Diskriminierung zu
überprüfen. Wir setzen uns dafür ein, dass Berufe, die vor allem von Frauen ausgeübt werden,
eine höhere Wertschätzung erfahren als bisher, zum Beispiel in Form besserer
Arbeitsbedingungen, besserer Bezahlung oder besserer Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Wirtschaftliche Unabhängigkeit von Frauen stärken
Um das eigene Leben selbst gestalten zu können, ist es vielen Frauen wichtig, wirtschaftlich
unabhängig zu sein. Deshalb müssen Steine, die dies behindern, aus dem Weg geräumt werden.
Wir wollen für eine eigenständige Absicherung in allen Lebensphasen sorgen – von der
Berufswahl bis zur Rente. Minijobs, mit Ausnahmen für Studierende, Schüler*innen und
Rentner*innen, wollen wir in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung überführen und
Regelungen für haushaltsnahe Dienstleistungen schaffen. Das durch enge Rollenerwartungen
eingeschränkte Berufswahlverhalten von Mädchen und Jungen wollen wir durch eine
gendersensible Berufsberatung erweitern. Die gläserne Decke, die Frauen am Aufstieg hindert,
wollen wir aufbrechen. Dies gelingt auch durch eine kluge Zeitpolitik, die es auch
Partner*innen erleichtert, Verantwortung in der Familie zu übernehmen und Arbeit
geschlechtergerecht aufzuteilen. Diskriminierungen am Arbeitsmarkt begegnen wir mit einem
Verbandsklagerecht, das die Einzelne stärkt, und durch ein echtes Recht auf die Rückkehr in
Vollzeit, das auch für kleinere Betriebe gilt.
Gleichberechtigung auch bei der Steuer
Das deutsche Steuerrecht steckt noch im letzten Jahrhundert fest. Während sich viele Paare
Familien- und Erwerbsarbeit gleichberechtigter aufteilen, als es noch vor Jahren der Fall
war, gilt bei der Steuer nach wie vor das Modell eines männlichen Ernährers und einer Frau,
die höchstens zuverdient und sich hauptsächlich um Haushalt und Kinder kümmert. Dieses
Modell ist ungerecht, weil es Ehen privilegiert, Alleinerziehende und nicht verheiratete
Paare außen vor lässt, die Erwerbstätigkeit von Frauen hemmt und Frauen gleichzeitig nicht
wirklich absichert. In Krisen bekommen vor allem Frauen die Nachteile zu spüren, zum
Beispiel durch weniger Kurzarbeits- oder Arbeitslosengeld. Im Zusammenspiel mit Minijobs und
der kostenlosen Mitversicherung wirken sich diese Maßnahmen negativ auf die Erwerbstätigkeit
von Frauen aus. Deshalb wollen wir für neu geschlossene Ehen eine individuelle Besteuerung
mit übertragbarem Grundfreibetrag einführen. Bei der Lohnsteuer soll die/der heute über
Gebühr belastete Zweitverdiener*in entlastet werden, indem das Faktorverfahren zur Regel und
die Steuerklasse 5 für Zuverdiener*innen abgeschafft wird. So sorgen wir dafür, dass
gleichberechtigte Lebensentwürfe nicht länger benachteiligt werden. Paare, die bereits
verheiratet sind, können sich entscheiden, ob sie sich einzeln veranlagen oder weiterhin das
Ehegattensplitting nutzen wollen. Zugleich stärken wir mit der Kindergrundsicherung
Familien. Alleinerziehende, die heute am stärksten von Armut betroffen sind, entlasten wir
mit einer Steuergutschrift.
Wir sichern die sozialen Netze
Garantiesicherung statt Hartz IV
Jeder Mensch hat das Recht auf soziale Teilhabe, auf ein würdevolles Leben ohne
Existenzangst. Deswegen wollen wir Hartz IV überwinden und ersetzen es durch eine
Garantiesicherung. Sie schützt vor Armut und garantiert ohne Sanktionen das soziokulturelle
Existenzminimum. Sie stärkt so Menschen in Zeiten des Wandels und kann angesichts großer
Veränderungen der Arbeitswelt Sicherheit geben und Chancen und Perspektiven für ein
selbstbestimmtes Leben eröffnen. Die grüne Garantiesicherung ist eine Mindestsicherung, die
nicht stigmatisiert und die einfach und auf Augenhöhe gewährt wird. Sie schafft durch die
Abschaffung der bürokratischen Sanktionen Raum und Zeit in den Jobcentern für wirkliche
Arbeitsvermittlung und Begleitung. Dafür wollen wir die Regelsätze schrittweise anheben,
sodass sie das soziokulturelle Existenzminimum verlässlich sicherstellen. Die Leistungen der
Garantiesicherung wollen wir schrittweise individualisieren. Die Anrechnung von Einkommen
werden wir attraktiver gestalten, sodass zusätzliche Erwerbstätigkeit auch in Teilzeit zu
einem spürbar höheren Einkommen führt. Vermögen werden künftig unbürokratischer und mit
Hilfe einer Selbstauskunft geprüft.
Selbstbestimmung und gleichberechtigte Teilhabe für Menschen mit
Behinderungen
Menschen mit Behinderungen haben ein Recht darauf, gleichberechtigt wohnen, lernen und
arbeiten zu können und die Unterstützung zu wählen, die sie dafür brauchen. Leistungen zur
Teilhabe müssen in jeder Phase allgemeiner, beruflicher und hochschulischer Bildung gewährt
werden. Wir wollen einen inklusiven Arbeitsmarkt schaffen und dafür Arbeitgeber*innen, die
Menschen mit Behinderungen beschäftigen, besser unterstützen, den Wechsel von Werkstätten in
den allgemeinen Arbeitsmarkt fördern und Menschen, die das Budget für Arbeit nutzen, in der
Arbeitslosenversicherung absichern. Ziel ist, das Bundesteilhabegesetz weiterzuentwickeln
und Teilhabe zu garantieren – kein Poolen von Leistungen gegen den Willen der Betroffenen,
echtes Wunsch- und Wahlrecht, Leistungen zur Teilhabe unabhängig von Einkommen und Vermögen
der Leistungsberechtigten. Anträge auf Teilhabeleistungen sollen einfach sein und
Entscheidungen im Sinne der behinderten Menschen schnell erfolgen.
Gemeinsame soziale Mindeststandards in der EU
Wir treten ein für eine Europäische Union, die soziale Absicherung und Mindeststandards
europaweit garantiert. Soziale Rechte müssen den gleichen Stellenwert erhalten wie die
wirtschaftlichen Freiheiten des Binnenmarkts. Dafür sind gemeinsame europäische Arbeits- und
Sozialstandards essenziell. Wir machen uns für eine europäische Grundsicherungsrichtlinie
stark, die soziale Mindeststandards für jedes Land festlegt, angepasst an die jeweilige
ökonomische Situation. Länderspezifische Mindestlöhne sollen überall in Europa dafür sorgen,
dass Menschen von ihrer Arbeit leben können. Wir wollen die Europäischen Betriebsräte
stärken und die paritätische Mitbestimmung in den Kontroll- und Leitungsorganen europäischer
Unternehmen ausbauen, die mehr als 1.000 Beschäftigte haben. Unser langfristiges Ziel ist,
dass die in der Europäischen Grundrechtecharta verankerten sozialen Rechte als Grundrechte
gegenüber den Mitgliedstaaten vor dem Europäischen Gerichtshof einklagbar sind.
Eine verlässliche Alterssicherung für alle
Die langfristige Sicherung des Rentenniveaus bei 48 Prozent hat für uns hohe Priorität. Bei
einem weiteren Absinken wären immer mehr Menschen auf Grundrente angewiesen und die
Akzeptanz der gesetzlichen Rente wäre gefährdet. Um das Rentenniveau zu sichern, wollen wir
die Frauenerwerbstätigkeit unter anderem durch ein Rückkehrrecht in Vollzeit erhöhen, ein
echtes Einwanderungsgesetz schaffen und die Beschäftigungssituation älterer
Arbeitnehmer*innen verbessern. Um die Belastungen der Versicherten und der Arbeitgeber*innen
zu begrenzen, sollen bei Bedarf die Steuerzuschüsse erhöht werden. Prekäre Beschäftigung
muss überwunden werden, denn nur gute Löhne führen auch zu einer guten Rente. In einem
ersten Schritt zu einer Bürgerversicherung sorgen wir dafür, dass anderweitig nicht
abgesicherte Selbständige, denen sonst Altersarmut droht, und Abgeordnete in die gesetzliche
Rentenversicherung aufgenommen werden. Um Altersarmut zu verhindern, werden wir die
Grundrente reparieren und zu einer echten Garantierente weiterentwickeln. Grundsätzlich
halten wir an der Rente mit 67 fest. Wir wollen es Menschen aber leichter machen, selbst
darüber zu entscheiden, wann sie in Rente gehen wollen.
Ein Bürgerfonds für die Rente
Eine kapitalgedeckte Altersvorsorge kann das Umlagesystem sinnvoll ergänzen. Die Riester-
Rente hat sich aber als ein völliger Fehlschlag herausgestellt. Die Produkte sind teuer und
undurchschaubar und haben zum Teil eine geringere Rendite als Omas Sparstrumpf. Profitabel
sind sie oft nur für die Versicherungswirtschaft oder dank der öffentlichen Förderung.
Deswegen haben bei weitem nicht alle davon Gebrauch gemacht. Wir wollen die Riester-Rente
durch einen öffentlich verwalteten Bürgerfonds ersetzen und in diesen überführen. Durch den
Bürgerfonds profitieren die Menschen am Wertezuwachs der Wirtschaft. Der Fonds kann
langfristig orientiertes Eigenkapital für die Wirtschaft bereitstellen. In den Bürgerfonds
zahlen alle ein, die nicht aktiv widersprechen. So wird ein Volumen geschaffen, das die
Verwaltungskosten gering hält, die Risiken breit streut und auf teure Garantien verzichten
kann. Der Bürgerfonds wird politisch unabhängig verwaltet und investiert nachhaltig. Er
investiert langfristig und hilft so, die Kurzfristorientierung der Märkte zu überwinden. Für
Kleinsparer*innen gewährleistet er eine attraktive Rendite bei überschaubarem Risiko. Alle
Arbeitgeber*innen sollen künftig eine betriebliche Altersvorsorge anbieten und können den
Bürgerfonds als Standard dafür nutzen.
Wir geben Gesundheit und Pflege einen neuen Wert
Vorsorge als Leitprinzip
Wir wollen den Zugang zu guter Gesundheitsversorgung sicherstellen – aber gute
Gesundheitspolitik setzt schon vorher an. Wer in der Fleischindustrie unter prekären
Bedingungen arbeitet, in einer schimmeligen Wohnung oder an der vielbefahrenen Straße wohnt
oder mit Hartz IV in Armut lebt, kann seine Gesundheit nur schwer schützen, hat eine höhere
Wahrscheinlichkeit zu erkranken und oft einen schlechteren Zugang zur Gesundheitsversorgung.
Für eine gesunde Gesellschaft braucht es eine Politik, die vorsorgt, die die Ursachen von
Krankheiten bekämpft und vorausschauend handelt. Statt nur auf die nächste Krise zu
reagieren, sollen in Zukunft durch gemeinsame Gesundheitsziele und eine Ausweitung der
Gesundheitsberichterstattung Krankheitsursachen und der Stand der gesundheitlichen
Versorgung in den Blick genommen werden. Prävention, Gesundheitsförderung und
gesundheitliche Versorgung wollen wir grundsätzlich als Querschnittsaufgabe in allen
Politikbereichen verfolgen. Um uns gegen klimawandelbedingte Hitzewellen zu wappnen, werden
wir einen Sonderfonds zur Umsetzung von Hitzeaktionsplänen etablieren.
Für Pandemien gewappnet sein
Die Corona-Krise hat gezeigt, dass unser Gesundheitssystem für künftige Pandemien besser
gewappnet sein muss. Spätestens jetzt ist der Moment, die Krankenhaus- und Notfallversorgung
zu reformieren und die Digitalisierung, insbesondere in den Gesundheitsämtern, beherzt
voranzutreiben. Um Pandemien zukünftig effektiv und nachvollziehbar zu bekämpfen, sollen
Stufen zur Eindämmung von Pandemien im Infektionsschutzgesetz definiert, Pandemieschutzpläne
aktualisiert und soll ein unabhängiger und interdisziplinärer Pandemierat eingerichtet
werden. Wir investieren in Gesundheitsforschung, zum Beispiel bei Medikamenten oder der
Entwicklung neuer Testverfahren. Öffentliche Förderung für Medikamenten- und Impfstoffforschung knüpfen wir an gemeinwohlorientierte Bedingungen, wie Preisgarantien oder die Teilhabe am geistigen Eigentum, um den weltweiten Zugang zu resultierenden Gesundheitsprodukten zu verbessern.Auch die Produktion von Medikamenten und Medizinprodukten
soll – in europäischer Kooperation – vorangetrieben werden, die Versorgung, zum Beispiel mit
Atemschutzmasken, durch eigene Produktionsstandorte sichergestellt werden. Auf europäischer
Ebene braucht es mehr gemeinsame Strategie und Koordinierung, etwa durch die gemeinsame
Planung und Nutzung medizinischer Notfallkapazitäten oder durch ein europäisches
Frühwarnsystem. Daher setzen wir uns für den zügigen Aufbau von HERA ein, einer europäischen
Behörde, die künftig staatliche und privatwirtschaftliche Aktivitäten besser koordinieren
soll. Das Europäische Zentrum für die Prävention und Kontrolle von Krankheiten wollen wir
stärken und uns für eine engere Kooperation mit nationalen Gesundheitsbehörden einsetzen.
Gesundheitsämter stärken
Nicht erst in der Corona-Pandemie wird sichtbar, dass wir als Gesellschaft größere
Anstrengungen unternehmen müssen, um die öffentliche Gesundheit zu stärken und Menschen ein
gutes Leben zu ermöglichen. Ob der Besuch bei der mobilen Zahnärzt*in in der Schule oder die
Impfaktion im Pflegeheim – für Gesundheitsförderung, die Menschen unkompliziert erreicht,
braucht es eine Stärkung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes. Unser Ziel ist es, im
Zusammenspiel zwischen den Gesundheitsämtern, universitären Strukturen der öffentlichen
Gesundheitsfürsorge und einem neu zu schaffenden Bundesinstitut für Gesundheit gemeinsam
eine starke Säule der öffentlichen Gesundheitsfürsorge aufzubauen. Das Institut soll
gemeinsame Gesundheitsziele und Qualitätsvorgaben für die Verbesserung der Versorgung
entwickeln und bestehende Strukturen des Bundes zur Förderung der Gesundheit bündeln. Bisher
sind die Gesundheitsämter chronisch unterfinanziert und unterbesetzt, die personelle und
technische Ausstattung muss dauerhaft verbessert werden. Wir wollen deshalb, dass Bund und
Länder gemeinsam dafür sorgen, dass künftig 1 Prozent der gesamten Gesundheitsausgaben in
den Öffentlichen Gesundheitsdienst fließt. Amtsärzt*innen müssen besser bezahlt werden. Auch
pflegerische Fachkompetenz soll stärker eingebunden werden – als sogenannte Community Health
Nurses oder in der Schulgesundheitspflege.
Gute gesundheitliche Versorgung in Stadt und Land
Gesundheit ist Daseinsvorsorge. Wir wollen, dass Menschen im ganzen Land gut und verlässlich
versorgt werden. Wenn mancherorts der Weg zur Hebamme kaum zu bewältigen ist, die
Kinderstationen Patient*innen abweisen müssen oder Hausarztpraxen auf dem Land wegen
fehlendem/-r Nachfolger*in schließen müssen, gefährdet das die gesundheitliche Versorgung.
Um die Versorgung in Stadt und Land zu stärken, wollen wir, dass ambulante und stationäre
Angebote in Zukunft übergreifend geplant werden und Gesundheitsregionen mit enger Anbindung
an die Kommunen gefördert werden. Perspektivisch soll es eine gemeinsame
Abrechnungssystematik für ambulante und stationäre Leistungen geben. Gleichzeitig wollen wir
die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen den Gesundheitsberufen stärken. Denn die
Versorgung muss von den Patient*innen aus gedacht werden. Dafür wollen wir insbesondere die
Einrichtung von kommunalen Gesundheitszentren unterstützen, in denen alle Gesundheitsberufe
auf Augenhöhe zusammenarbeiten. Die Aufgabenverteilung im Gesundheitswesen werden wir so
reformieren, dass Gesundheits- und Pflegeberufe mehr Tätigkeiten eigenverantwortlich
übernehmen können. Die Arbeitsbedingungen in und die Vergütung von Therapieberufen müssen
dringend ihrer wichtigen Rolle im Gesundheitswesen angepasst, das Schulgeld für diese
Ausbildungen muss abgeschafft werden.
Krankenhäuser nach gesellschaftlichem Auftrag finanzieren
In Krankenhäusern sollen alle die Versorgung erhalten, die sie benötigen. Doch falsche
politische Weichenstellungen und der daraus folgende ökonomische Druck haben zu Fehlanreizen
zu Lasten des Patient*innenwohls und zu Kosteneinsparungen zu Lasten des Personals geführt.
Kliniken sollen deshalb in Zukunft nicht mehr nur nach Fallzahl, sondern auch nach ihrem
gesellschaftlichen Auftrag finanziert werden. Dafür braucht es ein neues
Finanzierungssystem. Wir werden eine Säule der Strukturfinanzierung einführen und den
verbleibenden fallzahlabhängigen Vergütungsteil reformieren. Vielfach herrscht Stillstand
bei den Investitionen in die Krankenhäuser. Das wollen wir ändern, indem Bund und Länder die
Investitionskosten in Zukunft gemeinsam tragen. Der Bund soll dafür die Möglichkeit haben,
gemeinsame bundesweite Grundsätze in der Krankenhausplanung zu definieren. Welche Angebote
es vor Ort gibt, darf nicht davon abhängen, was sich rentiert, sondern soll sich danach
richten, was nötig ist. Die beste Qualität kann zumeist durch Spezialisierung sichergestellt
werden. Krankenhäuser, die durch fehlende Auslastung die nötige Qualität in einigen
Bereichen nicht gewährleisten können, sollen nicht einfach aufgegeben, sondern zu
leistungsfähigen lokalen Notfall-, Gesundheits- und Pflegezentren weiterentwickelt werden.
Notfallversorgung reformieren
Wie gut ein Gesundheitssystem funktioniert, zeig sich oft erst im Notfall – und dann wird es
häufig ernst. Damit die Notfallversorgung in Deutschland besser funktioniert, muss sich
einiges ändern. Das fängt beim Rettungsdienst an, der Menschen in Not heute umfassend
medizinisch behandeln kann und deshalb wie die übrige Gesundheitsversorgung im Gesetz
geregelt werden muss. Die Notrufleitstellen der Nummern 112 und 116117 müssen
organisatorisch zusammengeführt werden, damit es im Zweifelsfall keine Rolle spielt, wo
Menschen anrufen, sondern sie immer die passende Hilfe bekommen. Auch wollen wir, dass
Notaufnahmen gerade nachts und am Wochenende beispielsweise durch kompetente Hausärztinnen
und Hausärzte so unterstützt werden, dass auch weniger ernste Fälle gut versorgt werden
können. Durch einheitliche Stufen und Vorgaben zur Notfallversorgung wollen wir
sicherstellen, dass Menschen in Not, in der Stadt und auf dem Land, stets die erwartbare
Hilfe auch verlässlich vorfinden.
Psychotherapieplätze schaffen
Starke Prävention und angemessene Versorgung – für beides wollen wir die Weichen stellen,
denn psychische Gesundheit ist Fundament für Lebensqualität und soziale Teilhabe. Es ist
nicht zumutbar, dass viele Menschen in einer psychischen Krise monatelang auf therapeutische
Hilfe warten müssen. Wer eine psychische Erkrankung hat, braucht schnelle und leicht
zugängliche Hilfen, damit das Leid sich nicht verschlimmert. Wir wollen deshalb ambulante
Psychotherapieplätze durch mehr Kassenzulassungen von Psychotherapeut*innen schaffen. Es
braucht eine gemeindenahe und personenzentrierte Versorgung und eine verbesserte
sektorübergreifende Zusammenarbeit. Dabei müssen auch die Besonderheiten der Versorgung von
Kindern und Jugendlichen sowie von Frauen, die von Gewalt betroffen sind, berücksichtigt
werden. Hilfsangebote zwischen ambulanter und stationärer Behandlung müssen flexibler werden
und die verschiedenen Berufsgruppen im Team eine miteinander abgestimmte Behandlung
übernehmen können. Bei der unzureichenden Reform der Psychotherapie-Ausbildung muss
nachgebessert werden, sodass angehende Psychotherapeut*innen endlich unter guten Bedingungen
ausgebildet werden.
Geburtshilfe verbessern, Gesundheit von Frauen stärken
Um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, sind Verbesserungen bei der Geburtshilfe und
eine Unterstützung freiberuflicher Hebammen durch eine Reform der Haftpflicht für
Gesundheitsberufe nötig. Wir wollen das Gesundheitssystem geschlechtergerecht machen.
Geschlechtsspezifische Aspekte in Forschung und Ausbildung und in der medizinischen Praxis
werden nicht ausreichend berücksichtigt, etwa bei der Medikamentenforschung. Das gefährdet
die Gesundheit von Frauen wie auch von Trans*- und Inter*-Menschen. Die Forschung zu
geschlechtsspezifischer Medizin und Pflege sowie Frauengesundheit muss gestärkt und in der
medizinischen und pflegerischen Praxis umgesetzt werden. Mit Hilfe einer Frauenquote für
Führungspositionen im Gesundheitswesen und besseren Arbeitsbedingungen holen wir mehr Frauen
in die Führungsgremien unseres Gesundheitswesens.
Zugang zum Gesundheitssystem sichern, Diskriminierung beenden
Auch im Gesundheitswesen wollen wir Diskriminierung bekämpfen. Beispielsweise erhalten
Menschen mit Behinderungen häufig nicht alle dringend benötigten Gesundheitsleistungen,
Hilfsmittel oder häusliche Pflege und werden so in ihrer Teilhabe beschränkt. Deshalb wollen
wir mit einem ressortübergreifenden Inklusionsplan diese Hürden umfassend abbauen, die
Gesundheitsleistungen auf die jeweiligen Bedarfe gezielt ausrichten und bürokratische
Vorgänge so weit wie möglich reduzieren. Das umfasst auch verpflichtende Vorgaben zur
Barrierefreiheit bei der Bedarfsplanung und eine Reform der Heilmittelversorgung. Auch für
LSBTIQ* muss diskriminierungsfreie Gesundheitsversorgung gesichert sein. Dafür werden wir
den Anspruch auf medizinische Maßnahmen für trans- und intergeschlechtliche Menschen
gesetzlich verankern. Die bestehenden Lücken beim Verbot sogenannter „Konversionstherapien“
werden wir schließen. Die Blutspende gestalten wir diskriminierungsfrei. Menschen, die ohne
Papiere in Deutschland leben, müssen ebenfalls Zugang zu guter gesundheitlicher Versorgung
haben, etwa durch einen anonymen Krankenschein, die Abschaffung der Mitteilungs- und
Unterrichtungspflichten an öffentlichen Stellen oder die Stärkung von Beratungsnetzwerken
für Menschen ohne Papiere.
Auf dem Weg zur Bürgerversicherung für Gesundheit und Pflege
Gesetzlich Versicherte warten länger auf Termine bei Fachärzt*innen, und viele privat
Versicherte können sich die hohen Prämien nicht mehr leisten. Von dieser Zwei-Klassen-
Medizin profitieren wenige, zum Nachteil vieler. Unser Ziel ist eine solidarisch finanzierte
Bürgerversicherung, in der jede*r unabhängig vom Einkommen die Versorgung bekommt, die er
oder sie braucht. Die Bürgerversicherung bezieht alle in die Finanzierung eines
leistungsstarken Versicherungssystems ein. Auch Beamte, Selbständige, Unternehmer*innen und
Abgeordnete beteiligen sich mit einkommensabhängigen Beiträgen. Neben Löhnen und Gehältern
sollen Beiträge auf Kapitaleinkommen erhoben werden. Als ersten Schritt verbessern wir die
Versorgung gesetzlich Versicherter – zum Beispiel bei der Erstattung von Brillen. Außerdem
wollen wir die Benachteiligung gesetzlich versicherter Beamt*innen durch einen
beihilfefähigen Tarif beenden und privat Versicherte, die sich nur den Basistarif leisten
können, besser absichern.
Digitalisierung verbessert Gesundheitsversorgung
Wir wollen die Chancen der Digitalisierung – ob Robotik zur Unterstützung in der Pflege,
Telemedizin oder die elektronische Patientenakte – nutzen, um das Gesundheitssystem
zukunftsfähig zu machen. Per App sollen Patient*innen sicher auf den digitalen Impfpass,
Gesundheitsinformationen wie die eigene Blutgruppe, die Krankheitsgeschichte oder die
neuesten Blutwerte zugreifen können. Damit sie den Patient*innen wirklich nützt, muss die
digitale Patientenakte weiterentwickelt werden. Dabei sind unter anderem
Patient*innenorganisationen stärker einzubinden. Gesundheitsdaten sollen anonymisiert der
Forschung zur Verfügung gestellt werden, um die Gesundheitsversorgung in Deutschland zu
verbessern. Eine Weitergabe der Daten erfolgt dabei nicht gegen den Willen der
Patient*innen. Ihre eigenen Gesundheitsdaten müssen für Patient*innen möglichst barrierefrei
und sicher zugänglich sein. Die ärztliche Schweigepflicht und das Patient*innengeheimnis
müssen auch für digitalisierte Gesundheitsdaten jederzeit gewahrt bleiben. Um
administrativen Aufwand für medizinisches und pflegerisches Personal zu verringern und
Innovationen anzureizen, sollen Hersteller von Medizinprodukten und Software offene
Schnittstellen anbieten.
Ambulante Pflege stärken
Wer pflegebedürftig wird, hat die bestmögliche Pflege und Unterstützung für ein
selbstbestimmtes und würdevolles Leben verdient. Gerade in einer alternden Gesellschaft
braucht es dafür überall vielfältige, auf den Bedarf vor Ort angepasste pflegerische
Angebote. Statt weiterer Großeinrichtungen sind mehr ambulante Wohn- und Pflegeformen nötig
– eingebettet in ein Umfeld, das ältere Menschen dabei unterstützt, aktiv am
gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. So wird die Pflege auch für Angehörige einfacher.
Dafür wollen wir die rechtlichen Rahmenbedingungen für Quartierspflege schaffen und den
Kommunen ermöglichen, eine verbindliche Pflegebedarfsplanung vorzunehmen, um das Angebot an
Pflege vor Ort zu gestalten. Ein Bundesprogramm soll eine Anschubfinanzierung für Kommunen
bereitstellen, die sich hier auf den Weg machen. Jemanden zu pflegen verdient unsere
Anerkennung und die Unterstützung der Gesellschaft. Deshalb wollen wir Menschen, die
Verantwortung für Angehörige, Nachbar*innen oder Freund*innen übernehmen, mit der PflegeZeit
Plus besonders unterstützen. Wir ermöglichen damit allen Erwerbstätigen eine bis zu
dreimonatige Freistellung sowie eine Lohnersatzleistung, die befristet auch anschließende
Arbeitszeitreduzierungen finanziell abfedert.
Eine doppelte Pflegegarantie
Pflegebedürftige und ihre Angehörigen müssen immer mehr eigenes Geld für ihre Versorgung
aufbringen. Wir wollen, dass Pflegebedürftige die für sie notwendigen Pflegeleistungen
erhalten, ohne von Armut bedroht zu sein. Mit einer doppelten Pflegegarantie wollen wir die
Eigenanteile schnell senken und dauerhaft deckeln. So garantieren wir, dass die selbst
aufzubringenden Kosten verlässlich planbar werden. Die Pflegeversicherung soll alle über
diesen Betrag hinausgehenden Kosten für eine bedarfsgerechte Pflege tragen. Mit einer
solidarischen Pflege-Bürgerversicherung wollen wir dafür sorgen, dass sich alle mit
einkommensabhängigen Beiträgen an der Finanzierung des Pflegerisikos beteiligen.
Pflege aus dem Notstand führen, Arbeitsbedingungen im
Gesundheitswesen verbessern
Pflegekräfte leisten einen unschätzbaren Beitrag für unsere Gesellschaft. Menschen, die im
Alter oder bei Krankheit Unterstützung brauchen, wünschen sich zu Recht Pflegekräfte, die
sich mit Sorgfalt um sie kümmern können. Dafür brauchen Pflegekräfte Zeit für die
Patient*innen und gute Arbeitsbedingungen. Das geht nur mit mehr Kolleg*innen. Wir wollen
durch verbindliche Personalbemessung – auch in der Langzeitpflege –, die bessere
Vereinbarkeit von Beruf und Familie, mehr eigenverantwortliche Arbeit von Fachkräften und
die Einführung der 35-Stunden-Woche in der Pflege Arbeitsbedingungen schaffen, unter denen
viele Menschen – ganz neu, weiter oder wieder – gerne in der Pflege arbeiten. Die Ausnahmen
im Arbeitszeitgesetz für den Gesundheitsbereich wollen wir beschränken, um Überlastung zu
verhindern und den Personalverlust in Krankenhäusern einzudämmen. Doch Wertschätzung braucht
auch Löhne, die sie bezeugen – am besten über gute Tarifverträge. Wir wollen die gesetzliche
Pflegeversicherung verpflichten, nur noch mit Anbietern zusammenzuarbeiten, die nach Tarif
bezahlen. Die Selbstorganisation und die Einflussmöglichkeiten der professionellen Pflege
wollen wir durch den Aufbau einer Bundespflegekammer unterstützen.
Ein Cannabiskontrollgesetz
Wir stellen Gesundheits- und Jugendschutz in den Mittelpunkt der Drogenpolitik. Doch auf dem
Schwarzmarkt gilt kein Jugendschutz, stattdessen schafft er zusätzliche gesundheitliche
Gefahren. Das Verbot von Cannabis richtet mehr Schaden an, als dass es nützt. Wir setzen auf
wirksame Prävention, auf Entkriminalisierung und Selbstbestimmung. Deshalb werden wir mit
einem Cannabiskontrollgesetz das bestehende Cannabisverbot aufheben und einen kontrollierten
und legalen Verkauf von Cannabis in lizenzierten Fachgeschäften ermöglichen. Darüber hinaus
wollen wir niedrigschwelliges Drugchecking für psychoaktive Substanzen und andere Maßnahmen
zur Schadensminimierung wie die Ausgabe sauberer Spritzen bundesweit ermöglichen, damit
Konsument*innen nicht durch gefährliche Inhaltsstoffe oder schmutzige Spritzen zusätzlich
gefährdet werden. Das heutige Betäubungsmittelrecht evaluieren wir auf seine Wirkungen hin.
Wir schaffen bezahlbaren Wohnraum
Ein Recht auf Wohnen ins Grundgesetz
Alle Menschen brauchen angemessenen Wohnraum. Wohnen ist ein Recht. Aber es wird immer
schwieriger, überhaupt Wohnungen zu finden. Und die Mieten und Immobilienpreise steigen
vielerorts immer noch weiter. Großstädte teilen sich immer stärker in Einkommensstadtteile
auf, Innenstädten geht das Leben verloren. Deshalb gilt es zu handeln, damit gerade auch
Familien und Alleinerziehende, Studierende, Menschen mit Behinderungen, ältere Menschen oder
Geringverdiener*innen nicht in Bedrängnis geraten, sondern weiter gut und sicher wohnen
können. Wir wollen das Recht auf Wohnen ins Grundgesetz aufnehmen. Knapp 700.000 Menschen
sind derzeit wohnungslos in Deutschland, mehr und mehr Familien. Um diesen Zustand zu
beenden, wollen wir ein Nationales Aktionsprogramm zur Vermeidung und Bewältigung von
Wohnungs- und Obdachlosigkeit auflegen.
Krisenbedingte Wohnungsverluste verhindern
Wir wollen Mieter*innen entlasten und vor einem krisenbedingten Verlust der eigenen Wohnung
bewahren. Die Möglichkeit, die Miete nachzuzahlen, soll Zwangsräumungen verhindern. Bei
krisenbedingten Einkommensausfällen soll ein Programm der KfW Bank („Sicher-Wohnen-Fonds“)
eine finanzielle Unterstützung von Mieter*innen sicherstellen. Vermieter*innen, die auf
diese Mietzahlungen angewiesen sind, sollten dann eine staatliche Unterstützung erhalten.
Neue Gemeinnützigkeit für sozialen Wohnraum
Wir wollen neuen Wohnraum schaffen – und zwar vor allem familiengerecht, öffentlich und
gemeinwohlorientiert. Stattdessen gehen immer noch viele weitere Sozialwohnungen verloren –
rund 100 jeden Tag. Unser Vorbild ist die Stadt Wien, die mit ihrem großen Anteil an
gemeinnützigem und für breite Schichten bezahlbarem Wohnraum eine ausgewogene Mischung
sicherstellt. Wir werden deshalb die Mittel für den sozialen Wohnungsbau deutlich erhöhen
und verstetigen, statt sie zu kürzen. Wir werden die Kommunen unterstützen, ihre bestehenden
Wohnungsgesellschaften zu stärken und neue zu gründen. Dazu wollen wir mit einem
Bundesprogramm „Neue Wohngemeinnützigkeit“ für eine Million zusätzliche, günstige
Mietwohnungen in den Ballungsräumen sorgen, sicher und auf Dauer. Die noch vorhandenen
bundeseigenen Bestände sollen nicht mehr an private Investor*innen veräußert, sondern
ausschließlich verbilligt an Kommunen mit einer dauerhaften Sozialbindung abgegeben werden.
So wollen wir in den nächsten zehn Jahren den Bestand an Sozialwohnungen um eine Million
erhöhen.
Starke Mieter*innen, faire Mieten
Viele Menschen geben einen immer größeren Anteil ihres Einkommens für ihre Wohnung aus,
viele können sich ihre Mieten nicht mehr leisten. Unser Ziel sind deshalb faire und
bezahlbare Mieten und starke Rechte für Mieter*innen. Konkret wollen wir Mietobergrenzen im
Bestand mit einem Bundesgesetz ermöglichen und die Mietpreisbremse entfristen und
nachschärfen. Reguläre Mieterhöhungen sollen auf 2,5 Prozent im Jahr innerhalb des
Mietspiegels begrenzt werden. Dazu wollen wir qualifizierte Mietspiegel stärken, verbreiten
und rechtssicher ausgestalten. Zur Berechnung sollen die Mietverträge der letzten 20 Jahre
herangezogen werden. Wir streben an, die Modernisierungsumlage weiter abzusenken und auf
maximal 1,50 Euro pro Quadratmeter zu begrenzen, damit energetische Sanierungen
perspektivisch warmmietenneutral möglich sind. Außerdem wollen wir es Mieter*innen
erleichtern, ihre Wohnungen samt den bestehenden Verträgen zu tauschen. Das
Umwandlungsverbot im Baugesetzbuch und den Milieuschutz auszuweiten sind weitere
Instrumente. Dazu stärken wir das kommunale Vorkaufsrecht, und Mietwucher muss – nach § 5
Wirtschaftsstrafgesetz – auch tatsächlich geahndet werden.
Spekulation mit Bauland und Geldwäsche am Wohnungsmarkt beenden
Wohnen ist ein soziales Grundrecht und der Wohnungsmarkt kein Ort für Spekulant*innen. Zu
häufig werden Immobilien zur Geldwäsche genutzt, das gilt es zu beenden. Ein entscheidender
Hebel ist Transparenz. Deshalb planen wir, ein Immobilienregister der Eigentümer*innen
einzuführen, die Grundbücher bei begründetem Interesse kostenfrei zugänglich zu machen und
Bargeld beim Immobilienverkauf zu verbieten. Außerdem wollen wir den Missbrauch von
sogenannten „Share Deals“ zur Steuerumgehung beenden und setzen auf eine anteilige
Besteuerung des Immobilienbesitzes bei Unternehmensverkäufen. Die Spekulation mit Bauland
soll unterbunden werden. Wenn in Kommunen große Wohnungsnot herrscht, kann sich daraus eine
Pflicht für Eigentümer*innen ergeben, Grundstücke zu bebauen, statt auf höhere Preise zu
spekulieren. Auch gegen Fehlnutzungen und spekulativen Leerstand von Wohnraum werden wir
vorgehen.
Grund und Boden gemeinwohlorientiert
Boden unterscheidet sich von anderen Gütern, weil er prinzipiell nicht vermehrbar ist. Bei
Fehlentwicklungen ergibt sich hieraus eine besondere Verpflichtung, staatlich einzugreifen.
Knappheit von und Spekulation mit Boden führt zu steigenden Preisen und Mieten. Wir wollen
erreichen, dass die öffentliche Hand wieder eine strategische Bodenpolitik betreibt. Der
Bund soll seine eigenen Immobilien nicht länger meistbietend verkaufen, sondern gezielt die
Schaffung von bezahlbarem und nachhaltigem Wohnraum fördern. Dafür wollen wir die
Bundesanstalt für Immobilienaufgaben in einen gemeinnützigen Bodenfonds umwandeln. Der Fonds
kauft neue Flächen strategisch zu und überträgt sie an gemeinwohlorientierte Träger. Die
Flächen sollen bevorzugt in Erbpacht vergeben werden, um Sozialwohnungen dauerhaft sichern
zu können. Werden sie veräußert, sollen Kommunen und kommunale Wohnungsgesellschaften ein
Erstzugriffsrecht erhalten. Die Einnahmen des Fonds fließen nicht in den Haushalt, sondern
werden für den Zukauf weiterer Flächen verwendet.
Erwerb von Wohneigentum erleichtern
Wohneigentum ist für viele Menschen ein Lebenstraum, der wegen explodierender
Immobilienpreise in den meisten Regionen des Landes immer schwerer zu erfüllen ist. Wir
wollen den Erwerb von Wohneigentum erleichtern. Deshalb soll das Prinzip „wer den Makler
bestellt, bezahlt“ genauso für Immobilienkäufe eingeführt werden, so wie es für
Maklerprovisionen bei Vermietungen bereits gilt. Wir streben an, die Courtage auf 2 Prozent
zu begrenzen, damit sie nicht auf verstecktem Weg zu noch höheren Kaufpreisen führt. Dazu
wollen wir die Kaufnebenkosten weiter senken, indem wir es den Ländern ermöglichen, den
Steuersatz der Grunderwerbssteuer beispielsweise für große Wohnungsunternehmen zu erhöhen
und für private Käufer*innen zu senken. Wir wollen Mietkauf für selbstgenutztes Wohneigentum
über die Länder und Kommunen fördern, auch den Kauf und die Modernisierung leerstehender
Wohnungen und Ausbauten zu günstigem Wohnraum unterstützen wir. Beteiligungen an
Genossenschaften und den gemeinschaftlichen Erwerb durch Mieter*innen wollen wir
unterstützen, zum Beispiel indem wir günstige Kredite oder Bürgschaften gewähren.
Ressourcenschonendes und nachhaltiges Bauen vorantreiben
Wir können die Klimaziele nur mit einer Bauwende hin zu ressourcenschonendem und
nachhaltigem Bauen erreichen. Bei Städtebau und Gebäudeplanung sind Stoff- und
Energieverbrauch bei Herstellung und Betrieb sowie das spätere Recycling durchgängig für
alle Gebäude zu berücksichtigen. Konkret setzen wir auf ein Gebäude-Ressourcen-Gesetz und
eine Holzbaustrategie, damit wir mit mehr nachwachsenden Rohstoffen bauen können. Wir
fördern außerdem die Digitalisierung der Planung am Bau. Um den Flächenverbrauch zu
reduzieren, setzen wir auf behutsame Nachverdichtung und unterstützen die Kommunen dabei mit
Förderprogrammen.
Wir investieren in lebenswerte Dörfer und Städte
Regionale Daseinsvorsorge stärken
Gleichwertige Lebensverhältnisse sind eine Voraussetzung für gutes, selbstbestimmtes Leben
überall im Land. Einschränkungen gibt es vielerorts, häufig unterscheiden sie sich von
Region zu Region: Hier fehlt ein Zentrum im Dorf, dort schließen in der Kleinstadt die
Schwimmbäder, und auf dem Land ist das Internet zu langsam. Unser Ziel ist es, dass
individuelle Entfaltung, demokratische Teilhabe und gesellschaftliches Engagement überall im
Land möglich sind, auch in strukturschwachen Regionen. Hier brauchen wir gute Infrastruktur
und den Zugang zu öffentlichen Gütern in den Kommunen. Deshalb wollen wir gemeinsam mit Bund
und Ländern eine neue Gemeinschaftsaufgabe „Regionale Daseinsvorsorge“ im Grundgesetz
einführen. Regionen, die heute mit großen Versorgungsproblemen zu kämpfen haben, sollen
wieder investieren und gestalten können. Ziel ist, anhand von regionalen Indikatoren in
allen Bundesländern Förderregionen auszuwählen und die Zusammenarbeit der Kommunen in diesen
Regionen zu unterstützen. Mit Regionalbudgets geben wir Bürger*innen und Akteur*innen vor
Ort die Möglichkeit, ihre Entwicklungsstrategien und Ziele selbst zu bestimmen. Für zentrale
Versorgungsbereiche wie Gesundheit, Mobilität und Breitband wollen wir nötige
Mindeststandards formulieren. Eine inklusive und solidarische Gesellschaft braucht Orte des
Miteinanders, Orte gegen die Einsamkeit, Orte des gesellschaftlichen Zusammenhalts. Das kann
ein Marktplatz sein oder ein Familienzentrum, die Stadtteilbibliothek, der Skatepark, der
Kulturbahnhof. Wir wollen eine Bundesstrategie „Orte des Zusammenhalts“ auf den Weg bringen.
Mit der gezielten Ansiedelung von neuen Forschungsinstituten und Bundeseinrichtungen, vor
allem in Ostdeutschland, können wir strukturschwachen Regionen wichtige Impulse geben.
Außerdem unterstützen wir die Idee der Errichtung eines „Zukunftszentrums für Deutsche
Einheit und Europäische Transformation“.
Solide Finanzausstattung für Kommunen
Für eine starke kommunale Selbstverwaltung und eine belastbare öffentliche Daseinsvorsorge
braucht es eine solide Finanzausstattung. Viele Kommunen schaffen es jedoch nicht einmal
mehr, den ihnen übertragenen Pflichtaufgaben wie etwa der Reparatur von Gemeindestraßen oder
der Schulsanierung nachzukommen. Sie waren bereits vor der Corona-Krise finanzschwach oder
verschuldet und ihr Handlungsspielraum verkleinert sich zunehmend. Das spüren die Menschen
vor Ort unmittelbar. Wenn keine Finanzmittel für freiwillige Leistungen wie Sport- oder
Kultureinrichtungen und deren Erhaltung übrig ist, hat das Auswirkungen auf das
gemeinschaftliche Leben in den Kommunen und auf das Vertrauen in den Staat. Wir wollen die
Gemeindefinanzen besser und krisenfester aufstellen. Dazu gehört eine faire Unterstützung
bei den kommunalen Altschulden und bei gemeindlichen Corona-bedingten Steuerausfällen. Wir
wollen mehr kommunale Investitionen ermöglichen, beispielsweise in Klimaschutz, die
Verkehrswende und Kultureinrichtungen. Dafür soll der Zugang zu Fördermitteln einfacher und
unbürokratischer werden und sollen die Hürden für die Teilnahme besonders für finanzschwache
Kommunen gesenkt werden. Wir wollen, dass Bund und Länder den Kommunen mit einer gemeinsamen
Kompetenzagentur für Förderpolitik und Investitionen mit Rat und Tat zur Seite stehen und
die Umsetzung von Projekten ermöglichen.
Innenstädte retten
Innenstädte und Ortskerne, die man gerne besucht, in denen man verweilt und andere Menschen
trifft, tragen enorm zu unserer Lebensqualität bei. Sie bieten kulturellen Austausch und
geben dem Leben in Stadt und Land eine Bühne. Wir wollen Stadtzentren und Ortskerne
lebenswerter und attraktiver machen. Eine kluge Stadtentwicklungspolitik, nachhaltige
Verkehrskonzepte und ein Städtebaunotfallfonds sind die besten Voraussetzungen, dass auch
der Einzelhandel dort eine Zukunft hat. Dafür wollen wir die Städtebauförderung neu
ausrichten: für schönere Städte, mehr Stadtgrün und Wasserflächen, damit man auch in Zeiten
immer heißerer Sommer gut in der Stadt leben kann. Mit zusätzlichen Mitteln für Smart-City-
Projekte unterstützen wir den Aufbau unabhängiger digitaler Plattformen, mit denen der
örtliche Einzelhandel attraktivere Angebote machen kann. Dazu arbeiten wir gegen Verdrängung
und Leerstand an. Eine Million neue gemeinnützige Wohnungen sollen in den nächsten Jahren in
unseren Städten entstehen. Kleineren Gewerben, sozialen und Kulturprojekten, Clubs und
Handwerker*innen wollen wir mit einem Gewerbemietrecht und über das Baurecht eine zentrale
Lage in den Städten ermöglichen. Bundeseigene Immobilien sollen zukünftig nur noch an
gemeinnützige, öffentliche oder am Gemeinwohl orientierte Träger abgegeben werden.
Ländlich leben, digital arbeiten
Das Leben auf dem Land und im Dorf hat viel zu bieten. Gründer*innen, Familien oder
Freischaffende – alle brauchen schnelles Internet für ihr Leben. Eine ausreichend schnelle
Breitband- und Mobilfunkversorgung gehört zur Daseinsvorsorge, deshalb werden wir einen
Rechtsanspruch darauf einführen. Wir schaffen Ankommens- und Bleibeperspektiven für Jung und
Alt. Über die Gemeinschaftsaufgabe für Agrar- und Küstenschutz fördern wir Wohnprojekte für
alle Generationen, Co-Working, die Aktivierung von Leerstand sowie gemeinschaftliche und
genossenschaftliche Wohnformen. Bahnhofsgebäude wollen wir als gemeinwohlorientierte Räume
zu einladenden Mobilitätsknotenpunkten weiterentwickeln und attraktiver machen. Damit
verknüpfen wir die Bahn mit den Ortschaften. Wir unterstützen die Landesprogramme zu
Markttreffs: wenn zum Beispiel Supermärkte ihre Flächen so umbauen, dass sie Café, Bank- und
Postfiliale integrieren. Kommunen sollen Zuschüsse bekommen, wenn sie öffentliche
Einrichtungen, Sporthalle, Bibliothek, Spielplatz, Working-Space oder Kino unter dem Dach
eines Kulturzentrums zusammenfassen.
Schnelles Internet überall
Mit weniger als zwei Millionen aktiven Glasfaser-Anschlüssen steht Deutschland im OECD-
Vergleich sehr schlecht da. Egal ob Stadt oder Land, ob mobiles Arbeiten oder Heimunterricht
– schnelles Internet ist die Voraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe und gleichwertige
Lebensverhältnisse. Mit einem Breitband-Universaldienst wollen wir einen Rechtsanspruch auf
schnelles Internet für alle schaffen, der sich nicht am Minimalstandard, sondern an den
Nutzungsgewohnheiten der Mehrheit orientiert. Wir sorgen dafür, dass Blockaden bei der
Abrufung der Fördergelder für den Netzausbau abgebaut werden und dann auch zügig gebaut
wird. Und wir machen Schluss mit der Bandbreiten-Schummelei: Wenn
Telekommunikationsunternehmen nicht die versprochenen Download-Geschwindigkeiten liefern,
soll es unkomplizierten pauschalierten Schadenersatz und hohe Bußgelder geben. Beim
Mobilfunkausbau gilt es eine flächendeckende Versorgung sicherzustellen, egal in welchem
Netz man surft. Wo die Anbieter keine Kooperationsvereinbarungen schließen, um Funklöcher zu
schließen, muss notfalls lokales Roaming angeordnet werden, natürlich mit entsprechender
Vergütung. Bei zukünftigen Frequenzversteigerungen sollen die Versorgungsauflagen für die
Fläche so angepasst werden, dass sie mit dem steigenden Bedarf Schritt halten – insbesondere
entlang von Bahnstrecken und Straßen.
Selbstbestimmt im Alter, in Stadt und Land
Wir wollen Selbstbestimmung auch im Alter ermöglichen. Wir wollen den Abbau von Barrieren in
Wohnungen und im Wohnumfeld stärker finanziell fördern und somit älteren Menschen
ermöglichen, länger als bisher in ihrem vertrauten Quartier selbstbestimmt wohnen zu
bleiben. Gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht Selbstbestimmung. Das wollen wir mit einem
Programm fördern, bei dem Ansprechstellen und Gemeindezentren über altersgerechtes Wohnen,
Weiterbildungsangebote, Pflege und soziale Sicherung sowie Möglichkeiten, sich im Dorf oder
im Stadtteil zu engagieren, informieren. Zur Selbstbestimmung gehört auch, den eigenen
Bedürfnissen entsprechend mobil zu sein, unabhängig vom eigenen Pkw. Dafür muss das
Nahverkehrsangebot in den Städten ausgebaut und auf dem Land erhalten bzw. intelligent
vernetzt werden. Es braucht flächendeckend barrierefreie Zugänge zu allen öffentlichen
Verkehrsmitteln, und die Wege zu ÖPNV und Nahversorgung sollen mit genügend Möglichkeiten
zum Ausruhen und „Kräftesammeln“ ausgestattet werden.
weitere Antragsteller*innen
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Von Zeile 159 bis 167 (PB.I-01: Kapitel 6: International zusammenarbeiten):
internationale Zusammenarbeit und Solidarität unter dem Dach der zu reformierenden Weltgesundheitsorganisation als Sonderorganisation der Vereinten Nationen. Wir wollen dieDie WHO in ihrer Ausstattungsoll die koordinierende Organisation der globalen Gesundheit sein. Dazu wollen wir sie mit deutlich höheren Beiträgen und einem klaren Mandat als koordinierende Organisationbefähigen. Sie soll Gesundheitssysteme weltweit stärken können, für eine bessere Versorgung lokaler Bevölkerungen, sorgen sowie zur Prävention, Diagnose und Reaktion auf nichtübertragbare wie übertragbare Krankheiten. Ihre zentrale Rolle in der globalen GesundheitPandemievorsorge und-bekämpfung wollen wir weiter stärken. In der Gruppe derden G20 werden wir uns dafür einsetzen, ihr einen formellen Sitz einzuräumen. MedikamenteMit Blick auf die Bekämpfung der Corona-Pandemie hat Priorität, dass noch in diesem Jahr die bestehenden Produktionskapazitäten von Covid-19-Impfstoffen erhöht und Impfstoffe müssen in allen Ländern erschwinglichim Rahmen der COVAX-Allianz an einkommensschwache Länder geliefert werden. Zusätzlich setzen wir uns für einen aktiven Technologie- und zugänglich sein, das Patentrecht muss entsprechend flexibel seinWissenstransfer für die Herstellung entscheidender Arzneimittel ein. Die Gewährleistung offener, fairer und flexibler globaler Lieferketten ist dafür genauso Voraussetzung wie die Aufhebung weltweiter Exportrestriktionen für Covid-19-Impfstoffe. Wo freiwillige Produktionspartnerschaften nicht ausreichen, unterstützen wir Anträge auf Erteilung von verpflichtenden Lizenzen gegen Entschädigungen für COVID-Impfstoffe und bringen uns in diesem Sinne bei der WTO für eine temporäre Aussetzung für Patente für Technologien zur Bekämpfung von Covid-19 in die Verhandlungen ein. Monopole auf geistiges Eigentum zur Bekämpfung von Krankheiten dürfen den Zugang zu überlebenswichtigen Schutzmaterialien, Impfstoffen und Arzneimitteln nicht versperren. Wir unterstützen die Einbindung und einen Beobachterstatus Taiwans in der WHO.
Die großen Herausforderungen unserer Zeit sind global: Pandemien, die Klimakrise, Hunger,
Migration und die sozial-ökologische Transformation als besondere Aufgabe. Wir können sie
nur gemeinsam meistern. Jahrelang hat Deutschland in Europa und der Welt aber allenfalls
moderiert, oft gezögert, ist abgetaucht. Es ist Zeit, wieder eine aktive Außenpolitik zu
betreiben und als gestaltende Kraft voranzugehen im Sinne einer multilateralen und
vorsorgenden, einer kohärenten und wertegeleiteten Politik – stets europäisch und entlang
einer verlässlichen deutsch-französischen Zusammenarbeit, transatlantisch und im Rahmen der
Vereinten Nationen.
Gestützt auf die Agenda der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung, das Pariser
Klimaabkommen und die rechtebasierte internationale Ordnung setzen wir uns für eine globale
Strukturpolitik ein, die den Schutz öffentlicher Güter, eine gerechte Ressourcenverteilung
sowie Entwicklungschancen für alle als beste Vorsorge gegen Konflikte, Gewalt oder das
unermessliche Leid von Flucht und Vertreibung begreift.
Ausgangspunkt unserer Politik ist eine gestärkte und handlungsfähige Europäische Union. Die
Werte, auf denen sie gründet, wollen wir nach innen verteidigen und nach außen beherzt
vertreten: Menschenrechte, Demokratie, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit. Die EU als
Friedensmacht ist nicht nur Antwort auf eine lange und schmerzvolle Geschichte von Kriegen
und Feindseligkeiten auf unserem Kontinent, exportiert in die ganze Welt, sondern vor allem
ein Zukunftsversprechen, das es einzulösen gilt. Sie ist unser schützenswertes und
einmaliges Zuhause. Gerade weil wir überzeugte Europäer*innen sind, streiten wir für ihre
stetige Fortentwicklung. Wir arbeiten für eine europäische Wertegemeinschaft, die ihre
Abhängigkeit von Dritten in kritischen Bereichen ab- und ihre strategische Souveränität
ausbaut – in einem Gleichgewicht von Kooperation, wo möglich, und Eigenständigkeit, wo
nötig. Nur eine handlungsfähige und krisenfeste EU ist in der Lage, kritische Infrastruktur
und öffentliche Güter zu schützen, global für das Völkerrecht und die universalen
Menschenrechte einzustehen. Mit dem größten Binnenmarkt der Welt hat die EU wirtschaftlich
erheblichen Einfluss. Diesen Hebel wollen wir nutzen, um die globale Transformation gerecht
zu gestalten und ambitionierte Standards zu setzen.
Der erheblichen Widerstände und Dilemmata, die das bedeutet, sind wir uns bewusst. Das
autoritäre Hegemonialstreben einer chinesischen Regierung, das Menschen- und
Bürger*innenrechte systematisch aushebelt, zwingt Staaten nicht nur in wirtschaftliche und
politische Abhängigkeit, sondern spaltet auch Europa. Zugleich wird eine globale sozial-
ökologische Transformation ohne China, auch ohne Russland oder Brasilien, nicht möglich
sein. Das allein zeigt: Der Systemwettbewerb mit autoritären Staaten und Diktaturen ist
real, lässt bisweilen nur die Wahl zwischen Regen oder Traufe – und stellt uns vor derart
beachtliche Aufgaben, dass jede Form des Alleingangs zum Scheitern verurteilt wäre.
Wir können die vielen Widersprüche und Grenzen außen-, entwicklungs- und
sicherheitspolitischen Handelns nicht auflösen. Die Verteidigung von Menschenrechten,
Demokratie und das klare Bekenntnis zu Freiheitsbewegungen führen an die Grenzen politischer
Handlungsfähigkeit. Wir können uns aber dieser Verantwortung nicht entziehen. Umso zentraler
ist europäische Kohärenz und sind politische Bündnisse mit allen anderen Staaten, aber
gerade auch Regionen und zivilgesellschaftlichen oder zwischenstaatlichen Akteuren, für die
der Wert von Kooperation und die Stärke des Rechts ebenfalls Grundlage internationaler
Beziehungen sind. Diese Bündnisse wollen wir selbstbewusst mitgestalten. Souverän sind wir
nur gemeinsam.
Wir setzen auf den ehrlichen Interessensausgleich, die Achtung der Rechte marginalisierter
Gruppen, auf Zusammenarbeit und Rechtsstaatlichkeit, auf Konfliktprävention und
regelbasierte Konfliktbearbeitung in einer eng vernetzten Welt. Unser Ziel ist eine
Weltordnung, in der Konflikte nicht über das Recht des Stärkeren, sondern am
Verhandlungstisch gelöst werden. Und wir reichen allen die Hand, die daran teilhaben wollen.
All das tun wir im Wissen um Deutschlands Verantwortung in der Welt und im Bewusstsein um
die Verbrechen des Nationalsozialismus.
Als hochentwickelter und exportorientierter Industriestaat gehört Deutschland zu den
Hauptverursachern globaler Erwärmung und agiert als entscheidender Player einer
Globalisierung, die eben nicht nur Wohlstand und Entwicklung bedeutet, sondern auch zu
Ausbeutung von Mensch und Umwelt führt. Diese Verantwortung verstehen wir als Antrieb für
ambitionierte Veränderung und entschiedenes Handeln mit dem Ziel globaler Gerechtigkeit und
setzen dafür bei uns selbst an.
Das bedeutet auch: Wir fordern die Einhaltung und den Schutz der Menschenrechte nicht nur
von anderen ein, sondern messen uns selbst daran. Menschenrechte sind völkerrechtliche
Pflicht und unverrückbare Grundlage einer wertegeleiteten internationalen Politik. „Alle
Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren“: Artikel 1 der Allgemeinen
Erklärung der Menschenrechte ist Leitbild unseres Engagements – auch in der europäischen
Flüchtlingspolitik. Sie ist das große Versagen Europas. In keinem anderen Bereich scheitern
die europäischen Regierungen derart an den eigenen Ansprüchen von Moral, Menschenrechten und
internationalem Recht.
Das Versagen ist zugleich global: Nirgends auf der Welt wird Flucht angemessen und nach
klaren, menschenrechtsbasierten Prinzipien begegnet. Diese Regeln aber gibt es, ebenso wie
es immer wieder Momente in unserer Geschichte gab, da nach ihnen gehandelt wurde. Hier
wollen wir anknüpfen und – wenn nicht gesamteuropäisch, dann in einer humanitären Koalition
der Willigen innerhalb und außerhalb der EU – einen Paradigmenwechsel hin zur konsequenten
Vorbeugung gegen Fluchtursachen und zu einem menschenwürdigen Umgang mit Geflüchteten
vorantreiben. Wir setzen auf Rationalität und Handlungswillen, auf Humanität und
Verantwortung – und auf den unerlässlichen Pragmatismus der Nothilfe.
Die Größe und Komplexität der internationalen Herausforderungen, die da vor uns liegen,
sollte Messlatte unseres außenpolitischen Handelns sein. Die globalen Aufgaben sind
erheblich. Wagen wir die entsprechenden Antworten.
Wir treiben die sozial-ökologische Transformation voran
Schubkraft für globale Transformation
Mehr denn je bedrohen Klimaveränderungen und der Verlust von Artenvielfalt menschliche
Sicherheit und Freiheit sowie die nachhaltige Entwicklung – überall auf der Welt. Die Zeit
drängt. Darum braucht es in den nächsten Jahren einen energischen Schub für eine sozial-
ökologische Transformation. Die nachhaltigen Entwicklungsziele der Agenda 2030 und des
Klimaabkommens von Paris waren ein Aufbruch. Alle Länder sind seitdem verpflichtet, bei sich
zu Hause anzufangen und ihren Beitrag für die gemeinsame Aufgabe zu leisten – schließlich
sind es unsere Entscheidungen in Wirtschaft und Handel, bei Agrar- oder Rüstungsexporten,
die sich weltweit stark auf Klima, Artenschutz und globale Gerechtigkeit auswirken. Wir
wollen alle Politikbereiche in Deutschland auf die Transformation ausrichten und einen
Nachhaltigkeits- und Menschenrechts-TÜV einführen. Es gilt unsere internationalen Zusagen
einzuhalten und die öffentlichen Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit im Rahmen der ODA-
Quote sowie der internationalen Klimafinanzierung und Biodiversität zu erfüllen. Auch
international wollen wir neuen Schwung in die sozial-ökologische Transformation bringen,
indem wir auf eine verbindliche Transformationsquote hinwirken. Wir bündeln die Ausgaben für
Entwicklungszusammenarbeit, internationale Klimafinanzierung und Teile der humanitären
Hilfe, um eine globale Transformation entlang den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten
Nationen und den Pariser Klimazielen zu finanzieren. Deutschlands Beitrag soll die ODA-Quote
erfüllen und bis 2025 8 Milliarden Euro zur internationalen Klimafinanzierung bereitstellen.
Klimaaußenpolitik
Wir verfolgen eine ambitionierte, nachhaltige und menschenrechtskonforme Klimaaußenpolitik.
Sie ist klimapolitisch notwendig, kann nachhaltige Entwicklung fördern, Ressourcenkonflikten
vorbeugen und Frieden sichern. Klimaaußenpolitik kann zu einer Win-win-Situation für Europa,
seine Nachbarn und die Länder des globalen Sonnengürtels führen. Sie bedeutet zum einen,
dass wir Europäer*innen unseren Bedarf an grüner Energie durch Klimapartnerschaften decken
helfen: grüner Wasserstoff statt Öl- und Gasimporte. Andererseits werden wir so endlich
unserer historischen Verantwortung gerecht, indem wir Elektrifizierung und
Technologietransfers insbesondere in afrikanischen Ländern vorantreiben und den massiven
Ausbau der erneuerbaren Energien in diesen Ländern unterstützen. Nur so können wir es
schaffen, global auf den 1,5-Grad-Pfad zu kommen. Wir stärken die bestehenden Fonds für
Klimaanpassung und Klimaschutz („Adaptation and Mitigation“) und setzen uns dafür ein, dass
es auch einen Fonds zum Ausgleich von Schäden und Verlusten („Loss and Damage“) gibt. Daraus
können zum Beispiel Klimarisikoversicherungen finanziert werden. Entwicklungs- und
Investitionsbanken wie die Weltbank sollten zu Transformationsbanken umgebaut werden.
Klima- und Umweltschutz schützt Menschenrechte
Der Schutz der Menschenrechte verpflichtet zum Klima- und Umweltschutz, umgekehrt schützt
Klima- und Umweltschutz Menschenrechte. Wir treten für verbindliche Mechanismen zum Schutz
von Menschen ein, die aufgrund von Extremwetterereignissen oder schleichender
Umweltveränderung ihre Heimat verlassen müssen. Regionale Ansätze, die den Betroffenen eine
selbstbestimmte und würdevolle Migration ermöglichen, unterstützen wir. Zugleich wollen wir
jene Staaten in die Pflicht nehmen, die historisch am meisten zur Erderwärmung beigetragen
haben. Die „Task Force on Displacement“ wollen wir strukturell stärken und setzen uns dafür
ein, dass ihre Empfehlungen ebenso umgesetzt werden wie der Globale Pakt für eine sichere,
geordnete und reguläre Migration sowie der Globale Pakt für Flüchtlinge. Initiativen zur
Stärkung des Rechtswegs und das Instrument der Klimaklagen unterstützen wir. Die
französische Initiative, das Umweltvölkerrecht zu kodifizieren und zu konsolidieren, greifen
wir auf und machen uns dafür stark, in einem ersten Schritt das Recht auf saubere Umwelt in
einer Resolution der VN-Generalversammlung zu verbriefen.
Armut weltweit bekämpfen
Durch die Corona-Pandemie ist die Armut weltweit dramatisch angestiegen. Armutsbekämpfung
ist zentrales Ziel unseres internationalen Engagements. Darum setzen wir uns dafür ein, dass
Menschen weltweit sozial abgesichert werden und wollen – gemeinsam mit lokalen
Organisationen und Expert*innen – zum Aufbau und einer nachhaltigen Stärkung von sozialen
Sicherungssystemen beitragen. In einem ersten Schritt können Menschen in besonders von Armut
betroffenen Regionen durch finanzielle Direkthilfen („social cash transfers“) im Rahmen der
ODA-Mittel abgesichert werden. Grundsätzlich wollen wir, dass soziale Sicherungsprogramme
die vulnerabelsten Gruppen erreichen – und Geschlechtergerechtigkeit und sozialen
Zusammenhalt fördern.
Wir stärken die multilaterale Zusammenarbeit
Vereinte Nationen reformieren
Ohne die Vereinten Nationen ist die multilaterale Zusammenarbeit an der sozial-ökologischen
Transformation nicht zu meistern. Ihre Institutionen versorgen überall auf der Welt
Millionen von Geflüchteten, stellen Bildung, Nahrung und Gesundheit zur Verfügung. Sie
vermitteln in unzähligen Kriegen und Konflikten und sind der Rahmen, in dem die beiden
wichtigsten multilateralen Abkommen der vergangenen Jahre ausgehandelt worden sind: die
2030-Agenda für nachhaltige Entwicklung und das Pariser Klimaschutzabkommen. Das Engagement
Deutschlands und der EU für die Vereinten Nationen werden wir finanziell, personell und
diplomatisch substanziell verstärken, besser koordinieren und internationale Vereinbarungen
konsequent in nationale und europäische Politik umsetzen. So schaffen wir die
Voraussetzungen für notwendige Reformen des VN-Systems. Der Sicherheitsrat und andere Organe
der Vereinten Nationen sollten an die Realitäten des 21. Jahrhunderts angepasst werden.
Dabei geht es um eine gerechtere Repräsentation der Regionen im Sicherheitsrat. Das Konzept
der Vetomächte ist nicht mehr zeitgemäß. Wir zielen darauf, dass das Vetorecht langfristig
abgeschafft wird. Als Zwischenschritt sollte im Falle von schwersten Verbrechen gegen die
Menschlichkeit ein Veto im Sicherheitsrat mit einer Begründung und einem Alternativvorschlag
versehen werden. Wenn der Sicherheitsrat im Falle von schwersten Menschenrechtsverletzungen
anhaltend blockiert ist, soll die Generalversammlung an seiner Stelle über
friedenserzwingende Maßnahmen mit qualifizierter Mehrheit beschließen.
Resilienz gegen Epidemien erhöhen – WHO stärken
Zum Schutz vor neuen und zur Bekämpfung der alten Krankheiten setzen wir auf verstärkte
internationale Zusammenarbeit und Solidarität unter dem Dach der zu reformierenden
Weltgesundheitsorganisation als Sonderorganisation der Vereinten Nationen. Wir wollen dieDie
WHO in ihrer Ausstattungsoll die koordinierende Organisation der globalen Gesundheit sein. Dazu wollen wir sie mit deutlich höheren Beiträgen und einem klaren Mandat als befähigen. Sie soll Gesundheitssysteme weltweit stärken können, für eine bessere Versorgung lokaler Bevölkerungen, sorgen sowie zur Prävention, Diagnose und Reaktion auf nichtübertragbare wie übertragbare Krankheiten. Ihre zentrale Rolle in der
koordinierende Organisationglobalen GesundheitPandemievorsorge und-bekämpfung wollen wir weiter stärken. In der Gruppe derden G20 werden
wir uns dafür einsetzen, ihr einen formellen Sitz einzuräumen. MedikamenteMit Blick auf die Bekämpfung der Corona-Pandemie hat Priorität, dass noch in diesem Jahr die bestehenden Produktionskapazitäten von Covid-19-Impfstoffen erhöht und Impfstoffe müssen in allen Ländern erschwinglichim Rahmen der COVAX-Allianz an einkommensschwache Länder geliefert werden. Zusätzlich setzen wir uns für einen aktiven Technologie- und zugänglich sein, das Patentrecht muss entsprechend Wissenstransfer für die Herstellung entscheidender Arzneimittel ein. Die Gewährleistung offener, fairer und flexibler globaler Lieferketten ist dafür genauso Voraussetzung wie die Aufhebung weltweiter Exportrestriktionen für Covid-19-Impfstoffe. Wo freiwillige Produktionspartnerschaften nicht ausreichen, unterstützen wir Anträge auf Erteilung von verpflichtenden Lizenzen gegen Entschädigungen für COVID-Impfstoffe und bringen uns in diesem Sinne bei der WTO für eine temporäre Aussetzung für Patente für Technologien zur Bekämpfung von Covid-19 in die Verhandlungen ein. Monopole auf geistiges Eigentum zur Bekämpfung von Krankheiten dürfen den
flexibel sein
Zugang zu überlebenswichtigen Schutzmaterialien, Impfstoffen und Arzneimitteln nicht
versperren. Wir unterstützen die Einbindung und einen Beobachterstatus Taiwans in der WHO.
50 Prozent Frauen in internationalen Verhandlungen
Wir wollen dem Multilateralismus neue Impulse für mehr Zusammenarbeit geben. Transformation
gelingt nur mit Kooperation, und die gelingt nur durch Einbeziehung der betroffenen
gesellschaftlichen Gruppen. Nach wie vor ist die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen der
stärkste Indikator dafür. Wir wollen schrittweise für Deutschland und Europa eine 50-
Prozent-Quote in allen diplomatischen und multilateralen Verhandlungen, für die Entsendung
in internationale Organisationen sowie auf den Umsetzungsebenen durchsetzen. Um das zu
ermöglichen, ist eine 50-Prozent-Quote für Frauen im Auswahlverfahren für das Personal in
internationalen Einsätzen, in den international arbeitenden Ministerien sowie im gehobenen
und höheren Europäischen Auswärtigen Dienst notwendig. Es braucht vergleichbare Kriterien,
Standards, Indikatoren und Zeitrahmen für die Gleichstellungspläne der Ministerien,
vergleichbar mit dem „Gender Equality Plan“ nach dem Vorbild der schwedischen Regierung.
Wir arbeiten an guten Beziehungen in einer multipolaren
Welt
Für eine aktive europäische Nachbarschaftspolitik
Die EU muss vor allem in ihrer direkten Nachbarschaft mehr Verantwortung übernehmen. Die EU-
Erweiterungspolitik ist dabei eine Erfolgsgeschichte, die wir fortschreiben wollen. Deshalb
treten wir für konkrete Fortschritte bei der europäischen Integration des westlichen Balkans
und eine Aufnahme der Beitrittsgespräche mit Albanien und Nordmazedonien auf Grundlage der
Kopenhagener Kriterien ein. In Osteuropa streiten viele mutige Menschen in Ländern wie
Armenien, Georgien, der Ukraine oder Belarus für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und
Menschenrechte. Wir unterstützen die demokratische Zivilgesellschaft und unabhängige Medien
in den östlichen Nachbarländern, wollen mehr Austausch zwischen Ost und West ermöglichen und
über die Östliche Partnerschaft der EU Justizreformen vorantreiben. Den EU-assoziierten
Ländern der Östlichen Partnerschaft wollen wir den Weg zu einem EU-Beitritt offenhalten. Im
Süden braucht es eine neue Mittelmeerpolitik, die gemeinsam Entwicklungspotenziale für die
Region realisiert und sich zugleich den enormen Herausforderungen stellt: Terrorismus,
autoritäre Regime, Staatszerfall. Gemeinsam wollen wir im Rahmen ambitionierter
Energiepartnerschaften den Mittelmeerraum zu einer Plus-Energie-Region machen. Derweil hat
zu unserem großen Bedauern mit Großbritannien erstmals ein Land das gemeinsame Haus der EU
verlassen. Es ist gut, dass mit dem Handels- und Kooperationsabkommen die Grundlage für
einen Neubeginn geschaffen wurde. Es bedarf aber weiterer Anstrengungen, um zu verhindern,
dass europäische Standards ausgehöhlt werden. Der Frieden auf der irischen Insel ohne harte
Grenze hat weiter Priorität.
USA
Die transatlantische Partnerschaft bleibt ein Stützpfeiler der deutschen Außenpolitik,
jedoch muss sie erneuert, europäisch gefasst, multilateral und an klaren gemeinsamen Werten
und demokratischen Zielen ausgerichtet werden. Als Kern einer erneuerten transatlantischen
Agenda der EU schlagen wir vor, einen gemeinsamen starken Impuls für die weltweite
Klimapolitik, ausgehend von den Pariser Klimazielen, zu geben. Wir setzen auch bei
Digitalisierung, der Stärkung des Multilateralismus, in Handelsfragen sowie bei der
Gesundheit auf eine gute Kooperation mit den USA. Wir wollen uns gemeinsam für den
weltweiten Menschenrechtsschutz und eine regelbasierte Weltordnung einsetzen. Das schließt
eine Verständigung über den Umgang mit autoritären Staaten wie China und Russland mit ein.
Der sicherheitspolitische Fokus der USA wird sich auch mit der neuen US-Regierung nicht
wieder zuvorderst auf Europa richten. Die EU und ihre Mitgliedstaaten müssen selbst mehr
außen- und sicherheitspolitische Verantwortung übernehmen. Das gilt insbesondere für die
Sicherheit der östlichen Nachbarländer der EU wie auch der baltischen Staaten und Polens.
Wir wollen die transatlantische Debatte auf vielen Ebenen führen, auch auf den jeweiligen
föderalen und lokalen, und damit nachhaltige, diverse gesellschaftliche Netzwerke knüpfen.
China
China ist Europas Wettbewerber, Partner, systemischer Rivale. Wir verlangen von China ein
Ende seiner eklatanten Menschenrechtsverletzungen etwa in Xinjiang und Tibet und zunehmend
auch in Hongkong. Es braucht dennoch einen konstruktiven Klima-Dialog mit China und wir
streben gemeinsame politische, wirtschaftliche und technologische Anstrengungen zur
Bekämpfung der Klimakrise an. Die Kooperation mit China darf nicht zu Lasten von
Drittstaaten oder von Menschen- und Bürger*innenrechten gehen. Wir halten uns an Europas
„Ein-China-Politik“ und betonen, dass Chinas Vereinigung nicht gegen den Willen der
Bevölkerung Taiwans erzwungen werden darf. Unsere Handelsbeziehungen mit China wollen wir
nutzen, um fairen Marktzugang für ausländische Investitionen, Rechtssicherheit und gleiche
Wettbewerbsbedingungen einzufordern. Wir erwarten, dass China die entscheidenden Kernnormen
der Internationalen Arbeitsorganisation ILO ratifiziert und die Zwangsarbeit beendet. Das
europäische Lieferkettengesetz muss angesichts der Menschenrechtsverletzung – etwa in
Xinjiang – Waren aus Zwangsarbeit den Zugang zum Binnenmarkt ebenso verwehren, wie es
Unternehmen für ihre Produkte in Haftung nimmt. Wir werden an einer engen europäischen und
transatlantischen Koordinierung gegenüber China arbeiten, besonders auch in den Bereichen
5G-Ausbau und Schutz kritischer Infrastruktur.
Russland
Russland hat sich zunehmend in einen autoritären Staat gewandelt und untergräbt immer
offensiver Demokratie und Stabilität in der EU und in der gemeinsamen Nachbarschaft.
Gleichzeitig erstarkt die Demokratiebewegung in Russland. Die mutige Zivilgesellschaft, die
der immer härteren Repression durch den Kreml die Stirn bietet und für Menschenrechte,
Demokratie und Rechtsstaatlichkeit kämpft, wollen wir unterstützen und den Austausch mit ihr
intensivieren. Für eine Lockerung der Sanktionen, die wegen der völkerrechtswidrigen
Annexion der Krim und des militärischen Vorgehens gegen die Ukraine gegen Russland verhängt
wurden, hat die EU klare Bedingungen formuliert. An diesen werden wir festhalten und die
Sanktionen bei Bedarf verschärfen. Wir verlangen, dass die russische Regierung ihre Zusagen
aus dem Minsker Abkommen umsetzt. Das Pipeline-Projekt Nord Stream 2 ist nicht nur klima-
und energiepolitisch, sondern auch geostrategisch schädlich – insbesondere für die Situation
der Ukraine – und muss daher gestoppt werden.
Türkei
Wir stehen an der Seite all derer, die in der Türkei für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und
Menschenrechte kämpfen. Wir verurteilen die Menschenrechts- und Rechtsstaatsverletzungen,
fordern eine Freilassung aller politischen Gefangenen und die Rückkehr zu einem politischen
Dialog- und Friedensprozess in der kurdischen Frage. Wir weisen die aggressive Außenpolitik
der türkischen Regierung entschieden zurück und fordern sie auf, zu einer multilateralen
Außen- und Sicherheitspolitik zurückzukehren – das gilt es auch in der NATO zu
thematisieren. Die Wiederaufnahme der Gespräche über einen EU-Beitritt kann es erst geben,
wenn die Türkei eine Kehrtwende zurück zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit vollzieht. Der
bestehende EU-Türkei-Deal untergräbt internationales Asylrecht, ist gescheitert und muss
daher beendet werden. Dafür braucht es ein neues, völkerrechts- und rechtsstaatskonformes
Abkommen, das aus den Fehlern der Vergangenheit lernt, die notwendige finanzielle und
logistische Unterstützung vor Ort garantiert und eine verbindliche Kontingentzusage zur
Umsiedlung besonders schutzbedürftiger Geflüchteter in die EU enthält. Wir lehnen es
entschieden ab, dass Menschen in Deutschland mit familiären Bindungen in die Türkei von der
türkischen Regierung politisch und religiös instrumentalisiert werden, unter anderem durch
in Deutschland tätige Vereine und Staatsmedien.
Israel und Palästina
Deutschland hat eine historische Verantwortung gegenüber Israel. Die Existenz und die
Sicherheit Israels als nationale Heimstätte des jüdischen Volkes mit gleichen Rechten für
all seine Bürger*innen sind unverhandelbar. Die Fortsetzung der engen Beziehungen sowie
Frieden und Stabilität im Nahen Osten sind ein zentrales Anliegen deutscher Außen- und
Sicherheitspolitik. Die zunehmende Bedrohung Israels in seiner Nachbarschaft verurteilen
wir. Die Sicherheitslage in der Region ist fragil und darf nicht weiter eskaliert werden.
Einseitige Maßnahmen wie eine Annexion von besetzten Gebieten oder der fortschreitende
völkerrechtswidrige Siedlungsbau laufen dem Ziel einer friedlichen und politischen Lösung
des Konflikts entgegen. Für Frieden und Sicherheit braucht es eine Zweistaatenregelung mit
zwei souveränen, lebensfähigen und demokratischen Staaten für Israelis und
Palästinenser*innen. Die angekündigten Wahlen in den palästinensischen Gebieten sind ein
positives Zeichen. Die Chance der politischen und wirtschaftlichen Abkommen Israels mit
arabischen Staaten wollen wir nutzen, um einen multilateralen Friedensprozess wieder
aufleben zu lassen und einen langfristigen Frieden in der Region zu schaffen. Europa soll
sich hierfür eng mit der neuen US-Regierung koordinieren.
Nachbarschaft und Partnerschaft mit Afrika
Die afrikanischen Staaten und die Europäische Union sind regional wie historisch eng
verbunden und teilen gemeinsame Interessen. Die afrikanischen Gesellschaften sind divers und
vielfältig mit über 3.000 Sprachen in 54 Staaten. In den Beziehungen mit den afrikanischen
Staaten setzen wir uns – auf Basis einer gemeinsamen, globalen Verantwortung für Frieden,
nachhaltige Entwicklung und Gerechtigkeit – für eine in der Bundesregierung und der EU
abgestimmte und differenzierte Politik ein. Die Zukunft liegt in einer Afrikapolitik, die
sich von kolonialen und patriarchalen Denkmustern freimacht und gleichzeitig die europäische
Verantwortung gegenüber dem Kontinent ernst nimmt. Die Fortsetzung einer einseitigen
Politik, die in weiten Teilen auf Fluchtabwehr, unfairen Handelsbeziehungen und der
Ausbeutung von Rohstoffen fußt, lehnen wir ab. Anstatt für sich ewig konterkarierende
Ansätze machen wir uns für eine gemeinsame und kohärente EU-Afrika-Strategie stark, die
Zukunftsthemen wie Klimaschutz und Digitalisierung ebenso ins Zentrum rückt wie die globale
sozial-ökologische Transformation und zivile Krisenprävention. Der Afrikanischen Union
stehen wir bei der Umsetzung ihrer Agenda 2063 und der regionalen Entwicklungsagenden nach
Kräften zur Seite.
Wir verteidigen die Menschenrechte
Menschenrechtsverteidiger*innen schützen
Menschenrechtsverteidiger*innen sind Held*innen. Sie verteidigen überall auf der Welt oft
unter Lebensgefahr für sich und ihre Familien die Einhaltung der Menschenrechte an
vorderster Front. Sie bedürfen unseres Schutzes, unserer Solidarität und aktiven
Unterstützung – auf allen Ebenen. An den besonders betroffenen deutschen
Auslandsvertretungen sollten deshalb Menschenrechtsreferent*innen als extra Anlaufstelle
etabliert und sollte eine ressortübergreifende systematische Berichterstattung über die
Menschenrechtslage im Land eingeführt werden. Für Menschenrechtsverteidiger*innen, die nicht
in ihrem Land bleiben können, weil sie dort akut gefährdet sind, wollen wir schneller und
häufiger als bisher humanitäre Visa bereitstellen und die neu eingerichtete Elisabeth-
Selbert-Initiative zu ihrer temporären Aufnahme ausbauen. Auf internationaler Ebene setzen
wir uns für den Ausbau von Förderungsmöglichkeiten für zivilgesellschaftliche Initiativen
und die finanzielle Stärkung der entsprechenden Schutzinstrumente und Institutionen, wie
beispielsweise Sonderberichterstatter*innen, ein.
Kriegsverbrecher*innen zur Rechenschaft ziehen
Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Völkermord und Kriegsverbrechen dürfen nicht ungestraft
bleiben – als Zeichen der Gerechtigkeit an die Opfer, als Signal der Abschreckung, als
Voraussetzung für Frieden und Versöhnung. Das deutsche Völkerstrafrecht bietet die
Möglichkeit der Verurteilung auch hier in Deutschland. Dazu werden wir die Kapazitäten beim
Bundeskriminalamt und der Generalbundesanwaltschaft ausbauen. Die Ermittlungen in Fällen
sexualisierter Gewalt sollten verbessert und die Strafprozessordnung sollte dort reformiert
werden, wo sie den Besonderheiten von Völkerstrafrechtsverfahren noch nicht Rechnung trägt.
International setzen wir uns für die Stärkung des Internationalen Strafgerichtshofes und des
Mechanismus der Vereinten Nationen für die Untersuchung und Verfolgung von schwersten
Kriegsverbrechen in Syrien (IIIM) ein – politisch wie finanziell. Gerade Kinder und
Jugendliche, die sexualisierte und geschlechtsbasierte Gewalt, Entführungen, Rekrutierung
als Kindersoldat*innen erlebt haben, leiden unter schweren Traumata. Wird dieses Leid nicht
aufgearbeitet, beeinträchtigt es das Leben dieser Menschen und ihrer Familien sowie den
gesellschaftlichen Zusammenhalt über Generationen. Die individuelle Traumabearbeitung wollen
wir durch mehr qualifiziertes Personal und sichere Traumazentren vor Ort auch mit unseren
internationalen Partnern und in Deutschland deutlich ausbauen.
Keine Überwachungstechnologie für Diktaturen
Verschlüsselte Kommunikation rettet tagtäglich Menschenleben. In den sozialen Medien werden
Menschenrechtsverletzungen, die ansonsten unentdeckt geblieben wären, für alle sichtbar. Und
ohne Satellitenbilder ließe sich etwa die Vertreibung ganzer Dorfgemeinschaften in
Kriegsgebieten gar nicht erst nachvollziehen. Zugleich sind es oft europäische
Überwachungstools, die es autokratischen Regierungen ermöglichen, unliebsame Aktivist*innen
zu verfolgen. Wir zielen auf ein europäisches Moratorium für die Ausfuhr, den Verkauf und
die Weitergabe von Überwachungsinstrumenten an repressive Regime. Entsprechende
Schutzklauseln wollen wir in der deutschen wie europäischen Exportkontrolle verankern. Wir
fördern die Entkriminalisierung verschlüsselter Kommunikation und stärken die Multi-
Stakeholder-Governance des Internets auf internationaler Ebene. Im Rahmen unserer
internationalen Zusammenarbeit setzen wir uns für den Zugang aller zu digitaler Technologie
ein. Den freien Zugang zu Informationen als einem globalen öffentlichen Gut gilt es zu
fördern und zu schützen. Durch die Unterstützung von Trainings stärken wir die sichere
digitale Vernetzung zivilgesellschaftlicher Organisationen weltweit.
Für Selbstbestimmung von Frauen und Mädchen weltweit
Die Gleichstellung der Geschlechter ist ein Menschenrecht. Ohne Geschlechtergerechtigkeit
kann auch Armut nicht wirksam bekämpft werden. In vielen der ärmsten oder
konfliktgebeutelten Länder sind Frauen und Mädchen besonders von Armut, Hunger und Gewalt
betroffen. Wir setzen uns konsequent für die Rechte von Frauen und Mädchen weltweit ein, für
ein selbstbestimmtes Leben. Bildung und Gesundheit sind dafür die Schlüssel. Wir engagieren
uns dafür, Frauen und Mädchen den uneingeschränkten Zugang zu gleichwertiger Bildung zu
sichern sowie ihre sexuellen und reproduktiven Rechte zu schützen. Es braucht innovative
Bildungsangebote wie kompakte nachholende Grundbildung für Frauen oder Berufsbildung in
Krisen- und Post-Konfliktkontexten. Unsere internationale Zusammenarbeit werden wir darum
finanziell und konzeptionell auf diese Aufgabe hin ausrichten, die Erreichung der
Geschlechtergerechtigkeit als Querschnittsaufgabe sowie reproduktive Gesundheit und das
Recht auf Bildung in allen Projekten verankern.
Menschenrechtskonventionen umsetzen, Institutionen stärken
Um Menschenrechte tatsächlich und rechtlich durchsetzen zu können, müssen internationale
Menschenrechtskonventionen ratifiziert und Menschenrechtsinstitutionen gestärkt werden. Es
gilt insbesondere die ILO-Konvention für die Rechte indigener Völker, das
Fakultativprotokoll zum Sozialpakt und die Wanderarbeiterkonvention der Vereinten Nationen
zu ratifizieren. Das ist für Deutschland seit vielen Jahren überfällig. Auf europäischer
Ebene setzen wir uns für die Umsetzung der Urteile des Europäischen Gerichtshofs für
Menschenrechte ein. Das Instrument der gezielten EU-Sanktionen gegen
Menschenrechtsverbrecher*innen befürworten wir. Die Beauftragte der Bundesregierung für
Menschenrechtspolitik und Humanitäre Hilfe, die Nationale Stelle zur Verhütung von Folter
und das Deutsche Institut für Menschenrechte wollen wir besser ausstatten, damit sie ihre
Aufgaben planbar erfüllen können. Menschenrechte und Demokratieförderung sind Grundpfeiler
unserer entwicklungspolitischen Arbeit.
Rechte von Minderheiten schützen
Der Umgang mit Minderheiten ist der Gradmesser für den Menschenrechtsschutz in einer
Gesellschaft. Wir setzen uns dafür ein, die Rechte von Minderheiten auf internationaler
Ebene zu stärken – auch innerhalb der EU. Nach wie vor setzen die einzelnen Staaten den
durch die Vereinten Nationen vorgegebenen Minderheitenschutz in nationales Recht um, ohne
dass einheitlich kontrolliert wird, ob das umfassend genug ist. Damit ist der Schutz
lückenhaft. Wir werden außenpolitisch für die weltweite Umsetzung der Yogyakarta-Prinzipien
zum Schutz von LSBTIQ* eintreten. In der Entwicklungspolitik wollen wir hier einen neuen
Fokus setzen und unser Engagement deutlich steigern. Selbst innerhalb der EU gibt es große
Unterschiede: Es existieren keine gemeinsamen EU-Mindeststandards, kein einheitlicher
Rechtsrahmen, der den Schutz und die Förderung von Minderheiten gewährt. Das wollen wir
ändern. In der EU werden wir uns für die Verabschiedung der 5.
Antidiskriminierungsrichtlinie einsetzen, damit international anerkannte Menschenrechte in
der EU eine Rechtsgrundlage erhalten und die VN-Konvention über die Rechte von Menschen mit
Behinderungen auf europäischer Ebene rechtlich umgesetzt wird. Den EU-Aktionsplan gegen
Rassismus treiben wir national und international voran.
Wir schützen Geflüchtete
Eine menschenwürdige Flüchtlingspolitik in Europa umsetzen
Wir treten für eine Europäische Union ein, die ihre humanitäre Verantwortung, das Grundrecht
auf Asyl und die Notwendigkeit, Verfahren nach völkerrechtlichen Standards fair und zügig
durchzuführen, zusammenbringt. So schwer das derzeit in der EU der 27 auch ist. Zustände wie
in den Lagern auf den griechischen Inseln oder an der Grenze zu Kroatien bedeuten einen
Bruch mit europäischen Werten und Menschenrechten. Der Blockade einer gemeinsamen und
humanen Flüchtlingspolitik zwischen den Mitgliedstaaten begegnen wir mit folgendem Plan: In
gemeinschaftlichen von den europäischen Partnern geführten Einrichtungen innerhalb der EU an
den rechtsstaatlich und europäisch kontrollierten EU-Außengrenzen sollen die Geflüchteten
registriert werden und einen ersten Sicherheitscheck durchlaufen. So wissen wir, wer zu uns
kommt, und werden zugleich unserer humanitären Verantwortung gerecht. Die Menschen, die nach
Europa kommen, müssen medizinisch und psychologisch erstversorgt und menschenwürdig
untergebracht werden. Unter Berücksichtigung persönlicher Umstände wie familiärer Bindungen
oder der Sprachkenntnisse bestimmt die EU-Agentur für Asylfragen den Aufnahme-Mitgliedstaat.
Der zugrunde liegende Verteilmechanismus stützt sich zunächst auf die Bereitschaft von
Regionen und Städten, Geflüchtete freiwillig aufzunehmen. Wer das tut, erhält Hilfe aus
einem EU-Integrationsfonds. Reichen die Aufnahmeplätze nicht aus, weiten alle
Mitgliedstaaten im Verhältnis von Bruttoinlandsprodukt und Bevölkerungsgröße verpflichtend
ihr Angebot aus oder leisten einen mindestens gleichwertigen Beitrag zu den Gesamtkosten.
Das Asylverfahren findet im aufnehmenden Mitgliedstaat statt. Die Kommission stellt sicher,
dass die gemeinsamen Regeln und Mindeststandards eingehalten werden. Wir werden mit
handlungswilligen Ländern und Regionen vorangehen, um die derzeitige katastrophale Situation
an den Außengrenzen zu beenden. Geschlossene Lager, Transitzonen oder europäische Außenlager
in Drittstaaten lehnen wir ab.
Familien zusammenführen
Niemand sollte für das völkerrechtlich verbriefte Recht, um Asyl zu ersuchen, das eigene
Leben oder das der Familie riskieren müssen. Genau das ist aber bittere Realität: Immer noch
reichen die Möglichkeiten für sichere Zugangswege bei weitem nicht aus und Geflüchtete sind
deshalb gezwungen, auf lebensgefährliche Routen durch die Wüste oder über das Meer
auszuweichen. Wir wollen sichere und geordnete Zugangswege schaffen – und so verhindern,
dass Schlepper aus der Not und dem Leid der Geflüchteten Profit schlagen können. Dabei sind
wir dem besonderen Schutz der Familie gemäß Grundgesetz, VN-Kinderrechtskonvention und
Europäischer Menschenrechtskonvention verpflichtet und treten dafür ein, die Einschränkungen
beim Familiennachzug wieder aufzuheben. Familien gehören zusammen und das Kindeswohl hat
oberste Priorität. Auch Menschen mit subsidiärem Schutzstatus müssen deshalb ihre
Kernfamilien ohne die bisherigen Einschränkungen nachholen können und mit Geflüchteten
gleichgestellt werden. Wir wollen den Geschwisternachzug wieder ermöglichen. An deutschen
und europäischen Botschaften braucht es mehr Personal und die Möglichkeit, digital Anträge
zu stellen, um die Wartezeiten für Visa von Familienangehörigen zu verkürzen. Auch mit
humanitären Visa möchten wir Schutzbedürftigen die Möglichkeit geben, sicher nach Europa zu
kommen und hier um Asyl zu ersuchen.
Sichere Zugangswege durch humanitäre Aufnahmepartnerschaft
Im Rahmen des Resettlement-Programms des UNHCR werden durch die Vereinten Nationen
anerkannte, besonders schutzbedürftige Geflüchtete solidarisch und geordnet auf die
Aufnahmeländer verteilt, statt sie ihrem Schicksal auf gefährlichen Fluchtrouten zu
überlassen. Das rettet Leben, nimmt Schleppern die Geschäftsgrundlage und folgt einem
bewährten, planbaren Verfahren. Im Globalen Pakt für Flüchtlinge ist die Weltgemeinschaft
übereingekommen, das Resettlement zu verstärken. Doch faktisch sinkt die Zahl der
Aufnahmeplätze seit Jahren. Wir schlagen vor, zusammen mit der neuen US-Administration und
Kanada sowie anderen in einer globalen humanitären Partnerschaft die Aufnahme besonders
schutzbedürftiger Geflüchteter aus dem Resettlement-Programm deutlich auszubauen. So stärken
wir die Vereinten Nationen, schaffen Planbarkeit auf allen Seiten, gehen mit gutem Beispiel
voran und regen andere Staaten an, dem internationalen Bündnis beizutreten. Das individuelle
Asylrecht bleibt durch das Resettlement unangetastet.
Landesaufnahmeprogramme ermöglichen
Mehrere Bundesländer und über 200 Kommunen in Deutschland sind bereit, mehr Geflüchtete als
von der Bundesregierung zugesagt bei sich aufzunehmen. Dass diese weiteren Aufnahmeplätze
dringend gebraucht werden, ist angesichts der elenden Zustände in den Lagern an den EU-
Außengrenzen, etwa auf den griechischen Inseln oder an der bosnisch-kroatischen Grenze,
offensichtlich. Wir wollen eine humanitäre Aufnahmepolitik, bei der der Bund und die Länder
kooperativ zusammenarbeiten und die die Aufnahmebereitschaft von Kommunen und Ländern nicht
mehr ignoriert. Länder und Kommunen sollen mehr Mitsprache- und Gestaltungsmöglichkeiten
erhalten, wenn es um die humanitäre Aufnahme Geflüchteter geht. Mit einer Änderung der
Zustimmungsregel zwischen dem Bundesinnenministerium und den Ländern von Einvernehmen in
Benehmen wollen wir klarstellen, dass sich Bundesländer künftig über den Königsteiner
Schlüssel hinaus selbständig und frei für die Aufnahme von Geflüchteten entscheiden können.
Der Bund soll weiter die finanziellen und infrastrukturellen Aufgaben erfüllen.
Menschenrechte einhalten, Außengrenzen sichern
Ein gemeinsamer Raum der Freizügigkeit und ohne Binnengrenzen braucht kontrollierte
Außengrenzen. Eine Außengrenze muss aber auch legale Zugangswege haben. Dass tausende
Menschen jährlich im Mittelmeer ertrinken, weil europäische Regierungen ihnen nicht
ausreichend sichere Zugangswege ermöglichen und auch die Rettung aus Seenot verweigern, ist
eine Schande. Wir streiten weiter für eine zivile und flächendeckende, europäisch
koordinierte und finanzierte Seenotrettung. Da ein gemeinsames Vorgehen aller europäischen
Mitgliedstaaten derzeit nicht möglich erscheint, wollen wir mit jenen vorangehen, die die
Seenotrettung als völkerrechtliche Pflicht ernst nehmen: Gerettete müssen zum nächsten
sicheren Hafen gebracht werden. Wir stehen fest an der Seite zivilgesellschaftlicher
Rettungsinitiativen und treten dafür ein, dass die Kriminalisierung und behördliche
Behinderung ihrer Arbeit beendet wird. Wir wollen, dass die Seenotrettung explizit ins
Aufgabenprofil von Frontex aufgenommen wird, und setzen auf eine europäische Grenzkontrolle,
die den gemeinsamen Schutz der Menschenrechte zur Grundlage hat und wichtige
grenzpolizeiliche Aufgaben wahrnimmt, ohne sie zur Fluchtabwehr zu missbrauchen. Das moderne
Asylrecht beruht auf der Einzelfallprüfung, das völker- und europarechtlich verbriefte
Nichtzurückweisungsgebot gilt immer und überall. Die Genfer Flüchtlingskonvention gilt
uneingeschränkt. Ihre Aushöhlung führt weder zu mehr Sicherheit noch zu mehr europäischer
Handlungsfähigkeit in der Flüchtlingspolitik. Völkerrechtswidrige Pushbacks, von nationalen
Grenzpolizeien oder Frontex begangen, müssen geahndet werden. Das entsprechende Monitoring
durch die EU-Grundrechteagentur wollen wir ausbauen. Es bedarf einer engen parlamentarischen
Kontrolle von Frontex-Einsätzen sowie einer systematischen Menschenrechtsbeobachtung vor
Ort.
Aufnahme- und Transitländer unterstützen
Die humanitäre Versorgung von Geflüchteten außerhalb der Europäischen Union ist Bestandteil
unserer globalen Verantwortung. Wir wollen die finanzielle und logistische Unterstützung von
Erstaufnahme- und Transitländern wie der Türkei, dem Libanon, dem Sudan, Pakistan oder
Uganda sowie der dort tätigen Hilfsorganisationen ausbauen. Die deutsche und europäische
Zusammenarbeit mit Drittstaaten muss stets so erfolgen, dass Menschen- und Grundrechte sowie
internationale Asylstandards eingehalten werden. „Migrationspartnerschaften“ mit repressiven
Regimen lehnen wir ab, genauso wie die Kooperation mit der libyschen Küstenwache. Statt
„sichere Herkunftsländer“ zu definieren, brauchen wir für Rückführungen
menschenrechtskonforme Rückübernahmeabkommen. Wir wollen denjenigen Ländern, die ihren
Staatsbürger*innen nach einer Rückkehr Sicherheit garantieren, im Gegenzug über
Visaerleichterungen oder Ausbildungspartnerschaften verlässliche Aussicht auf eine geordnete
Migration eröffnen. Rückübernahmeabkommen dürfen aber nicht zur Bedingung in anderen
Politikbereichen, etwa entwicklungspolitischer oder rechtsstaatlicher Unterstützung, gemacht
werden und nicht für Drittstaatsangehörige gelten.
Fluchtursachen strukturell angehen
Wir wollen verhindern, dass Menschen überhaupt fliehen und ihre bisherige Heimat
unfreiwillig verlassen müssen. Deshalb rücken wir die strukturellen Ursachen von Vertreibung
und unsere dahingehende Verantwortung ins Zentrum unserer Politik. Denn viele politische
Entscheidungen, die wir in Deutschland und Europa treffen, haben direkte Auswirkungen auf
die Lebensbedingungen in anderen Weltregionen. Wir machen uns stark für zivile
Krisenprävention und wollen mit einer restriktiven Ausfuhrkontrolle europäische
Rüstungsexporte in Kriegs- und Krisengebiete sowie an Autokraten beenden. Wir setzen uns für
ein gerechtes Handelssystem ein, das auch den Interessen des globalen Südens dient. Wir
treiben die sozial-ökologische Transformation unserer Wirtschaft voran. Uns ist bewusst:
Nicht alle Ursachen von Vertreibung können wir beeinflussen. Viele Menschen fliehen, weil
sie verfolgt oder ihnen grundlegende Rechte vorenthalten werden. Umso entscheidender ist
konsequentes Handeln überall dort, wo auch unser Wirtschaften und Konsumieren andernorts zu
Ausbeutung oder Perspektivlosigkeit führen.
Wir streiten für eine gerechte Weltwirtschaftsordnung
Globale Krisenprävention
Die Corona-Krise führt in vielen Entwicklungsländern zu Kapitalflucht und Währungskrisen und
offenbart so die Schwächen der Währungsordnung. Unser Ziel bleibt langfristig der Aufbau
eines kooperativen Weltwährungssystems. Der IWF muss in Krisensituationen sehr viel mehr
Liquidität unkonditioniert bereitstellen können. Dafür werden wir uns für eine deutliche
Aufstockung der Sonderziehungsrechte einsetzen. Deutschland und Europa könnten vorangehen
und nicht genutzte Sonderziehungsrechte Entwicklungsländern zur Verfügung stellen, wie
Kanada es bereits getan hat. Der IWF sollte Entwicklungsländern auch bei der Einführung und
Durchführung von Kapitalverkehrskontrollen helfen und dafür mit den Staaten mit globalen
Finanzzentren zusammenarbeiten. Das Stimmengewicht muss sich zugunsten von
Entwicklungsländern verschieben. Die EU-Staaten sollten ihre Stimmrechte zusammenlegen.
Entwicklung ermöglichen, Schulden streichen
Viele Entwicklungsländer sind überschuldet. Beispielsweise gibt Pakistan 40 Prozent seines
Etats für den Schuldendienst, aber nur 2 Prozent für Gesundheit aus. Das derzeitige
Schuldenmoratorium ist richtig, verschiebt das Problem aber in die Zukunft. Wir brauchen
einen echten Schuldenerlass. Dafür muss ein international transparentes und unabhängiges
Staateninsolvenzverfahren für die Länder geschaffen werden, die nicht in ihrer eigenen
Währung verschuldet sind. Private Gläubiger müssen rechtlich dazu verpflichtet werden, an
einem Insolvenzverfahren teilzunehmen. So können wir den Zustand beenden, dass einzelne
Gläubiger eine Entschuldung blockieren, und verhindern, dass einzelne private Gläubiger wie
Geierfonds auf Kosten anderer profitieren. Damit wollen wir den zu hoch verschuldeten
Staaten im globalen Süden auch ermöglichen, ihre Gesundheitssysteme zu verbessen, sie für
alle zugänglich zu machen sowie Ansätze zum Schutz von Wasser-, Sanitärversorgung und
Hygiene voranzutreiben. Schuldenerlasse und -umwandlungen soll es für Maßnahmen im
Gesundheitsbereich sowie im Kampf gegen die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Corona-
Krise geben. Zudem werden wir uns für ein langfristiges globales Corona-Hilfspaket für
strukturschwache Länder, Krisenregionen sowie Flüchtlingslager engagieren.
Spekulation mit Nahrungsmitteln verbieten
Nahrungsmittelpreise sind oft starken Schwankungen unterworfen. Verantwortlich dafür sind
nicht nur Wetter und Ernten, sondern auch skrupellose Spekulant*innen, die fette Profite
machen, wenn Menschen hungern. Wir werden uns in der EU für striktere Regulierungen
einsetzen, um Nahrungsmittelspekulation zu unterbinden. Dafür braucht es strenge
Berichtspflichten für Händler*innen. Konsequente Preis- und Positionslimits müssen an allen
europäischen Börsen eingeführt werden. Ziel ist es, dass Derivate nur noch zur Absicherung
bestehender Risiken und nicht mehr spekulativ eingesetzt werden können.
Wir treten ein für Frieden und Sicherheit
Vorausschauend für den Frieden
Unsere Außen- und Sicherheitspolitik zielt darauf, Konflikte zu verhindern, und setzt
deshalb auf Vorausschau gemäß der VN-Agenda für nachhaltige Entwicklung. Wir ergänzen den
traditionellen Sicherheitsbegriff um die menschliche Sicherheit und rücken damit die
Bedürfnisse von Menschen in den Fokus. Den Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD) und die
Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) gilt es zu stärken. Die personellen und
finanziellen Mittel für zivile Krisenprävention sollten gezielt erhöht und langfristig
planbarer werden. Wir wollen eine permanente und schnell einsatzbereite Reserve an EU-
Mediator*innen und Expert*innen für Konfliktverhütung, Friedenskonsolidierung und Mediation
aufbauen. Die Bereiche Polizei, Justiz und Friedensförderung wollen wir mit 1.000
Fachkräften ausstatten. Wir setzen uns dafür ein, die Deutsche Stiftung Friedensforschung,
den neu eingerichteten Fachbereich an der Deutschen Hochschule der Polizei und andere
wissenschaftliche Einrichtungen zu stärken und die Bedeutung von Friedensarbeit
gesamtgesellschaftlich noch sichtbarer zu machen. Die finanzielle Förderung des Zivilen
Friedensdienstes (ZFD) wollen wir deutlich erhöhen und den kontinuierlichen Ausbau
bedarfsgerecht fördern. Darüber hinaus ist ein ressortgemeinsamer Fonds „Krisenprävention,
Konfliktbewältigung und Friedensförderung“ nötig, der angemessen ausgestattet sein muss. Es
gilt Instrumente der Krisenfrüherkennung und Analysekapazitäten zu stärken, um auch die
langfristigen Folgen der Pandemie abwenden zu können.
Internationale Politik feministisch gestalten
Wir gestalten unsere Außen-, Entwicklungs- und Sicherheitspolitik feministisch. Frauen,
Mädchen und marginalisierte Gruppen sind in besonderem Maße von Kriegen, Konflikten und
Armut betroffen. Die Wahrung ihrer Rechte und ihrer Rolle als Gestalter*innen in der
internationalen Politik fördert Frieden, Entwicklung, Stabilität und Sicherheit. Es geht
darum, die Perspektiven von Frauen, Mädchen und marginalisierten Gruppen zu stärken, zu
schützen und bei allen bi- oder multilateralen Verhandlungen immer mindestens
gleichberechtigt einzubeziehen. Dazu braucht es auch Genderanalysen für einzelne
Länderkontexte in regelmäßigen Abständen und bedarfsgerechte Strategien und Genderbudgeting.
Es gilt die Umsetzung der VN-Resolution 1325 „Frauen, Frieden, Sicherheit“ voranzutreiben,
sexualisierte und genderbasierte Gewalt entschieden einzudämmen, die reproduktiven Rechte
von Frauen zu schützen und die Sicherheit und Partizipation von Frauen und Mädchen in der
Prävention, bei der Transformation von Konflikten und in Stabilisierungsprozessen in den
Fokus zu nehmen.
Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik stärken
Gerade vor dem Hintergrund des zunehmenden Autoritarismus und der weltweiten Angriffe auf
Kunst- und Wissenschaftsfreiheit wollen wir die auswärtige Kultur- und Bildungspolitik
stärken. Sie sichert Zugänge zur Zivilgesellschaft vor allem in Krisenzeiten, stärkt
demokratischen Austausch und baut neue Partnerschaften auf. Auch die Aufarbeitung der
Verbrechen des Nationalsozialismus werden wir durch internationale Kultur- und
Jugendbegegnungen und durch zivilgesellschaftlichen Austausch stärken. Die Verantwortung für
die koloniale Vergangenheit Deutschlands wollen wir zum Beispiel in gemeinsamen
Geschichtsbuchkommissionen mit ehemaligen kolonialisierten Staaten aufarbeiten.
Kulturmittlerorganisationen, wie etwa Goethe-Institute, und die deutschen Schulen im Ausland
sollen finanziell besser ausgestattet und digital fit gemacht werden, die Programme für
verfolgte Künstler*innen und Wissenschaftler*innen sowie Maßnahmen gegen
Desinformationskampagnen wollen wir verstärken.
Europarat und OSZE stärken
Frieden in Europa bedeutet mehr als Frieden, Sicherheit und Stabilität in der EU. Damit die
Vision einer friedlichen Zukunft für alle Europäer*innen Wirklichkeit werden kann, wollen
wir die gemeinsamen, über die EU hinausreichenden europäischen Institutionen wie den
Europarat und die OSZE stärken und weiterentwickeln, um alle europäischen Staaten
einzubinden. Nur so können wir tatsächlich ein effektives und starkes System kollektiver
Sicherheit in ganz Europa schaffen. Es bleibt unser Ziel, die östlichen Nachbarn Europas auf
der Basis gemeinsamer Werte für eine solche Perspektive zu gewinnen, was gerade angesichts
der nationalistischen und rückwärtsgewandten Politik Russlands, die Europas Sicherheit und
die Selbstbestimmung der Nachbarn Russlands untergräbt, nötig ist.
Neuer Schub für Abrüstung
Abrüstung und Rüstungskontrolle bedeuten global mehr Sicherheit für alle. Unser Anspruch ist
noch immer nichts Geringeres als eine atomwaffenfreie Welt. Nach der Aufkündigung des
Vertrags über nukleare Mittelstreckensysteme (INF-Vertrag) zwischen den USA und Russland ist
eine neue Vertragsinitiative nötig. Wir wollen den transatlantischen Neustart nach der US-
Präsidentschaftswahl und das Wiederbeleben des New-START-Vertrags nutzen, um mit den USA
über Barack Obamas „Global Zero“ ins Gespräch zu kommen. Eine Welt ohne Atomwaffen gibt es
nur über Zwischenschritte: internationale Initiativen zur Reduzierung der Zahl von
Atomwaffen, einen Verzicht der NATO auf jeden Erstschlag und eine breite öffentliche Debatte
über veraltete Abschreckungsdoktrinen des Kalten Krieges. Dazu gehören ein Deutschland frei
von Atomwaffen und ein Beitritt Deutschlands zum VN-Atomwaffenverbotsvertrag. Wir wissen,
dass dafür zahlreiche Gespräche im Bündnis notwendig sind, auch mit unseren europäischen
Partnerstaaten, und vor allem die Stärkung der Sicherheit und Rückversicherung unserer
polnischen und baltischen Bündnispartner.
Keine deutschen Waffen in Kriegsgebiete und Diktaturen
Exporte von Waffen und Rüstungsgütern an Diktatoren, menschenrechtsverachtende Regime und in
Kriegsgebiete verbieten sich. Für die Reduktion von Rüstungsexporten wollen wir eine
gemeinsame restriktive Rüstungsexportkontrolle der EU mit einklagbaren strengen Regeln und
Sanktionsmöglichkeiten. Kooperationen mit dem Sicherheitssektor anderer Staaten müssen an
die Einhaltung demokratischer, rechtsstaatlicher und menschenrechtlicher Kriterien geknüpft
werden. Für Deutschland werden wir ein Rüstungsexportkontrollgesetz vorlegen und ein
Verbandsklagerecht bei Verstößen gegen das neue Gesetz einführen und für eine wirksame
Endverbleibskontrolle sorgen. Hermesbürgschaften für Rüstungsexporte darf es nicht geben.
Den Einsatz von Sicherheitsfirmen in internationalen Konflikten wollen wir streng regulieren
und private Militärfirmen verbieten.
Autonome tödliche Waffensysteme international ächten
Autonome tödliche Waffensysteme, die keiner wirksamen Steuerung mehr durch den Menschen bei
Auswahl und Bekämpfung von Zielen unterliegen, stellen eine unberechenbare Bedrohung dar. Im
Sinne von Frieden und Stabilität wollen wir Autonomie in Waffensystemen international
verbindlich regulieren und Anwendungen, die gegen ethische und völkerrechtliche Grundsätze
verstoßen, ächten und verbieten. Das gilt auch für digitale Waffen wie Angriffs- und
Spionagesoftware. Hierbei müssen Deutschland und die EU eine globale Führungsrolle
einnehmen. Um eine Militarisierung des Weltraumes zu verhindern, wollen wir
weiterentwickelte, international verbindliche Regeln auf den Weg bringen.
Sicherheit im Cyber-Raum schaffen
Digitalisierung und neue Technologien verändern die moderne Kriegsführung. Wir wollen den
Einsatz von militärischen Cyberfähigkeiten durch die Bundeswehr ausnahmslos der
parlamentarischen Kontrolle des Deutschen Bundestages unterstellen. Es braucht Leitlinien
für das Vorgehen der Bundeswehr im Cyberraum. Gleichzeitig muss die Bundeswehr
kontinuierlich an der Stärkung ihres Eigenschutzes arbeiten, ohne ihr defensives
Selbstverständnis aufzugeben. Es braucht dringend eine internationale Initiative, um
Rüstungskontrolle zu regulieren, und vertrauensbildende Maßnahmen für den Cyberraum. Wir
setzen uns für weltweit anerkannte Regeln im Cyberraum sowie eine Selbstverpflichtung ein,
zivile Infrastruktur nicht militärisch anzugreifen. Auch sollte die europäische
Zusammenarbeit im Bereich Cyberabwehr ausgebaut werden, wozu Deutschland einen Beitrag
leisten sollte.
Internationale Schutzverantwortung wahrnehmen
Es ist wichtig, frühzeitig auf Konflikte einzuwirken und zu verhindern, dass sie zu
bewaffneten Auseinandersetzungen eskalieren. Uns leitet das Konzept der Responsibility to
Prepare, Protect and Rebuild der Vereinten Nationen, das die Staatengemeinschaft
verpflichtet, Menschen vor schwersten Menschenrechtsverletzungen und Verbrechen gegen die
Menschlichkeit und Völkermord zu schützen. Die Staaten sind gleichermaßen verpflichtet, ihre
Instrumente für Prävention, Krisenreaktion und Nachsorge bzw. Wiederaufbau kriegszerstörter
Gesellschaften auszubauen. Wir bekennen uns zu internationalen Friedenseinsätzen im Rahmen
der Vereinten Nationen, die zu Stabilität, Sicherheit und Frieden beitragen. Die Anwendung
militärischer Gewalt als Ultima Ratio kann in manchen Situationen nötig sein, um Völkermord
zu verhindern und die Möglichkeit für eine politische Lösung eines Konflikts zu schaffen.
Ein Militäreinsatz braucht einen klaren und erfüllbaren Auftrag, ausgewogene zivile und
militärische Fähigkeiten und unabhängige (Zwischen‑)Evaluierungen. Bewaffnete Einsätze der
Bundeswehr im Ausland sind in ein System gegenseitiger kollektiver Sicherheit – das heißt
nicht in verfassungswidrige Koalitionen der Willigen – und in ein politisches Gesamtkonzept
einzubetten, basierend auf dem Grundgesetz und dem Völkerrecht. Bei Eingriffen in die
Souveränität eines Staates oder dort, wo staatliche Souveränität fehlt, braucht es ein
Mandat der Vereinten Nationen. Wenn das Vetorecht im Sicherheitsrat missbraucht wird, um
schwerste Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu decken, steht die Weltgemeinschaft vor
einem Dilemma, weil Nichthandeln genauso Menschenrechte und Völkerrecht schädigt wie
Handeln.
Moderne Bundeswehr
Der Auftrag und die Aufgaben der Bundeswehr müssen sich an den realen und strategisch
bedeutsamen Herausforderungen für Sicherheit und Friedenssicherung orientieren. Wir wollen
die Bundeswehr entsprechend ihrem Auftrag und ihren Aufgaben personell und materiell sicher
ausstatten. Dass Soldat*innen mit nicht ausreichender Schutzausrüstung in Einsätze gehen,
ist nicht hinnehmbar. Deutschland soll sich auf seine Bündnispartner verlassen können und
genauso sollen sich die Bündnispartner auf Deutschland verlassen können. Die
Gesamtverantwortung für den Einsatz muss begründet, Informationen über alle Operationen im
Einsatz der Verbündeten müssen vollständig zugänglich sein. Die Bundeswehr soll die Vielfalt
unserer Gesellschaft abbilden. Menschenfeindliche Ideologien und rechtsextremistische
Strukturen in der Bundeswehr werden wir konsequent verfolgen und zerschlagen. Neben der
umfassenden Aufklärung ist die Prävention entscheidend. Präventive Maßnahmen wie
verantwortungsbewusste Personalgewinnung und zeitgemäße politische Bildung sind überfällig.
Den bewaffneten Einsatz der Bundeswehr im Inneren lehnen wir ab.
NATO strategisch neu ausrichten
Die NATO leidet unter divergierenden sicherheitspolitischen Interessen innerhalb der Allianz
bis hin zur gegenseitigen militärischen Bedrohung. Ihr fehlt in dieser tiefen Krise eine
klare strategische Perspektive. Trotzdem bleibt sie aus europäischer Sicht neben der EU
unverzichtbarer Akteur, der die gemeinsame Sicherheit Europas garantieren kann und der als
Staatenbündnis einer Renationalisierung der Sicherheitspolitik entgegenwirkt. Wir brauchen
eine strategische Neuaufstellung der NATO, eine gemeinsame Bedrohungsanalyse und darauf
aufbauend eine Debatte über eine faire Lastenverteilung zwischen den Mitgliedstaaten. Das
willkürliche NATO-2-Prozent-Ziel, das vor fast 20 Jahren verabschiedet wurde, gibt darauf
keine Antwort und wir lehnen es deshalb ab. Wir setzen uns für eine neue Zielbestimmung ein,
die nicht abstrakt und statisch ist, sondern von den Aufgaben ausgeht, und werden mit den
NATO-Partnern darüber das Gespräch suchen. Durch eine stärkere militärische Zusammenarbeit
und Koordinierung innerhalb der EU und mit den europäischen NATO-Partnern wie Großbritannien
und Norwegen wollen wir erreichen, dass strategische Interessen auf Grundlage von
europäischen Werten wie Multilateralismus, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit gemeinsam
entwickelt und geschlossen und überzeugender vertreten werden.
Die EU-Sicherheitsunion vorantreiben
Gemeinsam mit den internationalen Partnern muss die Europäische Union ihrer Verantwortung
für die eigene Sicherheit und Verteidigung gerecht werden. Die gemeinsame Sicherheits- und
Verteidigungspolitik (GSVP) setzt eine gemeinsame EU-Außenpolitik voraus. Wir wollen eine
EU-Sicherheitsunion etablieren mit einer starken parlamentarischen Kontrolle und einer
gemeinsamen restriktiven Rüstungsexportpolitik. Anstatt immer mehr Geld in nationale,
militärische Parallelstrukturen zu leiten, sollte die verstärkte Zusammenarbeit der
Streitkräfte in der EU ausgebaut, sollten militärische Fähigkeiten gebündelt und allgemein
anerkannte Fähigkeitslücken geschlossen werden. Dafür ist eine geeignete Ausstattung, der
Ausbau von EU-Einheiten sowie eine Stärkung und Konsolidierung der gemeinsamen EU-
Kommandostruktur nötig. Die Umwidmung ziviler Gelder aus dem EU-Haushalt für militärische
Zwecke lehnen wir ab.
Antragstext
Von Zeile 438 bis 440 einfügen:
werden. Wir investieren in Gesundheitsforschung, zum Beispiel bei Medikamenten oder der Entwicklung neuer Testverfahren. Öffentliche Förderung für Medikamenten- und Impfstoffforschung knüpfen wir an gemeinwohlorientierte Bedingungen, wie Preisgarantien oder die Teilhabe am geistigen Eigentum, um den weltweiten Zugang zu resultierenden Gesundheitsprodukten zu verbessern.Auch die Produktion von Medikamenten und Medizinprodukten soll – in europäischer Kooperation – vorangetrieben werden, die Versorgung, zum Beispiel mit
Die Pandemie hat uns gezeigt, was eine Gesellschaft stark macht – dass man sich unterhakt
und einander vertraut. Sie hat uns spüren lassen, wie kostbar Gemeinsamkeit für unser
individuelles Glück ist, wie sehr wir andere Menschen brauchen und wie groß die Gefahr ist,
wenn eine Gesellschaft auseinanderdriftet. Diese alte und doch noch mal neu erlebte
Erfahrung ist Auftrag, Solidarität und Schutz in konkrete, bessere Politik zu übersetzen.
Wir wollen alles dafür tun, die Bedingungen für ein gutes Leben – von Kindesbeinen an – zu
verbessern: materielle Sicherheit, Chancen und Teilhabe zu garantieren und ein
Sicherheitsversprechen zu geben, das umso stärker ist, je mehr Unterstützung gebraucht wird.
Freiheitsrechte bleiben ein Privileg von wenigen, wenn die sozialen Voraussetzungen dafür
nicht für alle gewährleistet werden. Gesellschaften ohne existenzielle Not sind
krisenfester, solidarische und gleichberechtigte Gesellschaften stärker.
Corona hat uns schonungslos die Stärken und Schwächen unseres Sozialstaates vor Augen
geführt: wie wichtig ein robustes Gesundheitssystem für alle ist. Wie zentral eine
Wirtschaftskraft ist, die für gesellschaftlichen Wohlstand und damit einen Sozialstaat
sorgt, der Menschen bei Jobverlust oder Wirtschaftseinbruch vor Obdachlosigkeit bewahrt. Sie
hat aber zugleich bestehende Ungleichheiten verschärft. Wer arm ist, wird schneller krank.
Frauen tragen eine besondere Last in den systemrelevanten Berufen der Pflege, der Erziehung
und im Einzelhandel, sind aber deutlich schlechter bezahlt und in Entscheidungsprozessen
weniger repräsentiert. Selbständige, die ohnehin schon größere Risiken eingehen, stürzen
ohne Verdienst in Existenzangst oder -not. Wer die Kinder allein erzieht, ist durch
Kinderbetreuung, Homeschooling und Homeoffice noch mal mehr gefordert. Die Pandemie hat uns
auf unsere individuellen Lebensumstände zurückgeworfen. Wenn die Wohnung eng ist, der Garten
fehlt, aber die Schwimmhalle dicht ist, ist es dreifach schwer. Einsamkeit wird größer.
Jetzt ist die Zeit, die richtigen Lehren zu ziehen. Der Weg aus der Pandemie muss zu einem
neuen sozialen Sicherheitsversprechen führen. Wir wollen Schritt für Schritt die sozialen
Systeme so verändern, dass sie allen Menschen Sicherheit und Halt geben, auch in Zeiten
persönlicher und gesellschaftlicher Umbrüche, und ihnen Teilhabe ermöglichen. Unsere
Bibliotheken und Bolzplätze, Sport- und Musikvereine, Theater und Jugendzentren – kurz,
unsere öffentlichen und sozialen Orte – sollten zu den schönsten und stärksten Räumen des
Miteinanders werden.
Glück und Chancen dürfen nicht davon abhängen, ob man im Norden oder Süden, Osten oder
Westen, in der Stadt oder auf dem Land lebt, entsprechend sind gleichwertige
Lebensverhältnisse Verfassungsgrundsatz. Wir setzen alles daran, aus diesem oftmals noch
unerfüllten Anspruch Realität zu machen. Wer auf dem Land wohnt, braucht genauso einen
Zugang zu Ärzt*innen, schnellem Internet, öffentlicher Daseinsvorsorge wie Städter*innen.
Und wer in der Stadt lebt, muss auch dort guten und bezahlbaren Wohnraum finden können.
Wohnen ist die soziale Frage unserer Zeit und für viele Menschen, viele Familien bis weit in
die Mittelschicht hinein eine der Existenz.
Unser Gesundheitssystem soll allen eine gleichwertige Gesundheitsversorgung garantieren,
aber es klaffen Lücken: Gesundheitsämter wurden kaputtgespart, in Krankenhäusern und der
Verwaltung fehlt Personal, die, die da sind, arbeiten am Anschlag. Wir wollen die Vorzeichen
ändern und Vorsorge zum Leitprinzip machen: Kliniken sollen ihrem gesellschaftlichen Auftrag
entsprechend finanziert werden, auch auf dem Land braucht es Zugang zu Geburtshilfe und
Notfallhilfen. In der Pflege setzen wir uns ein für bessere Arbeitsbedingungen, mehr
Personal, Sicherheit für Menschen, die Pflege benötigen, und für diejenigen, die Angehörige
oder Freund*innen pflegen.
Digitalisierung, globaler Wettbewerb und der nötige Umbau der Wirtschaft bedeuten für viele
Menschen große Veränderungen, die mit der Angst vor Verlusten einhergehen. Aber Angst lähmt
und macht mürbe. Menschen benötigen auch im Übergang Sicherheit. Es gilt die Risiken
abzusichern und Perspektiven zu geben, etwa durch eine Arbeitsversicherung und durch
Weiterbildung. Starke Tarifpartner, starke Gewerkschaften und demokratische Mitbestimmung
können ebenfalls dazu beitragen, die großen Herausforderungen beim Übergang in eine sozial-
ökologische Marktwirtschaft gemeinsam zu bewältigen. Wir werden zeigen, dass Transformation
und Digitalisierung hin zu einem klimagerechten Wohlstand zukunftsfähige Jobs schaffen, mit
guten Arbeitsbedingungen und gerecht verteilter Arbeit.
Wir fördern Kinder, Jugendliche und Familien
Kinder in den Mittelpunkt
Kinder müssen sich bestmöglich und frei entfalten können. Dabei haben sie ein Recht auf
besonderen Schutz, Förderung und Beteiligung. Kinder sind keine kleinen Erwachsenen, sondern
haben ganz eigene Bedürfnisse, die bei Entscheidungen angehört, mitgedacht und abgewogen
werden müssen. Wir werden deshalb sicherstellen, dass das Wohl von Kindern bei staatlichen
Entscheidungen ein größeres Gewicht bekommt. Deshalb müssen starke Kinderrechte entlang der
Grundprinzipien der UN-Kinderrechtskonvention ins Grundgesetz. Mit einem Nationalen
Aktionsplan für Kinder- und Jugendbeteiligung wollen wir sicherstellen, dass alle Kinder und
Jugendlichen über ihre Rechte informiert sind und unabhängig vom soziokulturellen
Hintergrund, altersgerecht und niedrigschwellig Beteiligung leben können. Die Jugendarbeit
spielt hierbei eine wichtige Rolle, darum wollen wir die Jugendverbände mit einem
Verbandsklagerecht gegenüber Kommunen stärken. Werdende Demokrat*innen brauchen Mitmach- und
Medienkompetenz sowie politische Bildung, die wir als Querschnittsaufgaben in Kitas, Schulen
und Jugendhilfe konzeptionell und finanziell stärken. Beim Aufbau oder der Auswahl von
Angeboten im Sozialraum, bei allen Bau- und Wohnumfeldmaßnahmen, die Kinder und Jugendliche
betreffen, werden wir sie beteiligen, ihr Wohl sichern und dies im Baugesetzbuch
berücksichtigen.
Eine Kindergrundsicherung gegen Kinderarmut
In einem reichen Land wie Deutschland darf kein Kind in Armut aufwachsen – doch vor allem
bei Alleinerziehenden oder Geringverdienenden mit Kindern reicht das Geld oft vorn und
hinten nicht. Jedes Kind verdient unsere Unterstützung. Daher wollen wir Familien stärken
mit einer einfachen und gerechten Kinder- und Familienförderung: der Kindergrundsicherung.
Unser Vorschlag: Kindergeld, Kinderzuschlag, das Sozialgeld für Kinder und die Bedarfe für
Bildung und Teilhabe in eine neue eigenständige Leistung zusammenzufassen. Mit der
Kindergrundsicherung bekommt jedes Kind einen festen Garantie-Betrag, Kinder in Familien mit
geringen oder gar keinem Einkommen bekommen zusätzlich noch einen GarantiePlus-Betrag. Je
niedriger das Familieneinkommen, desto höher der GarantiePlus-Betrag. Nach einmaliger
Beantragung bei Geburt wird die Höhe der Kindergrundsicherung automatisch berechnet und
ausgezahlt. So kommt die Kindergrundsicherung garantiert bei jedem Kind an und Schritt für
Schritt beenden wir Kinderarmut. Sie ist gerecht, denn Kinder, die mehr brauchen, bekommen
auch mehr. Die Kindergrundsicherung verbinden wir mit einer Neuermittlung dessen, was Kinder
zum Leben brauchen.
Kinder- und Jugendhilfe für alle Kinder
Ob Kita, Hortbetreuung, Familienberatung, Hilfen zur Erziehung oder Angebote der
Jugendarbeit – die Kinder- und Jugendhilfe begleitet Familien beim Aufwachsen der Kinder.
Sozialarbeiter*innen und Pädagog*innen leisten dabei unter hohem Zeit- und Arbeitsdruck
Enormes. Durch gesetzliche Vorgaben zur Personalplanung wollen wir für besser ausgestattete
Jugendämter und Entlastung der Fachkräfte sorgen. Leistungsansprüche von Kindern und
Jugendlichen mit körperlichen und geistigen Behinderungen werden bisher in einem eigenen
Sozialgesetzbuch für Menschen mit Behinderungen geregelt. Das grenzt aus. Mit einem
Bundesinklusionsgesetz soll sichergestellt werden, dass alle Angebote der Kinder- und
Jugendhilfe künftig so ausgestaltet sind, dass sie sich auch an Kinder und Jugendliche mit
Behinderungen und ihre Eltern richten. Wir wollen auf dem eingeschlagenen Weg hin zu einem
inklusiven SGB VIII zügiger voranschreiten. Daher werden wir die Länder und Kommunen, die
bereits vor Umsetzung des Bundesinklusionsgesetzes alle Kinder unter dem Dach der
Jugendhilfe vereinen wollen, mit einem Bundesmodellprogramm unterstützen. So können
wertvolle Anregungen für den bundesweiten Umstrukturierungsprozess gewonnen werden.
Teilhabe und Schutz in der digitalen Welt
Kinder und Jugendliche wachsen als Digital Natives auf, sie sollen sicher und selbstbestimmt
mit Tablets, Smartphones und Co. umgehen können. Wir stärken die digitale Bildung als
Gemeinschaftsaufgabe von Eltern, Kitas, Schulen und der Jugendhilfe, mit Fortbildungen für
Fachkräfte und Unterstützungsangeboten für Eltern. Alle sollen digitale Kompetenzen erwerben
können, das geht nur mit entsprechender Hardware: Kinder in Familien im Hartz-IV- oder
Kinderzuschlags-Bezug sollen für die Schule einen Laptop erhalten, wenn sie diesen
benötigen. Kinder und Jugendliche brauchen im Netz besonderen Schutz vor Straftaten wie
Hassrede, Cybergrooming oder sexualisierter Gewalt, dem Mobbing im Netz wollen wir einen
Riegel vorschieben. Dafür setzen wir auf eine Präventionsstrategie, mit verpflichtenden
sicheren Voreinstellungen für Plattformen und leicht auffindbaren Beschwerdemöglichkeiten.
Vor kommerziellem Sammeln ihrer Daten durch private Anbieter werden wir Kinder schützen.
Kinder vor sexualisierter Gewalt schützen
Für viele Kinder und Jugendliche ist sexualisierte Gewalt leidvoller Alltag. Dagegen gehen
wir hart vor – mit starker Prävention, konsequenter Strafverfolgung und einem Maßnahmenpaket
zur Qualitätssicherung und zum Kinderschutz in familiengerichtlichen Verfahren. Das oberste
Ziel ist es, Taten zu verhindern. Dafür braucht es Aufklärung, Qualifizierung und gelebte
Schutzkonzepte überall dort, wo Kinder und Jugendliche sich aufhalten und betreut werden.
Basiswissen über Kinderrechte, insbesondere Beteiligung, Schutz bei Kindeswohlgefährdung und
Missbrauch gehören in die Curricula für Jura, Medizin, Pädagogik und Polizei. Die
Fortbildungspflicht für Familienrichter*innen und die Anforderungen an die Qualifikation von
Verfahrensbeiständen sind klar gesetzlich zu regeln. Die wichtige Arbeit des Unabhängigen
Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs werden wir auf eine gesetzliche
Grundlage stellen und damit dauerhaft absichern. Wir werden bundesweit spezialisierte
Fachberatungsstellen und telefonische sowie Online-Beratungsangebote finanziell absichern.
Mehr Zeit für Familien
Den Kopf frei haben für die Familie, die Kinder, auch wenn sie krank sind, das ist unser
Ziel. Mit der KinderZeit Plus wollen wir das Elterngeld auf 24 Monate ausweiten: pro
Elternteil je acht Monate, weitere acht Monate können flexibel untereinander aufgeteilt
werden. Wird die KinderZeit Plus Teilzeit in Anspruch genommen, verlängert dies entsprechend
den Bezugszeitraum. Sie kann bis zum 14. Geburtstag des Kindes genommen werden, denn auch
bei älteren Kindern kann mehr Aufmerksamkeit nötig sein. Wir unterstützen Eltern dabei,
Familie und Arbeit mit einer neuen Arbeitszeitkultur und einem flexiblen Vollzeitkorridor in
eine ausgewogene Balance zu bringen, Familienarbeit partnerschaftlich zu teilen und
Teilzeitfallen zu vermeiden. Niemand soll sich zwischen Kind und Job entscheiden müssen,
darum soll der Anspruch auf ein Kinderkrankengeld auf 15 Tage im Jahr pro Kind und
Elternteil steigen, Alleinerziehende bekommen 30 Tage. Weil gerade in den ersten beiden
Lebensjahren viele Infekte mitgenommen werden, sollte es in dieser Zeit einen zusätzlichen
erhöhten Anspruch auf Kinderkrankengeld geben. Die Altersgrenze wollen wir auch hier auf 14
Jahre anheben, ein ärztliches Attest wird erst ab dem vierten Erkrankungstag des Kindes
verpflichtend. Für die besondere Zeit direkt nach der Geburt wollen wir neben dem
Mutterschutz auch für den zweiten Elternteil eine 14-tägige Freistellung einrichten.
Alleinerziehenden den Rücken stärken
Alleinerziehende leisten enorm viel und sind dennoch besonders oft von Armut bedroht. Mit
der Kindergrundsicherung helfen wir mehrfach: Mit der Neuermittlung der Mindestbedarfe von
Kindern steigt auch der Mindestunterhalt. Und anders als beim heutigen Kindergeld soll nur
die Hälfte auf den Unterhaltsvorschuss angerechnet werden. Nach einer Trennung soll es bei
der Betreuung nicht zusätzlich knirschen, darum werden Mehrkosten für die Ausübung des
Umgangs, egal nach welchem Modell, angemessen berücksichtigt. Für Eltern im
Grundsicherungsbezug wollen wir einen Umgangsmehrbedarf einführen. Ob wichtiger Abendtermin
im Job, ein Beratungsgespräch oder Arztbesuch – Kinder können und sollten nicht immer dabei
sein. Es gilt, familienunterstützende Dienstleistungen zu fördern, zum Beispiel für
ergänzende Kinderbetreuung oder haushaltsnahe Dienstleistungen. Das gilt besonders im
Krankheitsfall, denn Kinder und Haushalt müssen trotzdem versorgt sein.
Absicherung für alle Familienformen
Ob Patchwork-, Stief- oder Regenbogenfamilie – Familien sind vielfältig und diese Vielfalt
muss ein modernes Familienrecht auch abbilden. Soziale Eltern übernehmen innerhalb der
Familie oft Verantwortung und sind wichtige Wegbegleiter. Rechtlich gesehen sind sie aber
auch nach Jahren Außenstehende für ihr Kind: Im Kindergarten, in der Schule oder bei
Ärzt*innen ist es nicht vorgesehen, dass sie Entscheidungen für ihre Kinder treffen. Mit der
Weiterentwicklung des „kleinen Sorgerechts“ hin zu einer elterlichen Mitverantwortung, die
auf Antrag beim Jugendamt auf bis zu zwei weitere Erwachsene übertragen werden kann, geben
wir allen Beteiligten mehr Sicherheit. Zwei-Mütter-Familien sollen nicht mehr durch das
langwierige Stiefkindadoptionsverfahren müssen, darum streben wir an, das Abstammungsrecht
zu reformieren, sodass die Co-Mutter analog zu Vätern in heterosexuellen Ehen automatisch
als zweites rechtliches Elternteil gilt. Bei Kinderwunsch sollen auch nichteheliche
Lebensgemeinschaften und lesbische Paare die Möglichkeit einer Kostenerstattung für die
künstliche Befruchtung erhalten. Verantwortung wird nicht nur da füreinander übernommen, wo
Kinder sind. Mit dem Pakt für das Zusammenleben werden wir eine neue Rechtsform schaffen,
die das Zusammenleben zweier Menschen, die füreinander Verantwortung übernehmen, unabhängig
von der Ehe rechtlich absichert.
Wir sorgen für gute Arbeit und faire Löhne
Mindestlohn anheben
Arbeit muss gerecht bezahlt werden. Und die Menschen brauchen gute Arbeitsbedingungen. Aber
in unserem reichen Land arbeiten noch immer Millionen Menschen im Niedriglohnsektor mit
schlechten Löhnen und unsicheren Beschäftigungsverhältnissen. Besonders oft sind davon
Frauen betroffen. Das wollen wir ändern. Den gesetzlichen Mindestlohn werden wir sofort auf
12 Euro anheben. Für weitere Erhöhungen soll die Mindestlohnkommission den Auftrag bekommen,
dass der Mindestlohn wirksam vor Armut schützen und mindestens der Entwicklung der
Tariflöhne entsprechen muss. Leiharbeiter*innen sollen vom ersten Tag an den gleichen Lohn
für gleiche Arbeit bekommen wie Stammbeschäftigte – plus Flexibilitätsprämie. Ohne
sachlichen Grund dürfen Arbeitsverträge nicht mehr befristet werden. Gegen den vielfachen
Missbrauch von Werkverträgen und die Abwälzung unternehmerischer Verantwortung mittels
Subunternehmerketten gehen wir ordnungspolitisch vor. Wir wollen den Arbeitsschutz stärken,
damit er wirksam vor Stress, Burn-out und Entgrenzung der Arbeit schützt. Mobbing und
Diskriminierung am Arbeitsplatz nehmen wir ernst und wollen besser davor schützen.
Vollbeschäftigung schaffen
Wir wollen allen Menschen ermöglichen, am Arbeitsleben teilzuhaben, denn ein guter
Arbeitsplatz ist eine wichtige Quelle für Einkommen, Anerkennung und Selbstverwirklichung.
Dazu müssen wir gute und sichere Jobs schaffen. Wir wollen die Beschäftigung weiter erhöhen
und damit auch verhindern, dass Corona langfristige Spuren am Arbeitsmarkt hinterlässt. Mit
dauerhaft höheren öffentlichen Investitionen, mehr Gründungsgeist und Forschung sowie
Innovation wollen wir ein Umfeld für viele neue Jobs schaffen. Der deutsche Arbeitsmarkt war
dabei in den letzten Jahren gespalten: Fachkräftemangel und deutliche Lohnsteigerungen für
Hochqualifizierte in einigen Branchen, prekäre Beschäftigung, unfreiwillige Teilzeit und
stagnierende Reallöhne in anderen. Dem wollen wir mit einer sozial gerechten Arbeitspolitik
entgegentreten. Damit sorgen wir für gute Löhne und trocknen den Niedriglohnsektor
mittelfristig aus. Langzeitarbeitslose brauchen eine besonders intensive Betreuung durch die
Arbeitsagentur, für Menschen ohne Perspektiven am ersten Arbeitsmarkt schaffen wir einen
dauerhaften sozialen Arbeitsmarkt.
Sozialpartnerschaft stärken, Tarifbindung erhöhen
Die Sozialpartnerschaft, Tarifverträge und Mitbestimmung sind Eckpfeiler der sozialen
Marktwirtschaft. Sie haben unser Land stark gemacht. Da, wo sie gelten, sorgen sie meistens
für anständige Löhne und gute Arbeitsbedingungen. Wir wollen, dass Tarifverträge und starke
Mitbestimmung wieder für mehr anstatt für immer weniger Beschäftigte und Betriebe gelten.
Bei der öffentlichen Vergabe sollen im Einklang mit europäischem Recht die Unternehmen zum
Zug kommen, die tarifgebunden sind oder mindestens Tariflöhne zahlen. Dafür setzen wir auf
ein Bundestariftreuegesetz. Zudem wollen wir es leichter machen, Tarifverträge für
allgemeinverbindlich zu erklären, damit sie für alle in einer Branche gelten. Betriebsräte,
die sich für Mitarbeiter*innen einsetzen, brauchen auch selbst mehr Schutz. Gleiches gilt
auch für die Beschäftigten, die erstmals einen Betriebsrat gründen wollen. Die
Mitbestimmungsrechte wollen wir ausbauen und modernisieren, wenn es um die
Personalentwicklung, die Stärkung von Frauen und die Verbesserung der Klimabilanz im
Unternehmen geht. Der Wandel der Arbeitswelt, den Digitalisierung und ökologische
Transformation mit sich bringen, muss gemeinsam mit den Beschäftigten im Betrieb gestaltet
werden.
Selbstbestimmter arbeiten, digitale Chancen nutzen
Wir wollen Beschäftigte dabei unterstützen, ihre Arbeit besser an ihr Familien- und
Privatleben anzupassen. Eine moderne Arbeitswelt bedeutet für uns auch mehr Mitsprache bei
Ort, Lage und Umfang der Arbeit. In der Corona-Krise wurde das Arbeiten von zu Hause zu
einer weit verbreiteten Erfahrung, für viele verbunden mit mehr Eigenständigkeit und weniger
Stress, wenn etwa das lange Pendeln wegfiel. Für andere aber auch zur echten Belastungsprobe
– wenn zu Hause Arbeitszimmer, Arbeitsschutz und auch Kolleg*innen fehlen. Homeoffice kann
zudem auch zur Entgrenzung von Arbeit und zum Abbau des bisherigen Arbeitsortes außerhalb
der eigenen vier Wände führen. Die Möglichkeit zur Selbstbestimmung im Arbeitsleben wollen
wir daher erhalten und stärken, indem wir ein Recht auf Homeoffice einführen – mit Blick auf
betriebliche Möglichkeiten, aber auch mit strikten Schutzkriterien versehen. Ein
Arbeitsplatz im Unternehmen muss aber ebenfalls allen zur Verfügung stehen.
Mehr Freiraum bei der Arbeitszeit
Ob im Büro, in der Pflege oder auf Montage – für viele Menschen ist der körperliche oder
psychische Druck durch Arbeit gewachsen. Gleichzeitig ist Zeit zu haben – für sich selbst
oder die Familie – für viele Menschen ein immer größerer Wert. Kürzere Arbeitszeiten, wie
beispielsweise die IG Metall sie als Beitrag zur Bewältigung des Strukturwandels in der
Automobilbranche vorgeschlagen hat, können eine Chance sein, Arbeit gerechter zu verteilen,
Arbeitsplätze zu sichern und Arbeitnehmer*innen zu entlasten. Wir wollen Beschäftigte in der
Pflege, in der die Belastung besonders hoch ist, mit besseren Arbeitsbedingungen
unterstützen und deshalb die 35-Stunden-Woche einführen. Darüber hinaus wollen wir die
Möglichkeiten aller Arbeitnehmer*innen, selbst flexibler über die eigene Arbeitszeit zu
bestimmen – gerade um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erleichtern –, verbessern.
Dafür wollen wir die starre Vollzeit zu einer Wahlarbeitszeit zwischen 30 und 40 Stunden bei
flexiblem Arbeitszeitkorridor umgestalten. Versuche, das Arbeitszeitgesetz zum Nachteil der
Arbeitnehmer*innen aufzuweichen, lehnen wir ab. Die europäische Arbeitszeitrichtlinie wollen
wir konsequent umsetzen.
Arbeitsversicherung stärkt Chancen
Wir wollen die Arbeitsmarktpolitik auf die Zukunft ausrichten und die
Arbeitslosenversicherung zu einer Arbeitsversicherung umbauen. Zentral dafür ist ein
Rechtsanspruch auf Weiterbildung und die Stärkung der beruflichen Qualifikation. In einer
Welt, in der häufige Berufswechsel für viele Menschen Normalität sind und man nicht mehr
automatisch 40 Jahre im gleichen Betrieb arbeitet, brauchen alle Menschen Anlaufstellen und
Unterstützung, um ihr Berufsleben selbstbestimmt zu gestalten. Überall dort, wo es eine
Arbeitsagentur gibt, sollen Bildungsagenturen zentrale Anlaufstellen werden und Menschen bei
der Neuorientierung unterstützen, Weiterbildungsberatung und -förderung sollen damit
vereinfacht werden. Den Zugang zur Arbeitsversicherung werden wir deutlich erleichtern und
bereits ab vier Monaten sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung einen Anspruch auf
Arbeitslosengeld einführen. Auch selbständige Berufstätigkeit muss sozial besser abgesichert
werden. Dafür vereinfachen wir den Zugang zur freiwilligen Arbeitslosenversicherung und
schaffen eine Zugangsmöglichkeit für alle Selbständigen auch mit Wahltarifen. Wir wollen
Gründungen aus Phasen der Arbeitslosigkeit heraus besser fördern und durch die Krise
zurückgeworfene junge Berufsanfänger*innen mit einem Einstiegszuschuss eine Brücke in den
Arbeitsmarkt bauen.
Besserer Schutz bei online vermittelter Arbeit
Vom Handwerkerdienst über Software-Entwicklung bis zur Reinigung – immer mehr
Dienstleistungen werden über Online-Plattformen vermittelt (Gig-Working) oder finden sogar
ortsunabhängig in der Cloud statt (Crowd-Working). Die Digitalisierung von Tätigkeiten und
die digitale Vermittlung von Arbeit bergen viele neue Chancen. Aber Arbeitsrecht und
Arbeitsschutz müssen an die Onlinewelt angepasst werden, damit daraus nicht neue Formen von
Ausbeutung und Abhängigkeiten entstehen. Wir wollen Scheinselbständigkeit verhindern, indem
wir bei der Abgrenzung zwischen selbständiger Tätigkeit und abhängiger Beschäftigung für
mehr Rechts- und Planungssicherheit sorgen. Wenn der/die Auftragnehmer*in einer Plattform
angibt, einen Arbeitnehmerstatus zu haben, soll künftig der/die Auftraggeber*in beweisen,
dass dem nicht so ist. Unfaires Preis-Dumping gilt es durch ein Mindesthonorar für
zeitbasierte Dienstleistungen zu unterbinden. Arbeitnehmerähnliche Personen und Solo-
Selbständige, die für Plattformen tätig werden, sollen sich künftig leichter tariflich
organisieren können, und branchenspezifisch sollen weitere verbindliche Honoraruntergrenzen
vereinbart werden können, die auch für allgemeinverbindlich erklärt werden können.
Plattformbetreiber tragen eine Verantwortung für ihre Auftragnehmer*innen. Wir wollen mit
klaren Mindeststandards beim Arbeits- und Datenschutz und bei den allgemeinen
Geschäftsbedingungen für Fairplay bei der Plattformökonomie sorgen.
Faire Arbeitsbedingungen für Beschäftigte aus europäischen
Nachbarstaaten
In jedem europäischen Nachbarland arbeiten zu können, das ist eine der großen
Errungenschaften unseres vereinten Europas. Was in hochqualifizierten Berufen viel Freiheit
gebracht hat, führte in manchen Dienstleistungsbereichen zu ausbeuterischen
Arbeitsrealitäten. Missstände in den deutschen Schlachthöfen haben das schlaglichtartig
gezeigt. Doch auch anderswo, zum Beispiel auf dem Bau oder in der Pflege, herrschen vielfach
ausbeuterische Verhältnisse. Wir wollen, dass alle Beschäftigten – egal, wie lange sie hier
arbeiten – genauso gut bezahlt und abgesichert sind wie ihre deutschen Kolleg*innen. Dafür
braucht es ein wirksames Vorgehen gegen Schwarzarbeit und Scheinselbständigkeit, ein
Verbandsklagerecht der Gewerkschaften, eine europäische Sozialversicherungsnummer, höhere
Mindeststandards für Unterkünfte von entsandten Beschäftigten, eine bessere Regulierung der
Vermittlungsagenturen und mehr Kontrolle durch eine gestärkte Europäische Arbeitsbehörde.
Arbeitnehmer*innen aus anderen EU-Staaten müssen besser über ihre Rechte informiert werden.
Wir schaffen Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern
Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit
Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit, von dieser Selbstverständlichkeit sind wir immer
noch weit entfernt. Durchschnittlich verdienen Frauen im gesamten Erwerbsleben etwa nur halb
so viel wie Männer, was sich auch in ihrer ungenügenden Alterssicherung bemerkbar macht. Wir
werden ein effektives Entgeltgleichheitsgesetz einführen, das auch für kleine Betriebe gilt
und die Unternehmen verpflichtet, von sich aus über die Bezahlung von Frauen und Männern und
über ihre Maßnahmen zum Schließen des eigenen Pay-Gaps zu berichten. Dieses Gesetz muss auch
ein wirksames Verbandsklagerecht enthalten, damit bei strukturellen Benachteiligungen auch
Verbände die Klage übernehmen können und die Betroffenen nicht auf sich allein gestellt
sind. Lohncheckverfahren können Diskriminierungen aufdecken. Deshalb werden wir
Tarifpartner*innen und Unternehmen verpflichten, alle Lohnstrukturen auf Diskriminierung zu
überprüfen. Wir setzen uns dafür ein, dass Berufe, die vor allem von Frauen ausgeübt werden,
eine höhere Wertschätzung erfahren als bisher, zum Beispiel in Form besserer
Arbeitsbedingungen, besserer Bezahlung oder besserer Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Wirtschaftliche Unabhängigkeit von Frauen stärken
Um das eigene Leben selbst gestalten zu können, ist es vielen Frauen wichtig, wirtschaftlich
unabhängig zu sein. Deshalb müssen Steine, die dies behindern, aus dem Weg geräumt werden.
Wir wollen für eine eigenständige Absicherung in allen Lebensphasen sorgen – von der
Berufswahl bis zur Rente. Minijobs, mit Ausnahmen für Studierende, Schüler*innen und
Rentner*innen, wollen wir in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung überführen und
Regelungen für haushaltsnahe Dienstleistungen schaffen. Das durch enge Rollenerwartungen
eingeschränkte Berufswahlverhalten von Mädchen und Jungen wollen wir durch eine
gendersensible Berufsberatung erweitern. Die gläserne Decke, die Frauen am Aufstieg hindert,
wollen wir aufbrechen. Dies gelingt auch durch eine kluge Zeitpolitik, die es auch
Partner*innen erleichtert, Verantwortung in der Familie zu übernehmen und Arbeit
geschlechtergerecht aufzuteilen. Diskriminierungen am Arbeitsmarkt begegnen wir mit einem
Verbandsklagerecht, das die Einzelne stärkt, und durch ein echtes Recht auf die Rückkehr in
Vollzeit, das auch für kleinere Betriebe gilt.
Gleichberechtigung auch bei der Steuer
Das deutsche Steuerrecht steckt noch im letzten Jahrhundert fest. Während sich viele Paare
Familien- und Erwerbsarbeit gleichberechtigter aufteilen, als es noch vor Jahren der Fall
war, gilt bei der Steuer nach wie vor das Modell eines männlichen Ernährers und einer Frau,
die höchstens zuverdient und sich hauptsächlich um Haushalt und Kinder kümmert. Dieses
Modell ist ungerecht, weil es Ehen privilegiert, Alleinerziehende und nicht verheiratete
Paare außen vor lässt, die Erwerbstätigkeit von Frauen hemmt und Frauen gleichzeitig nicht
wirklich absichert. In Krisen bekommen vor allem Frauen die Nachteile zu spüren, zum
Beispiel durch weniger Kurzarbeits- oder Arbeitslosengeld. Im Zusammenspiel mit Minijobs und
der kostenlosen Mitversicherung wirken sich diese Maßnahmen negativ auf die Erwerbstätigkeit
von Frauen aus. Deshalb wollen wir für neu geschlossene Ehen eine individuelle Besteuerung
mit übertragbarem Grundfreibetrag einführen. Bei der Lohnsteuer soll die/der heute über
Gebühr belastete Zweitverdiener*in entlastet werden, indem das Faktorverfahren zur Regel und
die Steuerklasse 5 für Zuverdiener*innen abgeschafft wird. So sorgen wir dafür, dass
gleichberechtigte Lebensentwürfe nicht länger benachteiligt werden. Paare, die bereits
verheiratet sind, können sich entscheiden, ob sie sich einzeln veranlagen oder weiterhin das
Ehegattensplitting nutzen wollen. Zugleich stärken wir mit der Kindergrundsicherung
Familien. Alleinerziehende, die heute am stärksten von Armut betroffen sind, entlasten wir
mit einer Steuergutschrift.
Wir sichern die sozialen Netze
Garantiesicherung statt Hartz IV
Jeder Mensch hat das Recht auf soziale Teilhabe, auf ein würdevolles Leben ohne
Existenzangst. Deswegen wollen wir Hartz IV überwinden und ersetzen es durch eine
Garantiesicherung. Sie schützt vor Armut und garantiert ohne Sanktionen das soziokulturelle
Existenzminimum. Sie stärkt so Menschen in Zeiten des Wandels und kann angesichts großer
Veränderungen der Arbeitswelt Sicherheit geben und Chancen und Perspektiven für ein
selbstbestimmtes Leben eröffnen. Die grüne Garantiesicherung ist eine Mindestsicherung, die
nicht stigmatisiert und die einfach und auf Augenhöhe gewährt wird. Sie schafft durch die
Abschaffung der bürokratischen Sanktionen Raum und Zeit in den Jobcentern für wirkliche
Arbeitsvermittlung und Begleitung. Dafür wollen wir die Regelsätze schrittweise anheben,
sodass sie das soziokulturelle Existenzminimum verlässlich sicherstellen. Die Leistungen der
Garantiesicherung wollen wir schrittweise individualisieren. Die Anrechnung von Einkommen
werden wir attraktiver gestalten, sodass zusätzliche Erwerbstätigkeit auch in Teilzeit zu
einem spürbar höheren Einkommen führt. Vermögen werden künftig unbürokratischer und mit
Hilfe einer Selbstauskunft geprüft.
Selbstbestimmung und gleichberechtigte Teilhabe für Menschen mit
Behinderungen
Menschen mit Behinderungen haben ein Recht darauf, gleichberechtigt wohnen, lernen und
arbeiten zu können und die Unterstützung zu wählen, die sie dafür brauchen. Leistungen zur
Teilhabe müssen in jeder Phase allgemeiner, beruflicher und hochschulischer Bildung gewährt
werden. Wir wollen einen inklusiven Arbeitsmarkt schaffen und dafür Arbeitgeber*innen, die
Menschen mit Behinderungen beschäftigen, besser unterstützen, den Wechsel von Werkstätten in
den allgemeinen Arbeitsmarkt fördern und Menschen, die das Budget für Arbeit nutzen, in der
Arbeitslosenversicherung absichern. Ziel ist, das Bundesteilhabegesetz weiterzuentwickeln
und Teilhabe zu garantieren – kein Poolen von Leistungen gegen den Willen der Betroffenen,
echtes Wunsch- und Wahlrecht, Leistungen zur Teilhabe unabhängig von Einkommen und Vermögen
der Leistungsberechtigten. Anträge auf Teilhabeleistungen sollen einfach sein und
Entscheidungen im Sinne der behinderten Menschen schnell erfolgen.
Gemeinsame soziale Mindeststandards in der EU
Wir treten ein für eine Europäische Union, die soziale Absicherung und Mindeststandards
europaweit garantiert. Soziale Rechte müssen den gleichen Stellenwert erhalten wie die
wirtschaftlichen Freiheiten des Binnenmarkts. Dafür sind gemeinsame europäische Arbeits- und
Sozialstandards essenziell. Wir machen uns für eine europäische Grundsicherungsrichtlinie
stark, die soziale Mindeststandards für jedes Land festlegt, angepasst an die jeweilige
ökonomische Situation. Länderspezifische Mindestlöhne sollen überall in Europa dafür sorgen,
dass Menschen von ihrer Arbeit leben können. Wir wollen die Europäischen Betriebsräte
stärken und die paritätische Mitbestimmung in den Kontroll- und Leitungsorganen europäischer
Unternehmen ausbauen, die mehr als 1.000 Beschäftigte haben. Unser langfristiges Ziel ist,
dass die in der Europäischen Grundrechtecharta verankerten sozialen Rechte als Grundrechte
gegenüber den Mitgliedstaaten vor dem Europäischen Gerichtshof einklagbar sind.
Eine verlässliche Alterssicherung für alle
Die langfristige Sicherung des Rentenniveaus bei 48 Prozent hat für uns hohe Priorität. Bei
einem weiteren Absinken wären immer mehr Menschen auf Grundrente angewiesen und die
Akzeptanz der gesetzlichen Rente wäre gefährdet. Um das Rentenniveau zu sichern, wollen wir
die Frauenerwerbstätigkeit unter anderem durch ein Rückkehrrecht in Vollzeit erhöhen, ein
echtes Einwanderungsgesetz schaffen und die Beschäftigungssituation älterer
Arbeitnehmer*innen verbessern. Um die Belastungen der Versicherten und der Arbeitgeber*innen
zu begrenzen, sollen bei Bedarf die Steuerzuschüsse erhöht werden. Prekäre Beschäftigung
muss überwunden werden, denn nur gute Löhne führen auch zu einer guten Rente. In einem
ersten Schritt zu einer Bürgerversicherung sorgen wir dafür, dass anderweitig nicht
abgesicherte Selbständige, denen sonst Altersarmut droht, und Abgeordnete in die gesetzliche
Rentenversicherung aufgenommen werden. Um Altersarmut zu verhindern, werden wir die
Grundrente reparieren und zu einer echten Garantierente weiterentwickeln. Grundsätzlich
halten wir an der Rente mit 67 fest. Wir wollen es Menschen aber leichter machen, selbst
darüber zu entscheiden, wann sie in Rente gehen wollen.
Ein Bürgerfonds für die Rente
Eine kapitalgedeckte Altersvorsorge kann das Umlagesystem sinnvoll ergänzen. Die Riester-
Rente hat sich aber als ein völliger Fehlschlag herausgestellt. Die Produkte sind teuer und
undurchschaubar und haben zum Teil eine geringere Rendite als Omas Sparstrumpf. Profitabel
sind sie oft nur für die Versicherungswirtschaft oder dank der öffentlichen Förderung.
Deswegen haben bei weitem nicht alle davon Gebrauch gemacht. Wir wollen die Riester-Rente
durch einen öffentlich verwalteten Bürgerfonds ersetzen und in diesen überführen. Durch den
Bürgerfonds profitieren die Menschen am Wertezuwachs der Wirtschaft. Der Fonds kann
langfristig orientiertes Eigenkapital für die Wirtschaft bereitstellen. In den Bürgerfonds
zahlen alle ein, die nicht aktiv widersprechen. So wird ein Volumen geschaffen, das die
Verwaltungskosten gering hält, die Risiken breit streut und auf teure Garantien verzichten
kann. Der Bürgerfonds wird politisch unabhängig verwaltet und investiert nachhaltig. Er
investiert langfristig und hilft so, die Kurzfristorientierung der Märkte zu überwinden. Für
Kleinsparer*innen gewährleistet er eine attraktive Rendite bei überschaubarem Risiko. Alle
Arbeitgeber*innen sollen künftig eine betriebliche Altersvorsorge anbieten und können den
Bürgerfonds als Standard dafür nutzen.
Wir geben Gesundheit und Pflege einen neuen Wert
Vorsorge als Leitprinzip
Wir wollen den Zugang zu guter Gesundheitsversorgung sicherstellen – aber gute
Gesundheitspolitik setzt schon vorher an. Wer in der Fleischindustrie unter prekären
Bedingungen arbeitet, in einer schimmeligen Wohnung oder an der vielbefahrenen Straße wohnt
oder mit Hartz IV in Armut lebt, kann seine Gesundheit nur schwer schützen, hat eine höhere
Wahrscheinlichkeit zu erkranken und oft einen schlechteren Zugang zur Gesundheitsversorgung.
Für eine gesunde Gesellschaft braucht es eine Politik, die vorsorgt, die die Ursachen von
Krankheiten bekämpft und vorausschauend handelt. Statt nur auf die nächste Krise zu
reagieren, sollen in Zukunft durch gemeinsame Gesundheitsziele und eine Ausweitung der
Gesundheitsberichterstattung Krankheitsursachen und der Stand der gesundheitlichen
Versorgung in den Blick genommen werden. Prävention, Gesundheitsförderung und
gesundheitliche Versorgung wollen wir grundsätzlich als Querschnittsaufgabe in allen
Politikbereichen verfolgen. Um uns gegen klimawandelbedingte Hitzewellen zu wappnen, werden
wir einen Sonderfonds zur Umsetzung von Hitzeaktionsplänen etablieren.
Für Pandemien gewappnet sein
Die Corona-Krise hat gezeigt, dass unser Gesundheitssystem für künftige Pandemien besser
gewappnet sein muss. Spätestens jetzt ist der Moment, die Krankenhaus- und Notfallversorgung
zu reformieren und die Digitalisierung, insbesondere in den Gesundheitsämtern, beherzt
voranzutreiben. Um Pandemien zukünftig effektiv und nachvollziehbar zu bekämpfen, sollen
Stufen zur Eindämmung von Pandemien im Infektionsschutzgesetz definiert, Pandemieschutzpläne
aktualisiert und soll ein unabhängiger und interdisziplinärer Pandemierat eingerichtet
werden. Wir investieren in Gesundheitsforschung, zum Beispiel bei Medikamenten oder der
Entwicklung neuer Testverfahren. Öffentliche Förderung für Medikamenten- und Impfstoffforschung knüpfen wir an gemeinwohlorientierte Bedingungen, wie Preisgarantien oder die Teilhabe am geistigen Eigentum, um den weltweiten Zugang zu resultierenden Gesundheitsprodukten zu verbessern.Auch die Produktion von Medikamenten und Medizinprodukten
soll – in europäischer Kooperation – vorangetrieben werden, die Versorgung, zum Beispiel mit
Atemschutzmasken, durch eigene Produktionsstandorte sichergestellt werden. Auf europäischer
Ebene braucht es mehr gemeinsame Strategie und Koordinierung, etwa durch die gemeinsame
Planung und Nutzung medizinischer Notfallkapazitäten oder durch ein europäisches
Frühwarnsystem. Daher setzen wir uns für den zügigen Aufbau von HERA ein, einer europäischen
Behörde, die künftig staatliche und privatwirtschaftliche Aktivitäten besser koordinieren
soll. Das Europäische Zentrum für die Prävention und Kontrolle von Krankheiten wollen wir
stärken und uns für eine engere Kooperation mit nationalen Gesundheitsbehörden einsetzen.
Gesundheitsämter stärken
Nicht erst in der Corona-Pandemie wird sichtbar, dass wir als Gesellschaft größere
Anstrengungen unternehmen müssen, um die öffentliche Gesundheit zu stärken und Menschen ein
gutes Leben zu ermöglichen. Ob der Besuch bei der mobilen Zahnärzt*in in der Schule oder die
Impfaktion im Pflegeheim – für Gesundheitsförderung, die Menschen unkompliziert erreicht,
braucht es eine Stärkung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes. Unser Ziel ist es, im
Zusammenspiel zwischen den Gesundheitsämtern, universitären Strukturen der öffentlichen
Gesundheitsfürsorge und einem neu zu schaffenden Bundesinstitut für Gesundheit gemeinsam
eine starke Säule der öffentlichen Gesundheitsfürsorge aufzubauen. Das Institut soll
gemeinsame Gesundheitsziele und Qualitätsvorgaben für die Verbesserung der Versorgung
entwickeln und bestehende Strukturen des Bundes zur Förderung der Gesundheit bündeln. Bisher
sind die Gesundheitsämter chronisch unterfinanziert und unterbesetzt, die personelle und
technische Ausstattung muss dauerhaft verbessert werden. Wir wollen deshalb, dass Bund und
Länder gemeinsam dafür sorgen, dass künftig 1 Prozent der gesamten Gesundheitsausgaben in
den Öffentlichen Gesundheitsdienst fließt. Amtsärzt*innen müssen besser bezahlt werden. Auch
pflegerische Fachkompetenz soll stärker eingebunden werden – als sogenannte Community Health
Nurses oder in der Schulgesundheitspflege.
Gute gesundheitliche Versorgung in Stadt und Land
Gesundheit ist Daseinsvorsorge. Wir wollen, dass Menschen im ganzen Land gut und verlässlich
versorgt werden. Wenn mancherorts der Weg zur Hebamme kaum zu bewältigen ist, die
Kinderstationen Patient*innen abweisen müssen oder Hausarztpraxen auf dem Land wegen
fehlendem/-r Nachfolger*in schließen müssen, gefährdet das die gesundheitliche Versorgung.
Um die Versorgung in Stadt und Land zu stärken, wollen wir, dass ambulante und stationäre
Angebote in Zukunft übergreifend geplant werden und Gesundheitsregionen mit enger Anbindung
an die Kommunen gefördert werden. Perspektivisch soll es eine gemeinsame
Abrechnungssystematik für ambulante und stationäre Leistungen geben. Gleichzeitig wollen wir
die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen den Gesundheitsberufen stärken. Denn die
Versorgung muss von den Patient*innen aus gedacht werden. Dafür wollen wir insbesondere die
Einrichtung von kommunalen Gesundheitszentren unterstützen, in denen alle Gesundheitsberufe
auf Augenhöhe zusammenarbeiten. Die Aufgabenverteilung im Gesundheitswesen werden wir so
reformieren, dass Gesundheits- und Pflegeberufe mehr Tätigkeiten eigenverantwortlich
übernehmen können. Die Arbeitsbedingungen in und die Vergütung von Therapieberufen müssen
dringend ihrer wichtigen Rolle im Gesundheitswesen angepasst, das Schulgeld für diese
Ausbildungen muss abgeschafft werden.
Krankenhäuser nach gesellschaftlichem Auftrag finanzieren
In Krankenhäusern sollen alle die Versorgung erhalten, die sie benötigen. Doch falsche
politische Weichenstellungen und der daraus folgende ökonomische Druck haben zu Fehlanreizen
zu Lasten des Patient*innenwohls und zu Kosteneinsparungen zu Lasten des Personals geführt.
Kliniken sollen deshalb in Zukunft nicht mehr nur nach Fallzahl, sondern auch nach ihrem
gesellschaftlichen Auftrag finanziert werden. Dafür braucht es ein neues
Finanzierungssystem. Wir werden eine Säule der Strukturfinanzierung einführen und den
verbleibenden fallzahlabhängigen Vergütungsteil reformieren. Vielfach herrscht Stillstand
bei den Investitionen in die Krankenhäuser. Das wollen wir ändern, indem Bund und Länder die
Investitionskosten in Zukunft gemeinsam tragen. Der Bund soll dafür die Möglichkeit haben,
gemeinsame bundesweite Grundsätze in der Krankenhausplanung zu definieren. Welche Angebote
es vor Ort gibt, darf nicht davon abhängen, was sich rentiert, sondern soll sich danach
richten, was nötig ist. Die beste Qualität kann zumeist durch Spezialisierung sichergestellt
werden. Krankenhäuser, die durch fehlende Auslastung die nötige Qualität in einigen
Bereichen nicht gewährleisten können, sollen nicht einfach aufgegeben, sondern zu
leistungsfähigen lokalen Notfall-, Gesundheits- und Pflegezentren weiterentwickelt werden.
Notfallversorgung reformieren
Wie gut ein Gesundheitssystem funktioniert, zeig sich oft erst im Notfall – und dann wird es
häufig ernst. Damit die Notfallversorgung in Deutschland besser funktioniert, muss sich
einiges ändern. Das fängt beim Rettungsdienst an, der Menschen in Not heute umfassend
medizinisch behandeln kann und deshalb wie die übrige Gesundheitsversorgung im Gesetz
geregelt werden muss. Die Notrufleitstellen der Nummern 112 und 116117 müssen
organisatorisch zusammengeführt werden, damit es im Zweifelsfall keine Rolle spielt, wo
Menschen anrufen, sondern sie immer die passende Hilfe bekommen. Auch wollen wir, dass
Notaufnahmen gerade nachts und am Wochenende beispielsweise durch kompetente Hausärztinnen
und Hausärzte so unterstützt werden, dass auch weniger ernste Fälle gut versorgt werden
können. Durch einheitliche Stufen und Vorgaben zur Notfallversorgung wollen wir
sicherstellen, dass Menschen in Not, in der Stadt und auf dem Land, stets die erwartbare
Hilfe auch verlässlich vorfinden.
Psychotherapieplätze schaffen
Starke Prävention und angemessene Versorgung – für beides wollen wir die Weichen stellen,
denn psychische Gesundheit ist Fundament für Lebensqualität und soziale Teilhabe. Es ist
nicht zumutbar, dass viele Menschen in einer psychischen Krise monatelang auf therapeutische
Hilfe warten müssen. Wer eine psychische Erkrankung hat, braucht schnelle und leicht
zugängliche Hilfen, damit das Leid sich nicht verschlimmert. Wir wollen deshalb ambulante
Psychotherapieplätze durch mehr Kassenzulassungen von Psychotherapeut*innen schaffen. Es
braucht eine gemeindenahe und personenzentrierte Versorgung und eine verbesserte
sektorübergreifende Zusammenarbeit. Dabei müssen auch die Besonderheiten der Versorgung von
Kindern und Jugendlichen sowie von Frauen, die von Gewalt betroffen sind, berücksichtigt
werden. Hilfsangebote zwischen ambulanter und stationärer Behandlung müssen flexibler werden
und die verschiedenen Berufsgruppen im Team eine miteinander abgestimmte Behandlung
übernehmen können. Bei der unzureichenden Reform der Psychotherapie-Ausbildung muss
nachgebessert werden, sodass angehende Psychotherapeut*innen endlich unter guten Bedingungen
ausgebildet werden.
Geburtshilfe verbessern, Gesundheit von Frauen stärken
Um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, sind Verbesserungen bei der Geburtshilfe und
eine Unterstützung freiberuflicher Hebammen durch eine Reform der Haftpflicht für
Gesundheitsberufe nötig. Wir wollen das Gesundheitssystem geschlechtergerecht machen.
Geschlechtsspezifische Aspekte in Forschung und Ausbildung und in der medizinischen Praxis
werden nicht ausreichend berücksichtigt, etwa bei der Medikamentenforschung. Das gefährdet
die Gesundheit von Frauen wie auch von Trans*- und Inter*-Menschen. Die Forschung zu
geschlechtsspezifischer Medizin und Pflege sowie Frauengesundheit muss gestärkt und in der
medizinischen und pflegerischen Praxis umgesetzt werden. Mit Hilfe einer Frauenquote für
Führungspositionen im Gesundheitswesen und besseren Arbeitsbedingungen holen wir mehr Frauen
in die Führungsgremien unseres Gesundheitswesens.
Zugang zum Gesundheitssystem sichern, Diskriminierung beenden
Auch im Gesundheitswesen wollen wir Diskriminierung bekämpfen. Beispielsweise erhalten
Menschen mit Behinderungen häufig nicht alle dringend benötigten Gesundheitsleistungen,
Hilfsmittel oder häusliche Pflege und werden so in ihrer Teilhabe beschränkt. Deshalb wollen
wir mit einem ressortübergreifenden Inklusionsplan diese Hürden umfassend abbauen, die
Gesundheitsleistungen auf die jeweiligen Bedarfe gezielt ausrichten und bürokratische
Vorgänge so weit wie möglich reduzieren. Das umfasst auch verpflichtende Vorgaben zur
Barrierefreiheit bei der Bedarfsplanung und eine Reform der Heilmittelversorgung. Auch für
LSBTIQ* muss diskriminierungsfreie Gesundheitsversorgung gesichert sein. Dafür werden wir
den Anspruch auf medizinische Maßnahmen für trans- und intergeschlechtliche Menschen
gesetzlich verankern. Die bestehenden Lücken beim Verbot sogenannter „Konversionstherapien“
werden wir schließen. Die Blutspende gestalten wir diskriminierungsfrei. Menschen, die ohne
Papiere in Deutschland leben, müssen ebenfalls Zugang zu guter gesundheitlicher Versorgung
haben, etwa durch einen anonymen Krankenschein, die Abschaffung der Mitteilungs- und
Unterrichtungspflichten an öffentlichen Stellen oder die Stärkung von Beratungsnetzwerken
für Menschen ohne Papiere.
Auf dem Weg zur Bürgerversicherung für Gesundheit und Pflege
Gesetzlich Versicherte warten länger auf Termine bei Fachärzt*innen, und viele privat
Versicherte können sich die hohen Prämien nicht mehr leisten. Von dieser Zwei-Klassen-
Medizin profitieren wenige, zum Nachteil vieler. Unser Ziel ist eine solidarisch finanzierte
Bürgerversicherung, in der jede*r unabhängig vom Einkommen die Versorgung bekommt, die er
oder sie braucht. Die Bürgerversicherung bezieht alle in die Finanzierung eines
leistungsstarken Versicherungssystems ein. Auch Beamte, Selbständige, Unternehmer*innen und
Abgeordnete beteiligen sich mit einkommensabhängigen Beiträgen. Neben Löhnen und Gehältern
sollen Beiträge auf Kapitaleinkommen erhoben werden. Als ersten Schritt verbessern wir die
Versorgung gesetzlich Versicherter – zum Beispiel bei der Erstattung von Brillen. Außerdem
wollen wir die Benachteiligung gesetzlich versicherter Beamt*innen durch einen
beihilfefähigen Tarif beenden und privat Versicherte, die sich nur den Basistarif leisten
können, besser absichern.
Digitalisierung verbessert Gesundheitsversorgung
Wir wollen die Chancen der Digitalisierung – ob Robotik zur Unterstützung in der Pflege,
Telemedizin oder die elektronische Patientenakte – nutzen, um das Gesundheitssystem
zukunftsfähig zu machen. Per App sollen Patient*innen sicher auf den digitalen Impfpass,
Gesundheitsinformationen wie die eigene Blutgruppe, die Krankheitsgeschichte oder die
neuesten Blutwerte zugreifen können. Damit sie den Patient*innen wirklich nützt, muss die
digitale Patientenakte weiterentwickelt werden. Dabei sind unter anderem
Patient*innenorganisationen stärker einzubinden. Gesundheitsdaten sollen anonymisiert der
Forschung zur Verfügung gestellt werden, um die Gesundheitsversorgung in Deutschland zu
verbessern. Eine Weitergabe der Daten erfolgt dabei nicht gegen den Willen der
Patient*innen. Ihre eigenen Gesundheitsdaten müssen für Patient*innen möglichst barrierefrei
und sicher zugänglich sein. Die ärztliche Schweigepflicht und das Patient*innengeheimnis
müssen auch für digitalisierte Gesundheitsdaten jederzeit gewahrt bleiben. Um
administrativen Aufwand für medizinisches und pflegerisches Personal zu verringern und
Innovationen anzureizen, sollen Hersteller von Medizinprodukten und Software offene
Schnittstellen anbieten.
Ambulante Pflege stärken
Wer pflegebedürftig wird, hat die bestmögliche Pflege und Unterstützung für ein
selbstbestimmtes und würdevolles Leben verdient. Gerade in einer alternden Gesellschaft
braucht es dafür überall vielfältige, auf den Bedarf vor Ort angepasste pflegerische
Angebote. Statt weiterer Großeinrichtungen sind mehr ambulante Wohn- und Pflegeformen nötig
– eingebettet in ein Umfeld, das ältere Menschen dabei unterstützt, aktiv am
gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. So wird die Pflege auch für Angehörige einfacher.
Dafür wollen wir die rechtlichen Rahmenbedingungen für Quartierspflege schaffen und den
Kommunen ermöglichen, eine verbindliche Pflegebedarfsplanung vorzunehmen, um das Angebot an
Pflege vor Ort zu gestalten. Ein Bundesprogramm soll eine Anschubfinanzierung für Kommunen
bereitstellen, die sich hier auf den Weg machen. Jemanden zu pflegen verdient unsere
Anerkennung und die Unterstützung der Gesellschaft. Deshalb wollen wir Menschen, die
Verantwortung für Angehörige, Nachbar*innen oder Freund*innen übernehmen, mit der PflegeZeit
Plus besonders unterstützen. Wir ermöglichen damit allen Erwerbstätigen eine bis zu
dreimonatige Freistellung sowie eine Lohnersatzleistung, die befristet auch anschließende
Arbeitszeitreduzierungen finanziell abfedert.
Eine doppelte Pflegegarantie
Pflegebedürftige und ihre Angehörigen müssen immer mehr eigenes Geld für ihre Versorgung
aufbringen. Wir wollen, dass Pflegebedürftige die für sie notwendigen Pflegeleistungen
erhalten, ohne von Armut bedroht zu sein. Mit einer doppelten Pflegegarantie wollen wir die
Eigenanteile schnell senken und dauerhaft deckeln. So garantieren wir, dass die selbst
aufzubringenden Kosten verlässlich planbar werden. Die Pflegeversicherung soll alle über
diesen Betrag hinausgehenden Kosten für eine bedarfsgerechte Pflege tragen. Mit einer
solidarischen Pflege-Bürgerversicherung wollen wir dafür sorgen, dass sich alle mit
einkommensabhängigen Beiträgen an der Finanzierung des Pflegerisikos beteiligen.
Pflege aus dem Notstand führen, Arbeitsbedingungen im
Gesundheitswesen verbessern
Pflegekräfte leisten einen unschätzbaren Beitrag für unsere Gesellschaft. Menschen, die im
Alter oder bei Krankheit Unterstützung brauchen, wünschen sich zu Recht Pflegekräfte, die
sich mit Sorgfalt um sie kümmern können. Dafür brauchen Pflegekräfte Zeit für die
Patient*innen und gute Arbeitsbedingungen. Das geht nur mit mehr Kolleg*innen. Wir wollen
durch verbindliche Personalbemessung – auch in der Langzeitpflege –, die bessere
Vereinbarkeit von Beruf und Familie, mehr eigenverantwortliche Arbeit von Fachkräften und
die Einführung der 35-Stunden-Woche in der Pflege Arbeitsbedingungen schaffen, unter denen
viele Menschen – ganz neu, weiter oder wieder – gerne in der Pflege arbeiten. Die Ausnahmen
im Arbeitszeitgesetz für den Gesundheitsbereich wollen wir beschränken, um Überlastung zu
verhindern und den Personalverlust in Krankenhäusern einzudämmen. Doch Wertschätzung braucht
auch Löhne, die sie bezeugen – am besten über gute Tarifverträge. Wir wollen die gesetzliche
Pflegeversicherung verpflichten, nur noch mit Anbietern zusammenzuarbeiten, die nach Tarif
bezahlen. Die Selbstorganisation und die Einflussmöglichkeiten der professionellen Pflege
wollen wir durch den Aufbau einer Bundespflegekammer unterstützen.
Ein Cannabiskontrollgesetz
Wir stellen Gesundheits- und Jugendschutz in den Mittelpunkt der Drogenpolitik. Doch auf dem
Schwarzmarkt gilt kein Jugendschutz, stattdessen schafft er zusätzliche gesundheitliche
Gefahren. Das Verbot von Cannabis richtet mehr Schaden an, als dass es nützt. Wir setzen auf
wirksame Prävention, auf Entkriminalisierung und Selbstbestimmung. Deshalb werden wir mit
einem Cannabiskontrollgesetz das bestehende Cannabisverbot aufheben und einen kontrollierten
und legalen Verkauf von Cannabis in lizenzierten Fachgeschäften ermöglichen. Darüber hinaus
wollen wir niedrigschwelliges Drugchecking für psychoaktive Substanzen und andere Maßnahmen
zur Schadensminimierung wie die Ausgabe sauberer Spritzen bundesweit ermöglichen, damit
Konsument*innen nicht durch gefährliche Inhaltsstoffe oder schmutzige Spritzen zusätzlich
gefährdet werden. Das heutige Betäubungsmittelrecht evaluieren wir auf seine Wirkungen hin.
Wir schaffen bezahlbaren Wohnraum
Ein Recht auf Wohnen ins Grundgesetz
Alle Menschen brauchen angemessenen Wohnraum. Wohnen ist ein Recht. Aber es wird immer
schwieriger, überhaupt Wohnungen zu finden. Und die Mieten und Immobilienpreise steigen
vielerorts immer noch weiter. Großstädte teilen sich immer stärker in Einkommensstadtteile
auf, Innenstädten geht das Leben verloren. Deshalb gilt es zu handeln, damit gerade auch
Familien und Alleinerziehende, Studierende, Menschen mit Behinderungen, ältere Menschen oder
Geringverdiener*innen nicht in Bedrängnis geraten, sondern weiter gut und sicher wohnen
können. Wir wollen das Recht auf Wohnen ins Grundgesetz aufnehmen. Knapp 700.000 Menschen
sind derzeit wohnungslos in Deutschland, mehr und mehr Familien. Um diesen Zustand zu
beenden, wollen wir ein Nationales Aktionsprogramm zur Vermeidung und Bewältigung von
Wohnungs- und Obdachlosigkeit auflegen.
Krisenbedingte Wohnungsverluste verhindern
Wir wollen Mieter*innen entlasten und vor einem krisenbedingten Verlust der eigenen Wohnung
bewahren. Die Möglichkeit, die Miete nachzuzahlen, soll Zwangsräumungen verhindern. Bei
krisenbedingten Einkommensausfällen soll ein Programm der KfW Bank („Sicher-Wohnen-Fonds“)
eine finanzielle Unterstützung von Mieter*innen sicherstellen. Vermieter*innen, die auf
diese Mietzahlungen angewiesen sind, sollten dann eine staatliche Unterstützung erhalten.
Neue Gemeinnützigkeit für sozialen Wohnraum
Wir wollen neuen Wohnraum schaffen – und zwar vor allem familiengerecht, öffentlich und
gemeinwohlorientiert. Stattdessen gehen immer noch viele weitere Sozialwohnungen verloren –
rund 100 jeden Tag. Unser Vorbild ist die Stadt Wien, die mit ihrem großen Anteil an
gemeinnützigem und für breite Schichten bezahlbarem Wohnraum eine ausgewogene Mischung
sicherstellt. Wir werden deshalb die Mittel für den sozialen Wohnungsbau deutlich erhöhen
und verstetigen, statt sie zu kürzen. Wir werden die Kommunen unterstützen, ihre bestehenden
Wohnungsgesellschaften zu stärken und neue zu gründen. Dazu wollen wir mit einem
Bundesprogramm „Neue Wohngemeinnützigkeit“ für eine Million zusätzliche, günstige
Mietwohnungen in den Ballungsräumen sorgen, sicher und auf Dauer. Die noch vorhandenen
bundeseigenen Bestände sollen nicht mehr an private Investor*innen veräußert, sondern
ausschließlich verbilligt an Kommunen mit einer dauerhaften Sozialbindung abgegeben werden.
So wollen wir in den nächsten zehn Jahren den Bestand an Sozialwohnungen um eine Million
erhöhen.
Starke Mieter*innen, faire Mieten
Viele Menschen geben einen immer größeren Anteil ihres Einkommens für ihre Wohnung aus,
viele können sich ihre Mieten nicht mehr leisten. Unser Ziel sind deshalb faire und
bezahlbare Mieten und starke Rechte für Mieter*innen. Konkret wollen wir Mietobergrenzen im
Bestand mit einem Bundesgesetz ermöglichen und die Mietpreisbremse entfristen und
nachschärfen. Reguläre Mieterhöhungen sollen auf 2,5 Prozent im Jahr innerhalb des
Mietspiegels begrenzt werden. Dazu wollen wir qualifizierte Mietspiegel stärken, verbreiten
und rechtssicher ausgestalten. Zur Berechnung sollen die Mietverträge der letzten 20 Jahre
herangezogen werden. Wir streben an, die Modernisierungsumlage weiter abzusenken und auf
maximal 1,50 Euro pro Quadratmeter zu begrenzen, damit energetische Sanierungen
perspektivisch warmmietenneutral möglich sind. Außerdem wollen wir es Mieter*innen
erleichtern, ihre Wohnungen samt den bestehenden Verträgen zu tauschen. Das
Umwandlungsverbot im Baugesetzbuch und den Milieuschutz auszuweiten sind weitere
Instrumente. Dazu stärken wir das kommunale Vorkaufsrecht, und Mietwucher muss – nach § 5
Wirtschaftsstrafgesetz – auch tatsächlich geahndet werden.
Spekulation mit Bauland und Geldwäsche am Wohnungsmarkt beenden
Wohnen ist ein soziales Grundrecht und der Wohnungsmarkt kein Ort für Spekulant*innen. Zu
häufig werden Immobilien zur Geldwäsche genutzt, das gilt es zu beenden. Ein entscheidender
Hebel ist Transparenz. Deshalb planen wir, ein Immobilienregister der Eigentümer*innen
einzuführen, die Grundbücher bei begründetem Interesse kostenfrei zugänglich zu machen und
Bargeld beim Immobilienverkauf zu verbieten. Außerdem wollen wir den Missbrauch von
sogenannten „Share Deals“ zur Steuerumgehung beenden und setzen auf eine anteilige
Besteuerung des Immobilienbesitzes bei Unternehmensverkäufen. Die Spekulation mit Bauland
soll unterbunden werden. Wenn in Kommunen große Wohnungsnot herrscht, kann sich daraus eine
Pflicht für Eigentümer*innen ergeben, Grundstücke zu bebauen, statt auf höhere Preise zu
spekulieren. Auch gegen Fehlnutzungen und spekulativen Leerstand von Wohnraum werden wir
vorgehen.
Grund und Boden gemeinwohlorientiert
Boden unterscheidet sich von anderen Gütern, weil er prinzipiell nicht vermehrbar ist. Bei
Fehlentwicklungen ergibt sich hieraus eine besondere Verpflichtung, staatlich einzugreifen.
Knappheit von und Spekulation mit Boden führt zu steigenden Preisen und Mieten. Wir wollen
erreichen, dass die öffentliche Hand wieder eine strategische Bodenpolitik betreibt. Der
Bund soll seine eigenen Immobilien nicht länger meistbietend verkaufen, sondern gezielt die
Schaffung von bezahlbarem und nachhaltigem Wohnraum fördern. Dafür wollen wir die
Bundesanstalt für Immobilienaufgaben in einen gemeinnützigen Bodenfonds umwandeln. Der Fonds
kauft neue Flächen strategisch zu und überträgt sie an gemeinwohlorientierte Träger. Die
Flächen sollen bevorzugt in Erbpacht vergeben werden, um Sozialwohnungen dauerhaft sichern
zu können. Werden sie veräußert, sollen Kommunen und kommunale Wohnungsgesellschaften ein
Erstzugriffsrecht erhalten. Die Einnahmen des Fonds fließen nicht in den Haushalt, sondern
werden für den Zukauf weiterer Flächen verwendet.
Erwerb von Wohneigentum erleichtern
Wohneigentum ist für viele Menschen ein Lebenstraum, der wegen explodierender
Immobilienpreise in den meisten Regionen des Landes immer schwerer zu erfüllen ist. Wir
wollen den Erwerb von Wohneigentum erleichtern. Deshalb soll das Prinzip „wer den Makler
bestellt, bezahlt“ genauso für Immobilienkäufe eingeführt werden, so wie es für
Maklerprovisionen bei Vermietungen bereits gilt. Wir streben an, die Courtage auf 2 Prozent
zu begrenzen, damit sie nicht auf verstecktem Weg zu noch höheren Kaufpreisen führt. Dazu
wollen wir die Kaufnebenkosten weiter senken, indem wir es den Ländern ermöglichen, den
Steuersatz der Grunderwerbssteuer beispielsweise für große Wohnungsunternehmen zu erhöhen
und für private Käufer*innen zu senken. Wir wollen Mietkauf für selbstgenutztes Wohneigentum
über die Länder und Kommunen fördern, auch den Kauf und die Modernisierung leerstehender
Wohnungen und Ausbauten zu günstigem Wohnraum unterstützen wir. Beteiligungen an
Genossenschaften und den gemeinschaftlichen Erwerb durch Mieter*innen wollen wir
unterstützen, zum Beispiel indem wir günstige Kredite oder Bürgschaften gewähren.
Ressourcenschonendes und nachhaltiges Bauen vorantreiben
Wir können die Klimaziele nur mit einer Bauwende hin zu ressourcenschonendem und
nachhaltigem Bauen erreichen. Bei Städtebau und Gebäudeplanung sind Stoff- und
Energieverbrauch bei Herstellung und Betrieb sowie das spätere Recycling durchgängig für
alle Gebäude zu berücksichtigen. Konkret setzen wir auf ein Gebäude-Ressourcen-Gesetz und
eine Holzbaustrategie, damit wir mit mehr nachwachsenden Rohstoffen bauen können. Wir
fördern außerdem die Digitalisierung der Planung am Bau. Um den Flächenverbrauch zu
reduzieren, setzen wir auf behutsame Nachverdichtung und unterstützen die Kommunen dabei mit
Förderprogrammen.
Wir investieren in lebenswerte Dörfer und Städte
Regionale Daseinsvorsorge stärken
Gleichwertige Lebensverhältnisse sind eine Voraussetzung für gutes, selbstbestimmtes Leben
überall im Land. Einschränkungen gibt es vielerorts, häufig unterscheiden sie sich von
Region zu Region: Hier fehlt ein Zentrum im Dorf, dort schließen in der Kleinstadt die
Schwimmbäder, und auf dem Land ist das Internet zu langsam. Unser Ziel ist es, dass
individuelle Entfaltung, demokratische Teilhabe und gesellschaftliches Engagement überall im
Land möglich sind, auch in strukturschwachen Regionen. Hier brauchen wir gute Infrastruktur
und den Zugang zu öffentlichen Gütern in den Kommunen. Deshalb wollen wir gemeinsam mit Bund
und Ländern eine neue Gemeinschaftsaufgabe „Regionale Daseinsvorsorge“ im Grundgesetz
einführen. Regionen, die heute mit großen Versorgungsproblemen zu kämpfen haben, sollen
wieder investieren und gestalten können. Ziel ist, anhand von regionalen Indikatoren in
allen Bundesländern Förderregionen auszuwählen und die Zusammenarbeit der Kommunen in diesen
Regionen zu unterstützen. Mit Regionalbudgets geben wir Bürger*innen und Akteur*innen vor
Ort die Möglichkeit, ihre Entwicklungsstrategien und Ziele selbst zu bestimmen. Für zentrale
Versorgungsbereiche wie Gesundheit, Mobilität und Breitband wollen wir nötige
Mindeststandards formulieren. Eine inklusive und solidarische Gesellschaft braucht Orte des
Miteinanders, Orte gegen die Einsamkeit, Orte des gesellschaftlichen Zusammenhalts. Das kann
ein Marktplatz sein oder ein Familienzentrum, die Stadtteilbibliothek, der Skatepark, der
Kulturbahnhof. Wir wollen eine Bundesstrategie „Orte des Zusammenhalts“ auf den Weg bringen.
Mit der gezielten Ansiedelung von neuen Forschungsinstituten und Bundeseinrichtungen, vor
allem in Ostdeutschland, können wir strukturschwachen Regionen wichtige Impulse geben.
Außerdem unterstützen wir die Idee der Errichtung eines „Zukunftszentrums für Deutsche
Einheit und Europäische Transformation“.
Solide Finanzausstattung für Kommunen
Für eine starke kommunale Selbstverwaltung und eine belastbare öffentliche Daseinsvorsorge
braucht es eine solide Finanzausstattung. Viele Kommunen schaffen es jedoch nicht einmal
mehr, den ihnen übertragenen Pflichtaufgaben wie etwa der Reparatur von Gemeindestraßen oder
der Schulsanierung nachzukommen. Sie waren bereits vor der Corona-Krise finanzschwach oder
verschuldet und ihr Handlungsspielraum verkleinert sich zunehmend. Das spüren die Menschen
vor Ort unmittelbar. Wenn keine Finanzmittel für freiwillige Leistungen wie Sport- oder
Kultureinrichtungen und deren Erhaltung übrig ist, hat das Auswirkungen auf das
gemeinschaftliche Leben in den Kommunen und auf das Vertrauen in den Staat. Wir wollen die
Gemeindefinanzen besser und krisenfester aufstellen. Dazu gehört eine faire Unterstützung
bei den kommunalen Altschulden und bei gemeindlichen Corona-bedingten Steuerausfällen. Wir
wollen mehr kommunale Investitionen ermöglichen, beispielsweise in Klimaschutz, die
Verkehrswende und Kultureinrichtungen. Dafür soll der Zugang zu Fördermitteln einfacher und
unbürokratischer werden und sollen die Hürden für die Teilnahme besonders für finanzschwache
Kommunen gesenkt werden. Wir wollen, dass Bund und Länder den Kommunen mit einer gemeinsamen
Kompetenzagentur für Förderpolitik und Investitionen mit Rat und Tat zur Seite stehen und
die Umsetzung von Projekten ermöglichen.
Innenstädte retten
Innenstädte und Ortskerne, die man gerne besucht, in denen man verweilt und andere Menschen
trifft, tragen enorm zu unserer Lebensqualität bei. Sie bieten kulturellen Austausch und
geben dem Leben in Stadt und Land eine Bühne. Wir wollen Stadtzentren und Ortskerne
lebenswerter und attraktiver machen. Eine kluge Stadtentwicklungspolitik, nachhaltige
Verkehrskonzepte und ein Städtebaunotfallfonds sind die besten Voraussetzungen, dass auch
der Einzelhandel dort eine Zukunft hat. Dafür wollen wir die Städtebauförderung neu
ausrichten: für schönere Städte, mehr Stadtgrün und Wasserflächen, damit man auch in Zeiten
immer heißerer Sommer gut in der Stadt leben kann. Mit zusätzlichen Mitteln für Smart-City-
Projekte unterstützen wir den Aufbau unabhängiger digitaler Plattformen, mit denen der
örtliche Einzelhandel attraktivere Angebote machen kann. Dazu arbeiten wir gegen Verdrängung
und Leerstand an. Eine Million neue gemeinnützige Wohnungen sollen in den nächsten Jahren in
unseren Städten entstehen. Kleineren Gewerben, sozialen und Kulturprojekten, Clubs und
Handwerker*innen wollen wir mit einem Gewerbemietrecht und über das Baurecht eine zentrale
Lage in den Städten ermöglichen. Bundeseigene Immobilien sollen zukünftig nur noch an
gemeinnützige, öffentliche oder am Gemeinwohl orientierte Träger abgegeben werden.
Ländlich leben, digital arbeiten
Das Leben auf dem Land und im Dorf hat viel zu bieten. Gründer*innen, Familien oder
Freischaffende – alle brauchen schnelles Internet für ihr Leben. Eine ausreichend schnelle
Breitband- und Mobilfunkversorgung gehört zur Daseinsvorsorge, deshalb werden wir einen
Rechtsanspruch darauf einführen. Wir schaffen Ankommens- und Bleibeperspektiven für Jung und
Alt. Über die Gemeinschaftsaufgabe für Agrar- und Küstenschutz fördern wir Wohnprojekte für
alle Generationen, Co-Working, die Aktivierung von Leerstand sowie gemeinschaftliche und
genossenschaftliche Wohnformen. Bahnhofsgebäude wollen wir als gemeinwohlorientierte Räume
zu einladenden Mobilitätsknotenpunkten weiterentwickeln und attraktiver machen. Damit
verknüpfen wir die Bahn mit den Ortschaften. Wir unterstützen die Landesprogramme zu
Markttreffs: wenn zum Beispiel Supermärkte ihre Flächen so umbauen, dass sie Café, Bank- und
Postfiliale integrieren. Kommunen sollen Zuschüsse bekommen, wenn sie öffentliche
Einrichtungen, Sporthalle, Bibliothek, Spielplatz, Working-Space oder Kino unter dem Dach
eines Kulturzentrums zusammenfassen.
Schnelles Internet überall
Mit weniger als zwei Millionen aktiven Glasfaser-Anschlüssen steht Deutschland im OECD-
Vergleich sehr schlecht da. Egal ob Stadt oder Land, ob mobiles Arbeiten oder Heimunterricht
– schnelles Internet ist die Voraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe und gleichwertige
Lebensverhältnisse. Mit einem Breitband-Universaldienst wollen wir einen Rechtsanspruch auf
schnelles Internet für alle schaffen, der sich nicht am Minimalstandard, sondern an den
Nutzungsgewohnheiten der Mehrheit orientiert. Wir sorgen dafür, dass Blockaden bei der
Abrufung der Fördergelder für den Netzausbau abgebaut werden und dann auch zügig gebaut
wird. Und wir machen Schluss mit der Bandbreiten-Schummelei: Wenn
Telekommunikationsunternehmen nicht die versprochenen Download-Geschwindigkeiten liefern,
soll es unkomplizierten pauschalierten Schadenersatz und hohe Bußgelder geben. Beim
Mobilfunkausbau gilt es eine flächendeckende Versorgung sicherzustellen, egal in welchem
Netz man surft. Wo die Anbieter keine Kooperationsvereinbarungen schließen, um Funklöcher zu
schließen, muss notfalls lokales Roaming angeordnet werden, natürlich mit entsprechender
Vergütung. Bei zukünftigen Frequenzversteigerungen sollen die Versorgungsauflagen für die
Fläche so angepasst werden, dass sie mit dem steigenden Bedarf Schritt halten – insbesondere
entlang von Bahnstrecken und Straßen.
Selbstbestimmt im Alter, in Stadt und Land
Wir wollen Selbstbestimmung auch im Alter ermöglichen. Wir wollen den Abbau von Barrieren in
Wohnungen und im Wohnumfeld stärker finanziell fördern und somit älteren Menschen
ermöglichen, länger als bisher in ihrem vertrauten Quartier selbstbestimmt wohnen zu
bleiben. Gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht Selbstbestimmung. Das wollen wir mit einem
Programm fördern, bei dem Ansprechstellen und Gemeindezentren über altersgerechtes Wohnen,
Weiterbildungsangebote, Pflege und soziale Sicherung sowie Möglichkeiten, sich im Dorf oder
im Stadtteil zu engagieren, informieren. Zur Selbstbestimmung gehört auch, den eigenen
Bedürfnissen entsprechend mobil zu sein, unabhängig vom eigenen Pkw. Dafür muss das
Nahverkehrsangebot in den Städten ausgebaut und auf dem Land erhalten bzw. intelligent
vernetzt werden. Es braucht flächendeckend barrierefreie Zugänge zu allen öffentlichen
Verkehrsmitteln, und die Wege zu ÖPNV und Nahversorgung sollen mit genügend Möglichkeiten
zum Ausruhen und „Kräftesammeln“ ausgestattet werden.
weitere Antragsteller*innen
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werden. Wir investieren in Gesundheitsforschung, zum Beispiel bei Medikamenten oder der Entwicklung neuer Testverfahren. Öffentliche Förderung für Medikamenten- und Impfstoffforschung knüpfen wir an gemeinwohlorientierte Bedingungen, wie Preisgarantien oder die Teilhabe am geistigen Eigentum, um den weltweiten Zugang zu resultierenden Gesundheitsprodukten zu verbessern.Auch die Produktion von Medikamenten und Medizinprodukten soll – in europäischer Kooperation – vorangetrieben werden, die Versorgung, zum Beispiel mit
Die Pandemie hat uns gezeigt, was eine Gesellschaft stark macht – dass man sich unterhakt
und einander vertraut. Sie hat uns spüren lassen, wie kostbar Gemeinsamkeit für unser
individuelles Glück ist, wie sehr wir andere Menschen brauchen und wie groß die Gefahr ist,
wenn eine Gesellschaft auseinanderdriftet. Diese alte und doch noch mal neu erlebte
Erfahrung ist Auftrag, Solidarität und Schutz in konkrete, bessere Politik zu übersetzen.
Wir wollen alles dafür tun, die Bedingungen für ein gutes Leben – von Kindesbeinen an – zu
verbessern: materielle Sicherheit, Chancen und Teilhabe zu garantieren und ein
Sicherheitsversprechen zu geben, das umso stärker ist, je mehr Unterstützung gebraucht wird.
Freiheitsrechte bleiben ein Privileg von wenigen, wenn die sozialen Voraussetzungen dafür
nicht für alle gewährleistet werden. Gesellschaften ohne existenzielle Not sind
krisenfester, solidarische und gleichberechtigte Gesellschaften stärker.
Corona hat uns schonungslos die Stärken und Schwächen unseres Sozialstaates vor Augen
geführt: wie wichtig ein robustes Gesundheitssystem für alle ist. Wie zentral eine
Wirtschaftskraft ist, die für gesellschaftlichen Wohlstand und damit einen Sozialstaat
sorgt, der Menschen bei Jobverlust oder Wirtschaftseinbruch vor Obdachlosigkeit bewahrt. Sie
hat aber zugleich bestehende Ungleichheiten verschärft. Wer arm ist, wird schneller krank.
Frauen tragen eine besondere Last in den systemrelevanten Berufen der Pflege, der Erziehung
und im Einzelhandel, sind aber deutlich schlechter bezahlt und in Entscheidungsprozessen
weniger repräsentiert. Selbständige, die ohnehin schon größere Risiken eingehen, stürzen
ohne Verdienst in Existenzangst oder -not. Wer die Kinder allein erzieht, ist durch
Kinderbetreuung, Homeschooling und Homeoffice noch mal mehr gefordert. Die Pandemie hat uns
auf unsere individuellen Lebensumstände zurückgeworfen. Wenn die Wohnung eng ist, der Garten
fehlt, aber die Schwimmhalle dicht ist, ist es dreifach schwer. Einsamkeit wird größer.
Jetzt ist die Zeit, die richtigen Lehren zu ziehen. Der Weg aus der Pandemie muss zu einem
neuen sozialen Sicherheitsversprechen führen. Wir wollen Schritt für Schritt die sozialen
Systeme so verändern, dass sie allen Menschen Sicherheit und Halt geben, auch in Zeiten
persönlicher und gesellschaftlicher Umbrüche, und ihnen Teilhabe ermöglichen. Unsere
Bibliotheken und Bolzplätze, Sport- und Musikvereine, Theater und Jugendzentren – kurz,
unsere öffentlichen und sozialen Orte – sollten zu den schönsten und stärksten Räumen des
Miteinanders werden.
Glück und Chancen dürfen nicht davon abhängen, ob man im Norden oder Süden, Osten oder
Westen, in der Stadt oder auf dem Land lebt, entsprechend sind gleichwertige
Lebensverhältnisse Verfassungsgrundsatz. Wir setzen alles daran, aus diesem oftmals noch
unerfüllten Anspruch Realität zu machen. Wer auf dem Land wohnt, braucht genauso einen
Zugang zu Ärzt*innen, schnellem Internet, öffentlicher Daseinsvorsorge wie Städter*innen.
Und wer in der Stadt lebt, muss auch dort guten und bezahlbaren Wohnraum finden können.
Wohnen ist die soziale Frage unserer Zeit und für viele Menschen, viele Familien bis weit in
die Mittelschicht hinein eine der Existenz.
Unser Gesundheitssystem soll allen eine gleichwertige Gesundheitsversorgung garantieren,
aber es klaffen Lücken: Gesundheitsämter wurden kaputtgespart, in Krankenhäusern und der
Verwaltung fehlt Personal, die, die da sind, arbeiten am Anschlag. Wir wollen die Vorzeichen
ändern und Vorsorge zum Leitprinzip machen: Kliniken sollen ihrem gesellschaftlichen Auftrag
entsprechend finanziert werden, auch auf dem Land braucht es Zugang zu Geburtshilfe und
Notfallhilfen. In der Pflege setzen wir uns ein für bessere Arbeitsbedingungen, mehr
Personal, Sicherheit für Menschen, die Pflege benötigen, und für diejenigen, die Angehörige
oder Freund*innen pflegen.
Digitalisierung, globaler Wettbewerb und der nötige Umbau der Wirtschaft bedeuten für viele
Menschen große Veränderungen, die mit der Angst vor Verlusten einhergehen. Aber Angst lähmt
und macht mürbe. Menschen benötigen auch im Übergang Sicherheit. Es gilt die Risiken
abzusichern und Perspektiven zu geben, etwa durch eine Arbeitsversicherung und durch
Weiterbildung. Starke Tarifpartner, starke Gewerkschaften und demokratische Mitbestimmung
können ebenfalls dazu beitragen, die großen Herausforderungen beim Übergang in eine sozial-
ökologische Marktwirtschaft gemeinsam zu bewältigen. Wir werden zeigen, dass Transformation
und Digitalisierung hin zu einem klimagerechten Wohlstand zukunftsfähige Jobs schaffen, mit
guten Arbeitsbedingungen und gerecht verteilter Arbeit.
Wir fördern Kinder, Jugendliche und Familien
Kinder in den Mittelpunkt
Kinder müssen sich bestmöglich und frei entfalten können. Dabei haben sie ein Recht auf
besonderen Schutz, Förderung und Beteiligung. Kinder sind keine kleinen Erwachsenen, sondern
haben ganz eigene Bedürfnisse, die bei Entscheidungen angehört, mitgedacht und abgewogen
werden müssen. Wir werden deshalb sicherstellen, dass das Wohl von Kindern bei staatlichen
Entscheidungen ein größeres Gewicht bekommt. Deshalb müssen starke Kinderrechte entlang der
Grundprinzipien der UN-Kinderrechtskonvention ins Grundgesetz. Mit einem Nationalen
Aktionsplan für Kinder- und Jugendbeteiligung wollen wir sicherstellen, dass alle Kinder und
Jugendlichen über ihre Rechte informiert sind und unabhängig vom soziokulturellen
Hintergrund, altersgerecht und niedrigschwellig Beteiligung leben können. Die Jugendarbeit
spielt hierbei eine wichtige Rolle, darum wollen wir die Jugendverbände mit einem
Verbandsklagerecht gegenüber Kommunen stärken. Werdende Demokrat*innen brauchen Mitmach- und
Medienkompetenz sowie politische Bildung, die wir als Querschnittsaufgaben in Kitas, Schulen
und Jugendhilfe konzeptionell und finanziell stärken. Beim Aufbau oder der Auswahl von
Angeboten im Sozialraum, bei allen Bau- und Wohnumfeldmaßnahmen, die Kinder und Jugendliche
betreffen, werden wir sie beteiligen, ihr Wohl sichern und dies im Baugesetzbuch
berücksichtigen.
Eine Kindergrundsicherung gegen Kinderarmut
In einem reichen Land wie Deutschland darf kein Kind in Armut aufwachsen – doch vor allem
bei Alleinerziehenden oder Geringverdienenden mit Kindern reicht das Geld oft vorn und
hinten nicht. Jedes Kind verdient unsere Unterstützung. Daher wollen wir Familien stärken
mit einer einfachen und gerechten Kinder- und Familienförderung: der Kindergrundsicherung.
Unser Vorschlag: Kindergeld, Kinderzuschlag, das Sozialgeld für Kinder und die Bedarfe für
Bildung und Teilhabe in eine neue eigenständige Leistung zusammenzufassen. Mit der
Kindergrundsicherung bekommt jedes Kind einen festen Garantie-Betrag, Kinder in Familien mit
geringen oder gar keinem Einkommen bekommen zusätzlich noch einen GarantiePlus-Betrag. Je
niedriger das Familieneinkommen, desto höher der GarantiePlus-Betrag. Nach einmaliger
Beantragung bei Geburt wird die Höhe der Kindergrundsicherung automatisch berechnet und
ausgezahlt. So kommt die Kindergrundsicherung garantiert bei jedem Kind an und Schritt für
Schritt beenden wir Kinderarmut. Sie ist gerecht, denn Kinder, die mehr brauchen, bekommen
auch mehr. Die Kindergrundsicherung verbinden wir mit einer Neuermittlung dessen, was Kinder
zum Leben brauchen.
Kinder- und Jugendhilfe für alle Kinder
Ob Kita, Hortbetreuung, Familienberatung, Hilfen zur Erziehung oder Angebote der
Jugendarbeit – die Kinder- und Jugendhilfe begleitet Familien beim Aufwachsen der Kinder.
Sozialarbeiter*innen und Pädagog*innen leisten dabei unter hohem Zeit- und Arbeitsdruck
Enormes. Durch gesetzliche Vorgaben zur Personalplanung wollen wir für besser ausgestattete
Jugendämter und Entlastung der Fachkräfte sorgen. Leistungsansprüche von Kindern und
Jugendlichen mit körperlichen und geistigen Behinderungen werden bisher in einem eigenen
Sozialgesetzbuch für Menschen mit Behinderungen geregelt. Das grenzt aus. Mit einem
Bundesinklusionsgesetz soll sichergestellt werden, dass alle Angebote der Kinder- und
Jugendhilfe künftig so ausgestaltet sind, dass sie sich auch an Kinder und Jugendliche mit
Behinderungen und ihre Eltern richten. Wir wollen auf dem eingeschlagenen Weg hin zu einem
inklusiven SGB VIII zügiger voranschreiten. Daher werden wir die Länder und Kommunen, die
bereits vor Umsetzung des Bundesinklusionsgesetzes alle Kinder unter dem Dach der
Jugendhilfe vereinen wollen, mit einem Bundesmodellprogramm unterstützen. So können
wertvolle Anregungen für den bundesweiten Umstrukturierungsprozess gewonnen werden.
Teilhabe und Schutz in der digitalen Welt
Kinder und Jugendliche wachsen als Digital Natives auf, sie sollen sicher und selbstbestimmt
mit Tablets, Smartphones und Co. umgehen können. Wir stärken die digitale Bildung als
Gemeinschaftsaufgabe von Eltern, Kitas, Schulen und der Jugendhilfe, mit Fortbildungen für
Fachkräfte und Unterstützungsangeboten für Eltern. Alle sollen digitale Kompetenzen erwerben
können, das geht nur mit entsprechender Hardware: Kinder in Familien im Hartz-IV- oder
Kinderzuschlags-Bezug sollen für die Schule einen Laptop erhalten, wenn sie diesen
benötigen. Kinder und Jugendliche brauchen im Netz besonderen Schutz vor Straftaten wie
Hassrede, Cybergrooming oder sexualisierter Gewalt, dem Mobbing im Netz wollen wir einen
Riegel vorschieben. Dafür setzen wir auf eine Präventionsstrategie, mit verpflichtenden
sicheren Voreinstellungen für Plattformen und leicht auffindbaren Beschwerdemöglichkeiten.
Vor kommerziellem Sammeln ihrer Daten durch private Anbieter werden wir Kinder schützen.
Kinder vor sexualisierter Gewalt schützen
Für viele Kinder und Jugendliche ist sexualisierte Gewalt leidvoller Alltag. Dagegen gehen
wir hart vor – mit starker Prävention, konsequenter Strafverfolgung und einem Maßnahmenpaket
zur Qualitätssicherung und zum Kinderschutz in familiengerichtlichen Verfahren. Das oberste
Ziel ist es, Taten zu verhindern. Dafür braucht es Aufklärung, Qualifizierung und gelebte
Schutzkonzepte überall dort, wo Kinder und Jugendliche sich aufhalten und betreut werden.
Basiswissen über Kinderrechte, insbesondere Beteiligung, Schutz bei Kindeswohlgefährdung und
Missbrauch gehören in die Curricula für Jura, Medizin, Pädagogik und Polizei. Die
Fortbildungspflicht für Familienrichter*innen und die Anforderungen an die Qualifikation von
Verfahrensbeiständen sind klar gesetzlich zu regeln. Die wichtige Arbeit des Unabhängigen
Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs werden wir auf eine gesetzliche
Grundlage stellen und damit dauerhaft absichern. Wir werden bundesweit spezialisierte
Fachberatungsstellen und telefonische sowie Online-Beratungsangebote finanziell absichern.
Mehr Zeit für Familien
Den Kopf frei haben für die Familie, die Kinder, auch wenn sie krank sind, das ist unser
Ziel. Mit der KinderZeit Plus wollen wir das Elterngeld auf 24 Monate ausweiten: pro
Elternteil je acht Monate, weitere acht Monate können flexibel untereinander aufgeteilt
werden. Wird die KinderZeit Plus Teilzeit in Anspruch genommen, verlängert dies entsprechend
den Bezugszeitraum. Sie kann bis zum 14. Geburtstag des Kindes genommen werden, denn auch
bei älteren Kindern kann mehr Aufmerksamkeit nötig sein. Wir unterstützen Eltern dabei,
Familie und Arbeit mit einer neuen Arbeitszeitkultur und einem flexiblen Vollzeitkorridor in
eine ausgewogene Balance zu bringen, Familienarbeit partnerschaftlich zu teilen und
Teilzeitfallen zu vermeiden. Niemand soll sich zwischen Kind und Job entscheiden müssen,
darum soll der Anspruch auf ein Kinderkrankengeld auf 15 Tage im Jahr pro Kind und
Elternteil steigen, Alleinerziehende bekommen 30 Tage. Weil gerade in den ersten beiden
Lebensjahren viele Infekte mitgenommen werden, sollte es in dieser Zeit einen zusätzlichen
erhöhten Anspruch auf Kinderkrankengeld geben. Die Altersgrenze wollen wir auch hier auf 14
Jahre anheben, ein ärztliches Attest wird erst ab dem vierten Erkrankungstag des Kindes
verpflichtend. Für die besondere Zeit direkt nach der Geburt wollen wir neben dem
Mutterschutz auch für den zweiten Elternteil eine 14-tägige Freistellung einrichten.
Alleinerziehenden den Rücken stärken
Alleinerziehende leisten enorm viel und sind dennoch besonders oft von Armut bedroht. Mit
der Kindergrundsicherung helfen wir mehrfach: Mit der Neuermittlung der Mindestbedarfe von
Kindern steigt auch der Mindestunterhalt. Und anders als beim heutigen Kindergeld soll nur
die Hälfte auf den Unterhaltsvorschuss angerechnet werden. Nach einer Trennung soll es bei
der Betreuung nicht zusätzlich knirschen, darum werden Mehrkosten für die Ausübung des
Umgangs, egal nach welchem Modell, angemessen berücksichtigt. Für Eltern im
Grundsicherungsbezug wollen wir einen Umgangsmehrbedarf einführen. Ob wichtiger Abendtermin
im Job, ein Beratungsgespräch oder Arztbesuch – Kinder können und sollten nicht immer dabei
sein. Es gilt, familienunterstützende Dienstleistungen zu fördern, zum Beispiel für
ergänzende Kinderbetreuung oder haushaltsnahe Dienstleistungen. Das gilt besonders im
Krankheitsfall, denn Kinder und Haushalt müssen trotzdem versorgt sein.
Absicherung für alle Familienformen
Ob Patchwork-, Stief- oder Regenbogenfamilie – Familien sind vielfältig und diese Vielfalt
muss ein modernes Familienrecht auch abbilden. Soziale Eltern übernehmen innerhalb der
Familie oft Verantwortung und sind wichtige Wegbegleiter. Rechtlich gesehen sind sie aber
auch nach Jahren Außenstehende für ihr Kind: Im Kindergarten, in der Schule oder bei
Ärzt*innen ist es nicht vorgesehen, dass sie Entscheidungen für ihre Kinder treffen. Mit der
Weiterentwicklung des „kleinen Sorgerechts“ hin zu einer elterlichen Mitverantwortung, die
auf Antrag beim Jugendamt auf bis zu zwei weitere Erwachsene übertragen werden kann, geben
wir allen Beteiligten mehr Sicherheit. Zwei-Mütter-Familien sollen nicht mehr durch das
langwierige Stiefkindadoptionsverfahren müssen, darum streben wir an, das Abstammungsrecht
zu reformieren, sodass die Co-Mutter analog zu Vätern in heterosexuellen Ehen automatisch
als zweites rechtliches Elternteil gilt. Bei Kinderwunsch sollen auch nichteheliche
Lebensgemeinschaften und lesbische Paare die Möglichkeit einer Kostenerstattung für die
künstliche Befruchtung erhalten. Verantwortung wird nicht nur da füreinander übernommen, wo
Kinder sind. Mit dem Pakt für das Zusammenleben werden wir eine neue Rechtsform schaffen,
die das Zusammenleben zweier Menschen, die füreinander Verantwortung übernehmen, unabhängig
von der Ehe rechtlich absichert.
Wir sorgen für gute Arbeit und faire Löhne
Mindestlohn anheben
Arbeit muss gerecht bezahlt werden. Und die Menschen brauchen gute Arbeitsbedingungen. Aber
in unserem reichen Land arbeiten noch immer Millionen Menschen im Niedriglohnsektor mit
schlechten Löhnen und unsicheren Beschäftigungsverhältnissen. Besonders oft sind davon
Frauen betroffen. Das wollen wir ändern. Den gesetzlichen Mindestlohn werden wir sofort auf
12 Euro anheben. Für weitere Erhöhungen soll die Mindestlohnkommission den Auftrag bekommen,
dass der Mindestlohn wirksam vor Armut schützen und mindestens der Entwicklung der
Tariflöhne entsprechen muss. Leiharbeiter*innen sollen vom ersten Tag an den gleichen Lohn
für gleiche Arbeit bekommen wie Stammbeschäftigte – plus Flexibilitätsprämie. Ohne
sachlichen Grund dürfen Arbeitsverträge nicht mehr befristet werden. Gegen den vielfachen
Missbrauch von Werkverträgen und die Abwälzung unternehmerischer Verantwortung mittels
Subunternehmerketten gehen wir ordnungspolitisch vor. Wir wollen den Arbeitsschutz stärken,
damit er wirksam vor Stress, Burn-out und Entgrenzung der Arbeit schützt. Mobbing und
Diskriminierung am Arbeitsplatz nehmen wir ernst und wollen besser davor schützen.
Vollbeschäftigung schaffen
Wir wollen allen Menschen ermöglichen, am Arbeitsleben teilzuhaben, denn ein guter
Arbeitsplatz ist eine wichtige Quelle für Einkommen, Anerkennung und Selbstverwirklichung.
Dazu müssen wir gute und sichere Jobs schaffen. Wir wollen die Beschäftigung weiter erhöhen
und damit auch verhindern, dass Corona langfristige Spuren am Arbeitsmarkt hinterlässt. Mit
dauerhaft höheren öffentlichen Investitionen, mehr Gründungsgeist und Forschung sowie
Innovation wollen wir ein Umfeld für viele neue Jobs schaffen. Der deutsche Arbeitsmarkt war
dabei in den letzten Jahren gespalten: Fachkräftemangel und deutliche Lohnsteigerungen für
Hochqualifizierte in einigen Branchen, prekäre Beschäftigung, unfreiwillige Teilzeit und
stagnierende Reallöhne in anderen. Dem wollen wir mit einer sozial gerechten Arbeitspolitik
entgegentreten. Damit sorgen wir für gute Löhne und trocknen den Niedriglohnsektor
mittelfristig aus. Langzeitarbeitslose brauchen eine besonders intensive Betreuung durch die
Arbeitsagentur, für Menschen ohne Perspektiven am ersten Arbeitsmarkt schaffen wir einen
dauerhaften sozialen Arbeitsmarkt.
Sozialpartnerschaft stärken, Tarifbindung erhöhen
Die Sozialpartnerschaft, Tarifverträge und Mitbestimmung sind Eckpfeiler der sozialen
Marktwirtschaft. Sie haben unser Land stark gemacht. Da, wo sie gelten, sorgen sie meistens
für anständige Löhne und gute Arbeitsbedingungen. Wir wollen, dass Tarifverträge und starke
Mitbestimmung wieder für mehr anstatt für immer weniger Beschäftigte und Betriebe gelten.
Bei der öffentlichen Vergabe sollen im Einklang mit europäischem Recht die Unternehmen zum
Zug kommen, die tarifgebunden sind oder mindestens Tariflöhne zahlen. Dafür setzen wir auf
ein Bundestariftreuegesetz. Zudem wollen wir es leichter machen, Tarifverträge für
allgemeinverbindlich zu erklären, damit sie für alle in einer Branche gelten. Betriebsräte,
die sich für Mitarbeiter*innen einsetzen, brauchen auch selbst mehr Schutz. Gleiches gilt
auch für die Beschäftigten, die erstmals einen Betriebsrat gründen wollen. Die
Mitbestimmungsrechte wollen wir ausbauen und modernisieren, wenn es um die
Personalentwicklung, die Stärkung von Frauen und die Verbesserung der Klimabilanz im
Unternehmen geht. Der Wandel der Arbeitswelt, den Digitalisierung und ökologische
Transformation mit sich bringen, muss gemeinsam mit den Beschäftigten im Betrieb gestaltet
werden.
Selbstbestimmter arbeiten, digitale Chancen nutzen
Wir wollen Beschäftigte dabei unterstützen, ihre Arbeit besser an ihr Familien- und
Privatleben anzupassen. Eine moderne Arbeitswelt bedeutet für uns auch mehr Mitsprache bei
Ort, Lage und Umfang der Arbeit. In der Corona-Krise wurde das Arbeiten von zu Hause zu
einer weit verbreiteten Erfahrung, für viele verbunden mit mehr Eigenständigkeit und weniger
Stress, wenn etwa das lange Pendeln wegfiel. Für andere aber auch zur echten Belastungsprobe
– wenn zu Hause Arbeitszimmer, Arbeitsschutz und auch Kolleg*innen fehlen. Homeoffice kann
zudem auch zur Entgrenzung von Arbeit und zum Abbau des bisherigen Arbeitsortes außerhalb
der eigenen vier Wände führen. Die Möglichkeit zur Selbstbestimmung im Arbeitsleben wollen
wir daher erhalten und stärken, indem wir ein Recht auf Homeoffice einführen – mit Blick auf
betriebliche Möglichkeiten, aber auch mit strikten Schutzkriterien versehen. Ein
Arbeitsplatz im Unternehmen muss aber ebenfalls allen zur Verfügung stehen.
Mehr Freiraum bei der Arbeitszeit
Ob im Büro, in der Pflege oder auf Montage – für viele Menschen ist der körperliche oder
psychische Druck durch Arbeit gewachsen. Gleichzeitig ist Zeit zu haben – für sich selbst
oder die Familie – für viele Menschen ein immer größerer Wert. Kürzere Arbeitszeiten, wie
beispielsweise die IG Metall sie als Beitrag zur Bewältigung des Strukturwandels in der
Automobilbranche vorgeschlagen hat, können eine Chance sein, Arbeit gerechter zu verteilen,
Arbeitsplätze zu sichern und Arbeitnehmer*innen zu entlasten. Wir wollen Beschäftigte in der
Pflege, in der die Belastung besonders hoch ist, mit besseren Arbeitsbedingungen
unterstützen und deshalb die 35-Stunden-Woche einführen. Darüber hinaus wollen wir die
Möglichkeiten aller Arbeitnehmer*innen, selbst flexibler über die eigene Arbeitszeit zu
bestimmen – gerade um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erleichtern –, verbessern.
Dafür wollen wir die starre Vollzeit zu einer Wahlarbeitszeit zwischen 30 und 40 Stunden bei
flexiblem Arbeitszeitkorridor umgestalten. Versuche, das Arbeitszeitgesetz zum Nachteil der
Arbeitnehmer*innen aufzuweichen, lehnen wir ab. Die europäische Arbeitszeitrichtlinie wollen
wir konsequent umsetzen.
Arbeitsversicherung stärkt Chancen
Wir wollen die Arbeitsmarktpolitik auf die Zukunft ausrichten und die
Arbeitslosenversicherung zu einer Arbeitsversicherung umbauen. Zentral dafür ist ein
Rechtsanspruch auf Weiterbildung und die Stärkung der beruflichen Qualifikation. In einer
Welt, in der häufige Berufswechsel für viele Menschen Normalität sind und man nicht mehr
automatisch 40 Jahre im gleichen Betrieb arbeitet, brauchen alle Menschen Anlaufstellen und
Unterstützung, um ihr Berufsleben selbstbestimmt zu gestalten. Überall dort, wo es eine
Arbeitsagentur gibt, sollen Bildungsagenturen zentrale Anlaufstellen werden und Menschen bei
der Neuorientierung unterstützen, Weiterbildungsberatung und -förderung sollen damit
vereinfacht werden. Den Zugang zur Arbeitsversicherung werden wir deutlich erleichtern und
bereits ab vier Monaten sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung einen Anspruch auf
Arbeitslosengeld einführen. Auch selbständige Berufstätigkeit muss sozial besser abgesichert
werden. Dafür vereinfachen wir den Zugang zur freiwilligen Arbeitslosenversicherung und
schaffen eine Zugangsmöglichkeit für alle Selbständigen auch mit Wahltarifen. Wir wollen
Gründungen aus Phasen der Arbeitslosigkeit heraus besser fördern und durch die Krise
zurückgeworfene junge Berufsanfänger*innen mit einem Einstiegszuschuss eine Brücke in den
Arbeitsmarkt bauen.
Besserer Schutz bei online vermittelter Arbeit
Vom Handwerkerdienst über Software-Entwicklung bis zur Reinigung – immer mehr
Dienstleistungen werden über Online-Plattformen vermittelt (Gig-Working) oder finden sogar
ortsunabhängig in der Cloud statt (Crowd-Working). Die Digitalisierung von Tätigkeiten und
die digitale Vermittlung von Arbeit bergen viele neue Chancen. Aber Arbeitsrecht und
Arbeitsschutz müssen an die Onlinewelt angepasst werden, damit daraus nicht neue Formen von
Ausbeutung und Abhängigkeiten entstehen. Wir wollen Scheinselbständigkeit verhindern, indem
wir bei der Abgrenzung zwischen selbständiger Tätigkeit und abhängiger Beschäftigung für
mehr Rechts- und Planungssicherheit sorgen. Wenn der/die Auftragnehmer*in einer Plattform
angibt, einen Arbeitnehmerstatus zu haben, soll künftig der/die Auftraggeber*in beweisen,
dass dem nicht so ist. Unfaires Preis-Dumping gilt es durch ein Mindesthonorar für
zeitbasierte Dienstleistungen zu unterbinden. Arbeitnehmerähnliche Personen und Solo-
Selbständige, die für Plattformen tätig werden, sollen sich künftig leichter tariflich
organisieren können, und branchenspezifisch sollen weitere verbindliche Honoraruntergrenzen
vereinbart werden können, die auch für allgemeinverbindlich erklärt werden können.
Plattformbetreiber tragen eine Verantwortung für ihre Auftragnehmer*innen. Wir wollen mit
klaren Mindeststandards beim Arbeits- und Datenschutz und bei den allgemeinen
Geschäftsbedingungen für Fairplay bei der Plattformökonomie sorgen.
Faire Arbeitsbedingungen für Beschäftigte aus europäischen
Nachbarstaaten
In jedem europäischen Nachbarland arbeiten zu können, das ist eine der großen
Errungenschaften unseres vereinten Europas. Was in hochqualifizierten Berufen viel Freiheit
gebracht hat, führte in manchen Dienstleistungsbereichen zu ausbeuterischen
Arbeitsrealitäten. Missstände in den deutschen Schlachthöfen haben das schlaglichtartig
gezeigt. Doch auch anderswo, zum Beispiel auf dem Bau oder in der Pflege, herrschen vielfach
ausbeuterische Verhältnisse. Wir wollen, dass alle Beschäftigten – egal, wie lange sie hier
arbeiten – genauso gut bezahlt und abgesichert sind wie ihre deutschen Kolleg*innen. Dafür
braucht es ein wirksames Vorgehen gegen Schwarzarbeit und Scheinselbständigkeit, ein
Verbandsklagerecht der Gewerkschaften, eine europäische Sozialversicherungsnummer, höhere
Mindeststandards für Unterkünfte von entsandten Beschäftigten, eine bessere Regulierung der
Vermittlungsagenturen und mehr Kontrolle durch eine gestärkte Europäische Arbeitsbehörde.
Arbeitnehmer*innen aus anderen EU-Staaten müssen besser über ihre Rechte informiert werden.
Wir schaffen Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern
Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit
Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit, von dieser Selbstverständlichkeit sind wir immer
noch weit entfernt. Durchschnittlich verdienen Frauen im gesamten Erwerbsleben etwa nur halb
so viel wie Männer, was sich auch in ihrer ungenügenden Alterssicherung bemerkbar macht. Wir
werden ein effektives Entgeltgleichheitsgesetz einführen, das auch für kleine Betriebe gilt
und die Unternehmen verpflichtet, von sich aus über die Bezahlung von Frauen und Männern und
über ihre Maßnahmen zum Schließen des eigenen Pay-Gaps zu berichten. Dieses Gesetz muss auch
ein wirksames Verbandsklagerecht enthalten, damit bei strukturellen Benachteiligungen auch
Verbände die Klage übernehmen können und die Betroffenen nicht auf sich allein gestellt
sind. Lohncheckverfahren können Diskriminierungen aufdecken. Deshalb werden wir
Tarifpartner*innen und Unternehmen verpflichten, alle Lohnstrukturen auf Diskriminierung zu
überprüfen. Wir setzen uns dafür ein, dass Berufe, die vor allem von Frauen ausgeübt werden,
eine höhere Wertschätzung erfahren als bisher, zum Beispiel in Form besserer
Arbeitsbedingungen, besserer Bezahlung oder besserer Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Wirtschaftliche Unabhängigkeit von Frauen stärken
Um das eigene Leben selbst gestalten zu können, ist es vielen Frauen wichtig, wirtschaftlich
unabhängig zu sein. Deshalb müssen Steine, die dies behindern, aus dem Weg geräumt werden.
Wir wollen für eine eigenständige Absicherung in allen Lebensphasen sorgen – von der
Berufswahl bis zur Rente. Minijobs, mit Ausnahmen für Studierende, Schüler*innen und
Rentner*innen, wollen wir in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung überführen und
Regelungen für haushaltsnahe Dienstleistungen schaffen. Das durch enge Rollenerwartungen
eingeschränkte Berufswahlverhalten von Mädchen und Jungen wollen wir durch eine
gendersensible Berufsberatung erweitern. Die gläserne Decke, die Frauen am Aufstieg hindert,
wollen wir aufbrechen. Dies gelingt auch durch eine kluge Zeitpolitik, die es auch
Partner*innen erleichtert, Verantwortung in der Familie zu übernehmen und Arbeit
geschlechtergerecht aufzuteilen. Diskriminierungen am Arbeitsmarkt begegnen wir mit einem
Verbandsklagerecht, das die Einzelne stärkt, und durch ein echtes Recht auf die Rückkehr in
Vollzeit, das auch für kleinere Betriebe gilt.
Gleichberechtigung auch bei der Steuer
Das deutsche Steuerrecht steckt noch im letzten Jahrhundert fest. Während sich viele Paare
Familien- und Erwerbsarbeit gleichberechtigter aufteilen, als es noch vor Jahren der Fall
war, gilt bei der Steuer nach wie vor das Modell eines männlichen Ernährers und einer Frau,
die höchstens zuverdient und sich hauptsächlich um Haushalt und Kinder kümmert. Dieses
Modell ist ungerecht, weil es Ehen privilegiert, Alleinerziehende und nicht verheiratete
Paare außen vor lässt, die Erwerbstätigkeit von Frauen hemmt und Frauen gleichzeitig nicht
wirklich absichert. In Krisen bekommen vor allem Frauen die Nachteile zu spüren, zum
Beispiel durch weniger Kurzarbeits- oder Arbeitslosengeld. Im Zusammenspiel mit Minijobs und
der kostenlosen Mitversicherung wirken sich diese Maßnahmen negativ auf die Erwerbstätigkeit
von Frauen aus. Deshalb wollen wir für neu geschlossene Ehen eine individuelle Besteuerung
mit übertragbarem Grundfreibetrag einführen. Bei der Lohnsteuer soll die/der heute über
Gebühr belastete Zweitverdiener*in entlastet werden, indem das Faktorverfahren zur Regel und
die Steuerklasse 5 für Zuverdiener*innen abgeschafft wird. So sorgen wir dafür, dass
gleichberechtigte Lebensentwürfe nicht länger benachteiligt werden. Paare, die bereits
verheiratet sind, können sich entscheiden, ob sie sich einzeln veranlagen oder weiterhin das
Ehegattensplitting nutzen wollen. Zugleich stärken wir mit der Kindergrundsicherung
Familien. Alleinerziehende, die heute am stärksten von Armut betroffen sind, entlasten wir
mit einer Steuergutschrift.
Wir sichern die sozialen Netze
Garantiesicherung statt Hartz IV
Jeder Mensch hat das Recht auf soziale Teilhabe, auf ein würdevolles Leben ohne
Existenzangst. Deswegen wollen wir Hartz IV überwinden und ersetzen es durch eine
Garantiesicherung. Sie schützt vor Armut und garantiert ohne Sanktionen das soziokulturelle
Existenzminimum. Sie stärkt so Menschen in Zeiten des Wandels und kann angesichts großer
Veränderungen der Arbeitswelt Sicherheit geben und Chancen und Perspektiven für ein
selbstbestimmtes Leben eröffnen. Die grüne Garantiesicherung ist eine Mindestsicherung, die
nicht stigmatisiert und die einfach und auf Augenhöhe gewährt wird. Sie schafft durch die
Abschaffung der bürokratischen Sanktionen Raum und Zeit in den Jobcentern für wirkliche
Arbeitsvermittlung und Begleitung. Dafür wollen wir die Regelsätze schrittweise anheben,
sodass sie das soziokulturelle Existenzminimum verlässlich sicherstellen. Die Leistungen der
Garantiesicherung wollen wir schrittweise individualisieren. Die Anrechnung von Einkommen
werden wir attraktiver gestalten, sodass zusätzliche Erwerbstätigkeit auch in Teilzeit zu
einem spürbar höheren Einkommen führt. Vermögen werden künftig unbürokratischer und mit
Hilfe einer Selbstauskunft geprüft.
Selbstbestimmung und gleichberechtigte Teilhabe für Menschen mit
Behinderungen
Menschen mit Behinderungen haben ein Recht darauf, gleichberechtigt wohnen, lernen und
arbeiten zu können und die Unterstützung zu wählen, die sie dafür brauchen. Leistungen zur
Teilhabe müssen in jeder Phase allgemeiner, beruflicher und hochschulischer Bildung gewährt
werden. Wir wollen einen inklusiven Arbeitsmarkt schaffen und dafür Arbeitgeber*innen, die
Menschen mit Behinderungen beschäftigen, besser unterstützen, den Wechsel von Werkstätten in
den allgemeinen Arbeitsmarkt fördern und Menschen, die das Budget für Arbeit nutzen, in der
Arbeitslosenversicherung absichern. Ziel ist, das Bundesteilhabegesetz weiterzuentwickeln
und Teilhabe zu garantieren – kein Poolen von Leistungen gegen den Willen der Betroffenen,
echtes Wunsch- und Wahlrecht, Leistungen zur Teilhabe unabhängig von Einkommen und Vermögen
der Leistungsberechtigten. Anträge auf Teilhabeleistungen sollen einfach sein und
Entscheidungen im Sinne der behinderten Menschen schnell erfolgen.
Gemeinsame soziale Mindeststandards in der EU
Wir treten ein für eine Europäische Union, die soziale Absicherung und Mindeststandards
europaweit garantiert. Soziale Rechte müssen den gleichen Stellenwert erhalten wie die
wirtschaftlichen Freiheiten des Binnenmarkts. Dafür sind gemeinsame europäische Arbeits- und
Sozialstandards essenziell. Wir machen uns für eine europäische Grundsicherungsrichtlinie
stark, die soziale Mindeststandards für jedes Land festlegt, angepasst an die jeweilige
ökonomische Situation. Länderspezifische Mindestlöhne sollen überall in Europa dafür sorgen,
dass Menschen von ihrer Arbeit leben können. Wir wollen die Europäischen Betriebsräte
stärken und die paritätische Mitbestimmung in den Kontroll- und Leitungsorganen europäischer
Unternehmen ausbauen, die mehr als 1.000 Beschäftigte haben. Unser langfristiges Ziel ist,
dass die in der Europäischen Grundrechtecharta verankerten sozialen Rechte als Grundrechte
gegenüber den Mitgliedstaaten vor dem Europäischen Gerichtshof einklagbar sind.
Eine verlässliche Alterssicherung für alle
Die langfristige Sicherung des Rentenniveaus bei 48 Prozent hat für uns hohe Priorität. Bei
einem weiteren Absinken wären immer mehr Menschen auf Grundrente angewiesen und die
Akzeptanz der gesetzlichen Rente wäre gefährdet. Um das Rentenniveau zu sichern, wollen wir
die Frauenerwerbstätigkeit unter anderem durch ein Rückkehrrecht in Vollzeit erhöhen, ein
echtes Einwanderungsgesetz schaffen und die Beschäftigungssituation älterer
Arbeitnehmer*innen verbessern. Um die Belastungen der Versicherten und der Arbeitgeber*innen
zu begrenzen, sollen bei Bedarf die Steuerzuschüsse erhöht werden. Prekäre Beschäftigung
muss überwunden werden, denn nur gute Löhne führen auch zu einer guten Rente. In einem
ersten Schritt zu einer Bürgerversicherung sorgen wir dafür, dass anderweitig nicht
abgesicherte Selbständige, denen sonst Altersarmut droht, und Abgeordnete in die gesetzliche
Rentenversicherung aufgenommen werden. Um Altersarmut zu verhindern, werden wir die
Grundrente reparieren und zu einer echten Garantierente weiterentwickeln. Grundsätzlich
halten wir an der Rente mit 67 fest. Wir wollen es Menschen aber leichter machen, selbst
darüber zu entscheiden, wann sie in Rente gehen wollen.
Ein Bürgerfonds für die Rente
Eine kapitalgedeckte Altersvorsorge kann das Umlagesystem sinnvoll ergänzen. Die Riester-
Rente hat sich aber als ein völliger Fehlschlag herausgestellt. Die Produkte sind teuer und
undurchschaubar und haben zum Teil eine geringere Rendite als Omas Sparstrumpf. Profitabel
sind sie oft nur für die Versicherungswirtschaft oder dank der öffentlichen Förderung.
Deswegen haben bei weitem nicht alle davon Gebrauch gemacht. Wir wollen die Riester-Rente
durch einen öffentlich verwalteten Bürgerfonds ersetzen und in diesen überführen. Durch den
Bürgerfonds profitieren die Menschen am Wertezuwachs der Wirtschaft. Der Fonds kann
langfristig orientiertes Eigenkapital für die Wirtschaft bereitstellen. In den Bürgerfonds
zahlen alle ein, die nicht aktiv widersprechen. So wird ein Volumen geschaffen, das die
Verwaltungskosten gering hält, die Risiken breit streut und auf teure Garantien verzichten
kann. Der Bürgerfonds wird politisch unabhängig verwaltet und investiert nachhaltig. Er
investiert langfristig und hilft so, die Kurzfristorientierung der Märkte zu überwinden. Für
Kleinsparer*innen gewährleistet er eine attraktive Rendite bei überschaubarem Risiko. Alle
Arbeitgeber*innen sollen künftig eine betriebliche Altersvorsorge anbieten und können den
Bürgerfonds als Standard dafür nutzen.
Wir geben Gesundheit und Pflege einen neuen Wert
Vorsorge als Leitprinzip
Wir wollen den Zugang zu guter Gesundheitsversorgung sicherstellen – aber gute
Gesundheitspolitik setzt schon vorher an. Wer in der Fleischindustrie unter prekären
Bedingungen arbeitet, in einer schimmeligen Wohnung oder an der vielbefahrenen Straße wohnt
oder mit Hartz IV in Armut lebt, kann seine Gesundheit nur schwer schützen, hat eine höhere
Wahrscheinlichkeit zu erkranken und oft einen schlechteren Zugang zur Gesundheitsversorgung.
Für eine gesunde Gesellschaft braucht es eine Politik, die vorsorgt, die die Ursachen von
Krankheiten bekämpft und vorausschauend handelt. Statt nur auf die nächste Krise zu
reagieren, sollen in Zukunft durch gemeinsame Gesundheitsziele und eine Ausweitung der
Gesundheitsberichterstattung Krankheitsursachen und der Stand der gesundheitlichen
Versorgung in den Blick genommen werden. Prävention, Gesundheitsförderung und
gesundheitliche Versorgung wollen wir grundsätzlich als Querschnittsaufgabe in allen
Politikbereichen verfolgen. Um uns gegen klimawandelbedingte Hitzewellen zu wappnen, werden
wir einen Sonderfonds zur Umsetzung von Hitzeaktionsplänen etablieren.
Für Pandemien gewappnet sein
Die Corona-Krise hat gezeigt, dass unser Gesundheitssystem für künftige Pandemien besser
gewappnet sein muss. Spätestens jetzt ist der Moment, die Krankenhaus- und Notfallversorgung
zu reformieren und die Digitalisierung, insbesondere in den Gesundheitsämtern, beherzt
voranzutreiben. Um Pandemien zukünftig effektiv und nachvollziehbar zu bekämpfen, sollen
Stufen zur Eindämmung von Pandemien im Infektionsschutzgesetz definiert, Pandemieschutzpläne
aktualisiert und soll ein unabhängiger und interdisziplinärer Pandemierat eingerichtet
werden. Wir investieren in Gesundheitsforschung, zum Beispiel bei Medikamenten oder der
Entwicklung neuer Testverfahren. Öffentliche Förderung für Medikamenten- und Impfstoffforschung knüpfen wir an gemeinwohlorientierte Bedingungen, wie Preisgarantien oder die Teilhabe am geistigen Eigentum, um den weltweiten Zugang zu resultierenden Gesundheitsprodukten zu verbessern.Auch die Produktion von Medikamenten und Medizinprodukten
soll – in europäischer Kooperation – vorangetrieben werden, die Versorgung, zum Beispiel mit
Atemschutzmasken, durch eigene Produktionsstandorte sichergestellt werden. Auf europäischer
Ebene braucht es mehr gemeinsame Strategie und Koordinierung, etwa durch die gemeinsame
Planung und Nutzung medizinischer Notfallkapazitäten oder durch ein europäisches
Frühwarnsystem. Daher setzen wir uns für den zügigen Aufbau von HERA ein, einer europäischen
Behörde, die künftig staatliche und privatwirtschaftliche Aktivitäten besser koordinieren
soll. Das Europäische Zentrum für die Prävention und Kontrolle von Krankheiten wollen wir
stärken und uns für eine engere Kooperation mit nationalen Gesundheitsbehörden einsetzen.
Gesundheitsämter stärken
Nicht erst in der Corona-Pandemie wird sichtbar, dass wir als Gesellschaft größere
Anstrengungen unternehmen müssen, um die öffentliche Gesundheit zu stärken und Menschen ein
gutes Leben zu ermöglichen. Ob der Besuch bei der mobilen Zahnärzt*in in der Schule oder die
Impfaktion im Pflegeheim – für Gesundheitsförderung, die Menschen unkompliziert erreicht,
braucht es eine Stärkung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes. Unser Ziel ist es, im
Zusammenspiel zwischen den Gesundheitsämtern, universitären Strukturen der öffentlichen
Gesundheitsfürsorge und einem neu zu schaffenden Bundesinstitut für Gesundheit gemeinsam
eine starke Säule der öffentlichen Gesundheitsfürsorge aufzubauen. Das Institut soll
gemeinsame Gesundheitsziele und Qualitätsvorgaben für die Verbesserung der Versorgung
entwickeln und bestehende Strukturen des Bundes zur Förderung der Gesundheit bündeln. Bisher
sind die Gesundheitsämter chronisch unterfinanziert und unterbesetzt, die personelle und
technische Ausstattung muss dauerhaft verbessert werden. Wir wollen deshalb, dass Bund und
Länder gemeinsam dafür sorgen, dass künftig 1 Prozent der gesamten Gesundheitsausgaben in
den Öffentlichen Gesundheitsdienst fließt. Amtsärzt*innen müssen besser bezahlt werden. Auch
pflegerische Fachkompetenz soll stärker eingebunden werden – als sogenannte Community Health
Nurses oder in der Schulgesundheitspflege.
Gute gesundheitliche Versorgung in Stadt und Land
Gesundheit ist Daseinsvorsorge. Wir wollen, dass Menschen im ganzen Land gut und verlässlich
versorgt werden. Wenn mancherorts der Weg zur Hebamme kaum zu bewältigen ist, die
Kinderstationen Patient*innen abweisen müssen oder Hausarztpraxen auf dem Land wegen
fehlendem/-r Nachfolger*in schließen müssen, gefährdet das die gesundheitliche Versorgung.
Um die Versorgung in Stadt und Land zu stärken, wollen wir, dass ambulante und stationäre
Angebote in Zukunft übergreifend geplant werden und Gesundheitsregionen mit enger Anbindung
an die Kommunen gefördert werden. Perspektivisch soll es eine gemeinsame
Abrechnungssystematik für ambulante und stationäre Leistungen geben. Gleichzeitig wollen wir
die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen den Gesundheitsberufen stärken. Denn die
Versorgung muss von den Patient*innen aus gedacht werden. Dafür wollen wir insbesondere die
Einrichtung von kommunalen Gesundheitszentren unterstützen, in denen alle Gesundheitsberufe
auf Augenhöhe zusammenarbeiten. Die Aufgabenverteilung im Gesundheitswesen werden wir so
reformieren, dass Gesundheits- und Pflegeberufe mehr Tätigkeiten eigenverantwortlich
übernehmen können. Die Arbeitsbedingungen in und die Vergütung von Therapieberufen müssen
dringend ihrer wichtigen Rolle im Gesundheitswesen angepasst, das Schulgeld für diese
Ausbildungen muss abgeschafft werden.
Krankenhäuser nach gesellschaftlichem Auftrag finanzieren
In Krankenhäusern sollen alle die Versorgung erhalten, die sie benötigen. Doch falsche
politische Weichenstellungen und der daraus folgende ökonomische Druck haben zu Fehlanreizen
zu Lasten des Patient*innenwohls und zu Kosteneinsparungen zu Lasten des Personals geführt.
Kliniken sollen deshalb in Zukunft nicht mehr nur nach Fallzahl, sondern auch nach ihrem
gesellschaftlichen Auftrag finanziert werden. Dafür braucht es ein neues
Finanzierungssystem. Wir werden eine Säule der Strukturfinanzierung einführen und den
verbleibenden fallzahlabhängigen Vergütungsteil reformieren. Vielfach herrscht Stillstand
bei den Investitionen in die Krankenhäuser. Das wollen wir ändern, indem Bund und Länder die
Investitionskosten in Zukunft gemeinsam tragen. Der Bund soll dafür die Möglichkeit haben,
gemeinsame bundesweite Grundsätze in der Krankenhausplanung zu definieren. Welche Angebote
es vor Ort gibt, darf nicht davon abhängen, was sich rentiert, sondern soll sich danach
richten, was nötig ist. Die beste Qualität kann zumeist durch Spezialisierung sichergestellt
werden. Krankenhäuser, die durch fehlende Auslastung die nötige Qualität in einigen
Bereichen nicht gewährleisten können, sollen nicht einfach aufgegeben, sondern zu
leistungsfähigen lokalen Notfall-, Gesundheits- und Pflegezentren weiterentwickelt werden.
Notfallversorgung reformieren
Wie gut ein Gesundheitssystem funktioniert, zeig sich oft erst im Notfall – und dann wird es
häufig ernst. Damit die Notfallversorgung in Deutschland besser funktioniert, muss sich
einiges ändern. Das fängt beim Rettungsdienst an, der Menschen in Not heute umfassend
medizinisch behandeln kann und deshalb wie die übrige Gesundheitsversorgung im Gesetz
geregelt werden muss. Die Notrufleitstellen der Nummern 112 und 116117 müssen
organisatorisch zusammengeführt werden, damit es im Zweifelsfall keine Rolle spielt, wo
Menschen anrufen, sondern sie immer die passende Hilfe bekommen. Auch wollen wir, dass
Notaufnahmen gerade nachts und am Wochenende beispielsweise durch kompetente Hausärztinnen
und Hausärzte so unterstützt werden, dass auch weniger ernste Fälle gut versorgt werden
können. Durch einheitliche Stufen und Vorgaben zur Notfallversorgung wollen wir
sicherstellen, dass Menschen in Not, in der Stadt und auf dem Land, stets die erwartbare
Hilfe auch verlässlich vorfinden.
Psychotherapieplätze schaffen
Starke Prävention und angemessene Versorgung – für beides wollen wir die Weichen stellen,
denn psychische Gesundheit ist Fundament für Lebensqualität und soziale Teilhabe. Es ist
nicht zumutbar, dass viele Menschen in einer psychischen Krise monatelang auf therapeutische
Hilfe warten müssen. Wer eine psychische Erkrankung hat, braucht schnelle und leicht
zugängliche Hilfen, damit das Leid sich nicht verschlimmert. Wir wollen deshalb ambulante
Psychotherapieplätze durch mehr Kassenzulassungen von Psychotherapeut*innen schaffen. Es
braucht eine gemeindenahe und personenzentrierte Versorgung und eine verbesserte
sektorübergreifende Zusammenarbeit. Dabei müssen auch die Besonderheiten der Versorgung von
Kindern und Jugendlichen sowie von Frauen, die von Gewalt betroffen sind, berücksichtigt
werden. Hilfsangebote zwischen ambulanter und stationärer Behandlung müssen flexibler werden
und die verschiedenen Berufsgruppen im Team eine miteinander abgestimmte Behandlung
übernehmen können. Bei der unzureichenden Reform der Psychotherapie-Ausbildung muss
nachgebessert werden, sodass angehende Psychotherapeut*innen endlich unter guten Bedingungen
ausgebildet werden.
Geburtshilfe verbessern, Gesundheit von Frauen stärken
Um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, sind Verbesserungen bei der Geburtshilfe und
eine Unterstützung freiberuflicher Hebammen durch eine Reform der Haftpflicht für
Gesundheitsberufe nötig. Wir wollen das Gesundheitssystem geschlechtergerecht machen.
Geschlechtsspezifische Aspekte in Forschung und Ausbildung und in der medizinischen Praxis
werden nicht ausreichend berücksichtigt, etwa bei der Medikamentenforschung. Das gefährdet
die Gesundheit von Frauen wie auch von Trans*- und Inter*-Menschen. Die Forschung zu
geschlechtsspezifischer Medizin und Pflege sowie Frauengesundheit muss gestärkt und in der
medizinischen und pflegerischen Praxis umgesetzt werden. Mit Hilfe einer Frauenquote für
Führungspositionen im Gesundheitswesen und besseren Arbeitsbedingungen holen wir mehr Frauen
in die Führungsgremien unseres Gesundheitswesens.
Zugang zum Gesundheitssystem sichern, Diskriminierung beenden
Auch im Gesundheitswesen wollen wir Diskriminierung bekämpfen. Beispielsweise erhalten
Menschen mit Behinderungen häufig nicht alle dringend benötigten Gesundheitsleistungen,
Hilfsmittel oder häusliche Pflege und werden so in ihrer Teilhabe beschränkt. Deshalb wollen
wir mit einem ressortübergreifenden Inklusionsplan diese Hürden umfassend abbauen, die
Gesundheitsleistungen auf die jeweiligen Bedarfe gezielt ausrichten und bürokratische
Vorgänge so weit wie möglich reduzieren. Das umfasst auch verpflichtende Vorgaben zur
Barrierefreiheit bei der Bedarfsplanung und eine Reform der Heilmittelversorgung. Auch für
LSBTIQ* muss diskriminierungsfreie Gesundheitsversorgung gesichert sein. Dafür werden wir
den Anspruch auf medizinische Maßnahmen für trans- und intergeschlechtliche Menschen
gesetzlich verankern. Die bestehenden Lücken beim Verbot sogenannter „Konversionstherapien“
werden wir schließen. Die Blutspende gestalten wir diskriminierungsfrei. Menschen, die ohne
Papiere in Deutschland leben, müssen ebenfalls Zugang zu guter gesundheitlicher Versorgung
haben, etwa durch einen anonymen Krankenschein, die Abschaffung der Mitteilungs- und
Unterrichtungspflichten an öffentlichen Stellen oder die Stärkung von Beratungsnetzwerken
für Menschen ohne Papiere.
Auf dem Weg zur Bürgerversicherung für Gesundheit und Pflege
Gesetzlich Versicherte warten länger auf Termine bei Fachärzt*innen, und viele privat
Versicherte können sich die hohen Prämien nicht mehr leisten. Von dieser Zwei-Klassen-
Medizin profitieren wenige, zum Nachteil vieler. Unser Ziel ist eine solidarisch finanzierte
Bürgerversicherung, in der jede*r unabhängig vom Einkommen die Versorgung bekommt, die er
oder sie braucht. Die Bürgerversicherung bezieht alle in die Finanzierung eines
leistungsstarken Versicherungssystems ein. Auch Beamte, Selbständige, Unternehmer*innen und
Abgeordnete beteiligen sich mit einkommensabhängigen Beiträgen. Neben Löhnen und Gehältern
sollen Beiträge auf Kapitaleinkommen erhoben werden. Als ersten Schritt verbessern wir die
Versorgung gesetzlich Versicherter – zum Beispiel bei der Erstattung von Brillen. Außerdem
wollen wir die Benachteiligung gesetzlich versicherter Beamt*innen durch einen
beihilfefähigen Tarif beenden und privat Versicherte, die sich nur den Basistarif leisten
können, besser absichern.
Digitalisierung verbessert Gesundheitsversorgung
Wir wollen die Chancen der Digitalisierung – ob Robotik zur Unterstützung in der Pflege,
Telemedizin oder die elektronische Patientenakte – nutzen, um das Gesundheitssystem
zukunftsfähig zu machen. Per App sollen Patient*innen sicher auf den digitalen Impfpass,
Gesundheitsinformationen wie die eigene Blutgruppe, die Krankheitsgeschichte oder die
neuesten Blutwerte zugreifen können. Damit sie den Patient*innen wirklich nützt, muss die
digitale Patientenakte weiterentwickelt werden. Dabei sind unter anderem
Patient*innenorganisationen stärker einzubinden. Gesundheitsdaten sollen anonymisiert der
Forschung zur Verfügung gestellt werden, um die Gesundheitsversorgung in Deutschland zu
verbessern. Eine Weitergabe der Daten erfolgt dabei nicht gegen den Willen der
Patient*innen. Ihre eigenen Gesundheitsdaten müssen für Patient*innen möglichst barrierefrei
und sicher zugänglich sein. Die ärztliche Schweigepflicht und das Patient*innengeheimnis
müssen auch für digitalisierte Gesundheitsdaten jederzeit gewahrt bleiben. Um
administrativen Aufwand für medizinisches und pflegerisches Personal zu verringern und
Innovationen anzureizen, sollen Hersteller von Medizinprodukten und Software offene
Schnittstellen anbieten.
Ambulante Pflege stärken
Wer pflegebedürftig wird, hat die bestmögliche Pflege und Unterstützung für ein
selbstbestimmtes und würdevolles Leben verdient. Gerade in einer alternden Gesellschaft
braucht es dafür überall vielfältige, auf den Bedarf vor Ort angepasste pflegerische
Angebote. Statt weiterer Großeinrichtungen sind mehr ambulante Wohn- und Pflegeformen nötig
– eingebettet in ein Umfeld, das ältere Menschen dabei unterstützt, aktiv am
gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. So wird die Pflege auch für Angehörige einfacher.
Dafür wollen wir die rechtlichen Rahmenbedingungen für Quartierspflege schaffen und den
Kommunen ermöglichen, eine verbindliche Pflegebedarfsplanung vorzunehmen, um das Angebot an
Pflege vor Ort zu gestalten. Ein Bundesprogramm soll eine Anschubfinanzierung für Kommunen
bereitstellen, die sich hier auf den Weg machen. Jemanden zu pflegen verdient unsere
Anerkennung und die Unterstützung der Gesellschaft. Deshalb wollen wir Menschen, die
Verantwortung für Angehörige, Nachbar*innen oder Freund*innen übernehmen, mit der PflegeZeit
Plus besonders unterstützen. Wir ermöglichen damit allen Erwerbstätigen eine bis zu
dreimonatige Freistellung sowie eine Lohnersatzleistung, die befristet auch anschließende
Arbeitszeitreduzierungen finanziell abfedert.
Eine doppelte Pflegegarantie
Pflegebedürftige und ihre Angehörigen müssen immer mehr eigenes Geld für ihre Versorgung
aufbringen. Wir wollen, dass Pflegebedürftige die für sie notwendigen Pflegeleistungen
erhalten, ohne von Armut bedroht zu sein. Mit einer doppelten Pflegegarantie wollen wir die
Eigenanteile schnell senken und dauerhaft deckeln. So garantieren wir, dass die selbst
aufzubringenden Kosten verlässlich planbar werden. Die Pflegeversicherung soll alle über
diesen Betrag hinausgehenden Kosten für eine bedarfsgerechte Pflege tragen. Mit einer
solidarischen Pflege-Bürgerversicherung wollen wir dafür sorgen, dass sich alle mit
einkommensabhängigen Beiträgen an der Finanzierung des Pflegerisikos beteiligen.
Pflege aus dem Notstand führen, Arbeitsbedingungen im
Gesundheitswesen verbessern
Pflegekräfte leisten einen unschätzbaren Beitrag für unsere Gesellschaft. Menschen, die im
Alter oder bei Krankheit Unterstützung brauchen, wünschen sich zu Recht Pflegekräfte, die
sich mit Sorgfalt um sie kümmern können. Dafür brauchen Pflegekräfte Zeit für die
Patient*innen und gute Arbeitsbedingungen. Das geht nur mit mehr Kolleg*innen. Wir wollen
durch verbindliche Personalbemessung – auch in der Langzeitpflege –, die bessere
Vereinbarkeit von Beruf und Familie, mehr eigenverantwortliche Arbeit von Fachkräften und
die Einführung der 35-Stunden-Woche in der Pflege Arbeitsbedingungen schaffen, unter denen
viele Menschen – ganz neu, weiter oder wieder – gerne in der Pflege arbeiten. Die Ausnahmen
im Arbeitszeitgesetz für den Gesundheitsbereich wollen wir beschränken, um Überlastung zu
verhindern und den Personalverlust in Krankenhäusern einzudämmen. Doch Wertschätzung braucht
auch Löhne, die sie bezeugen – am besten über gute Tarifverträge. Wir wollen die gesetzliche
Pflegeversicherung verpflichten, nur noch mit Anbietern zusammenzuarbeiten, die nach Tarif
bezahlen. Die Selbstorganisation und die Einflussmöglichkeiten der professionellen Pflege
wollen wir durch den Aufbau einer Bundespflegekammer unterstützen.
Ein Cannabiskontrollgesetz
Wir stellen Gesundheits- und Jugendschutz in den Mittelpunkt der Drogenpolitik. Doch auf dem
Schwarzmarkt gilt kein Jugendschutz, stattdessen schafft er zusätzliche gesundheitliche
Gefahren. Das Verbot von Cannabis richtet mehr Schaden an, als dass es nützt. Wir setzen auf
wirksame Prävention, auf Entkriminalisierung und Selbstbestimmung. Deshalb werden wir mit
einem Cannabiskontrollgesetz das bestehende Cannabisverbot aufheben und einen kontrollierten
und legalen Verkauf von Cannabis in lizenzierten Fachgeschäften ermöglichen. Darüber hinaus
wollen wir niedrigschwelliges Drugchecking für psychoaktive Substanzen und andere Maßnahmen
zur Schadensminimierung wie die Ausgabe sauberer Spritzen bundesweit ermöglichen, damit
Konsument*innen nicht durch gefährliche Inhaltsstoffe oder schmutzige Spritzen zusätzlich
gefährdet werden. Das heutige Betäubungsmittelrecht evaluieren wir auf seine Wirkungen hin.
Wir schaffen bezahlbaren Wohnraum
Ein Recht auf Wohnen ins Grundgesetz
Alle Menschen brauchen angemessenen Wohnraum. Wohnen ist ein Recht. Aber es wird immer
schwieriger, überhaupt Wohnungen zu finden. Und die Mieten und Immobilienpreise steigen
vielerorts immer noch weiter. Großstädte teilen sich immer stärker in Einkommensstadtteile
auf, Innenstädten geht das Leben verloren. Deshalb gilt es zu handeln, damit gerade auch
Familien und Alleinerziehende, Studierende, Menschen mit Behinderungen, ältere Menschen oder
Geringverdiener*innen nicht in Bedrängnis geraten, sondern weiter gut und sicher wohnen
können. Wir wollen das Recht auf Wohnen ins Grundgesetz aufnehmen. Knapp 700.000 Menschen
sind derzeit wohnungslos in Deutschland, mehr und mehr Familien. Um diesen Zustand zu
beenden, wollen wir ein Nationales Aktionsprogramm zur Vermeidung und Bewältigung von
Wohnungs- und Obdachlosigkeit auflegen.
Krisenbedingte Wohnungsverluste verhindern
Wir wollen Mieter*innen entlasten und vor einem krisenbedingten Verlust der eigenen Wohnung
bewahren. Die Möglichkeit, die Miete nachzuzahlen, soll Zwangsräumungen verhindern. Bei
krisenbedingten Einkommensausfällen soll ein Programm der KfW Bank („Sicher-Wohnen-Fonds“)
eine finanzielle Unterstützung von Mieter*innen sicherstellen. Vermieter*innen, die auf
diese Mietzahlungen angewiesen sind, sollten dann eine staatliche Unterstützung erhalten.
Neue Gemeinnützigkeit für sozialen Wohnraum
Wir wollen neuen Wohnraum schaffen – und zwar vor allem familiengerecht, öffentlich und
gemeinwohlorientiert. Stattdessen gehen immer noch viele weitere Sozialwohnungen verloren –
rund 100 jeden Tag. Unser Vorbild ist die Stadt Wien, die mit ihrem großen Anteil an
gemeinnützigem und für breite Schichten bezahlbarem Wohnraum eine ausgewogene Mischung
sicherstellt. Wir werden deshalb die Mittel für den sozialen Wohnungsbau deutlich erhöhen
und verstetigen, statt sie zu kürzen. Wir werden die Kommunen unterstützen, ihre bestehenden
Wohnungsgesellschaften zu stärken und neue zu gründen. Dazu wollen wir mit einem
Bundesprogramm „Neue Wohngemeinnützigkeit“ für eine Million zusätzliche, günstige
Mietwohnungen in den Ballungsräumen sorgen, sicher und auf Dauer. Die noch vorhandenen
bundeseigenen Bestände sollen nicht mehr an private Investor*innen veräußert, sondern
ausschließlich verbilligt an Kommunen mit einer dauerhaften Sozialbindung abgegeben werden.
So wollen wir in den nächsten zehn Jahren den Bestand an Sozialwohnungen um eine Million
erhöhen.
Starke Mieter*innen, faire Mieten
Viele Menschen geben einen immer größeren Anteil ihres Einkommens für ihre Wohnung aus,
viele können sich ihre Mieten nicht mehr leisten. Unser Ziel sind deshalb faire und
bezahlbare Mieten und starke Rechte für Mieter*innen. Konkret wollen wir Mietobergrenzen im
Bestand mit einem Bundesgesetz ermöglichen und die Mietpreisbremse entfristen und
nachschärfen. Reguläre Mieterhöhungen sollen auf 2,5 Prozent im Jahr innerhalb des
Mietspiegels begrenzt werden. Dazu wollen wir qualifizierte Mietspiegel stärken, verbreiten
und rechtssicher ausgestalten. Zur Berechnung sollen die Mietverträge der letzten 20 Jahre
herangezogen werden. Wir streben an, die Modernisierungsumlage weiter abzusenken und auf
maximal 1,50 Euro pro Quadratmeter zu begrenzen, damit energetische Sanierungen
perspektivisch warmmietenneutral möglich sind. Außerdem wollen wir es Mieter*innen
erleichtern, ihre Wohnungen samt den bestehenden Verträgen zu tauschen. Das
Umwandlungsverbot im Baugesetzbuch und den Milieuschutz auszuweiten sind weitere
Instrumente. Dazu stärken wir das kommunale Vorkaufsrecht, und Mietwucher muss – nach § 5
Wirtschaftsstrafgesetz – auch tatsächlich geahndet werden.
Spekulation mit Bauland und Geldwäsche am Wohnungsmarkt beenden
Wohnen ist ein soziales Grundrecht und der Wohnungsmarkt kein Ort für Spekulant*innen. Zu
häufig werden Immobilien zur Geldwäsche genutzt, das gilt es zu beenden. Ein entscheidender
Hebel ist Transparenz. Deshalb planen wir, ein Immobilienregister der Eigentümer*innen
einzuführen, die Grundbücher bei begründetem Interesse kostenfrei zugänglich zu machen und
Bargeld beim Immobilienverkauf zu verbieten. Außerdem wollen wir den Missbrauch von
sogenannten „Share Deals“ zur Steuerumgehung beenden und setzen auf eine anteilige
Besteuerung des Immobilienbesitzes bei Unternehmensverkäufen. Die Spekulation mit Bauland
soll unterbunden werden. Wenn in Kommunen große Wohnungsnot herrscht, kann sich daraus eine
Pflicht für Eigentümer*innen ergeben, Grundstücke zu bebauen, statt auf höhere Preise zu
spekulieren. Auch gegen Fehlnutzungen und spekulativen Leerstand von Wohnraum werden wir
vorgehen.
Grund und Boden gemeinwohlorientiert
Boden unterscheidet sich von anderen Gütern, weil er prinzipiell nicht vermehrbar ist. Bei
Fehlentwicklungen ergibt sich hieraus eine besondere Verpflichtung, staatlich einzugreifen.
Knappheit von und Spekulation mit Boden führt zu steigenden Preisen und Mieten. Wir wollen
erreichen, dass die öffentliche Hand wieder eine strategische Bodenpolitik betreibt. Der
Bund soll seine eigenen Immobilien nicht länger meistbietend verkaufen, sondern gezielt die
Schaffung von bezahlbarem und nachhaltigem Wohnraum fördern. Dafür wollen wir die
Bundesanstalt für Immobilienaufgaben in einen gemeinnützigen Bodenfonds umwandeln. Der Fonds
kauft neue Flächen strategisch zu und überträgt sie an gemeinwohlorientierte Träger. Die
Flächen sollen bevorzugt in Erbpacht vergeben werden, um Sozialwohnungen dauerhaft sichern
zu können. Werden sie veräußert, sollen Kommunen und kommunale Wohnungsgesellschaften ein
Erstzugriffsrecht erhalten. Die Einnahmen des Fonds fließen nicht in den Haushalt, sondern
werden für den Zukauf weiterer Flächen verwendet.
Erwerb von Wohneigentum erleichtern
Wohneigentum ist für viele Menschen ein Lebenstraum, der wegen explodierender
Immobilienpreise in den meisten Regionen des Landes immer schwerer zu erfüllen ist. Wir
wollen den Erwerb von Wohneigentum erleichtern. Deshalb soll das Prinzip „wer den Makler
bestellt, bezahlt“ genauso für Immobilienkäufe eingeführt werden, so wie es für
Maklerprovisionen bei Vermietungen bereits gilt. Wir streben an, die Courtage auf 2 Prozent
zu begrenzen, damit sie nicht auf verstecktem Weg zu noch höheren Kaufpreisen führt. Dazu
wollen wir die Kaufnebenkosten weiter senken, indem wir es den Ländern ermöglichen, den
Steuersatz der Grunderwerbssteuer beispielsweise für große Wohnungsunternehmen zu erhöhen
und für private Käufer*innen zu senken. Wir wollen Mietkauf für selbstgenutztes Wohneigentum
über die Länder und Kommunen fördern, auch den Kauf und die Modernisierung leerstehender
Wohnungen und Ausbauten zu günstigem Wohnraum unterstützen wir. Beteiligungen an
Genossenschaften und den gemeinschaftlichen Erwerb durch Mieter*innen wollen wir
unterstützen, zum Beispiel indem wir günstige Kredite oder Bürgschaften gewähren.
Ressourcenschonendes und nachhaltiges Bauen vorantreiben
Wir können die Klimaziele nur mit einer Bauwende hin zu ressourcenschonendem und
nachhaltigem Bauen erreichen. Bei Städtebau und Gebäudeplanung sind Stoff- und
Energieverbrauch bei Herstellung und Betrieb sowie das spätere Recycling durchgängig für
alle Gebäude zu berücksichtigen. Konkret setzen wir auf ein Gebäude-Ressourcen-Gesetz und
eine Holzbaustrategie, damit wir mit mehr nachwachsenden Rohstoffen bauen können. Wir
fördern außerdem die Digitalisierung der Planung am Bau. Um den Flächenverbrauch zu
reduzieren, setzen wir auf behutsame Nachverdichtung und unterstützen die Kommunen dabei mit
Förderprogrammen.
Wir investieren in lebenswerte Dörfer und Städte
Regionale Daseinsvorsorge stärken
Gleichwertige Lebensverhältnisse sind eine Voraussetzung für gutes, selbstbestimmtes Leben
überall im Land. Einschränkungen gibt es vielerorts, häufig unterscheiden sie sich von
Region zu Region: Hier fehlt ein Zentrum im Dorf, dort schließen in der Kleinstadt die
Schwimmbäder, und auf dem Land ist das Internet zu langsam. Unser Ziel ist es, dass
individuelle Entfaltung, demokratische Teilhabe und gesellschaftliches Engagement überall im
Land möglich sind, auch in strukturschwachen Regionen. Hier brauchen wir gute Infrastruktur
und den Zugang zu öffentlichen Gütern in den Kommunen. Deshalb wollen wir gemeinsam mit Bund
und Ländern eine neue Gemeinschaftsaufgabe „Regionale Daseinsvorsorge“ im Grundgesetz
einführen. Regionen, die heute mit großen Versorgungsproblemen zu kämpfen haben, sollen
wieder investieren und gestalten können. Ziel ist, anhand von regionalen Indikatoren in
allen Bundesländern Förderregionen auszuwählen und die Zusammenarbeit der Kommunen in diesen
Regionen zu unterstützen. Mit Regionalbudgets geben wir Bürger*innen und Akteur*innen vor
Ort die Möglichkeit, ihre Entwicklungsstrategien und Ziele selbst zu bestimmen. Für zentrale
Versorgungsbereiche wie Gesundheit, Mobilität und Breitband wollen wir nötige
Mindeststandards formulieren. Eine inklusive und solidarische Gesellschaft braucht Orte des
Miteinanders, Orte gegen die Einsamkeit, Orte des gesellschaftlichen Zusammenhalts. Das kann
ein Marktplatz sein oder ein Familienzentrum, die Stadtteilbibliothek, der Skatepark, der
Kulturbahnhof. Wir wollen eine Bundesstrategie „Orte des Zusammenhalts“ auf den Weg bringen.
Mit der gezielten Ansiedelung von neuen Forschungsinstituten und Bundeseinrichtungen, vor
allem in Ostdeutschland, können wir strukturschwachen Regionen wichtige Impulse geben.
Außerdem unterstützen wir die Idee der Errichtung eines „Zukunftszentrums für Deutsche
Einheit und Europäische Transformation“.
Solide Finanzausstattung für Kommunen
Für eine starke kommunale Selbstverwaltung und eine belastbare öffentliche Daseinsvorsorge
braucht es eine solide Finanzausstattung. Viele Kommunen schaffen es jedoch nicht einmal
mehr, den ihnen übertragenen Pflichtaufgaben wie etwa der Reparatur von Gemeindestraßen oder
der Schulsanierung nachzukommen. Sie waren bereits vor der Corona-Krise finanzschwach oder
verschuldet und ihr Handlungsspielraum verkleinert sich zunehmend. Das spüren die Menschen
vor Ort unmittelbar. Wenn keine Finanzmittel für freiwillige Leistungen wie Sport- oder
Kultureinrichtungen und deren Erhaltung übrig ist, hat das Auswirkungen auf das
gemeinschaftliche Leben in den Kommunen und auf das Vertrauen in den Staat. Wir wollen die
Gemeindefinanzen besser und krisenfester aufstellen. Dazu gehört eine faire Unterstützung
bei den kommunalen Altschulden und bei gemeindlichen Corona-bedingten Steuerausfällen. Wir
wollen mehr kommunale Investitionen ermöglichen, beispielsweise in Klimaschutz, die
Verkehrswende und Kultureinrichtungen. Dafür soll der Zugang zu Fördermitteln einfacher und
unbürokratischer werden und sollen die Hürden für die Teilnahme besonders für finanzschwache
Kommunen gesenkt werden. Wir wollen, dass Bund und Länder den Kommunen mit einer gemeinsamen
Kompetenzagentur für Förderpolitik und Investitionen mit Rat und Tat zur Seite stehen und
die Umsetzung von Projekten ermöglichen.
Innenstädte retten
Innenstädte und Ortskerne, die man gerne besucht, in denen man verweilt und andere Menschen
trifft, tragen enorm zu unserer Lebensqualität bei. Sie bieten kulturellen Austausch und
geben dem Leben in Stadt und Land eine Bühne. Wir wollen Stadtzentren und Ortskerne
lebenswerter und attraktiver machen. Eine kluge Stadtentwicklungspolitik, nachhaltige
Verkehrskonzepte und ein Städtebaunotfallfonds sind die besten Voraussetzungen, dass auch
der Einzelhandel dort eine Zukunft hat. Dafür wollen wir die Städtebauförderung neu
ausrichten: für schönere Städte, mehr Stadtgrün und Wasserflächen, damit man auch in Zeiten
immer heißerer Sommer gut in der Stadt leben kann. Mit zusätzlichen Mitteln für Smart-City-
Projekte unterstützen wir den Aufbau unabhängiger digitaler Plattformen, mit denen der
örtliche Einzelhandel attraktivere Angebote machen kann. Dazu arbeiten wir gegen Verdrängung
und Leerstand an. Eine Million neue gemeinnützige Wohnungen sollen in den nächsten Jahren in
unseren Städten entstehen. Kleineren Gewerben, sozialen und Kulturprojekten, Clubs und
Handwerker*innen wollen wir mit einem Gewerbemietrecht und über das Baurecht eine zentrale
Lage in den Städten ermöglichen. Bundeseigene Immobilien sollen zukünftig nur noch an
gemeinnützige, öffentliche oder am Gemeinwohl orientierte Träger abgegeben werden.
Ländlich leben, digital arbeiten
Das Leben auf dem Land und im Dorf hat viel zu bieten. Gründer*innen, Familien oder
Freischaffende – alle brauchen schnelles Internet für ihr Leben. Eine ausreichend schnelle
Breitband- und Mobilfunkversorgung gehört zur Daseinsvorsorge, deshalb werden wir einen
Rechtsanspruch darauf einführen. Wir schaffen Ankommens- und Bleibeperspektiven für Jung und
Alt. Über die Gemeinschaftsaufgabe für Agrar- und Küstenschutz fördern wir Wohnprojekte für
alle Generationen, Co-Working, die Aktivierung von Leerstand sowie gemeinschaftliche und
genossenschaftliche Wohnformen. Bahnhofsgebäude wollen wir als gemeinwohlorientierte Räume
zu einladenden Mobilitätsknotenpunkten weiterentwickeln und attraktiver machen. Damit
verknüpfen wir die Bahn mit den Ortschaften. Wir unterstützen die Landesprogramme zu
Markttreffs: wenn zum Beispiel Supermärkte ihre Flächen so umbauen, dass sie Café, Bank- und
Postfiliale integrieren. Kommunen sollen Zuschüsse bekommen, wenn sie öffentliche
Einrichtungen, Sporthalle, Bibliothek, Spielplatz, Working-Space oder Kino unter dem Dach
eines Kulturzentrums zusammenfassen.
Schnelles Internet überall
Mit weniger als zwei Millionen aktiven Glasfaser-Anschlüssen steht Deutschland im OECD-
Vergleich sehr schlecht da. Egal ob Stadt oder Land, ob mobiles Arbeiten oder Heimunterricht
– schnelles Internet ist die Voraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe und gleichwertige
Lebensverhältnisse. Mit einem Breitband-Universaldienst wollen wir einen Rechtsanspruch auf
schnelles Internet für alle schaffen, der sich nicht am Minimalstandard, sondern an den
Nutzungsgewohnheiten der Mehrheit orientiert. Wir sorgen dafür, dass Blockaden bei der
Abrufung der Fördergelder für den Netzausbau abgebaut werden und dann auch zügig gebaut
wird. Und wir machen Schluss mit der Bandbreiten-Schummelei: Wenn
Telekommunikationsunternehmen nicht die versprochenen Download-Geschwindigkeiten liefern,
soll es unkomplizierten pauschalierten Schadenersatz und hohe Bußgelder geben. Beim
Mobilfunkausbau gilt es eine flächendeckende Versorgung sicherzustellen, egal in welchem
Netz man surft. Wo die Anbieter keine Kooperationsvereinbarungen schließen, um Funklöcher zu
schließen, muss notfalls lokales Roaming angeordnet werden, natürlich mit entsprechender
Vergütung. Bei zukünftigen Frequenzversteigerungen sollen die Versorgungsauflagen für die
Fläche so angepasst werden, dass sie mit dem steigenden Bedarf Schritt halten – insbesondere
entlang von Bahnstrecken und Straßen.
Selbstbestimmt im Alter, in Stadt und Land
Wir wollen Selbstbestimmung auch im Alter ermöglichen. Wir wollen den Abbau von Barrieren in
Wohnungen und im Wohnumfeld stärker finanziell fördern und somit älteren Menschen
ermöglichen, länger als bisher in ihrem vertrauten Quartier selbstbestimmt wohnen zu
bleiben. Gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht Selbstbestimmung. Das wollen wir mit einem
Programm fördern, bei dem Ansprechstellen und Gemeindezentren über altersgerechtes Wohnen,
Weiterbildungsangebote, Pflege und soziale Sicherung sowie Möglichkeiten, sich im Dorf oder
im Stadtteil zu engagieren, informieren. Zur Selbstbestimmung gehört auch, den eigenen
Bedürfnissen entsprechend mobil zu sein, unabhängig vom eigenen Pkw. Dafür muss das
Nahverkehrsangebot in den Städten ausgebaut und auf dem Land erhalten bzw. intelligent
vernetzt werden. Es braucht flächendeckend barrierefreie Zugänge zu allen öffentlichen
Verkehrsmitteln, und die Wege zu ÖPNV und Nahversorgung sollen mit genügend Möglichkeiten
zum Ausruhen und „Kräftesammeln“ ausgestattet werden.
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