Antrag Kapitel: | Kapitel 5: Zusammen leben |
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Antragsteller*in: | Vasili Franco (KV Berlin-Friedrichshain/Kreuzberg) und 43 weitere Antragsteller*innen (Frauenanteil: 36%) |
Status: | Geprüft |
Verfahrensvorschlag: | Erledigt durch: PB.S-01-643 |
Eingereicht: | 24.04.2021, 13:24 |
PB.Z-01-644: Kapitel 5: Zusammen leben
Verfahrensvorschlag zu PB.S-01-642: Antragstext
Von Zeile 641 bis 645 (PB.S-01: Kapitel 3: Solidarität sichern):
Geringverdiener*innen nicht in Bedrängnis geraten, sondern weiter gut und sicher wohnen können. Wir wollen das Recht auf Wohnen ins Grundgesetz aufnehmen. KnappIn Deutschland sind derzeit - nach Schätzungen - etwa 700.000 Menschen sind derzeit wohnungslos in Deutschlandwohnungslos, 40.000 von ihnen leben ohne Obdach auf der Straße, mehr und mehr junge Menschen, Frauen und Familien. Um diesen Zustand zu beenden, wollen wir ein Nationales Aktionsprogramm zur Vermeidung und Bewältigung von Wohnungs- und Obdachlosigkeit auflegen. Dabei ist der Housing-First-Ansatz ein zentraler Baustein, bei dem Obdachlose in eine Wohnung einziehen können, ohne sich zuvor für Hilfe ”qualifizieren” zu müssen. Kein Mensch soll ohne Obdach und eine dauerhafte würdevolle Unterbringung sein.
Die Pandemie hat uns gezeigt, was eine Gesellschaft stark macht – dass man sich unterhakt
und einander vertraut. Sie hat uns spüren lassen, wie kostbar Gemeinsamkeit für unser
individuelles Glück ist, wie sehr wir andere Menschen brauchen und wie groß die Gefahr ist,
wenn eine Gesellschaft auseinanderdriftet. Diese alte und doch noch mal neu erlebte
Erfahrung ist Auftrag, Solidarität und Schutz in konkrete, bessere Politik zu übersetzen.
Wir wollen alles dafür tun, die Bedingungen für ein gutes Leben – von Kindesbeinen an – zu
verbessern: materielle Sicherheit, Chancen und Teilhabe zu garantieren und ein
Sicherheitsversprechen zu geben, das umso stärker ist, je mehr Unterstützung gebraucht wird.
Freiheitsrechte bleiben ein Privileg von wenigen, wenn die sozialen Voraussetzungen dafür
nicht für alle gewährleistet werden. Gesellschaften ohne existenzielle Not sind
krisenfester, solidarische und gleichberechtigte Gesellschaften stärker.
Corona hat uns schonungslos die Stärken und Schwächen unseres Sozialstaates vor Augen
geführt: wie wichtig ein robustes Gesundheitssystem für alle ist. Wie zentral eine
Wirtschaftskraft ist, die für gesellschaftlichen Wohlstand und damit einen Sozialstaat
sorgt, der Menschen bei Jobverlust oder Wirtschaftseinbruch vor Obdachlosigkeit bewahrt. Sie
hat aber zugleich bestehende Ungleichheiten verschärft. Wer arm ist, wird schneller krank.
Frauen tragen eine besondere Last in den systemrelevanten Berufen der Pflege, der Erziehung
und im Einzelhandel, sind aber deutlich schlechter bezahlt und in Entscheidungsprozessen
weniger repräsentiert. Selbständige, die ohnehin schon größere Risiken eingehen, stürzen
ohne Verdienst in Existenzangst oder -not. Wer die Kinder allein erzieht, ist durch
Kinderbetreuung, Homeschooling und Homeoffice noch mal mehr gefordert. Die Pandemie hat uns
auf unsere individuellen Lebensumstände zurückgeworfen. Wenn die Wohnung eng ist, der Garten
fehlt, aber die Schwimmhalle dicht ist, ist es dreifach schwer. Einsamkeit wird größer.
Jetzt ist die Zeit, die richtigen Lehren zu ziehen. Der Weg aus der Pandemie muss zu einem
neuen sozialen Sicherheitsversprechen führen. Wir wollen Schritt für Schritt die sozialen
Systeme so verändern, dass sie allen Menschen Sicherheit und Halt geben, auch in Zeiten
persönlicher und gesellschaftlicher Umbrüche, und ihnen Teilhabe ermöglichen. Unsere
Bibliotheken und Bolzplätze, Sport- und Musikvereine, Theater und Jugendzentren – kurz,
unsere öffentlichen und sozialen Orte – sollten zu den schönsten und stärksten Räumen des
Miteinanders werden.
Glück und Chancen dürfen nicht davon abhängen, ob man im Norden oder Süden, Osten oder
Westen, in der Stadt oder auf dem Land lebt, entsprechend sind gleichwertige
Lebensverhältnisse Verfassungsgrundsatz. Wir setzen alles daran, aus diesem oftmals noch
unerfüllten Anspruch Realität zu machen. Wer auf dem Land wohnt, braucht genauso einen
Zugang zu Ärzt*innen, schnellem Internet, öffentlicher Daseinsvorsorge wie Städter*innen.
Und wer in der Stadt lebt, muss auch dort guten und bezahlbaren Wohnraum finden können.
Wohnen ist die soziale Frage unserer Zeit und für viele Menschen, viele Familien bis weit in
die Mittelschicht hinein eine der Existenz.
Unser Gesundheitssystem soll allen eine gleichwertige Gesundheitsversorgung garantieren,
aber es klaffen Lücken: Gesundheitsämter wurden kaputtgespart, in Krankenhäusern und der
Verwaltung fehlt Personal, die, die da sind, arbeiten am Anschlag. Wir wollen die Vorzeichen
ändern und Vorsorge zum Leitprinzip machen: Kliniken sollen ihrem gesellschaftlichen Auftrag
entsprechend finanziert werden, auch auf dem Land braucht es Zugang zu Geburtshilfe und
Notfallhilfen. In der Pflege setzen wir uns ein für bessere Arbeitsbedingungen, mehr
Personal, Sicherheit für Menschen, die Pflege benötigen, und für diejenigen, die Angehörige
oder Freund*innen pflegen.
Digitalisierung, globaler Wettbewerb und der nötige Umbau der Wirtschaft bedeuten für viele
Menschen große Veränderungen, die mit der Angst vor Verlusten einhergehen. Aber Angst lähmt
und macht mürbe. Menschen benötigen auch im Übergang Sicherheit. Es gilt die Risiken
abzusichern und Perspektiven zu geben, etwa durch eine Arbeitsversicherung und durch
Weiterbildung. Starke Tarifpartner, starke Gewerkschaften und demokratische Mitbestimmung
können ebenfalls dazu beitragen, die großen Herausforderungen beim Übergang in eine sozial-
ökologische Marktwirtschaft gemeinsam zu bewältigen. Wir werden zeigen, dass Transformation
und Digitalisierung hin zu einem klimagerechten Wohlstand zukunftsfähige Jobs schaffen, mit
guten Arbeitsbedingungen und gerecht verteilter Arbeit.
Wir fördern Kinder, Jugendliche und Familien
Kinder in den Mittelpunkt
Kinder müssen sich bestmöglich und frei entfalten können. Dabei haben sie ein Recht auf
besonderen Schutz, Förderung und Beteiligung. Kinder sind keine kleinen Erwachsenen, sondern
haben ganz eigene Bedürfnisse, die bei Entscheidungen angehört, mitgedacht und abgewogen
werden müssen. Wir werden deshalb sicherstellen, dass das Wohl von Kindern bei staatlichen
Entscheidungen ein größeres Gewicht bekommt. Deshalb müssen starke Kinderrechte entlang der
Grundprinzipien der UN-Kinderrechtskonvention ins Grundgesetz. Mit einem Nationalen
Aktionsplan für Kinder- und Jugendbeteiligung wollen wir sicherstellen, dass alle Kinder und
Jugendlichen über ihre Rechte informiert sind und unabhängig vom soziokulturellen
Hintergrund, altersgerecht und niedrigschwellig Beteiligung leben können. Die Jugendarbeit
spielt hierbei eine wichtige Rolle, darum wollen wir die Jugendverbände mit einem
Verbandsklagerecht gegenüber Kommunen stärken. Werdende Demokrat*innen brauchen Mitmach- und
Medienkompetenz sowie politische Bildung, die wir als Querschnittsaufgaben in Kitas, Schulen
und Jugendhilfe konzeptionell und finanziell stärken. Beim Aufbau oder der Auswahl von
Angeboten im Sozialraum, bei allen Bau- und Wohnumfeldmaßnahmen, die Kinder und Jugendliche
betreffen, werden wir sie beteiligen, ihr Wohl sichern und dies im Baugesetzbuch
berücksichtigen.
Eine Kindergrundsicherung gegen Kinderarmut
In einem reichen Land wie Deutschland darf kein Kind in Armut aufwachsen – doch vor allem
bei Alleinerziehenden oder Geringverdienenden mit Kindern reicht das Geld oft vorn und
hinten nicht. Jedes Kind verdient unsere Unterstützung. Daher wollen wir Familien stärken
mit einer einfachen und gerechten Kinder- und Familienförderung: der Kindergrundsicherung.
Unser Vorschlag: Kindergeld, Kinderzuschlag, das Sozialgeld für Kinder und die Bedarfe für
Bildung und Teilhabe in eine neue eigenständige Leistung zusammenzufassen. Mit der
Kindergrundsicherung bekommt jedes Kind einen festen Garantie-Betrag, Kinder in Familien mit
geringen oder gar keinem Einkommen bekommen zusätzlich noch einen GarantiePlus-Betrag. Je
niedriger das Familieneinkommen, desto höher der GarantiePlus-Betrag. Nach einmaliger
Beantragung bei Geburt wird die Höhe der Kindergrundsicherung automatisch berechnet und
ausgezahlt. So kommt die Kindergrundsicherung garantiert bei jedem Kind an und Schritt für
Schritt beenden wir Kinderarmut. Sie ist gerecht, denn Kinder, die mehr brauchen, bekommen
auch mehr. Die Kindergrundsicherung verbinden wir mit einer Neuermittlung dessen, was Kinder
zum Leben brauchen.
Kinder- und Jugendhilfe für alle Kinder
Ob Kita, Hortbetreuung, Familienberatung, Hilfen zur Erziehung oder Angebote der
Jugendarbeit – die Kinder- und Jugendhilfe begleitet Familien beim Aufwachsen der Kinder.
Sozialarbeiter*innen und Pädagog*innen leisten dabei unter hohem Zeit- und Arbeitsdruck
Enormes. Durch gesetzliche Vorgaben zur Personalplanung wollen wir für besser ausgestattete
Jugendämter und Entlastung der Fachkräfte sorgen. Leistungsansprüche von Kindern und
Jugendlichen mit körperlichen und geistigen Behinderungen werden bisher in einem eigenen
Sozialgesetzbuch für Menschen mit Behinderungen geregelt. Das grenzt aus. Mit einem
Bundesinklusionsgesetz soll sichergestellt werden, dass alle Angebote der Kinder- und
Jugendhilfe künftig so ausgestaltet sind, dass sie sich auch an Kinder und Jugendliche mit
Behinderungen und ihre Eltern richten. Wir wollen auf dem eingeschlagenen Weg hin zu einem
inklusiven SGB VIII zügiger voranschreiten. Daher werden wir die Länder und Kommunen, die
bereits vor Umsetzung des Bundesinklusionsgesetzes alle Kinder unter dem Dach der
Jugendhilfe vereinen wollen, mit einem Bundesmodellprogramm unterstützen. So können
wertvolle Anregungen für den bundesweiten Umstrukturierungsprozess gewonnen werden.
Teilhabe und Schutz in der digitalen Welt
Kinder und Jugendliche wachsen als Digital Natives auf, sie sollen sicher und selbstbestimmt
mit Tablets, Smartphones und Co. umgehen können. Wir stärken die digitale Bildung als
Gemeinschaftsaufgabe von Eltern, Kitas, Schulen und der Jugendhilfe, mit Fortbildungen für
Fachkräfte und Unterstützungsangeboten für Eltern. Alle sollen digitale Kompetenzen erwerben
können, das geht nur mit entsprechender Hardware: Kinder in Familien im Hartz-IV- oder
Kinderzuschlags-Bezug sollen für die Schule einen Laptop erhalten, wenn sie diesen
benötigen. Kinder und Jugendliche brauchen im Netz besonderen Schutz vor Straftaten wie
Hassrede, Cybergrooming oder sexualisierter Gewalt, dem Mobbing im Netz wollen wir einen
Riegel vorschieben. Dafür setzen wir auf eine Präventionsstrategie, mit verpflichtenden
sicheren Voreinstellungen für Plattformen und leicht auffindbaren Beschwerdemöglichkeiten.
Vor kommerziellem Sammeln ihrer Daten durch private Anbieter werden wir Kinder schützen.
Kinder vor sexualisierter Gewalt schützen
Für viele Kinder und Jugendliche ist sexualisierte Gewalt leidvoller Alltag. Dagegen gehen
wir hart vor – mit starker Prävention, konsequenter Strafverfolgung und einem Maßnahmenpaket
zur Qualitätssicherung und zum Kinderschutz in familiengerichtlichen Verfahren. Das oberste
Ziel ist es, Taten zu verhindern. Dafür braucht es Aufklärung, Qualifizierung und gelebte
Schutzkonzepte überall dort, wo Kinder und Jugendliche sich aufhalten und betreut werden.
Basiswissen über Kinderrechte, insbesondere Beteiligung, Schutz bei Kindeswohlgefährdung und
Missbrauch gehören in die Curricula für Jura, Medizin, Pädagogik und Polizei. Die
Fortbildungspflicht für Familienrichter*innen und die Anforderungen an die Qualifikation von
Verfahrensbeiständen sind klar gesetzlich zu regeln. Die wichtige Arbeit des Unabhängigen
Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs werden wir auf eine gesetzliche
Grundlage stellen und damit dauerhaft absichern. Wir werden bundesweit spezialisierte
Fachberatungsstellen und telefonische sowie Online-Beratungsangebote finanziell absichern.
Mehr Zeit für Familien
Den Kopf frei haben für die Familie, die Kinder, auch wenn sie krank sind, das ist unser
Ziel. Mit der KinderZeit Plus wollen wir das Elterngeld auf 24 Monate ausweiten: pro
Elternteil je acht Monate, weitere acht Monate können flexibel untereinander aufgeteilt
werden. Wird die KinderZeit Plus Teilzeit in Anspruch genommen, verlängert dies entsprechend
den Bezugszeitraum. Sie kann bis zum 14. Geburtstag des Kindes genommen werden, denn auch
bei älteren Kindern kann mehr Aufmerksamkeit nötig sein. Wir unterstützen Eltern dabei,
Familie und Arbeit mit einer neuen Arbeitszeitkultur und einem flexiblen Vollzeitkorridor in
eine ausgewogene Balance zu bringen, Familienarbeit partnerschaftlich zu teilen und
Teilzeitfallen zu vermeiden. Niemand soll sich zwischen Kind und Job entscheiden müssen,
darum soll der Anspruch auf ein Kinderkrankengeld auf 15 Tage im Jahr pro Kind und
Elternteil steigen, Alleinerziehende bekommen 30 Tage. Weil gerade in den ersten beiden
Lebensjahren viele Infekte mitgenommen werden, sollte es in dieser Zeit einen zusätzlichen
erhöhten Anspruch auf Kinderkrankengeld geben. Die Altersgrenze wollen wir auch hier auf 14
Jahre anheben, ein ärztliches Attest wird erst ab dem vierten Erkrankungstag des Kindes
verpflichtend. Für die besondere Zeit direkt nach der Geburt wollen wir neben dem
Mutterschutz auch für den zweiten Elternteil eine 14-tägige Freistellung einrichten.
Alleinerziehenden den Rücken stärken
Alleinerziehende leisten enorm viel und sind dennoch besonders oft von Armut bedroht. Mit
der Kindergrundsicherung helfen wir mehrfach: Mit der Neuermittlung der Mindestbedarfe von
Kindern steigt auch der Mindestunterhalt. Und anders als beim heutigen Kindergeld soll nur
die Hälfte auf den Unterhaltsvorschuss angerechnet werden. Nach einer Trennung soll es bei
der Betreuung nicht zusätzlich knirschen, darum werden Mehrkosten für die Ausübung des
Umgangs, egal nach welchem Modell, angemessen berücksichtigt. Für Eltern im
Grundsicherungsbezug wollen wir einen Umgangsmehrbedarf einführen. Ob wichtiger Abendtermin
im Job, ein Beratungsgespräch oder Arztbesuch – Kinder können und sollten nicht immer dabei
sein. Es gilt, familienunterstützende Dienstleistungen zu fördern, zum Beispiel für
ergänzende Kinderbetreuung oder haushaltsnahe Dienstleistungen. Das gilt besonders im
Krankheitsfall, denn Kinder und Haushalt müssen trotzdem versorgt sein.
Absicherung für alle Familienformen
Ob Patchwork-, Stief- oder Regenbogenfamilie – Familien sind vielfältig und diese Vielfalt
muss ein modernes Familienrecht auch abbilden. Soziale Eltern übernehmen innerhalb der
Familie oft Verantwortung und sind wichtige Wegbegleiter. Rechtlich gesehen sind sie aber
auch nach Jahren Außenstehende für ihr Kind: Im Kindergarten, in der Schule oder bei
Ärzt*innen ist es nicht vorgesehen, dass sie Entscheidungen für ihre Kinder treffen. Mit der
Weiterentwicklung des „kleinen Sorgerechts“ hin zu einer elterlichen Mitverantwortung, die
auf Antrag beim Jugendamt auf bis zu zwei weitere Erwachsene übertragen werden kann, geben
wir allen Beteiligten mehr Sicherheit. Zwei-Mütter-Familien sollen nicht mehr durch das
langwierige Stiefkindadoptionsverfahren müssen, darum streben wir an, das Abstammungsrecht
zu reformieren, sodass die Co-Mutter analog zu Vätern in heterosexuellen Ehen automatisch
als zweites rechtliches Elternteil gilt. Bei Kinderwunsch sollen auch nichteheliche
Lebensgemeinschaften und lesbische Paare die Möglichkeit einer Kostenerstattung für die
künstliche Befruchtung erhalten. Verantwortung wird nicht nur da füreinander übernommen, wo
Kinder sind. Mit dem Pakt für das Zusammenleben werden wir eine neue Rechtsform schaffen,
die das Zusammenleben zweier Menschen, die füreinander Verantwortung übernehmen, unabhängig
von der Ehe rechtlich absichert.
Wir sorgen für gute Arbeit und faire Löhne
Mindestlohn anheben
Arbeit muss gerecht bezahlt werden. Und die Menschen brauchen gute Arbeitsbedingungen. Aber
in unserem reichen Land arbeiten noch immer Millionen Menschen im Niedriglohnsektor mit
schlechten Löhnen und unsicheren Beschäftigungsverhältnissen. Besonders oft sind davon
Frauen betroffen. Das wollen wir ändern. Den gesetzlichen Mindestlohn werden wir sofort auf
12 Euro anheben. Für weitere Erhöhungen soll die Mindestlohnkommission den Auftrag bekommen,
dass der Mindestlohn wirksam vor Armut schützen und mindestens der Entwicklung der
Tariflöhne entsprechen muss. Leiharbeiter*innen sollen vom ersten Tag an den gleichen Lohn
für gleiche Arbeit bekommen wie Stammbeschäftigte – plus Flexibilitätsprämie. Ohne
sachlichen Grund dürfen Arbeitsverträge nicht mehr befristet werden. Gegen den vielfachen
Missbrauch von Werkverträgen und die Abwälzung unternehmerischer Verantwortung mittels
Subunternehmerketten gehen wir ordnungspolitisch vor. Wir wollen den Arbeitsschutz stärken,
damit er wirksam vor Stress, Burn-out und Entgrenzung der Arbeit schützt. Mobbing und
Diskriminierung am Arbeitsplatz nehmen wir ernst und wollen besser davor schützen.
Vollbeschäftigung schaffen
Wir wollen allen Menschen ermöglichen, am Arbeitsleben teilzuhaben, denn ein guter
Arbeitsplatz ist eine wichtige Quelle für Einkommen, Anerkennung und Selbstverwirklichung.
Dazu müssen wir gute und sichere Jobs schaffen. Wir wollen die Beschäftigung weiter erhöhen
und damit auch verhindern, dass Corona langfristige Spuren am Arbeitsmarkt hinterlässt. Mit
dauerhaft höheren öffentlichen Investitionen, mehr Gründungsgeist und Forschung sowie
Innovation wollen wir ein Umfeld für viele neue Jobs schaffen. Der deutsche Arbeitsmarkt war
dabei in den letzten Jahren gespalten: Fachkräftemangel und deutliche Lohnsteigerungen für
Hochqualifizierte in einigen Branchen, prekäre Beschäftigung, unfreiwillige Teilzeit und
stagnierende Reallöhne in anderen. Dem wollen wir mit einer sozial gerechten Arbeitspolitik
entgegentreten. Damit sorgen wir für gute Löhne und trocknen den Niedriglohnsektor
mittelfristig aus. Langzeitarbeitslose brauchen eine besonders intensive Betreuung durch die
Arbeitsagentur, für Menschen ohne Perspektiven am ersten Arbeitsmarkt schaffen wir einen
dauerhaften sozialen Arbeitsmarkt.
Sozialpartnerschaft stärken, Tarifbindung erhöhen
Die Sozialpartnerschaft, Tarifverträge und Mitbestimmung sind Eckpfeiler der sozialen
Marktwirtschaft. Sie haben unser Land stark gemacht. Da, wo sie gelten, sorgen sie meistens
für anständige Löhne und gute Arbeitsbedingungen. Wir wollen, dass Tarifverträge und starke
Mitbestimmung wieder für mehr anstatt für immer weniger Beschäftigte und Betriebe gelten.
Bei der öffentlichen Vergabe sollen im Einklang mit europäischem Recht die Unternehmen zum
Zug kommen, die tarifgebunden sind oder mindestens Tariflöhne zahlen. Dafür setzen wir auf
ein Bundestariftreuegesetz. Zudem wollen wir es leichter machen, Tarifverträge für
allgemeinverbindlich zu erklären, damit sie für alle in einer Branche gelten. Betriebsräte,
die sich für Mitarbeiter*innen einsetzen, brauchen auch selbst mehr Schutz. Gleiches gilt
auch für die Beschäftigten, die erstmals einen Betriebsrat gründen wollen. Die
Mitbestimmungsrechte wollen wir ausbauen und modernisieren, wenn es um die
Personalentwicklung, die Stärkung von Frauen und die Verbesserung der Klimabilanz im
Unternehmen geht. Der Wandel der Arbeitswelt, den Digitalisierung und ökologische
Transformation mit sich bringen, muss gemeinsam mit den Beschäftigten im Betrieb gestaltet
werden.
Selbstbestimmter arbeiten, digitale Chancen nutzen
Wir wollen Beschäftigte dabei unterstützen, ihre Arbeit besser an ihr Familien- und
Privatleben anzupassen. Eine moderne Arbeitswelt bedeutet für uns auch mehr Mitsprache bei
Ort, Lage und Umfang der Arbeit. In der Corona-Krise wurde das Arbeiten von zu Hause zu
einer weit verbreiteten Erfahrung, für viele verbunden mit mehr Eigenständigkeit und weniger
Stress, wenn etwa das lange Pendeln wegfiel. Für andere aber auch zur echten Belastungsprobe
– wenn zu Hause Arbeitszimmer, Arbeitsschutz und auch Kolleg*innen fehlen. Homeoffice kann
zudem auch zur Entgrenzung von Arbeit und zum Abbau des bisherigen Arbeitsortes außerhalb
der eigenen vier Wände führen. Die Möglichkeit zur Selbstbestimmung im Arbeitsleben wollen
wir daher erhalten und stärken, indem wir ein Recht auf Homeoffice einführen – mit Blick auf
betriebliche Möglichkeiten, aber auch mit strikten Schutzkriterien versehen. Ein
Arbeitsplatz im Unternehmen muss aber ebenfalls allen zur Verfügung stehen.
Mehr Freiraum bei der Arbeitszeit
Ob im Büro, in der Pflege oder auf Montage – für viele Menschen ist der körperliche oder
psychische Druck durch Arbeit gewachsen. Gleichzeitig ist Zeit zu haben – für sich selbst
oder die Familie – für viele Menschen ein immer größerer Wert. Kürzere Arbeitszeiten, wie
beispielsweise die IG Metall sie als Beitrag zur Bewältigung des Strukturwandels in der
Automobilbranche vorgeschlagen hat, können eine Chance sein, Arbeit gerechter zu verteilen,
Arbeitsplätze zu sichern und Arbeitnehmer*innen zu entlasten. Wir wollen Beschäftigte in der
Pflege, in der die Belastung besonders hoch ist, mit besseren Arbeitsbedingungen
unterstützen und deshalb die 35-Stunden-Woche einführen. Darüber hinaus wollen wir die
Möglichkeiten aller Arbeitnehmer*innen, selbst flexibler über die eigene Arbeitszeit zu
bestimmen – gerade um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erleichtern –, verbessern.
Dafür wollen wir die starre Vollzeit zu einer Wahlarbeitszeit zwischen 30 und 40 Stunden bei
flexiblem Arbeitszeitkorridor umgestalten. Versuche, das Arbeitszeitgesetz zum Nachteil der
Arbeitnehmer*innen aufzuweichen, lehnen wir ab. Die europäische Arbeitszeitrichtlinie wollen
wir konsequent umsetzen.
Arbeitsversicherung stärkt Chancen
Wir wollen die Arbeitsmarktpolitik auf die Zukunft ausrichten und die
Arbeitslosenversicherung zu einer Arbeitsversicherung umbauen. Zentral dafür ist ein
Rechtsanspruch auf Weiterbildung und die Stärkung der beruflichen Qualifikation. In einer
Welt, in der häufige Berufswechsel für viele Menschen Normalität sind und man nicht mehr
automatisch 40 Jahre im gleichen Betrieb arbeitet, brauchen alle Menschen Anlaufstellen und
Unterstützung, um ihr Berufsleben selbstbestimmt zu gestalten. Überall dort, wo es eine
Arbeitsagentur gibt, sollen Bildungsagenturen zentrale Anlaufstellen werden und Menschen bei
der Neuorientierung unterstützen, Weiterbildungsberatung und -förderung sollen damit
vereinfacht werden. Den Zugang zur Arbeitsversicherung werden wir deutlich erleichtern und
bereits ab vier Monaten sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung einen Anspruch auf
Arbeitslosengeld einführen. Auch selbständige Berufstätigkeit muss sozial besser abgesichert
werden. Dafür vereinfachen wir den Zugang zur freiwilligen Arbeitslosenversicherung und
schaffen eine Zugangsmöglichkeit für alle Selbständigen auch mit Wahltarifen. Wir wollen
Gründungen aus Phasen der Arbeitslosigkeit heraus besser fördern und durch die Krise
zurückgeworfene junge Berufsanfänger*innen mit einem Einstiegszuschuss eine Brücke in den
Arbeitsmarkt bauen.
Besserer Schutz bei online vermittelter Arbeit
Vom Handwerkerdienst über Software-Entwicklung bis zur Reinigung – immer mehr
Dienstleistungen werden über Online-Plattformen vermittelt (Gig-Working) oder finden sogar
ortsunabhängig in der Cloud statt (Crowd-Working). Die Digitalisierung von Tätigkeiten und
die digitale Vermittlung von Arbeit bergen viele neue Chancen. Aber Arbeitsrecht und
Arbeitsschutz müssen an die Onlinewelt angepasst werden, damit daraus nicht neue Formen von
Ausbeutung und Abhängigkeiten entstehen. Wir wollen Scheinselbständigkeit verhindern, indem
wir bei der Abgrenzung zwischen selbständiger Tätigkeit und abhängiger Beschäftigung für
mehr Rechts- und Planungssicherheit sorgen. Wenn der/die Auftragnehmer*in einer Plattform
angibt, einen Arbeitnehmerstatus zu haben, soll künftig der/die Auftraggeber*in beweisen,
dass dem nicht so ist. Unfaires Preis-Dumping gilt es durch ein Mindesthonorar für
zeitbasierte Dienstleistungen zu unterbinden. Arbeitnehmerähnliche Personen und Solo-
Selbständige, die für Plattformen tätig werden, sollen sich künftig leichter tariflich
organisieren können, und branchenspezifisch sollen weitere verbindliche Honoraruntergrenzen
vereinbart werden können, die auch für allgemeinverbindlich erklärt werden können.
Plattformbetreiber tragen eine Verantwortung für ihre Auftragnehmer*innen. Wir wollen mit
klaren Mindeststandards beim Arbeits- und Datenschutz und bei den allgemeinen
Geschäftsbedingungen für Fairplay bei der Plattformökonomie sorgen.
Faire Arbeitsbedingungen für Beschäftigte aus europäischen
Nachbarstaaten
In jedem europäischen Nachbarland arbeiten zu können, das ist eine der großen
Errungenschaften unseres vereinten Europas. Was in hochqualifizierten Berufen viel Freiheit
gebracht hat, führte in manchen Dienstleistungsbereichen zu ausbeuterischen
Arbeitsrealitäten. Missstände in den deutschen Schlachthöfen haben das schlaglichtartig
gezeigt. Doch auch anderswo, zum Beispiel auf dem Bau oder in der Pflege, herrschen vielfach
ausbeuterische Verhältnisse. Wir wollen, dass alle Beschäftigten – egal, wie lange sie hier
arbeiten – genauso gut bezahlt und abgesichert sind wie ihre deutschen Kolleg*innen. Dafür
braucht es ein wirksames Vorgehen gegen Schwarzarbeit und Scheinselbständigkeit, ein
Verbandsklagerecht der Gewerkschaften, eine europäische Sozialversicherungsnummer, höhere
Mindeststandards für Unterkünfte von entsandten Beschäftigten, eine bessere Regulierung der
Vermittlungsagenturen und mehr Kontrolle durch eine gestärkte Europäische Arbeitsbehörde.
Arbeitnehmer*innen aus anderen EU-Staaten müssen besser über ihre Rechte informiert werden.
Wir schaffen Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern
Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit
Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit, von dieser Selbstverständlichkeit sind wir immer
noch weit entfernt. Durchschnittlich verdienen Frauen im gesamten Erwerbsleben etwa nur halb
so viel wie Männer, was sich auch in ihrer ungenügenden Alterssicherung bemerkbar macht. Wir
werden ein effektives Entgeltgleichheitsgesetz einführen, das auch für kleine Betriebe gilt
und die Unternehmen verpflichtet, von sich aus über die Bezahlung von Frauen und Männern und
über ihre Maßnahmen zum Schließen des eigenen Pay-Gaps zu berichten. Dieses Gesetz muss auch
ein wirksames Verbandsklagerecht enthalten, damit bei strukturellen Benachteiligungen auch
Verbände die Klage übernehmen können und die Betroffenen nicht auf sich allein gestellt
sind. Lohncheckverfahren können Diskriminierungen aufdecken. Deshalb werden wir
Tarifpartner*innen und Unternehmen verpflichten, alle Lohnstrukturen auf Diskriminierung zu
überprüfen. Wir setzen uns dafür ein, dass Berufe, die vor allem von Frauen ausgeübt werden,
eine höhere Wertschätzung erfahren als bisher, zum Beispiel in Form besserer
Arbeitsbedingungen, besserer Bezahlung oder besserer Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Wirtschaftliche Unabhängigkeit von Frauen stärken
Um das eigene Leben selbst gestalten zu können, ist es vielen Frauen wichtig, wirtschaftlich
unabhängig zu sein. Deshalb müssen Steine, die dies behindern, aus dem Weg geräumt werden.
Wir wollen für eine eigenständige Absicherung in allen Lebensphasen sorgen – von der
Berufswahl bis zur Rente. Minijobs, mit Ausnahmen für Studierende, Schüler*innen und
Rentner*innen, wollen wir in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung überführen und
Regelungen für haushaltsnahe Dienstleistungen schaffen. Das durch enge Rollenerwartungen
eingeschränkte Berufswahlverhalten von Mädchen und Jungen wollen wir durch eine
gendersensible Berufsberatung erweitern. Die gläserne Decke, die Frauen am Aufstieg hindert,
wollen wir aufbrechen. Dies gelingt auch durch eine kluge Zeitpolitik, die es auch
Partner*innen erleichtert, Verantwortung in der Familie zu übernehmen und Arbeit
geschlechtergerecht aufzuteilen. Diskriminierungen am Arbeitsmarkt begegnen wir mit einem
Verbandsklagerecht, das die Einzelne stärkt, und durch ein echtes Recht auf die Rückkehr in
Vollzeit, das auch für kleinere Betriebe gilt.
Gleichberechtigung auch bei der Steuer
Das deutsche Steuerrecht steckt noch im letzten Jahrhundert fest. Während sich viele Paare
Familien- und Erwerbsarbeit gleichberechtigter aufteilen, als es noch vor Jahren der Fall
war, gilt bei der Steuer nach wie vor das Modell eines männlichen Ernährers und einer Frau,
die höchstens zuverdient und sich hauptsächlich um Haushalt und Kinder kümmert. Dieses
Modell ist ungerecht, weil es Ehen privilegiert, Alleinerziehende und nicht verheiratete
Paare außen vor lässt, die Erwerbstätigkeit von Frauen hemmt und Frauen gleichzeitig nicht
wirklich absichert. In Krisen bekommen vor allem Frauen die Nachteile zu spüren, zum
Beispiel durch weniger Kurzarbeits- oder Arbeitslosengeld. Im Zusammenspiel mit Minijobs und
der kostenlosen Mitversicherung wirken sich diese Maßnahmen negativ auf die Erwerbstätigkeit
von Frauen aus. Deshalb wollen wir für neu geschlossene Ehen eine individuelle Besteuerung
mit übertragbarem Grundfreibetrag einführen. Bei der Lohnsteuer soll die/der heute über
Gebühr belastete Zweitverdiener*in entlastet werden, indem das Faktorverfahren zur Regel und
die Steuerklasse 5 für Zuverdiener*innen abgeschafft wird. So sorgen wir dafür, dass
gleichberechtigte Lebensentwürfe nicht länger benachteiligt werden. Paare, die bereits
verheiratet sind, können sich entscheiden, ob sie sich einzeln veranlagen oder weiterhin das
Ehegattensplitting nutzen wollen. Zugleich stärken wir mit der Kindergrundsicherung
Familien. Alleinerziehende, die heute am stärksten von Armut betroffen sind, entlasten wir
mit einer Steuergutschrift.
Wir sichern die sozialen Netze
Garantiesicherung statt Hartz IV
Jeder Mensch hat das Recht auf soziale Teilhabe, auf ein würdevolles Leben ohne
Existenzangst. Deswegen wollen wir Hartz IV überwinden und ersetzen es durch eine
Garantiesicherung. Sie schützt vor Armut und garantiert ohne Sanktionen das soziokulturelle
Existenzminimum. Sie stärkt so Menschen in Zeiten des Wandels und kann angesichts großer
Veränderungen der Arbeitswelt Sicherheit geben und Chancen und Perspektiven für ein
selbstbestimmtes Leben eröffnen. Die grüne Garantiesicherung ist eine Mindestsicherung, die
nicht stigmatisiert und die einfach und auf Augenhöhe gewährt wird. Sie schafft durch die
Abschaffung der bürokratischen Sanktionen Raum und Zeit in den Jobcentern für wirkliche
Arbeitsvermittlung und Begleitung. Dafür wollen wir die Regelsätze schrittweise anheben,
sodass sie das soziokulturelle Existenzminimum verlässlich sicherstellen. Die Leistungen der
Garantiesicherung wollen wir schrittweise individualisieren. Die Anrechnung von Einkommen
werden wir attraktiver gestalten, sodass zusätzliche Erwerbstätigkeit auch in Teilzeit zu
einem spürbar höheren Einkommen führt. Vermögen werden künftig unbürokratischer und mit
Hilfe einer Selbstauskunft geprüft.
Selbstbestimmung und gleichberechtigte Teilhabe für Menschen mit
Behinderungen
Menschen mit Behinderungen haben ein Recht darauf, gleichberechtigt wohnen, lernen und
arbeiten zu können und die Unterstützung zu wählen, die sie dafür brauchen. Leistungen zur
Teilhabe müssen in jeder Phase allgemeiner, beruflicher und hochschulischer Bildung gewährt
werden. Wir wollen einen inklusiven Arbeitsmarkt schaffen und dafür Arbeitgeber*innen, die
Menschen mit Behinderungen beschäftigen, besser unterstützen, den Wechsel von Werkstätten in
den allgemeinen Arbeitsmarkt fördern und Menschen, die das Budget für Arbeit nutzen, in der
Arbeitslosenversicherung absichern. Ziel ist, das Bundesteilhabegesetz weiterzuentwickeln
und Teilhabe zu garantieren – kein Poolen von Leistungen gegen den Willen der Betroffenen,
echtes Wunsch- und Wahlrecht, Leistungen zur Teilhabe unabhängig von Einkommen und Vermögen
der Leistungsberechtigten. Anträge auf Teilhabeleistungen sollen einfach sein und
Entscheidungen im Sinne der behinderten Menschen schnell erfolgen.
Gemeinsame soziale Mindeststandards in der EU
Wir treten ein für eine Europäische Union, die soziale Absicherung und Mindeststandards
europaweit garantiert. Soziale Rechte müssen den gleichen Stellenwert erhalten wie die
wirtschaftlichen Freiheiten des Binnenmarkts. Dafür sind gemeinsame europäische Arbeits- und
Sozialstandards essenziell. Wir machen uns für eine europäische Grundsicherungsrichtlinie
stark, die soziale Mindeststandards für jedes Land festlegt, angepasst an die jeweilige
ökonomische Situation. Länderspezifische Mindestlöhne sollen überall in Europa dafür sorgen,
dass Menschen von ihrer Arbeit leben können. Wir wollen die Europäischen Betriebsräte
stärken und die paritätische Mitbestimmung in den Kontroll- und Leitungsorganen europäischer
Unternehmen ausbauen, die mehr als 1.000 Beschäftigte haben. Unser langfristiges Ziel ist,
dass die in der Europäischen Grundrechtecharta verankerten sozialen Rechte als Grundrechte
gegenüber den Mitgliedstaaten vor dem Europäischen Gerichtshof einklagbar sind.
Eine verlässliche Alterssicherung für alle
Die langfristige Sicherung des Rentenniveaus bei 48 Prozent hat für uns hohe Priorität. Bei
einem weiteren Absinken wären immer mehr Menschen auf Grundrente angewiesen und die
Akzeptanz der gesetzlichen Rente wäre gefährdet. Um das Rentenniveau zu sichern, wollen wir
die Frauenerwerbstätigkeit unter anderem durch ein Rückkehrrecht in Vollzeit erhöhen, ein
echtes Einwanderungsgesetz schaffen und die Beschäftigungssituation älterer
Arbeitnehmer*innen verbessern. Um die Belastungen der Versicherten und der Arbeitgeber*innen
zu begrenzen, sollen bei Bedarf die Steuerzuschüsse erhöht werden. Prekäre Beschäftigung
muss überwunden werden, denn nur gute Löhne führen auch zu einer guten Rente. In einem
ersten Schritt zu einer Bürgerversicherung sorgen wir dafür, dass anderweitig nicht
abgesicherte Selbständige, denen sonst Altersarmut droht, und Abgeordnete in die gesetzliche
Rentenversicherung aufgenommen werden. Um Altersarmut zu verhindern, werden wir die
Grundrente reparieren und zu einer echten Garantierente weiterentwickeln. Grundsätzlich
halten wir an der Rente mit 67 fest. Wir wollen es Menschen aber leichter machen, selbst
darüber zu entscheiden, wann sie in Rente gehen wollen.
Ein Bürgerfonds für die Rente
Eine kapitalgedeckte Altersvorsorge kann das Umlagesystem sinnvoll ergänzen. Die Riester-
Rente hat sich aber als ein völliger Fehlschlag herausgestellt. Die Produkte sind teuer und
undurchschaubar und haben zum Teil eine geringere Rendite als Omas Sparstrumpf. Profitabel
sind sie oft nur für die Versicherungswirtschaft oder dank der öffentlichen Förderung.
Deswegen haben bei weitem nicht alle davon Gebrauch gemacht. Wir wollen die Riester-Rente
durch einen öffentlich verwalteten Bürgerfonds ersetzen und in diesen überführen. Durch den
Bürgerfonds profitieren die Menschen am Wertezuwachs der Wirtschaft. Der Fonds kann
langfristig orientiertes Eigenkapital für die Wirtschaft bereitstellen. In den Bürgerfonds
zahlen alle ein, die nicht aktiv widersprechen. So wird ein Volumen geschaffen, das die
Verwaltungskosten gering hält, die Risiken breit streut und auf teure Garantien verzichten
kann. Der Bürgerfonds wird politisch unabhängig verwaltet und investiert nachhaltig. Er
investiert langfristig und hilft so, die Kurzfristorientierung der Märkte zu überwinden. Für
Kleinsparer*innen gewährleistet er eine attraktive Rendite bei überschaubarem Risiko. Alle
Arbeitgeber*innen sollen künftig eine betriebliche Altersvorsorge anbieten und können den
Bürgerfonds als Standard dafür nutzen.
Wir geben Gesundheit und Pflege einen neuen Wert
Vorsorge als Leitprinzip
Wir wollen den Zugang zu guter Gesundheitsversorgung sicherstellen – aber gute
Gesundheitspolitik setzt schon vorher an. Wer in der Fleischindustrie unter prekären
Bedingungen arbeitet, in einer schimmeligen Wohnung oder an der vielbefahrenen Straße wohnt
oder mit Hartz IV in Armut lebt, kann seine Gesundheit nur schwer schützen, hat eine höhere
Wahrscheinlichkeit zu erkranken und oft einen schlechteren Zugang zur Gesundheitsversorgung.
Für eine gesunde Gesellschaft braucht es eine Politik, die vorsorgt, die die Ursachen von
Krankheiten bekämpft und vorausschauend handelt. Statt nur auf die nächste Krise zu
reagieren, sollen in Zukunft durch gemeinsame Gesundheitsziele und eine Ausweitung der
Gesundheitsberichterstattung Krankheitsursachen und der Stand der gesundheitlichen
Versorgung in den Blick genommen werden. Prävention, Gesundheitsförderung und
gesundheitliche Versorgung wollen wir grundsätzlich als Querschnittsaufgabe in allen
Politikbereichen verfolgen. Um uns gegen klimawandelbedingte Hitzewellen zu wappnen, werden
wir einen Sonderfonds zur Umsetzung von Hitzeaktionsplänen etablieren.
Für Pandemien gewappnet sein
Die Corona-Krise hat gezeigt, dass unser Gesundheitssystem für künftige Pandemien besser
gewappnet sein muss. Spätestens jetzt ist der Moment, die Krankenhaus- und Notfallversorgung
zu reformieren und die Digitalisierung, insbesondere in den Gesundheitsämtern, beherzt
voranzutreiben. Um Pandemien zukünftig effektiv und nachvollziehbar zu bekämpfen, sollen
Stufen zur Eindämmung von Pandemien im Infektionsschutzgesetz definiert, Pandemieschutzpläne
aktualisiert und soll ein unabhängiger und interdisziplinärer Pandemierat eingerichtet
werden. Wir investieren in Gesundheitsforschung, zum Beispiel bei Medikamenten oder der
Entwicklung neuer Testverfahren. Auch die Produktion von Medikamenten und Medizinprodukten
soll – in europäischer Kooperation – vorangetrieben werden, die Versorgung, zum Beispiel mit
Atemschutzmasken, durch eigene Produktionsstandorte sichergestellt werden. Auf europäischer
Ebene braucht es mehr gemeinsame Strategie und Koordinierung, etwa durch die gemeinsame
Planung und Nutzung medizinischer Notfallkapazitäten oder durch ein europäisches
Frühwarnsystem. Daher setzen wir uns für den zügigen Aufbau von HERA ein, einer europäischen
Behörde, die künftig staatliche und privatwirtschaftliche Aktivitäten besser koordinieren
soll. Das Europäische Zentrum für die Prävention und Kontrolle von Krankheiten wollen wir
stärken und uns für eine engere Kooperation mit nationalen Gesundheitsbehörden einsetzen.
Gesundheitsämter stärken
Nicht erst in der Corona-Pandemie wird sichtbar, dass wir als Gesellschaft größere
Anstrengungen unternehmen müssen, um die öffentliche Gesundheit zu stärken und Menschen ein
gutes Leben zu ermöglichen. Ob der Besuch bei der mobilen Zahnärzt*in in der Schule oder die
Impfaktion im Pflegeheim – für Gesundheitsförderung, die Menschen unkompliziert erreicht,
braucht es eine Stärkung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes. Unser Ziel ist es, im
Zusammenspiel zwischen den Gesundheitsämtern, universitären Strukturen der öffentlichen
Gesundheitsfürsorge und einem neu zu schaffenden Bundesinstitut für Gesundheit gemeinsam
eine starke Säule der öffentlichen Gesundheitsfürsorge aufzubauen. Das Institut soll
gemeinsame Gesundheitsziele und Qualitätsvorgaben für die Verbesserung der Versorgung
entwickeln und bestehende Strukturen des Bundes zur Förderung der Gesundheit bündeln. Bisher
sind die Gesundheitsämter chronisch unterfinanziert und unterbesetzt, die personelle und
technische Ausstattung muss dauerhaft verbessert werden. Wir wollen deshalb, dass Bund und
Länder gemeinsam dafür sorgen, dass künftig 1 Prozent der gesamten Gesundheitsausgaben in
den Öffentlichen Gesundheitsdienst fließt. Amtsärzt*innen müssen besser bezahlt werden. Auch
pflegerische Fachkompetenz soll stärker eingebunden werden – als sogenannte Community Health
Nurses oder in der Schulgesundheitspflege.
Gute gesundheitliche Versorgung in Stadt und Land
Gesundheit ist Daseinsvorsorge. Wir wollen, dass Menschen im ganzen Land gut und verlässlich
versorgt werden. Wenn mancherorts der Weg zur Hebamme kaum zu bewältigen ist, die
Kinderstationen Patient*innen abweisen müssen oder Hausarztpraxen auf dem Land wegen
fehlendem/-r Nachfolger*in schließen müssen, gefährdet das die gesundheitliche Versorgung.
Um die Versorgung in Stadt und Land zu stärken, wollen wir, dass ambulante und stationäre
Angebote in Zukunft übergreifend geplant werden und Gesundheitsregionen mit enger Anbindung
an die Kommunen gefördert werden. Perspektivisch soll es eine gemeinsame
Abrechnungssystematik für ambulante und stationäre Leistungen geben. Gleichzeitig wollen wir
die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen den Gesundheitsberufen stärken. Denn die
Versorgung muss von den Patient*innen aus gedacht werden. Dafür wollen wir insbesondere die
Einrichtung von kommunalen Gesundheitszentren unterstützen, in denen alle Gesundheitsberufe
auf Augenhöhe zusammenarbeiten. Die Aufgabenverteilung im Gesundheitswesen werden wir so
reformieren, dass Gesundheits- und Pflegeberufe mehr Tätigkeiten eigenverantwortlich
übernehmen können. Die Arbeitsbedingungen in und die Vergütung von Therapieberufen müssen
dringend ihrer wichtigen Rolle im Gesundheitswesen angepasst, das Schulgeld für diese
Ausbildungen muss abgeschafft werden.
Krankenhäuser nach gesellschaftlichem Auftrag finanzieren
In Krankenhäusern sollen alle die Versorgung erhalten, die sie benötigen. Doch falsche
politische Weichenstellungen und der daraus folgende ökonomische Druck haben zu Fehlanreizen
zu Lasten des Patient*innenwohls und zu Kosteneinsparungen zu Lasten des Personals geführt.
Kliniken sollen deshalb in Zukunft nicht mehr nur nach Fallzahl, sondern auch nach ihrem
gesellschaftlichen Auftrag finanziert werden. Dafür braucht es ein neues
Finanzierungssystem. Wir werden eine Säule der Strukturfinanzierung einführen und den
verbleibenden fallzahlabhängigen Vergütungsteil reformieren. Vielfach herrscht Stillstand
bei den Investitionen in die Krankenhäuser. Das wollen wir ändern, indem Bund und Länder die
Investitionskosten in Zukunft gemeinsam tragen. Der Bund soll dafür die Möglichkeit haben,
gemeinsame bundesweite Grundsätze in der Krankenhausplanung zu definieren. Welche Angebote
es vor Ort gibt, darf nicht davon abhängen, was sich rentiert, sondern soll sich danach
richten, was nötig ist. Die beste Qualität kann zumeist durch Spezialisierung sichergestellt
werden. Krankenhäuser, die durch fehlende Auslastung die nötige Qualität in einigen
Bereichen nicht gewährleisten können, sollen nicht einfach aufgegeben, sondern zu
leistungsfähigen lokalen Notfall-, Gesundheits- und Pflegezentren weiterentwickelt werden.
Notfallversorgung reformieren
Wie gut ein Gesundheitssystem funktioniert, zeig sich oft erst im Notfall – und dann wird es
häufig ernst. Damit die Notfallversorgung in Deutschland besser funktioniert, muss sich
einiges ändern. Das fängt beim Rettungsdienst an, der Menschen in Not heute umfassend
medizinisch behandeln kann und deshalb wie die übrige Gesundheitsversorgung im Gesetz
geregelt werden muss. Die Notrufleitstellen der Nummern 112 und 116117 müssen
organisatorisch zusammengeführt werden, damit es im Zweifelsfall keine Rolle spielt, wo
Menschen anrufen, sondern sie immer die passende Hilfe bekommen. Auch wollen wir, dass
Notaufnahmen gerade nachts und am Wochenende beispielsweise durch kompetente Hausärztinnen
und Hausärzte so unterstützt werden, dass auch weniger ernste Fälle gut versorgt werden
können. Durch einheitliche Stufen und Vorgaben zur Notfallversorgung wollen wir
sicherstellen, dass Menschen in Not, in der Stadt und auf dem Land, stets die erwartbare
Hilfe auch verlässlich vorfinden.
Psychotherapieplätze schaffen
Starke Prävention und angemessene Versorgung – für beides wollen wir die Weichen stellen,
denn psychische Gesundheit ist Fundament für Lebensqualität und soziale Teilhabe. Es ist
nicht zumutbar, dass viele Menschen in einer psychischen Krise monatelang auf therapeutische
Hilfe warten müssen. Wer eine psychische Erkrankung hat, braucht schnelle und leicht
zugängliche Hilfen, damit das Leid sich nicht verschlimmert. Wir wollen deshalb ambulante
Psychotherapieplätze durch mehr Kassenzulassungen von Psychotherapeut*innen schaffen. Es
braucht eine gemeindenahe und personenzentrierte Versorgung und eine verbesserte
sektorübergreifende Zusammenarbeit. Dabei müssen auch die Besonderheiten der Versorgung von
Kindern und Jugendlichen sowie von Frauen, die von Gewalt betroffen sind, berücksichtigt
werden. Hilfsangebote zwischen ambulanter und stationärer Behandlung müssen flexibler werden
und die verschiedenen Berufsgruppen im Team eine miteinander abgestimmte Behandlung
übernehmen können. Bei der unzureichenden Reform der Psychotherapie-Ausbildung muss
nachgebessert werden, sodass angehende Psychotherapeut*innen endlich unter guten Bedingungen
ausgebildet werden.
Geburtshilfe verbessern, Gesundheit von Frauen stärken
Um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, sind Verbesserungen bei der Geburtshilfe und
eine Unterstützung freiberuflicher Hebammen durch eine Reform der Haftpflicht für
Gesundheitsberufe nötig. Wir wollen das Gesundheitssystem geschlechtergerecht machen.
Geschlechtsspezifische Aspekte in Forschung und Ausbildung und in der medizinischen Praxis
werden nicht ausreichend berücksichtigt, etwa bei der Medikamentenforschung. Das gefährdet
die Gesundheit von Frauen wie auch von Trans*- und Inter*-Menschen. Die Forschung zu
geschlechtsspezifischer Medizin und Pflege sowie Frauengesundheit muss gestärkt und in der
medizinischen und pflegerischen Praxis umgesetzt werden. Mit Hilfe einer Frauenquote für
Führungspositionen im Gesundheitswesen und besseren Arbeitsbedingungen holen wir mehr Frauen
in die Führungsgremien unseres Gesundheitswesens.
Zugang zum Gesundheitssystem sichern, Diskriminierung beenden
Auch im Gesundheitswesen wollen wir Diskriminierung bekämpfen. Beispielsweise erhalten
Menschen mit Behinderungen häufig nicht alle dringend benötigten Gesundheitsleistungen,
Hilfsmittel oder häusliche Pflege und werden so in ihrer Teilhabe beschränkt. Deshalb wollen
wir mit einem ressortübergreifenden Inklusionsplan diese Hürden umfassend abbauen, die
Gesundheitsleistungen auf die jeweiligen Bedarfe gezielt ausrichten und bürokratische
Vorgänge so weit wie möglich reduzieren. Das umfasst auch verpflichtende Vorgaben zur
Barrierefreiheit bei der Bedarfsplanung und eine Reform der Heilmittelversorgung. Auch für
LSBTIQ* muss diskriminierungsfreie Gesundheitsversorgung gesichert sein. Dafür werden wir
den Anspruch auf medizinische Maßnahmen für trans- und intergeschlechtliche Menschen
gesetzlich verankern. Die bestehenden Lücken beim Verbot sogenannter „Konversionstherapien“
werden wir schließen. Die Blutspende gestalten wir diskriminierungsfrei. Menschen, die ohne
Papiere in Deutschland leben, müssen ebenfalls Zugang zu guter gesundheitlicher Versorgung
haben, etwa durch einen anonymen Krankenschein, die Abschaffung der Mitteilungs- und
Unterrichtungspflichten an öffentlichen Stellen oder die Stärkung von Beratungsnetzwerken
für Menschen ohne Papiere.
Auf dem Weg zur Bürgerversicherung für Gesundheit und Pflege
Gesetzlich Versicherte warten länger auf Termine bei Fachärzt*innen, und viele privat
Versicherte können sich die hohen Prämien nicht mehr leisten. Von dieser Zwei-Klassen-
Medizin profitieren wenige, zum Nachteil vieler. Unser Ziel ist eine solidarisch finanzierte
Bürgerversicherung, in der jede*r unabhängig vom Einkommen die Versorgung bekommt, die er
oder sie braucht. Die Bürgerversicherung bezieht alle in die Finanzierung eines
leistungsstarken Versicherungssystems ein. Auch Beamte, Selbständige, Unternehmer*innen und
Abgeordnete beteiligen sich mit einkommensabhängigen Beiträgen. Neben Löhnen und Gehältern
sollen Beiträge auf Kapitaleinkommen erhoben werden. Als ersten Schritt verbessern wir die
Versorgung gesetzlich Versicherter – zum Beispiel bei der Erstattung von Brillen. Außerdem
wollen wir die Benachteiligung gesetzlich versicherter Beamt*innen durch einen
beihilfefähigen Tarif beenden und privat Versicherte, die sich nur den Basistarif leisten
können, besser absichern.
Digitalisierung verbessert Gesundheitsversorgung
Wir wollen die Chancen der Digitalisierung – ob Robotik zur Unterstützung in der Pflege,
Telemedizin oder die elektronische Patientenakte – nutzen, um das Gesundheitssystem
zukunftsfähig zu machen. Per App sollen Patient*innen sicher auf den digitalen Impfpass,
Gesundheitsinformationen wie die eigene Blutgruppe, die Krankheitsgeschichte oder die
neuesten Blutwerte zugreifen können. Damit sie den Patient*innen wirklich nützt, muss die
digitale Patientenakte weiterentwickelt werden. Dabei sind unter anderem
Patient*innenorganisationen stärker einzubinden. Gesundheitsdaten sollen anonymisiert der
Forschung zur Verfügung gestellt werden, um die Gesundheitsversorgung in Deutschland zu
verbessern. Eine Weitergabe der Daten erfolgt dabei nicht gegen den Willen der
Patient*innen. Ihre eigenen Gesundheitsdaten müssen für Patient*innen möglichst barrierefrei
und sicher zugänglich sein. Die ärztliche Schweigepflicht und das Patient*innengeheimnis
müssen auch für digitalisierte Gesundheitsdaten jederzeit gewahrt bleiben. Um
administrativen Aufwand für medizinisches und pflegerisches Personal zu verringern und
Innovationen anzureizen, sollen Hersteller von Medizinprodukten und Software offene
Schnittstellen anbieten.
Ambulante Pflege stärken
Wer pflegebedürftig wird, hat die bestmögliche Pflege und Unterstützung für ein
selbstbestimmtes und würdevolles Leben verdient. Gerade in einer alternden Gesellschaft
braucht es dafür überall vielfältige, auf den Bedarf vor Ort angepasste pflegerische
Angebote. Statt weiterer Großeinrichtungen sind mehr ambulante Wohn- und Pflegeformen nötig
– eingebettet in ein Umfeld, das ältere Menschen dabei unterstützt, aktiv am
gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. So wird die Pflege auch für Angehörige einfacher.
Dafür wollen wir die rechtlichen Rahmenbedingungen für Quartierspflege schaffen und den
Kommunen ermöglichen, eine verbindliche Pflegebedarfsplanung vorzunehmen, um das Angebot an
Pflege vor Ort zu gestalten. Ein Bundesprogramm soll eine Anschubfinanzierung für Kommunen
bereitstellen, die sich hier auf den Weg machen. Jemanden zu pflegen verdient unsere
Anerkennung und die Unterstützung der Gesellschaft. Deshalb wollen wir Menschen, die
Verantwortung für Angehörige, Nachbar*innen oder Freund*innen übernehmen, mit der PflegeZeit
Plus besonders unterstützen. Wir ermöglichen damit allen Erwerbstätigen eine bis zu
dreimonatige Freistellung sowie eine Lohnersatzleistung, die befristet auch anschließende
Arbeitszeitreduzierungen finanziell abfedert.
Eine doppelte Pflegegarantie
Pflegebedürftige und ihre Angehörigen müssen immer mehr eigenes Geld für ihre Versorgung
aufbringen. Wir wollen, dass Pflegebedürftige die für sie notwendigen Pflegeleistungen
erhalten, ohne von Armut bedroht zu sein. Mit einer doppelten Pflegegarantie wollen wir die
Eigenanteile schnell senken und dauerhaft deckeln. So garantieren wir, dass die selbst
aufzubringenden Kosten verlässlich planbar werden. Die Pflegeversicherung soll alle über
diesen Betrag hinausgehenden Kosten für eine bedarfsgerechte Pflege tragen. Mit einer
solidarischen Pflege-Bürgerversicherung wollen wir dafür sorgen, dass sich alle mit
einkommensabhängigen Beiträgen an der Finanzierung des Pflegerisikos beteiligen.
Pflege aus dem Notstand führen, Arbeitsbedingungen im
Gesundheitswesen verbessern
Pflegekräfte leisten einen unschätzbaren Beitrag für unsere Gesellschaft. Menschen, die im
Alter oder bei Krankheit Unterstützung brauchen, wünschen sich zu Recht Pflegekräfte, die
sich mit Sorgfalt um sie kümmern können. Dafür brauchen Pflegekräfte Zeit für die
Patient*innen und gute Arbeitsbedingungen. Das geht nur mit mehr Kolleg*innen. Wir wollen
durch verbindliche Personalbemessung – auch in der Langzeitpflege –, die bessere
Vereinbarkeit von Beruf und Familie, mehr eigenverantwortliche Arbeit von Fachkräften und
die Einführung der 35-Stunden-Woche in der Pflege Arbeitsbedingungen schaffen, unter denen
viele Menschen – ganz neu, weiter oder wieder – gerne in der Pflege arbeiten. Die Ausnahmen
im Arbeitszeitgesetz für den Gesundheitsbereich wollen wir beschränken, um Überlastung zu
verhindern und den Personalverlust in Krankenhäusern einzudämmen. Doch Wertschätzung braucht
auch Löhne, die sie bezeugen – am besten über gute Tarifverträge. Wir wollen die gesetzliche
Pflegeversicherung verpflichten, nur noch mit Anbietern zusammenzuarbeiten, die nach Tarif
bezahlen. Die Selbstorganisation und die Einflussmöglichkeiten der professionellen Pflege
wollen wir durch den Aufbau einer Bundespflegekammer unterstützen.
Ein Cannabiskontrollgesetz
Wir stellen Gesundheits- und Jugendschutz in den Mittelpunkt der Drogenpolitik. Doch auf dem
Schwarzmarkt gilt kein Jugendschutz, stattdessen schafft er zusätzliche gesundheitliche
Gefahren. Das Verbot von Cannabis richtet mehr Schaden an, als dass es nützt. Wir setzen auf
wirksame Prävention, auf Entkriminalisierung und Selbstbestimmung. Deshalb werden wir mit
einem Cannabiskontrollgesetz das bestehende Cannabisverbot aufheben und einen kontrollierten
und legalen Verkauf von Cannabis in lizenzierten Fachgeschäften ermöglichen. Darüber hinaus
wollen wir niedrigschwelliges Drugchecking für psychoaktive Substanzen und andere Maßnahmen
zur Schadensminimierung wie die Ausgabe sauberer Spritzen bundesweit ermöglichen, damit
Konsument*innen nicht durch gefährliche Inhaltsstoffe oder schmutzige Spritzen zusätzlich
gefährdet werden. Das heutige Betäubungsmittelrecht evaluieren wir auf seine Wirkungen hin.
Wir schaffen bezahlbaren Wohnraum
Ein Recht auf Wohnen ins Grundgesetz
Alle Menschen brauchen angemessenen Wohnraum. Wohnen ist ein Recht. Aber es wird immer
schwieriger, überhaupt Wohnungen zu finden. Und die Mieten und Immobilienpreise steigen
vielerorts immer noch weiter. Großstädte teilen sich immer stärker in Einkommensstadtteile
auf, Innenstädten geht das Leben verloren. Deshalb gilt es zu handeln, damit gerade auch
Familien und Alleinerziehende, Studierende, Menschen mit Behinderungen, ältere Menschen oder
Geringverdiener*innen nicht in Bedrängnis geraten, sondern weiter gut und sicher wohnen
können. Wir wollen das Recht auf Wohnen ins Grundgesetz aufnehmen. KnappIn Deutschland sind derzeit - nach Schätzungen - etwa 700.000 Menschen
sind derzeit wohnungslos in Deutschlandwohnungslos, 40.000 von ihnen leben ohne Obdach auf der Straße, mehr und mehr junge Menschen, Frauen und Familien. Um diesen Zustand zu
beenden, wollen wir ein Nationales Aktionsprogramm zur Vermeidung und Bewältigung von
Wohnungs- und Obdachlosigkeit auflegen. Dabei ist der Housing-First-Ansatz ein zentraler Baustein, bei dem Obdachlose in eine Wohnung einziehen können, ohne sich zuvor für Hilfe ”qualifizieren” zu müssen. Kein Mensch soll ohne Obdach und eine dauerhafte würdevolle Unterbringung sein.
Krisenbedingte Wohnungsverluste verhindern
Wir wollen Mieter*innen entlasten und vor einem krisenbedingten Verlust der eigenen Wohnung
bewahren. Die Möglichkeit, die Miete nachzuzahlen, soll Zwangsräumungen verhindern. Bei
krisenbedingten Einkommensausfällen soll ein Programm der KfW Bank („Sicher-Wohnen-Fonds“)
eine finanzielle Unterstützung von Mieter*innen sicherstellen. Vermieter*innen, die auf
diese Mietzahlungen angewiesen sind, sollten dann eine staatliche Unterstützung erhalten.
Neue Gemeinnützigkeit für sozialen Wohnraum
Wir wollen neuen Wohnraum schaffen – und zwar vor allem familiengerecht, öffentlich und
gemeinwohlorientiert. Stattdessen gehen immer noch viele weitere Sozialwohnungen verloren –
rund 100 jeden Tag. Unser Vorbild ist die Stadt Wien, die mit ihrem großen Anteil an
gemeinnützigem und für breite Schichten bezahlbarem Wohnraum eine ausgewogene Mischung
sicherstellt. Wir werden deshalb die Mittel für den sozialen Wohnungsbau deutlich erhöhen
und verstetigen, statt sie zu kürzen. Wir werden die Kommunen unterstützen, ihre bestehenden
Wohnungsgesellschaften zu stärken und neue zu gründen. Dazu wollen wir mit einem
Bundesprogramm „Neue Wohngemeinnützigkeit“ für eine Million zusätzliche, günstige
Mietwohnungen in den Ballungsräumen sorgen, sicher und auf Dauer. Die noch vorhandenen
bundeseigenen Bestände sollen nicht mehr an private Investor*innen veräußert, sondern
ausschließlich verbilligt an Kommunen mit einer dauerhaften Sozialbindung abgegeben werden.
So wollen wir in den nächsten zehn Jahren den Bestand an Sozialwohnungen um eine Million
erhöhen.
Starke Mieter*innen, faire Mieten
Viele Menschen geben einen immer größeren Anteil ihres Einkommens für ihre Wohnung aus,
viele können sich ihre Mieten nicht mehr leisten. Unser Ziel sind deshalb faire und
bezahlbare Mieten und starke Rechte für Mieter*innen. Konkret wollen wir Mietobergrenzen im
Bestand mit einem Bundesgesetz ermöglichen und die Mietpreisbremse entfristen und
nachschärfen. Reguläre Mieterhöhungen sollen auf 2,5 Prozent im Jahr innerhalb des
Mietspiegels begrenzt werden. Dazu wollen wir qualifizierte Mietspiegel stärken, verbreiten
und rechtssicher ausgestalten. Zur Berechnung sollen die Mietverträge der letzten 20 Jahre
herangezogen werden. Wir streben an, die Modernisierungsumlage weiter abzusenken und auf
maximal 1,50 Euro pro Quadratmeter zu begrenzen, damit energetische Sanierungen
perspektivisch warmmietenneutral möglich sind. Außerdem wollen wir es Mieter*innen
erleichtern, ihre Wohnungen samt den bestehenden Verträgen zu tauschen. Das
Umwandlungsverbot im Baugesetzbuch und den Milieuschutz auszuweiten sind weitere
Instrumente. Dazu stärken wir das kommunale Vorkaufsrecht, und Mietwucher muss – nach § 5
Wirtschaftsstrafgesetz – auch tatsächlich geahndet werden.
Spekulation mit Bauland und Geldwäsche am Wohnungsmarkt beenden
Wohnen ist ein soziales Grundrecht und der Wohnungsmarkt kein Ort für Spekulant*innen. Zu
häufig werden Immobilien zur Geldwäsche genutzt, das gilt es zu beenden. Ein entscheidender
Hebel ist Transparenz. Deshalb planen wir, ein Immobilienregister der Eigentümer*innen
einzuführen, die Grundbücher bei begründetem Interesse kostenfrei zugänglich zu machen und
Bargeld beim Immobilienverkauf zu verbieten. Außerdem wollen wir den Missbrauch von
sogenannten „Share Deals“ zur Steuerumgehung beenden und setzen auf eine anteilige
Besteuerung des Immobilienbesitzes bei Unternehmensverkäufen. Die Spekulation mit Bauland
soll unterbunden werden. Wenn in Kommunen große Wohnungsnot herrscht, kann sich daraus eine
Pflicht für Eigentümer*innen ergeben, Grundstücke zu bebauen, statt auf höhere Preise zu
spekulieren. Auch gegen Fehlnutzungen und spekulativen Leerstand von Wohnraum werden wir
vorgehen.
Grund und Boden gemeinwohlorientiert
Boden unterscheidet sich von anderen Gütern, weil er prinzipiell nicht vermehrbar ist. Bei
Fehlentwicklungen ergibt sich hieraus eine besondere Verpflichtung, staatlich einzugreifen.
Knappheit von und Spekulation mit Boden führt zu steigenden Preisen und Mieten. Wir wollen
erreichen, dass die öffentliche Hand wieder eine strategische Bodenpolitik betreibt. Der
Bund soll seine eigenen Immobilien nicht länger meistbietend verkaufen, sondern gezielt die
Schaffung von bezahlbarem und nachhaltigem Wohnraum fördern. Dafür wollen wir die
Bundesanstalt für Immobilienaufgaben in einen gemeinnützigen Bodenfonds umwandeln. Der Fonds
kauft neue Flächen strategisch zu und überträgt sie an gemeinwohlorientierte Träger. Die
Flächen sollen bevorzugt in Erbpacht vergeben werden, um Sozialwohnungen dauerhaft sichern
zu können. Werden sie veräußert, sollen Kommunen und kommunale Wohnungsgesellschaften ein
Erstzugriffsrecht erhalten. Die Einnahmen des Fonds fließen nicht in den Haushalt, sondern
werden für den Zukauf weiterer Flächen verwendet.
Erwerb von Wohneigentum erleichtern
Wohneigentum ist für viele Menschen ein Lebenstraum, der wegen explodierender
Immobilienpreise in den meisten Regionen des Landes immer schwerer zu erfüllen ist. Wir
wollen den Erwerb von Wohneigentum erleichtern. Deshalb soll das Prinzip „wer den Makler
bestellt, bezahlt“ genauso für Immobilienkäufe eingeführt werden, so wie es für
Maklerprovisionen bei Vermietungen bereits gilt. Wir streben an, die Courtage auf 2 Prozent
zu begrenzen, damit sie nicht auf verstecktem Weg zu noch höheren Kaufpreisen führt. Dazu
wollen wir die Kaufnebenkosten weiter senken, indem wir es den Ländern ermöglichen, den
Steuersatz der Grunderwerbssteuer beispielsweise für große Wohnungsunternehmen zu erhöhen
und für private Käufer*innen zu senken. Wir wollen Mietkauf für selbstgenutztes Wohneigentum
über die Länder und Kommunen fördern, auch den Kauf und die Modernisierung leerstehender
Wohnungen und Ausbauten zu günstigem Wohnraum unterstützen wir. Beteiligungen an
Genossenschaften und den gemeinschaftlichen Erwerb durch Mieter*innen wollen wir
unterstützen, zum Beispiel indem wir günstige Kredite oder Bürgschaften gewähren.
Ressourcenschonendes und nachhaltiges Bauen vorantreiben
Wir können die Klimaziele nur mit einer Bauwende hin zu ressourcenschonendem und
nachhaltigem Bauen erreichen. Bei Städtebau und Gebäudeplanung sind Stoff- und
Energieverbrauch bei Herstellung und Betrieb sowie das spätere Recycling durchgängig für
alle Gebäude zu berücksichtigen. Konkret setzen wir auf ein Gebäude-Ressourcen-Gesetz und
eine Holzbaustrategie, damit wir mit mehr nachwachsenden Rohstoffen bauen können. Wir
fördern außerdem die Digitalisierung der Planung am Bau. Um den Flächenverbrauch zu
reduzieren, setzen wir auf behutsame Nachverdichtung und unterstützen die Kommunen dabei mit
Förderprogrammen.
Wir investieren in lebenswerte Dörfer und Städte
Regionale Daseinsvorsorge stärken
Gleichwertige Lebensverhältnisse sind eine Voraussetzung für gutes, selbstbestimmtes Leben
überall im Land. Einschränkungen gibt es vielerorts, häufig unterscheiden sie sich von
Region zu Region: Hier fehlt ein Zentrum im Dorf, dort schließen in der Kleinstadt die
Schwimmbäder, und auf dem Land ist das Internet zu langsam. Unser Ziel ist es, dass
individuelle Entfaltung, demokratische Teilhabe und gesellschaftliches Engagement überall im
Land möglich sind, auch in strukturschwachen Regionen. Hier brauchen wir gute Infrastruktur
und den Zugang zu öffentlichen Gütern in den Kommunen. Deshalb wollen wir gemeinsam mit Bund
und Ländern eine neue Gemeinschaftsaufgabe „Regionale Daseinsvorsorge“ im Grundgesetz
einführen. Regionen, die heute mit großen Versorgungsproblemen zu kämpfen haben, sollen
wieder investieren und gestalten können. Ziel ist, anhand von regionalen Indikatoren in
allen Bundesländern Förderregionen auszuwählen und die Zusammenarbeit der Kommunen in diesen
Regionen zu unterstützen. Mit Regionalbudgets geben wir Bürger*innen und Akteur*innen vor
Ort die Möglichkeit, ihre Entwicklungsstrategien und Ziele selbst zu bestimmen. Für zentrale
Versorgungsbereiche wie Gesundheit, Mobilität und Breitband wollen wir nötige
Mindeststandards formulieren. Eine inklusive und solidarische Gesellschaft braucht Orte des
Miteinanders, Orte gegen die Einsamkeit, Orte des gesellschaftlichen Zusammenhalts. Das kann
ein Marktplatz sein oder ein Familienzentrum, die Stadtteilbibliothek, der Skatepark, der
Kulturbahnhof. Wir wollen eine Bundesstrategie „Orte des Zusammenhalts“ auf den Weg bringen.
Mit der gezielten Ansiedelung von neuen Forschungsinstituten und Bundeseinrichtungen, vor
allem in Ostdeutschland, können wir strukturschwachen Regionen wichtige Impulse geben.
Außerdem unterstützen wir die Idee der Errichtung eines „Zukunftszentrums für Deutsche
Einheit und Europäische Transformation“.
Solide Finanzausstattung für Kommunen
Für eine starke kommunale Selbstverwaltung und eine belastbare öffentliche Daseinsvorsorge
braucht es eine solide Finanzausstattung. Viele Kommunen schaffen es jedoch nicht einmal
mehr, den ihnen übertragenen Pflichtaufgaben wie etwa der Reparatur von Gemeindestraßen oder
der Schulsanierung nachzukommen. Sie waren bereits vor der Corona-Krise finanzschwach oder
verschuldet und ihr Handlungsspielraum verkleinert sich zunehmend. Das spüren die Menschen
vor Ort unmittelbar. Wenn keine Finanzmittel für freiwillige Leistungen wie Sport- oder
Kultureinrichtungen und deren Erhaltung übrig ist, hat das Auswirkungen auf das
gemeinschaftliche Leben in den Kommunen und auf das Vertrauen in den Staat. Wir wollen die
Gemeindefinanzen besser und krisenfester aufstellen. Dazu gehört eine faire Unterstützung
bei den kommunalen Altschulden und bei gemeindlichen Corona-bedingten Steuerausfällen. Wir
wollen mehr kommunale Investitionen ermöglichen, beispielsweise in Klimaschutz, die
Verkehrswende und Kultureinrichtungen. Dafür soll der Zugang zu Fördermitteln einfacher und
unbürokratischer werden und sollen die Hürden für die Teilnahme besonders für finanzschwache
Kommunen gesenkt werden. Wir wollen, dass Bund und Länder den Kommunen mit einer gemeinsamen
Kompetenzagentur für Förderpolitik und Investitionen mit Rat und Tat zur Seite stehen und
die Umsetzung von Projekten ermöglichen.
Innenstädte retten
Innenstädte und Ortskerne, die man gerne besucht, in denen man verweilt und andere Menschen
trifft, tragen enorm zu unserer Lebensqualität bei. Sie bieten kulturellen Austausch und
geben dem Leben in Stadt und Land eine Bühne. Wir wollen Stadtzentren und Ortskerne
lebenswerter und attraktiver machen. Eine kluge Stadtentwicklungspolitik, nachhaltige
Verkehrskonzepte und ein Städtebaunotfallfonds sind die besten Voraussetzungen, dass auch
der Einzelhandel dort eine Zukunft hat. Dafür wollen wir die Städtebauförderung neu
ausrichten: für schönere Städte, mehr Stadtgrün und Wasserflächen, damit man auch in Zeiten
immer heißerer Sommer gut in der Stadt leben kann. Mit zusätzlichen Mitteln für Smart-City-
Projekte unterstützen wir den Aufbau unabhängiger digitaler Plattformen, mit denen der
örtliche Einzelhandel attraktivere Angebote machen kann. Dazu arbeiten wir gegen Verdrängung
und Leerstand an. Eine Million neue gemeinnützige Wohnungen sollen in den nächsten Jahren in
unseren Städten entstehen. Kleineren Gewerben, sozialen und Kulturprojekten, Clubs und
Handwerker*innen wollen wir mit einem Gewerbemietrecht und über das Baurecht eine zentrale
Lage in den Städten ermöglichen. Bundeseigene Immobilien sollen zukünftig nur noch an
gemeinnützige, öffentliche oder am Gemeinwohl orientierte Träger abgegeben werden.
Ländlich leben, digital arbeiten
Das Leben auf dem Land und im Dorf hat viel zu bieten. Gründer*innen, Familien oder
Freischaffende – alle brauchen schnelles Internet für ihr Leben. Eine ausreichend schnelle
Breitband- und Mobilfunkversorgung gehört zur Daseinsvorsorge, deshalb werden wir einen
Rechtsanspruch darauf einführen. Wir schaffen Ankommens- und Bleibeperspektiven für Jung und
Alt. Über die Gemeinschaftsaufgabe für Agrar- und Küstenschutz fördern wir Wohnprojekte für
alle Generationen, Co-Working, die Aktivierung von Leerstand sowie gemeinschaftliche und
genossenschaftliche Wohnformen. Bahnhofsgebäude wollen wir als gemeinwohlorientierte Räume
zu einladenden Mobilitätsknotenpunkten weiterentwickeln und attraktiver machen. Damit
verknüpfen wir die Bahn mit den Ortschaften. Wir unterstützen die Landesprogramme zu
Markttreffs: wenn zum Beispiel Supermärkte ihre Flächen so umbauen, dass sie Café, Bank- und
Postfiliale integrieren. Kommunen sollen Zuschüsse bekommen, wenn sie öffentliche
Einrichtungen, Sporthalle, Bibliothek, Spielplatz, Working-Space oder Kino unter dem Dach
eines Kulturzentrums zusammenfassen.
Schnelles Internet überall
Mit weniger als zwei Millionen aktiven Glasfaser-Anschlüssen steht Deutschland im OECD-
Vergleich sehr schlecht da. Egal ob Stadt oder Land, ob mobiles Arbeiten oder Heimunterricht
– schnelles Internet ist die Voraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe und gleichwertige
Lebensverhältnisse. Mit einem Breitband-Universaldienst wollen wir einen Rechtsanspruch auf
schnelles Internet für alle schaffen, der sich nicht am Minimalstandard, sondern an den
Nutzungsgewohnheiten der Mehrheit orientiert. Wir sorgen dafür, dass Blockaden bei der
Abrufung der Fördergelder für den Netzausbau abgebaut werden und dann auch zügig gebaut
wird. Und wir machen Schluss mit der Bandbreiten-Schummelei: Wenn
Telekommunikationsunternehmen nicht die versprochenen Download-Geschwindigkeiten liefern,
soll es unkomplizierten pauschalierten Schadenersatz und hohe Bußgelder geben. Beim
Mobilfunkausbau gilt es eine flächendeckende Versorgung sicherzustellen, egal in welchem
Netz man surft. Wo die Anbieter keine Kooperationsvereinbarungen schließen, um Funklöcher zu
schließen, muss notfalls lokales Roaming angeordnet werden, natürlich mit entsprechender
Vergütung. Bei zukünftigen Frequenzversteigerungen sollen die Versorgungsauflagen für die
Fläche so angepasst werden, dass sie mit dem steigenden Bedarf Schritt halten – insbesondere
entlang von Bahnstrecken und Straßen.
Selbstbestimmt im Alter, in Stadt und Land
Wir wollen Selbstbestimmung auch im Alter ermöglichen. Wir wollen den Abbau von Barrieren in
Wohnungen und im Wohnumfeld stärker finanziell fördern und somit älteren Menschen
ermöglichen, länger als bisher in ihrem vertrauten Quartier selbstbestimmt wohnen zu
bleiben. Gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht Selbstbestimmung. Das wollen wir mit einem
Programm fördern, bei dem Ansprechstellen und Gemeindezentren über altersgerechtes Wohnen,
Weiterbildungsangebote, Pflege und soziale Sicherung sowie Möglichkeiten, sich im Dorf oder
im Stadtteil zu engagieren, informieren. Zur Selbstbestimmung gehört auch, den eigenen
Bedürfnissen entsprechend mobil zu sein, unabhängig vom eigenen Pkw. Dafür muss das
Nahverkehrsangebot in den Städten ausgebaut und auf dem Land erhalten bzw. intelligent
vernetzt werden. Es braucht flächendeckend barrierefreie Zugänge zu allen öffentlichen
Verkehrsmitteln, und die Wege zu ÖPNV und Nahversorgung sollen mit genügend Möglichkeiten
zum Ausruhen und „Kräftesammeln“ ausgestattet werden.
Antragstext
In Zeile 644:
Eine gut ausgestatteteSicherheit für Alle und eine bürger*innennahe Polizei
Unsere vielfältige Gesellschaft ist stark. Weil Menschen sich engagieren, auf
Fußballplätzen, bei der freiwilligen Feuerwehr, in Musikschulen oder am Sorgentelefon, Junge
für Alte, Alte für Junge. Weil es ein breites Kulturangebot gibt, eine vielfältige
Medienlandschaft. Weil die Jugend sich einmischt, weil Menschen in Kommunalparlamenten
Verantwortung übernehmen, sich Bürger*innen in Foren einbringen und das Schicksal ihrer Orte
in die Hand nehmen.
Aber Demokratie ist nie fertig. Unser demokratisches Zusammenleben in Deutschland und Europa
ist ein Versprechen, das wir immer wieder neu erfüllen müssen. Es verspricht gleiche
Entfaltungsmöglichkeiten und Rechte für alle, die hier leben. Es ist oft anstrengend, teils
eine Zumutung, wenn andere Ansichten und Werthaltungen akzeptiert und respektiert werden
müssen, wenn es den einen zu schnell und den anderen zu langsam vorangeht. Aber vor allem
ist es eine Stärke: zuhören, den Dialog suchen, inhaltlich ringen. So haben wir als
demokratische Gesellschaft die Herausforderungen der letzten Jahrzehnte gemeistert. Nun gilt
es mit voller Gleichberechtigung und mehr Beteiligung unsere liberale Demokratie zu stärken,
in Deutschland und in Europa, auf den Straßen, in den Parlamenten, und unsere Institutionen
fit zu machen für die Aufgaben dieses Jahrzehnts.
Menschen sind unterschiedlich, aber gleich in ihrer Würde und ihren Rechten. Nur wenn Würde
und gleiche Rechte vor der Klammer stehen, wenn alle Menschen in unserer Gesellschaft, in
unserem Europa gleichen Schutz und gleiche Chancen haben und ihre Rechte in Anspruch nehmen
können, kommen Freiheit und Sicherheit – individuelle und gesellschaftliche – heraus und
wird Gerechtigkeit befördert. Dieser Anspruch ist jedoch noch nicht voll verwirklicht. Wenn
mit Frauen die Hälfte der Bevölkerung nicht gleichberechtigt beteiligt, repräsentiert und
bezahlt wird, ist die Demokratie nicht vollkommen. Viele Menschen erleben noch immer
Ausgrenzung und Diskriminierung. Nötig sind mehr Zugänge, mehr Teilhabe und mehr
Repräsentanz, zum Beispiel für Menschen aus Ostdeutschland oder mit Migrationsgeschichte.
Eine gleichberechtigte Gesellschaft braucht Politik, die Strukturen verändert.
Rassismus trifft uns nicht alle, aber er geht uns alle an. Wenn wir als Gesellschaft lernen,
Vielfalt als Reichtum zu begreifen, schützen wir uns gegenseitig vor Gewalt, Hetze,
Ausgrenzung, Frauenhass und Rassismus. Aber das reicht noch nicht. Wir wissen, dass aus
diskriminierenden Worten Taten werden. Die Angriffe von Extremist*innen, insbesondere von
rechts, treffen unsere demokratische Gesellschaft bis ins Mark. Sie zielen auf Menschen beim
Beten, beim ausgelassenen Beisammensein oder in den Institutionen des Staates. Unsere
Demokratie muss wehrhaft dagegenhalten, mit einer starken Zivilgesellschaft, selbstbewussten
Parlamenten, einer gut ausgestatteten und bürger*innennahen Polizei und handlungsfähigen,
starken Justiz. Es ist Aufgabe der Politik, die Voraussetzungen dafür zu schaffen.
Wie wir unser Zusammenleben gestalten, hängt stark vom Zusammenspiel zwischen Bürger*innen
und dem Staat ab. Wenn Menschen beteiligt und gehört werden, geht Planung schneller. Wenn
Jugend mitentscheidet, werden Entscheidungen besser und zukunftsfester. Wenn
Gleichberechtigung und Vielfalt herrschen, werden sie ausgewogener und nachhaltiger. Wir
wollen deshalb mehr Möglichkeiten schaffen, damit Menschen sich einbringen können.
Immer mehr Herausforderungen sind europäisch und global. Sie bewältigen wir nur in einer
starken Europäischen Union, die Handlungswillen und Handlungsfähigkeit zusammenbringt und
die von ihren Bürger*innen aktiv mitgestaltet wird. Darum denken wir unsere Demokratie
konsequent europäisch, wollen diese vertiefen, lähmende Blockaden strukturell überwinden –
und so Zukunftsfragen beherzt angehen. Unser Fixstern für die Weiterentwicklung der
Europäischen Union ist die Föderale Europäische Republik.
Gleichzeitig gilt es unseren demokratischen Staat auf die Höhe der Zeit zu bringen. Alte
Faxgeräte, fehlendes Personal und überbordende Bürokratie nerven und verhindern, dass es
vorangeht. Unser Ziel ist ein gut funktionierender Staat, pragmatisch und den Menschen
zugewandt. Ein Staat, der mit einer effizienten, zugänglichen Verwaltung in der Lage ist,
Krisen zu bewältigen, und das Land voranbringt, der es Menschen leicht macht, ihren Alltag
zu bewältigen und ihre Rechte in Anspruch zu nehmen. Und wir wollen mit Anstand und
Transparenz regieren, bauend auf Gleichberechtigung und kooperativ. Für Zusammenhalt in
Vielfalt, in einem bürger*innennahen Staat.
Wir machen den Staat effektiver und bürger*innennäher
Planungs- und Investitionsbeschleunigung
Deutschland braucht im nächsten Jahr eine Modernisierungsoffensive. Die
Schieneninfrastruktur, erneuerbare Energien und die Energienetze müssen ausgebaut, Schulen,
Straßen und Brücken saniert, digitale Infrastrukturen aufgebaut werden. Doch derzeit dauert
es oft viel zu lange, solche Projekte zu realisieren, Investitionsmittel fließen nicht ab.
Das wollen wir ändern. Wir verschlanken die Verfahren durch Bündelung und schaffen
öffentliche Planungskapazitäten. Wir stärken auf allen Ebenen die Planungsbehörden und
zuständigen Gerichte. Besonders wichtige Projekte sollten durch eine Einbeziehung des
Parlaments beschleunigt werden. . Auch die frühzeitige Einbindung der Bürger*innen vor Ort
führt in der Regel dazu, dass Projekte schneller und besser abgeschlossen werden können.
Ziel ist, alle Planungszeiten zu halbieren.
Digitale Ämter – serviceorientiert, schnell und zuvorkommend
Jeden Tag tun gut ausgebildete Fachleute in den Behörden ihre Arbeit, um das Land am Laufen
zu halten. Dennoch ist für viele Menschen der Kontakt zu deutschen Behörden unkomfortabel
und unzeitgemäß. Ein Grund dafür sind unzureichende Technik und veraltete und überkommene
Abläufe. Mit mehr barrierefreien E-Government-Dienstleistungen, sicheren digitalen
Beteiligungsformaten im Planungsrecht und Open Government wollen wir unsere Verwaltung
modernisieren und unnötige Bürokratie wie Schriftformerfordernisse abbauen.
Verwaltungsverfahren sollen stets digital gedacht und gestaltet werden, vor allem auch in
der Zusammenarbeit mit Unternehmen. Gleichzeitig muss gewährleistet sein, dass die Türen des
Staates auch für den persönlichen Kontakt mit den Bürgerinnen und Bürgern geöffnet bleiben
und durch mobile Angebote ergänzt werden. Die Nutzung der digitalen Verwaltungsleistungen
soll über einen zentralen Zugang erfolgen. Der Austausch von Unterlagen unter den Behörden
muss nach Zustimmung und unter Beachtung des Datenschutzes möglich sein. Damit die
Verwaltung all dies leisten kann, muss sie selbst digitalisiert werden. Wir setzen uns
gemeinsam mit den Ländern dafür ein, dass die Verwaltung flächendeckend mit der modernsten
Technik ausgestattet wird, vom Gesundheits- bis zum Bürgeramt. Digitalisierung wird das
Verhältnis von Staat und Bürger*innen auf eine neue Basis stellen und auch zum Motor für
einen modernen Sozialstaat werden. In diesem werden Leistungen des Staates ohne komplizierte
Anträge geprüft und automatisch den Berechtigten bereitgestellt.
Der Personalausweis auf dem Smartphone
Sichere und geschützte digitale Identitäten sind (häufig) das fehlende Puzzlestück für
moderne staatliche Dienstleistungen und die vertrauensvolle Nutzung privater Dienste. Wir
wollen auch bei digitalen Verwaltungsleistungen vorankommen und den Sprung zu sicheren
mobilen digitalen Identitäten per Smartphone (Wallet-Lösungen) ermöglichen – wie es zum
Beispiel in skandinavischen Ländern schon Praxis ist. Mit dem mobilen Personalausweis auf
dem Smartphone sollen Bürger*innen beispielsweise Behördengänge oder die Steuererklärungen
abwickeln können. Mit einer staatlich abgesicherten ID-Wallet, die den höchsten Datenschutz-
und IT-Sicherheitsstandards entspricht, sollen Bürger*innen ihren Personalausweis, ihren
Führerschein oder ihre Krankenkassenkarte, aber auch Zahlungsdaten und Mitgliedschaften
sicher auf dem Smartphone verwahren können und nicht auf private Anbieter angewiesen sein
müssen. Diese digitalen Identitäten können dann auch für die sichere Nutzung von privaten
Diensten wie Online-Versandhandel genutzt werden. Dafür schaffen wir die gesetzliche
Grundlage, fördern die öffentliche Entwicklung und Zertifizierung. Europa und Deutschland
müssen bei hoheitlichen digitalen Identitäten Vorreiter sein und Vertrauen durch
Souveränität schaffen.
Transparenz-Gesetz für Open Data
Der Zugang zu staatlichen Datenbeständen ermöglicht innovative, elektronische
Dienstleistungen sowie neue demokratische Beteiligungsmöglichkeiten. Auch für neue
technologische Anwendungen ist der geregelte Zugang zu offenen Daten aus staatlichen
Beständen wichtig. Wir heben den Schatz von mit öffentlichen Mitteln erwirtschafteten nicht
personenbeziehbaren Daten und wollen diesen zeitnah, kosten- und lizenzfrei zur Verfügung
stellen. Das bestehende Datenportal GovData wollen wir zu einem zentralen und
nutzerfreundlichen Open- und E-Government-Portal ausbauen. Auch offene Software, offene
Standards und offene Schnittstellen fördern wir, indem wir sie als Standard in die Vergabe-
und Vertragsordnungen für öffentliche Gelder aufnehmen.
Bessere Daten für die Forschung – bessere Entscheidungsgrundlagen für
die Politik
Auch die Corona-Krise hat wieder einmal gezeigt, dass Deutschland bei Forschungsdaten weit
hinter vergleichbaren Ländern zurückliegt. Während in den USA viele Daten quasi in Echtzeit
vorlagen und politische Maßnahmen zeitnah evaluiert werden konnten, fehlen bei uns
hinreichende und schnell verfügbare Daten. Wir wollen das ändern und zeitnah Daten der
Forschung und den politischen Entscheidungsträger*innen zur Verfügung stellen. Dafür richten
wir ein Forschungsdatenzentrum beim Statistischen Bundesamt ein, mit einem gesetzlichen
Forschungsauftrag und einem eigenen Forschungsinstitut. Wir werden auch Unsicherheiten bei
der Datenverknüpfung beseitigen und ein Datentreuhandzentrum einrichten, das, unter
Datenschutzauflagen, Daten aus unterschiedlichen öffentlichen Statistiken verknüpfen darf.
Klimaneutrale Bundesverwaltung
Klimaschutz braucht Vorreiter und Vorbilder. Wir wollen, dass die Bundesverwaltung endlich
beides wird. Die Bundesverwaltung muss klimaneutral werden. Das umfasst sowohl die
Versorgung mit Ökostrom und den Fuhrpark der Bundesbehörden als auch die Gebäude des Bundes,
die mit erneuerbaren Heiz- und Kühlsystemen ausgestattet und umfassend energetisch
modernisiert werden. Mit der Einführung eines Solarstandards über Neubauten hinaus werden
die Dächer der Bundesbehörden zu Kraftwerken. Zudem sorgen wir dafür, dass der Bund seine
Beschaffung sofort an ökologischen und sozialen Kriterien orientiert. So geht die Politik
mit gutem Beispiel voran.
Der lernende Staat
Corona- und Klimakrise führen uns vor Augen, mit welch großen Herausforderungen Regierung
und Verwaltung heute umgehen müssen. Wir wollen, dass die öffentliche Verwaltung in die Lage
versetzt wird, vorausschauend zu handeln und sich zugleich zügig und konsequent an ihre
jeweiligen Aufgaben anzupassen. Dafür braucht es eine Kultur behördlicher Zusammenarbeit
sowie innovative und flexible Arbeitsstrukturen. Innovationseinheiten in den Behörden sollen
eng und transparent mit Wissenschaft, Wirtschaft und Verbänden zusammenarbeiten, sich
untereinander vernetzen sowie neue Ideen testen und eine positive Fehlerkultur etablieren.
Mitarbeiter*innen und Beamt*innen der öffentlichen Verwaltung sollen außerdem in ihrer
Expertise und Kreativität gefördert und gestärkt werden. Wir setzen uns zudem für mehr
Kooperation der Ministerien bei der Verfolgung gemeinsamer Ziele ein.
Justiz entlasten und digitalisieren
Strafverfolgungsbehörden und Gerichte haben mit einer hohen Arbeitsbelastung zu kämpfen.
Verfahren dauern zu lang. Hier braucht es dringend Entlastung durch mehr Personal, durch die
Entkriminalisierung von Bagatelldelikten und durch eine flächendeckende Ausstattung der
Justiz mit der nötigen Technik. Die Digitalisierung der Justiz wie auch ihren Personalbedarf
werden wir durch einen Bund-Länder-Digitalpakt Justiz in Fortsetzung und Konkretisierung des
Ende 2021 auslaufenden Pakts für den Rechtsstaat mit ausreichender Finanzierung umsetzen.
Polizei und Staatsanwaltschaft müssen digital zusammenarbeiten können, wozu es einheitliche
Programme und zureichende Bandbreiten braucht. Wir fördern und vereinfachen die
elektronische Kommunikation zwischen Bürger*innen und Justiz. Dazu gehört der leichte Zugang
zum Recht durch schnelle Online-Verfahren für einfache Rechtssachen.
Den öffentlichen Dienst stärken und modernisieren
Der öffentliche Dienst, die Millionen Menschen, die in Verwaltungen, Ministerien und
Behörden arbeiten, sind ein Rückgrat unserer Demokratie und das Fundament unseres
Gemeinwesens. Doch in den letzten Jahrzehnten wurde zu oft am öffentlichen Dienst gespart
und gekürzt – die Konsequenzen spüren wir heute alle. Damit unser Staat mit den großen
Herausforderungen Schritt halten kann, müssen die Mitarbeiter*innen unseres Gemeinwesens in
die Lage dazu versetzt werden. Wir wollen deshalb den öffentlichen Dienst wieder stärken und
ihn zugleich modernisieren. Mehr Stellen, gerade im IT- und Planungsbereich, gute Bezahlung,
flexible Laufbahnen, mehr Durchlässigkeit machen den öffentlichen Dienst fit für das 21.
Jahrhundert. Dazu starten wir eine große Fortbildungsoffensive für die öffentliche
Verwaltung und werden die Digitalisierung zum Schwerpunkt einer jeden Verwaltungsausbildung
machen.
Vielfalt in der Verwaltung
Die Vielfalt Deutschlands sollte sich auch in seiner Verwaltung widerspiegeln, denn das
trägt zu Vertrauen und Bürger*innennähe bei. Eine diverse Verwaltung entsteht aber nicht von
selbst, sondern benötigt Mittel, Strukturen und gezielte Förderung. Im Bereich des
öffentlichen Dienstes und der Unternehmen mit Bundesbeteiligung hat der Staat die
Möglichkeit, als gutes Beispiel in Sachen Vielfalt voranzugehen, so beispielsweise
Mehrsprachigkeit in der Verwaltung zu fördern und bei der Einstellungs- und
Beförderungspraxis nicht nur die Gleichstellung der Geschlechter, sondern auch die
gesellschaftliche Vielfalt zu beachten und in den Unternehmensleitbildern das Ziel der
Gleichberechtigung und der Repräsentanz diskriminierter Gruppen zu verankern. Ganz besonders
gilt dies für die im Bewerbungsprozess besonders relevanten Einheiten wie die
Personalabteilung oder Einstellungskommissionen, die so weit wie möglich geschlechtergerecht
und vielfältig zu besetzen sind. Wir werden verbindliche Zielvorgaben zur Erhöhung des
Anteils von Menschen mit Migrationshintergrund einführen. Das „Diversity-Budgeting“, also
den Einsatz und die Evaluierung von Haushaltsmitteln in einer Vielfalt besonders fördernden
Weise, wollen wir voranbringen.
Wir treten ein für Vielfalt, Anerkennung und gleiche
Rechte
Einheit in Vielfalt
Wir alle sind unterschiedlich, aber an Rechten und Würde gleich. Zusammenhalt in Vielfalt
setzt voraus, respektiert und gehört zu werden, gleichberechtigt mitgestalten und teilhaben
zu können, ohne Angst frei zu leben und sich als Gleiche zu begegnen, das Gemeinsame neben
den Unterschieden zu sehen. Damit die Perspektive und Expertise derjenigen, die von
Diskriminierung betroffen sind, gehört werden, sie als Gleiche die Möglichkeit zur vollen
Teilhabe erhalten, wollen wir einen Partizipationsrat, ähnlich dem Deutschen Ethikrat, als
ein gesetzlich verankertes und unabhängiges Gremium einführen, mit Vertreter*innen aus der
(post)migrantischen Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Forschung. Um den gesellschaftlichen
Zusammenhalt zu fördern, wollen wir die verschiedenen gesellschaftlichen Themen, die die
Teilhabe an der offenen und vielfältigen Einwanderungsgesellschaft betreffen, bei einem
Ministerium bündeln und diese Themen aus dem Innenministerium herauslösen. Für mehr
Repräsentanz und Teilhabe werden wir ein Partizipations- und Teilhabegesetz vorlegen und das
Bundesgremiengesetz reformieren. Alle, die dauerhaft ihren Lebensmittelpunkt hier haben,
sollen ein kommunales Wahlrecht erhalten.
Konsequent gegen Rassismus
Rassismus ist Realität im Alltag, auf der Straße, im Netz, in Institutionen. Er betrifft
nicht alle von uns gleichermaßen, aber er geht uns alle gleichermaßen an. Rassismus und alle
Formen von Diskriminierungen stellen nicht nur eine große Gefahr für die betroffenen
Menschen dar, sondern bedrohen auch das gleichberechtigte und friedliche Zusammenleben. Wir
wollen den Schutz vor und die Beseitigung von Diskriminierungen und strukturellem Rassismus
mit einem staatlichen Gewährleistungsanspruch in der Verfassung verankern, ergänzend zur
überfälligen Ersetzung des Begriffs „Rasse“ sowie der expliziten Benennung von
Diskriminierung aufgrund sexueller Identität. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes
(ADS) muss unabhängiger und wirkmächtiger werden – mit mehr Personal, Budget und
Kompetenzen. Zudem wollen wir eine*n weisungsunabhängige*n und finanziell gut
ausgestattete*n Antirassismusbeauftragte*n einsetzen. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz
soll zu einem echten Bundesantidiskriminierungsgesetz weiterentwickelt werden. Das Netz
zivilgesellschaftlicher Beratungsstellen soll flächendeckend ausgebaut und in den
Institutionen sollen Anlaufstellen geschaffen werden. Wir werden die Forschung zu
Diskriminierung und Rassismus ausbauen, insbesondere Antidiskriminierungs- und
Gleichstellungsdaten erheben und unabhängige wissenschaftliche Studien in Bezug auf
staatliche Institutionen durchführen. Antirassismus, Antidiskriminierung und
Postkolonialismus wollen wir in Lehrplänen verankern.
Unterstützung und Sicherheit für Juden und Jüdinnen in Deutschland
Jüdisches Leben in seiner Vielfalt und seiner Selbstentfaltung in Deutschland werden wir
konsequent fördern und sichtbar machen. Wir unterstützen Projekte und Initiativen, die
jüdisches religiöses Leben, Kultur und Bildung stärken. Wir wollen politische und kulturelle
Bildungsangebote für alle Bürger*innen zugänglich machen, um Wissen über das jüdische Leben
sowie Kontakte und Erfahrungen mit jüdischen Menschen und Einrichtungen zu vermitteln, auch
über schulische und universitäre Curricula. Dafür müssen sich jüdische Menschen in
Deutschland sicher fühlen können. Sicherheit von Jüdinnen und Juden und den Schutz jüdischer
Einrichtungen und Gemeinden müssen wir umfassend gewährleisten. Antisemitische Anschläge in
der Gegenwart, allen voran der von Halle, erinnern uns daran, wie stark der Antisemitismus
noch immer in Deutschland verbreitet ist. Es ist unsere gemeinsame Verantwortung,
Antisemitismus, auch im Alltäglichen, mit aller Entschlossenheit entgegenzutreten. Dafür
braucht es bessere Analysekapazitäten und eine entschlossene Ahndung und Dokumentation
antisemitischer Vorfälle. Antisemitische Narrative und verschwörungsideologische Erzählungen
– auch im Zusammenhang mit Demonstrationen gegen Corona-Maßnahmen – müssen entlarvt werden.
Präventionsmaßnahmen und sensibilisierende Aus- und Fortbildungen, allen voran der
Mitarbeiter*innen von Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden sowie der Gerichte, wollen
wir gezielt ausbauen. Antisemitismus soll auch abseits des Geschichtsunterrichts in den
Lehrplänen verankert werden.
Muslim*innen schützen und stärken
Der Islam gehört zu Deutschland, jedoch sind Muslim*innen überproportional von struktureller
Diskriminierung, insbesondere auf dem Arbeitsmarkt, sowie von gewalttätigen Übergriffen
betroffen. Der Anschlag von Hanau, die fortdauernden Bedrohungen muslimischer Einrichtungen
zeigen, wie dringend nötig umfassende Schutzkonzepte sowie Präventionsprogramme sind. Opfer
müssen geschützt, beraten und gestärkt, die Ursachen der Muslim*innenfeindlichkeit verstärkt
in den Blick genommen werden. Tatsächliche Gleichstellung setzt rechtliche Gleichstellung
voraus. Im Bereich der religiösen Pluralität stellt das deutsche Religionsverfassungsrecht
eine gute Grundlage dar, um die Vielfalt auch in einer modernen Einwanderungsgesellschaft zu
gewährleisten. Der Staat darf keine Religion diskriminieren oder ungerechtfertigt
bevorzugen. Wir unterstützen Staatsverträge mit islamischen Religionsgemeinschaften, die in
keiner strukturellen Abhängigkeit zu einem Staat, einer Partei oder politischen Bewegung und
deren oder dessen jeweiliger Regierungspolitik stehen und sich religiös selbst bestimmen.
Für die eigenständige und selbstbewusste Religionsausübung von Muslim*innen ist eine Imam-
Ausbildung in Deutschland dringend notwendig. Dafür wollen wir islamisch-theologische und
praxisorientierte Aus- und Weiterbildungsprogramme für Imame und islamische
Religionsbedienstete in Kooperation mit den Instituten für islamische Theologie bundesweit
etablieren und unterstützen.
Antiziganismus entschlossen bekämpfen
Immer noch leiden Menschen mit Romani-Hintergrund in Deutschland an einem tiefsitzenden
Antiziganismus, der bis in die Mitte der Gesellschaft reicht. Immer noch werden Angehörige
der größten Minderheit in der Europäischen Union beim Zugang zu Bildung, Gesundheit, Wohnen
und Arbeit benachteiligt. Wir wollen deshalb die neue EU-Roma-Rahmenstrategie (Post-2020)
umsetzen. Dafür braucht es eine mit ausreichend finanziellen Mitteln und Befugnissen
ausgestattete „Nationale Koordinierungsstelle“, die die Umsetzung und das Monitoring der
deutschen Strategie in Abstimmung mit den Bundesländern, Verwaltungen und
Selbstorganisationen übernimmt. Der Erhalt von Sprache und Kulturen von Sinti*zze und
Rom*nja muss aktiv gefördert sowie eine unabhängige, zivilgesellschaftliche Monitoring- und
Informationsstelle zur Dokumentation und Aufarbeitung antiziganistischer Vorfälle und zur
Unterstützung der Betroffenen eingerichtet werden.
Ein Barrierefreiheits-Gesetz
Wir treten für eine inklusive Gesellschaft ein. Für behinderte und ältere Menschen, Eltern
mit Kinderwagen oder Verletzte mit Gipsbein sind jedoch Stufen, zu enge Türen oder schwer
lesbare Webseiten oft im Weg, es ist mühsam, manchmal unmöglich, Angebote zu nutzen, die für
andere selbstverständlich sind. Wir wollen Barrierefreiheit schaffen, damit Menschen mit
Behinderungen gleichberechtigt am öffentlichen Leben teilhaben und selbstbestimmt, gemeinsam
mit nichtbehinderten Menschen leben, lernen und arbeiten können. Das wollen wir mit einem
„Barrierefreiheits-Gesetz“ erreichen. Durch eine Erhöhung der Bundesförderung soll mehr
barrierefreier Wohnraum entstehen. Den Abbau von Barrieren in Städten und Dörfern werden wir
im Rahmen der Städtebauförderung unterstützen.
Verhältnis Kirche und Staat reformieren
Die christlichen Kirchen und Gemeinden sind eine wichtige Stütze unserer Gesellschaft. Sie
sind zuverlässige Partner, wenn es um gesellschaftlichen Zusammenhalt geht. Die Betreuung
von Pflegebedürftigen, Menschen mit Behinderungen und Kindern wäre ohne die Vielfalt auch
der kirchlichen Träger nicht möglich. Ihre tatkräftige Unterstützung, wenn es um
Seenotrettung und die Integration von Geflüchteten geht, ist ein wichtiger
gesellschaftlicher Beitrag. Das Grundrecht auf Religions- und Weltanschauungsfreiheit wollen
wir, auch weltweit, weiter stärken. Gleichzeitig wahren wir das Selbstbestimmungsrecht der
Religionsgemeinschaften, suchen die Kooperation und den Dialog mit allen unabhängigen
Religions- und Weltanschauungen, die das Grundgesetz achten, und stehen dabei stets zum
säkularen Staat und seinem Neutralitätsprinzip. Die besondere Beziehung zwischen Staat und
den christlichen Kirchen wollen wir erhalten und wo nötig der gesellschaftlichen Realität
anpassen. So wollen wir, dass beispielsweise das kirchliche Arbeitsrecht reformiert wird.
Außerdem wollen wir die Vollendung des Verfassungsauftrags zur Ablösung der Staatsleistungen
umsetzen.
Wir erneuern das demokratische Fundament
Für eine saubere Politik
Demokratie lebt vom Vertrauen der Bürger*innen. Grundlage sind klare Regeln und die Haltung
der Menschen, die sie vertreten. Wir wollen Vertrauen ermöglichen und das Primat der Politik
gegenüber intransparenter Einflussnahme schützen. Seit Jahren drängen wir darauf, dass
politische Interessensvertretung transparent, nachvollziehbar und fair ist. Bereits bei der
Entstehung von Gesetzen muss sichtbar sein, wer Einfluss genommen und welche Akteur*innen
mitgewirkt haben. Dafür wollen wir mit einem gesetzlichen Lobbyregister wirkungsvoll den
Einfluss organisierter Interessensgruppen und von Lobbyist*innen bei Bundesregierung und
Bundestag offenlegen. Interessenskonflikte wollen wir verhindern und Abgeordneten eine
entgeltliche Lobbytätigkeit neben ihrem Mandat untersagen und die gesetzliche Regelung zur
Abgeordnetenbestechung klarer fassen. Wir wollen, dass der Wechsel aus Regierungsämtern in
die Wirtschaft für eine Karenzzeit von zwei Jahren nach Ausscheiden auf Interessenskonflikte
geprüft wird. Einkünfte von Abgeordneten aus Nebentätigkeiten sollen auf Euro und Cent
veröffentlicht werden, für Unternehmensbeteiligungen und Aktienoptionen von Abgeordneten
braucht es striktere Regeln. Die Annahme von Direktspenden durch parteigebundene Abgeordnete
sollte verboten werden. Spenden an Parteien müssen transparenter gemacht werden, deshalb
wollen wir striktere Veröffentlichungsregeln. Parteispenden sollen auf natürliche Personen
beschränkt und auf einen jährlichen Höchstbetrag gedeckelt werden. Solange es keine
gesetzliche Regelung gibt, wollen wir uns im politischen Wettbewerb nicht schlechterstellen
als die politische Konkurrenz. Für das Parteiensponsoring wollen wir eine gesetzliche
Regelung und eine Veröffentlichung ab dem ersten Euro einführen. Das Parteiengesetz und die
unabhängige Kontrolle werden wir stärken.
Parlament stärken, Wahlrecht reformieren
Der Bundestag ist der zentrale Ort für öffentliche Debatten, Rede und Gegenrede und
Entscheidungen unserer Demokratie. Für gute Gesetzgebung braucht es ausreichende Beratung
und eine Stärkung der Kontrollrechte des Parlaments. Wir wollen die Rolle des Bundestages
bei der Gesetzgebung ausbauen. Seine Arbeitsfähigkeit ist zu garantieren und zu stärken.
Deshalb setzen wir uns für eine Wahlrechtsreform ein, die das Parlament kleiner macht, fair
und verfassungsgemäß ist und bei der jede Stimme gleich viel wert ist. Die Sitzungen der
Fachausschüsse sollen in der Regel öffentlich stattfinden und gestreamt werden. Die
Abgeordneten sollen in ihren Kontrollrechten gegenüber der Regierung mit einem
Akteneinsichtsrecht gestärkt werden.
Macht fair teilen, auch in den Parlamenten
Es ist höchste Zeit für eine faire Verteilung von Macht. Unsere repräsentative Demokratie
muss diverser werden, unsere Parlamente brauchen die Vielfalt der Herkunft und Lebenswege,
die Debatten brauchen die Perspektiven, die daraus entstehen. Das bedeutet auch, dass es
dringend mehr Frauen im Parlament braucht. Frauen sollten überall gleichberechtigt vertreten
sein, wo Entscheidungen getroffen werden, die uns alle betreffen. Gleichberechtigung ist ein
historischer und verfassungsrechtlicher Auftrag für uns alle. Dass Parität per Gesetz
wirksam und angemessen ist, zeigen Beispiele aus dem europäischen Ausland. Dass
verfassungsrechtlich hohe Hürden bestehen, haben Urteile von Verfassungsgerichten aus Bund
und Ländern aufgezeigt. Wir wollen die Parität vorantreiben und entsprechende
Gesetzesänderungen auf den Weg bringen. Um Frauen das politische Engagement zu erleichtern,
braucht es auch Maßnahmen und Angebote, die Frauen den Einstieg in und die Gestaltung von
Politik erleichtern.
Mit 16 wählen
Demokratie lebt von der Gestaltung und dem Engagement aller Bürger*innen, vom Kindes- bis
ins hohe Alter. Viele politische Entscheidungen von heute sind entscheidend für die Zukunft
junger Menschen, und viele junge Menschen übernehmen früh Verantwortung für die
Gesellschaft. Wenn Jugendliche in ihrem Lebensalltag demokratische Erfahrungen machen und
ihre Rechte wahrnehmen können, stärkt das die Demokratie und macht sie zukunftssicherer.
Darum werden wir uns dafür einsetzen, das Wahlalter für Bundestags- und Europawahlen auf 16
Jahre abzusenken.
Bürger*innenräte für mehr Beteiligung
Direkte Beteiligungsmöglichkeiten bereichern die Demokratie und stärken die Repräsentanz.
Mit Bürger*innenräten schaffen wir die Möglichkeit, bei ausgewählten Themen die
Alltagsexpertise von Bürger*innen direkter in die Gesetzgebung einfließen zu lassen. Auf
Initiative der Regierung, des Parlaments oder eines Bürger*innenbegehrens beraten zufällig
ausgewählte Bürger*innen in einem festgelegten Zeitraum über eine konkrete Fragestellung.
Sie erarbeiten Handlungsempfehlungen und geben Impulse für die öffentliche
Auseinandersetzung und die parlamentarische Entscheidung. Eine freie, gleiche und faire
Beratung muss sichergestellt werden. Regierung und Parlament müssen sich mit den Ergebnissen
auseinandersetzen. Außerdem werden wir ein digitales Portal, wie es zum Beispiel in Baden-
Württemberg schon erfolgreich angewendet wird, für die aktive Beteiligung an der
Gesetzgebung einführen und das Petitionsrecht zu einem leicht zugänglichen Instrument für
bessere Mitwirkung am demokratischen Prozess ausbauen.
Öffentlich-rechtlicher Rundfunk für alle und eine vielfältige
Medienlandschaft
Kritischer und unabhängiger Journalismus ist eine Säule unserer Demokratie. Wir haben in
Deutschland eine vielfältige Medienlandschaft aus öffentlich-rechtlichen, privaten und Non-
Profit-Angeboten. Wir stehen zu einem pluralistischen, kritischen und staatsfernen
öffentlich-rechtlichen Rundfunk für alle und arbeiten dafür, dass er stark und zukunftsfest
aufgestellt ist. Dazu zählen auch eine ausreichende Finanzierung und ein Programmauftrag,
der alle gesellschaftlichen Bereiche umfasst. Aus der besonderen Stellung des öffentlich-
rechtlichen Rundfunks und dem Anspruch, dass er die Lebenswelt und Interessen aller
angemessen abbildet, ergeben sich auch Reformbedarfe. Hierfür wollen wir gemeinsam mit den
Ländern eine Initiative auf den Weg bringen und in der Breite der Gesellschaft eine Debatte
darüber führen, wie öffentlich-rechtliche Medien im 21. Jahrhundert aussehen sollen. Wir
setzen uns dafür ein, dass die Rundfunkräte die Vielfalt und unterschiedlichen Perspektiven
unserer heutigen Gesellschaft besser abbilden, dass sie durchsetzungsstärker sowie sender-
und staatsferner werden. Die Mediatheken der öffentlich-rechtlichen Sender wollen wir zu
gemeinsamen Plattformen weiterentwickeln, die europäisch verzahnt werden können, um so die
europäische Demokratie zu stärken.
Hasskriminalität im Netz bekämpfen
Digitale Plattformen und Anwendungen müssen den Menschen dienen und nicht umgekehrt. Uns
geht es darum, Nutzer*innenrechte zu stärken und dabei die Balance zwischen
Persönlichkeitsschutz und Meinungsfreiheit zu wahren. Wir wollen Hasskriminalität im Netz
wirksamer bekämpfen und dafür einen effektiven Gesetzesrahmen entwickeln. Betroffene müssen
sich schnell und effektiv gegen Angriffe im Netz wehren können. Das wollen wir durch die
ambitionierte Ausgestaltung und dann zügige Umsetzung des europäischen Digital Services Act
erreichen. Wir treten für einen effektiven Umgang mit Nutzer*innenbeschwerden, eine
Verbesserung der Strafverfolgung und zivilrechtlicher Durchsetzung ein. Dafür brauchen wir
personell wie technisch bestmöglich aufgestellte Strafverfolgungsbehörden. Diese müssen, gut
geschult, auf Grundlage klarer Rechtsvorgaben arbeiten können. Plattformbetreiber müssen
ihrer großen Verantwortung gerecht werden. Sie dürfen bestehende Rechte nicht aushöhlen,
sind für eigene Inhalte haftbar und müssen beim Moderieren von Inhalten die Grundrechte
wahren. Große Anbieter sollen sich durch eine Abgabe an den unabhängigen Beratungsangeboten
für Betroffene von Hass und Hetze beteiligen. Dies wollen wir bündeln in ein Gesetz für
digitalen Gewaltschutz, das die Möglichkeit beinhaltet, gegen Accounts vorzugehen, wenn
keine Täter*in festgestellt wird. Für den Umgang mit Desinformation, aber auch für die
Rechtskontrolle der Anbieter insgesamt wollen wir die Aufsicht national wie auch europäisch
besser strukturieren, unter anderem mit einer gemeinsamen Medienanstalt der Länder. Eine
Verpflichtung zum Einsatz von Uploadfiltern lehnen wir ab.
Software für die Allgemeinheit
Unser Alltag wird immer häufiger von Teilhabe an und Zugang zu Software geprägt. Freie und
offene Software bildet dabei eine Grundlage unzähliger Anwendungen, seien es digitale
Lernplattformen, sichere Anwendungen für die Heimarbeit, Stärkung der IT-Sicherheit mit
guter Verschlüsselung oder sichere und einfache Abstimmungsmöglichkeiten in der Vereins- und
Parteiarbeit. Sie spielt in immer mehr gesellschaftlich relevanten Bereichen eine
entscheidende Rolle und ist Grundlage für unsere Anforderungen in Bezug auf Offenheit,
Teilhabe und Sicherheit. Doch oftmals fehlt es den Entwickler*innen an Unterstützung, diese
dauerhaft auf dem neusten Stand der Technik zu halten und anwendungsfreundlich zu gestalten.
Wir treten daher dafür ein, eine eigenständige öffentliche Förderstiftung zu schaffen, die
gesellschaftlich relevante freie und offene Software fördert, deren Ergebnisse Gesellschaft,
Wissenschaft, Schulen, Wirtschaft und Verwaltung zur Verfügung stehen.
Demokratiefördergesetz für eine starke Zivilgesellschaft
Eine lebendige Zivilgesellschaft ist elementar für die politische Auseinandersetzung in
unserer Demokratie. Engagierte Menschen, vor allem Ehrenamtler*innen in Initiativen,
Verbänden, Vereinen oder NGOs, stärken den Zusammenhalt, tragen dazu bei, wichtige Anliegen
auf die öffentliche Tagesordnung zu setzen und leisten ihren Beitrag zur Willensbildung. Wir
machen uns dafür stark, dass sie ihrer Arbeit in Zukunft gut abgesichert, ohne
Einschüchterung und Kriminalisierung nachgehen können. Mit einem Demokratiefördergesetz
werden wir ihr Engagement nachhaltig, projektunabhängig und unbürokratisch finanziell
absichern. Die Arbeit der politischen Stiftungen wollen wir verbindlicher und transparenter
regeln, auch in ihrem Verhältnis zu den Parteien, und dafür eine eigenständige gesetzliche
Grundlage schaffen.
Gemeinnützigkeit reformieren
Alle Bürger*innen sollen gleichberechtigt an der Willensbildung unserer Gesellschaft
teilhaben können. Die Gemeinnützigkeit ist dafür ein wichtiger Status, der an vielen Stellen
überhaupt erst Zugänge öffnet. Damit Initiativen und Verbände eigenständig bleiben, sorgen
wir deshalb für Klarheit und Rechtssicherheit im Gemeinnützigkeitsrecht. Ihre gemeinnützigen
Ziele sollen sie auch durch politische Aktivitäten wie Studien und Demonstrationen
verwirklichen dürfen. Nicht nur die Förderung des demokratischen Staatswesens, sondern auch
die Förderung tragender Grundsätze sollte klar gemeinnützig sein. Die Gemeinnützigkeit
zusätzlicher Zwecke wie des Friedens, der Durchsetzung der nationalen und internationalen
Grund- und Menschenrechte, der Rechtsstaatlichkeit, der Durchsetzung des Sozialstaatsgebotes
und allgemein der gleichberechtigten Teilhabe und der Bekämpfung von Diskriminierung wollen
wir anerkennen und stärken. Auch der E-Sport soll gemeinnützig werden. Mit der Einführung
einer Demokratieklausel stellen wir sicher, dass sich Vereine aktiv an gesellschaftlichen
Debatten beteiligen können. Für mehr Transparenz sorgen wir mit einem
Gemeinnützigkeitsregister und einfach handhabbaren Transparenzpflichten sowie mit Regeln zur
Offenlegung der Spendenstruktur.
Freiwilligendienst ausbauen und für alle ermöglichen
Ehrenamt und freiwilliges Engagement sind vielfältig, Millionen Menschen stärken damit den
Zusammenhalt der Gesellschaft. Wir wollen den Bundesfreiwilligendienst auf 200.000 Plätze im
Jahr erweitern und machen uns für eine rechtliche Garantie für einen Platz stark. Die
Freiwilligendienste sollen besser ausfinanziert werden, damit sich junge Menschen unabhängig
vom Einkommen ihrer Eltern engagieren können. Auch für Ältere und Menschen mit Behinderungen
sollen die Rahmenbedingungen attraktiver und inklusiver werden. Zusammen mit Ländern und
Kommunen wollen wir eine Engagementkarte für Vergünstigungen einführen, beispielsweise für
Schwimmbäder oder Theater, und erkennen die Leistung der vielen Engagierten mehr an.
Wir gestalten die vielfältige Einwanderungsgesellschaft
Einbürgerung erleichtern
Die Staatsangehörigkeit stellt ein dauerhaftes Band rechtlicher Gleichheit, Teilhabe und
Zugehörigkeit sicher. Wer in Deutschland geboren wird, soll die Möglichkeit erhalten,
deutsche*r Staatsbürger*in zu werden, wenn ein Elternteil rechtmäßig seinen gewöhnlichen
Aufenthalt in Deutschland hat. Für Menschen, die hier jahrelang leben und Teil dieser
Gesellschaft geworden sind, sollen Einbürgerungen früher möglich werden. Nach fünf Jahren
Aufenthalt in Deutschland sollen alle einen Antrag auf Einbürgerung stellen können. Den
Optionszwang im Staatsangehörigkeitsrecht wollen wir abschaffen und Mehrstaatigkeit
anerkennen. Die vorgenommenen Aushöhlungen des Staatsangehörigkeitsrechts wollen wir
zurücknehmen. Hindernisse bei der Identitätsklärung, die nicht in der Hand der
Einzubürgernden liegen, dürfen ihnen nicht angelastet werden.
Ein modernes Einwanderungsgesetz für eine vielfältige
Einwanderungsgesellschaft
Deutschland ist ein Einwanderungsland, doch bis heute fehlen eine aktive
Einwanderungspolitik und ein Einwanderungsrecht, das Einwanderung tatsächlich fördert und
nicht komplizierter macht. Wir wollen ein modernes Einwanderungsgesetz beschließen, das neue
Zugangswege für Bildungs- und Arbeitsmigration schafft – auch im gering- und
unqualifizierten Bereich –, das transparente, unbürokratische und faire Verfahren bietet,
das globale und regionale Notwendigkeiten berücksichtigt und flexibel auf die Bedarfe des
Arbeitsmarktes reagiert. Dafür soll auf Basis des jährlichen Arbeitskräftebedarfs eine
punktebasierte Talentkarte eingeführt werden. Wir erleichtern die Bildungsmigration über
Stipendien und Ausbildungsvisa, genauso wie die Voraussetzungen für eine unbefristete
Aufenthaltserlaubnis und die Anerkennung von im Ausland erworbenen Berufsqualifikationen.
Außerdem beenden wir den automatischen Verlust der Aufenthaltserlaubnis nach einem
sechsmonatigen Aufenthalt im Ausland. Für Menschen, die sich ohne sicheren Aufenthaltstitel
in Deutschland befinden, jedoch in den Arbeitsmarkt integriert sind oder deren
Qualifizierung in den Arbeitskräftebedarf passt, soll es die Möglichkeit zum echten
Spurwechsel geben. Gut funktionierende Konzepte der Arbeitsmigration, wie die
Westbalkanregelung, bauen wir aus und verstetigen sie.
Integration gelingt nur mittendrin – Sprache, Zugang, Teilhabe von
Anfang an
Integration ist in einer vielfältigen Einwanderungsgesellschaft der erste Schritt auf dem
Weg zu gleichen Teilhabechancen in zentralen Bereichen des Lebens. Sie ist ein
wechselseitiger Prozess und stellt sowohl Anforderungen an die, die zu uns kommen, als auch
an alle, die schon länger hier leben. Für das Zusammenleben sind die Werte des Grundgesetzes
die Grundlage. Wir treten dafür ein, dass alle neu ankommenden Migrant*innen und
Geflüchteten von Anfang an ein Recht auf einen kostenfreien Zugang zu passgenauen und gut
erreichbaren Sprach- und Integrationskursen haben. Denn derzeit ist das für viele Personen
im Asylverfahren, Geduldete und EU-Bürger*innen nur schwer und kostenpflichtig möglich.
Zudem wollen wir die nach 2015 ausgebauten Angebote an weiterführenden Sprachkursen
aufrechterhalten. Genauso wichtig für eine gelingende Integration sind die möglichst
dezentrale Unterbringung, ein breites Beratungsangebot gerade auch für Familien sowie der
unterschiedslose Zugang zu Wohnraum, Gesundheits- und Sozialleistungen sowie zu Kitas,
Bildungseinrichtungen, Ausbildung und Arbeit. Gezielte Unterstützung ermöglicht Teilhabe und
stärkt den gesamtgesellschaftlichen Zusammenhalt. Wir wollen auf europäischer Ebene einen
kommunalen Integrationsfonds auflegen, um europaweit das Ankommen in den Kommunen direkt zu
unterstützen. Damit sollen unter anderem Migrationsberatungsstellen gestärkt und aufgebaut,
zivilgesellschaftliche Unterstützungsstrukturen gefördert und strukturelle Entlastungen der
Kommunen, die sich zur Aufnahme von Geflüchteten bereit erklären, in der EU gesichert
werden. Betriebe, die Geflüchteten eine Chance auf Ausbildung oder Beschäftigung geben,
brauchen entsprechende Unterstützung und Förderung.
Asylverfahren rechtssicher und transparent
Wir wollen, dass Asylverfahren in Deutschland rechtssicher, fair und transparent gestaltet
sind. Wir wollen dafür sorgen, dass es zügig zu einer Entscheidung über den Aufenthaltstitel
kommt, damit Menschen früh verbindliche Gewissheit haben, ob sie bleiben können oder nicht.
Eine nichtstaatliche unabhängige Asylverfahrensberatung für alle Asylsuchenden, von der
Ankunft bis zum Abschluss des Asylverfahrens, wollen wir sicherstellen und die verlängerte
Verweildauer von Geflüchteten in den Erstaufnahmeeinrichtungen auf mögliche 18 Monate
rückgängig machen auf wieder 6 Monate. Die dezentrale Unterbringung sollte immer Vorrang
haben. Wir wollen das Recht von Kindern, unabhängig von der Bleibeperspektive, auf Zugang zu
Bildungsangeboten garantieren. Wir beenden die flächendeckenden und anlasslosen
Widerrufsprüfungen durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und optimieren
so das Asylprozessrecht. Wir wollen das Asylbewerberleistungsgesetz abschaffen und damit
eine verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung von Geflüchteten, die ein
echtes Ankommen und Teilhabe erschwert. Integrationsfeindliche gesetzliche Regelungen wie
Arbeitsverbot und pauschale Wohnsitzauflage schaffen wir ab. Die in den vergangenen Jahren
vorgenommenen Aushöhlungen des Asylrechts wollen wir zurücknehmen. Die Ausrufung „sicherer“
Herkunfts- oder Drittstaaten lehnen wir ab – auch auf europäischer Ebene.
Raus aus der Duldung
Mehr als 200.000 Menschen – darunter viele Kinder und Jugendliche – leben über viele Jahre
in einem Zustand der Perspektivlosigkeit und Rechtsunsicherheit in Deutschland, weil sie nur
geduldet sind. Das ist weder für die Betroffenen noch für das gesellschaftliche
Zusammenleben gut. Nicht zu wissen, ob Deutschland wirklich Heimat wird, erschwert die
Integration massiv. Wir wollen die Anzahl der Menschen, die sich von Duldung zu Duldung
hangeln müssen, deshalb möglichst auf null reduzieren. Für diese Menschen braucht es nach
fünf Jahren Aufenthalt ein sicheres Bleiberecht. Heranwachsende, Jugendliche und Familien
mit minderjährigen Kindern sollen nach drei Jahren einen Aufenthaltstitel bekommen. Durch
die Umwandlung der Ausbildungsduldung in ein Ausbildungsbleiberecht verschaffen wir den
Menschen einen verlässlichen Zugang zu Ausbildung und Arbeitsmarkt und sorgen für die
Betriebe für Planungssicherheit. Menschen, die nach sorgfältiger Prüfung der asyl- und
aufenthaltsrechtlichen sowie nach Ausschöpfung aller Rechtsschutzmöglichkeiten kein Asyl
bekommen und in ihrem Herkunftsland nicht gefährdet sind, müssen zügig wieder ausreisen. Wir
wollen dies durch schnelle und wirksame Unterstützung und Beratung erleichtern.
Abschiebungen, zum Beispiel über Rückübernahmeabkommen, sind das letzte Mittel, wenn die
Rückkehr verweigert wird, freiwillige Ausreisen haben immer Vorrang. Abschiebungen in
Kriegs- und Krisenländer wollen wir beenden, den Abschiebestopp nach Syrien und Afghanistan
wieder einsetzen.
Wir rücken Feminismus, Queerpolitik und
Geschlechtergerechtigkeit in den Fokus
Gleichberechtigung in allen Lebensbereichen
Feminismus nimmt alle in den Blick und schafft Selbstbestimmung, Teilhabe und Gerechtigkeit.
Ziel ist eine Gesellschaft, in der alle unabhängig vom Geschlecht selbstbestimmt leben und
auch Frauen überall gleichberechtigt mitgestalten können – von der Arbeitswelt bis in die
Parlamente. Das ist eine Aufgabe für alle Geschlechter. Dafür braucht es auch Männer, die
für eine Gesellschaft einstehen, in der Macht, Möglichkeiten und Verantwortung gerecht
geteilt werden. Geschlechtergerechtigkeit ist eine Querschnittsaufgabe. Mit einem Gender-
Check wollen wir prüfen, ob eine Maßnahme oder ein Gesetz die Gleichberechtigung der
Geschlechter voranbringt, und dort, wo es ihr entgegensteht, dementsprechend eingreifen. Die
neu geschaffene Bundesstiftung Gleichstellung werden wir zu einer effektiven Institution
ausbauen, die gesichertes Wissen zu den Lebenslagen aller Geschlechter bereitstellt und
wirksame Maßnahmen für Gleichberechtigung entwickelt, bündelt und für Wirtschaft, Politik
und Öffentlichkeit zugänglich macht. Hierfür leisten die Sozialwissenschaften und die
Genderstudies einen unverzichtbaren Beitrag. Wir brauchen eine Gleichberechtigungsstrategie,
die alle Lebens- und Politikbereiche umfasst, ressortübergreifend arbeitet und die
Erkenntnisse in umsetzbare Ziele übersetzt. Es wird Zeit für eine feministische Regierung,
in der Frauen und Männer gleichermaßen für Geschlechtergerechtigkeit eintreten.
Geschlechtsspezifische Gewalt bekämpfen
Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt, die vor allem Frauen betrifft, ist eine
gesellschaftliche Gemeinschaftsaufgabe. Gewalt im häuslichen und persönlichen Nahbereich
wird oft verharmlost, sowohl in der medialen Darstellung als auch in der Rechtsprechung. Mit
der Istanbul-Konvention haben wir ein Instrument an der Hand, das die notwendigen Maßnahmen
beschreibt. Dazu gehört auch eine Reform der Kriminalstatistik, damit das ganze Ausmaß der
in Deutschland verübten Verbrechen, die aus Frauenhass begangen werden, differenziert
erfasst wird und diese Taten systematisch als Hassverbrechen eingestuft werden.
Gewaltbetroffene Frauen, deren Aufenthaltsstatus von dem Aufenthaltsstatus ihres Ehemanns
oder Partners abhängt, sollen einen eigenständigen Aufenthaltstitel erhalten können. Polizei
und Justiz müssen im Umgang mit Betroffenen sexualisierter Gewalt umfassend geschult und
sensibilisiert sein. Opfer von Vergewaltigungen brauchen eine qualifizierte
Notfallversorgung einschließlich anonymer Spurensicherung und der Pille danach. Wir werden
Monitoringstellen einrichten und die getroffenen Maßnahmen regelmäßig auf ihre Wirksamkeit
prüfen.
Frauenhäuser absichern
Jeder Mensch hat das Recht auf körperliche Unversehrtheit. Es ist die Pflicht des Staates,
Frauen vor geschlechtsspezifischer Gewalt zu schützen. Frauenhäusern kommt hierbei eine
Schlüsselrolle zu. Denn jede von Gewalt betroffene Frau, ob mit oder ohne Kinder, braucht
eine Anlaufstelle und Schutz – unabhängig von ihrem aufenthaltsrechtlichen Status, ihrer
Wohnsituation oder davon, ob sie eine Beeinträchtigung hat. Mit einem gesetzlichen
Rechtsanspruch auf Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt sichern wir über eine
Geldleistung des Bundes Betroffene ab und verbessern den Zugang zu Schutzeinrichtungen und
deren Angeboten für alle Frauen. Länder und Kommunen müssen weiterhin ihrerseits ihrer
Finanzierungsverantwortung nachkommen. Für die Aufenthaltszeit in einem Frauenhaus sollen
Betroffene, die Sozialleistungen erhalten, nicht schlechtergestellt werden. Wir brauchen
Frauenhäuser, in denen Kinder, auch wenn sie älter sind, mit aufgenommen werden können.
Zudem müssen intersektionale Schutzkonzepte und Zufluchtsräume, insbesondere auch für
queere, trans- und intergeschlechtliche Menschen, entwickelt und bereitgestellt werden.
Vor Zwang schützen
Menschen, die in der Prostitution arbeiten, brauchen Rechte und Schutz. Dazu sollen
Prostitutionsstätten strenger kontrolliert werden und in Zukunft einer Erlaubnispflicht
unterliegen. Außerdem wollen wir Beratungsangebote ausbauen und finanziell unterstützen.
Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung ist ein abscheuliches Verbrechen, das wir
mit den Mitteln des Strafrechts, aber auch durch ein gemeinsames europäisches Vorgehen,
Information sowie Schutz und Hilfe für die Opfer konsequent bekämpfen werden. Opfer von
Menschenhandel einfach abzuschieben ist falsch. Stattdessen würden ihre Anzeige- und
Aussagebereitschaft durch ein dauerhaftes Bleiberecht erhöht und die Strafverfolgung der
Täter*innen würde erleichtert. Zwangsverheiratungen sind Menschenrechtsverletzungen. Frauen
und Männer, die davon bedroht sind, brauchen Hilfe und Schutz und gute Beratung durch
verlässlich finanzierte Beratungsstellen. Weibliche Genitalverstümmelung ist eine massive
Verletzung der körperlichen Integrität. Es ist entscheidend, dass wir den Betroffenen helfen
und sie schützen, auch durch internationale Aufklärungs- und Hilfekampagnen. Doch auch in
Deutschland brauchen wir eine Strategie dagegen. Zivilgesellschaftliche Organisationen, die
sich in diesem Bereich engagieren, wollen wir besser unterstützen, die Kontaktpersonen der
Mädchen sowie pädagogisches Personal und Jugendämter sollen geschult und sensibilisiert
werden.
Selbstbestimmung durch Gesundheitsversorgung
Alle Menschen, auch Mädchen und Frauen, sollen selbst über ihren Körper und ihr Leben
entscheiden können. Eine gute Gesundheitsversorgung inklusive eines gesicherten Zugangs und
umfassender Informationen zum Schwangerschaftsabbruch sind dafür notwendig. Die
Entscheidung, ob eine Frau eine Schwangerschaft abbricht oder nicht, gehört mit zu den
schwersten im Leben. Gerade deshalb ist es so wichtig, dass diese Frauen gut beraten und
medizinisch professionell versorgt werden. Wir streiten für eine ausreichende und
wohnortnahe Versorgung mit Ärzt*innen, Praxen und Kliniken, die Schwangerschaftsabbrüche
vornehmen. Das Thema muss in die Ausbildung von Ärzt*innen nach international anerkannten
Standards integriert werden. Familienplanungs- und Beratungsstellen werden wir absichern und
die freiwilligen Beratungsangebote ausbauen. Um die Versorgung für Frauen dauerhaft zu
gewährleisten, braucht es eine Entstigmatisierung und Entkriminalisierung von
selbstbestimmten Abbrüchen sowie eine generelle Kostenübernahme. Frauen, die sich für einen
Abbruch entscheiden, und Ärzt*innen, die einen solchen ausführen, müssen etwa durch die
Einrichtung von Schutzzonen vor Anfeindungen und Gehsteigbelästigungen geschützt werden.
Ungewollt Schwangere brauchen den bestmöglichen Zugang zu Informationen. Um diesen zu
gewährleisten und Ärzt*innen zu schützen, gilt es den § 219 a aus dem Strafgesetzbuch zu
streichen. Die Kosten für ärztlich verordnete Mittel zur Empfängnisverhütung müssen für
Empfängerinnen von staatlichen Transferleistungen übernommen werden.
Homo- und Transfeindlichkeit bekämpfen
Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans*-, Inter*- und queere Menschen (LSBTIQ*) sollen
selbstbestimmt und diskriminierungsfrei ihr Leben leben können. Dafür und gegen gesetzliche
Diskriminierungen sowie Benachteiligungen und Anfeindungen im Alltag werden wir ein starkes
Signal setzen und den Begriff „sexuelle Identität“ in Artikel 3 Absatz 3 des Grundgesetzes
ergänzen. Wir werden einen bundesweiten ressortübergreifenden Aktionsplan „Vielfalt leben!“
für die Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt vorlegen mit dem Ziel, LSBTIQ*
gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu garantieren und Vielfalt und
Akzeptanz zu fördern. Dazu gehören auch Maßnahmen zur LSBTIQ*-inklusiven
Gesellschaftspolitik sowie eine langfristige Strukturförderung der LSBTIQ*-Verbände. Gegen
LSBTIQ* gerichtete Hasskriminalität werden wir entschieden bekämpfen. Das diskriminierende
Blutspendeverbot für homosexuelle Männer wollen wir aufheben. Um queere Jugendliche zu
schützen und zu stärken, wollen wir mit einer bundesweiten Aufklärungskampagne für junge
Menschen über die Vielfalt sexueller Orientierungen und geschlechtlicher Identitäten
informieren und bezüglich Homo- und Transphobie sensibilisieren. Wir werden uns gemeinsam
mit den Ländern dafür einsetzen, dass sich geschlechtliche Vielfalt und Diversität in den
Lehr- und Bildungsplänen wiederfinden.
Selbstbestimmung garantieren, Transsexuellengesetz aufheben
Mit einem Selbstbestimmungsgesetz werden wir dafür sorgen, dass das überholte
Transsexuellengesetz endlich aufgehoben wird. Eine Änderung der Geschlechtsangabe auf Antrag
der betroffenen Person werden wir ermöglichen und das Offenbarungsverbot konkretisieren. Wir
schreiben fest, dass nicht notwendige Operationen und Behandlungen an intergeschlechtlichen
Kindern verboten werden. Bei Gesundheitsleistungen sowie geschlechtsangleichenden
Operationen und Hormontherapien muss das Selbstbestimmungsrecht gesichert sein. Den Anspruch
auf medizinische körperangleichende Maßnahmen wollen wir gesetzlich verankern und dafür
sorgen, dass die Kostenübernahme durch das Gesundheitssystem gewährleistet wird.
Wir stärken Sicherheit und Bürger*innenrechte
Eine gut ausgestatteteSicherheit für Alle und eine bürger*innennahe Polizei
Deutschland ist ein sicheres Land. Das liegt auch an einer gut arbeitenden Polizei. Wir
wollen, dass das so bleibt. Dennoch: Diebstahl, Einbrüche, Gewalttaten, Hassverbrechen oder
organisierte Kriminalität belasten Opfer und ihre Angehörigen schwer. Für ihre Aufgaben wie
Prävention, Aufklärung und Strafverfolgung wollen wir die Polizei stärken, in der Stadt und
auf dem Land, analog und digital. Den früheren Personalabbau bei Bundespolizei und
Bundeskriminalamt wollen wir durch eine Offensive bei der Besetzung offener Stellen beheben.
Die Polizist*innen verdienen unsere Wertschätzung, genauso wie gute Arbeitsverhältnisse und
leistungsfähige Strukturen innerhalb der Behörden. Sichere und leistungsfähige
Datenverarbeitung, kombiniert mit mobiler IT, ist dabei eine Grundvoraussetzung moderner
Polizeiarbeit, die wir unterstützen wollen.
Die besondere Verantwortung der Polizei
Wir wollen eine Gesellschaft, in der alle frei und sicher leben können. Sicherheit muss
überall gleichermaßen garantiert sein. Damit die Polizei dieser Aufgabe nachkommen kann,
muss sie auf das Vertrauen der gesamten Bevölkerung bauen können. Als ausführendes Organ des
staatlichen Gewaltmonopols hat die Polizei dabei eine ganz besondere Verantwortung. Dem
dient die Einführung einer Kennzeichnungspflicht für die Bundespolizei sowie einer/eines
Bundespolizeibeauftragten, an die/den sich sowohl Polizist*innen wie auch Bürger*innen
wenden können, um in der Polizeiarbeit auftretende Missstände zu bearbeiten. Polizist*innen
sollten sich auch nach der Ausbildung verpflichtend fortbilden können und müssen. Wichtige
Fortbildungsbereiche sind beispielsweise der Umgang mit psychisch Kranken sowie
Antidiskriminierung und die Gefahr von Racial Profiling. Längst überfällig sind
wissenschaftliche Studien zu Rechtsextremismus und Rassismus in den Sicherheitsorganen.
Rationale Sicherheitspolitik setzt eine solide Faktenlage und klare Zuständigkeiten voraus.
Deshalb werden wir den Periodischen Sicherheitsbericht wieder einführen, dessen Aussagekraft
sich in der Vergangenheit bewährt hat.
Europäisches Kriminalamt schaffen, organisierte Kriminalität
verfolgen
Zahlreiche Straftaten wie Einbrüche oder Diebstähle finden grenzüberschreitend statt. Auch
die organisierte Kriminalität und islamistische oder rechtsextreme Terrornetzwerke machen
nicht an Landesgrenzen halt. Zum Schutz der Bürger*innen und zur Verteidigung unserer
Freiheit brauchen wir eine stärkere grenzüberschreitende Zusammenarbeit von Polizei und
Justiz: durch gemeinsame europäische Polizeiteams, durch die Aufwertung von Europol zu einem
Europäischen Kriminalamt sowie durch eine engere justizielle Zusammenarbeit der
Mitgliedstaaten, auch mit Hilfe von Eurojust und der Europäischen Staatsanwaltschaft. Wegen
der zunehmenden Vernetzung von europäischen Datenbanken sind hohe Datenschutzstandards und
eine Verbesserung des grenzüberschreitenden Rechtsschutzes unabdingbar. Diese Zusammenarbeit
braucht eine unabhängige Justiz und faire Strafverfahren in allen EU-Mitgliedstaaten.
Verfassungsschutz neu ordnen
Der Verfassungsschutz hat in der Vergangenheit viel Vertrauen verspielt, als er sich auf dem
rechten Auge blind zeigte. Hier sind Veränderungen, insbesondere durch einen personellen
Neuanfang, zu beobachten, nun muss ein struktureller Neustart folgen, mit dem die
Analysefähigkeit des Verfassungsschutzes verbessert wird. Die in Wissenschaft und
Zivilgesellschaft schon heute vorhandene Expertise über verfassungsfeindliche Bestrebungen
muss systematischer genutzt werden. Wir wollen den Verfassungsschutz deshalb strukturell neu
aufstellen: zum einen mit einem unabhängigen, wissenschaftlich und unter Einbeziehung der
Zivilgesellschaft aus öffentlichen Quellen arbeitenden Institut zum Schutz der Verfassung.
Zum anderen mit einem verkleinerten Bundesamt für Gefahrenerkennung und Spionageabwehr, das
mit rechtsstaatskonformen nachrichtendienstlichen Mitteln klar abgegrenzt von polizeilichen
Aufgaben arbeitet.
Rechtsextremismus bekämpfen, Netzwerke zerschlagen
Es gibt mehr als 32.000 Rechtsextremist*innen in Deutschland, die sich immer stärker
vernetzen. Die Bekämpfung rechtsextremistischer Strukturen – auch innerhalb der
Sicherheitsbehörden – muss Priorität für alle Sicherheitsorgane haben. Dazu braucht es ein
Bündel aus Prävention, Schutz- und Sanktionsmaßnahmen. Durch eine bundesweit vernetzte
Präventionsstrategie wollen wir die Präventionsarbeit massiv ausbauen. Die
zivilgesellschaftliche Arbeit gegen Rechtsextremismus soll strukturell und langfristig durch
ein Demokratiefördergesetz gefördert werden. Wir werden unabhängige wissenschaftliche
Studien zu Rassismus und Rechtsextremismus in den verschiedenen Sicherheitsbehörden
initiieren, Hassgewalt erfassen und konsequent verfolgen. Die Mordserie des
rechtsterroristischen NSU sowie andere rassistische und rechtsextremistische Terrorakte in
Deutschland sind nach wie vor nicht vollständig aufgearbeitet. Deshalb richten wir nach dem
Vorbild der Stasi-Unterlagen-Behörde ein NSU-Archiv ein, in dem auch die Ergebnisse der 13
parlamentarischen Untersuchungsausschüsse ausgewertet werden und langfristig für
Wissenschaftler*innen, Journalist*innen und die Zivilgesellschaft zugänglich sind.
Vor Terrorismus schützen
Jede Form politisch motivierter Gewalt gefährdet unseren Rechtsstaat. Insbesondere durch
Terrorismus von gewaltbereiten Rechtsextremist*innen und Islamist*innen ist die innere
Sicherheit in Deutschland bedroht. Um die offene Gesellschaft, unsere Demokratie und die
Menschen zu schützen, müssen wir Terror entschieden bekämpfen – durch Prävention, bessere
Vernetzung der Sicherheitsbehörden und eine konsequente Überwachung von sogenannten
Gefährder*innen. Dazu braucht es eine europäisch abgestimmte Definition des
Gefährderbegriffs. Gefährder*innen müssen engmaschig überwacht werden. Ziel ist, dass
gegenüber Gefährder*innen offene Haftbefehle konsequent vollstreckt und laufende Verfahren
über Ländergrenzen hinweg zusammengezogen werden. Die Kooperation und Kommunikation zwischen
den Sicherheitsbehörden auch über Ländergrenzen muss reformiert werden, wozu die Schaffung
rechtlicher Grundlagen für die Terrorabwehrzentren GTAZ und GETZ gehört. Aussteigerprogramme
für Menschen aus rechtsextremistischen und islamistischen Szene werden wir ausbauen. Es
braucht ein bundeseinheitliches, professionalisiertes Präventions- und
Deradikalisierungsnetzwerk analog zu den zivilgesellschaftlichen Trägern, die sich bereits
besser als die politischen Ebenen in Bund und Ländern vernetzt haben. Prävention und
Deradikalisierung in Haftanstalten wollen wir stärken. Um Attentate zu erschweren, werden
wir illegalen Waffenhandel, auch und gerade auf Online-Marktplätzen, verstärkt verfolgen.
Den privaten Waffenbesitz tödlicher Schusswaffen wollen wir weitestgehend beenden.
Schutz für Whistleblower
Abgasmanipulationen, Missstände in Pflegeeinrichtungen, der Verkauf von Facebook-Nutzerdaten
– kaum einer der großen Wirtschaftsskandale der vergangenen Jahre wäre ohne die Hinweise aus
den Unternehmen überhaupt an die Öffentlichkeit gelangt. Missstände bis hin zu kriminellen
Aktivitäten in Unternehmen und Behörden brauchen mutige Menschen, die sie ans Licht bringen.
Diese „Whistleblower“ müssen im Interesse von uns allen besser vor Repressalien und
gesundheitlichen, finanziellen und sozialen Folgen ihrer Meldung geschützt werden. Das
werden wir mit einem Hinweisgeberschutzgesetz, das die EU-Whistleblower-Richtlinie
ambitioniert und umfassend in nationales Recht umsetzt, erreichen. Darin festgeschrieben
sind ein zweistufiges Meldeverfahren sowie ein Entschädigungsfonds, mit dem das persönliche
Risiko minimiert wird. Die Furcht vor einem ökonomischen und persönlichen Schaden als
Hemmnis für eine Hinweisgabe soll so abgebaut und potenzielle Hinweisgeber*innen sollen
ermutigt werden.
Zielgerichtete Abwehr konkreter Gefahren
Ein starker, demokratischer Rechtsstaat kann gleichzeitig Sicherheit gewährleisten und
Freiheit bewahren. Wir stehen für eine rationale Sicherheits- und Kriminalpolitik, die
konkrete Gefahren anlassbezogen und zielgerichtet abwehrt, statt die Bevölkerung mit
pauschaler Massenüberwachung unter Generalverdacht zu stellen. Zukünftige Sicherheitsgesetze
müssen auf valider Empirie beruhen und verfassungsrechtliche Vorgaben zwingend beachten.
Statt pauschaler, anlassloser Vorratsdatenspeicherung und genereller Backdoors für
Sicherheitsbehörden oder Staatstrojaner für Geheimdienste wollen wir es der Polizei
ermöglichen, technische Geräte anhand einer rechtsstaatlich ausgestalteten Quellen-TKÜ
zielgerichtet zu infiltrieren. Zudem soll eine Meldepflicht für Sicherheitslücken eingeführt
werden.
Wir garantieren den Rechtsstaat und stärken den
Verbraucherschutz
Konsequent gegen Korruption
Korruption, Steuerhinterziehung, Geldwäsche oder Manipulationen im Finanzmarkt sind
Rechtsverstöße, die verheerende Auswirkungen auf den Wettbewerb und den freien Markt, für
Umwelt und Menschen(rechte) haben können. Wirtschaftsstraftaten machen einen Großteil der
polizeilich erfassten finanziellen Schädigungen aus. Bei Rechtsverstößen werden wir
Unternehmen deshalb künftig wirksamer zur Rechenschaft ziehen. Ziel ist, die bereits
verstreut bestehenden Regelungen in einem eigenständigen Gesetz gegen
Wirtschaftskriminalität zusammenzufassen und zu ergänzen. Um zu verhindern, dass
Rechtsverstöße von Unternehmen wegen organisierter Unverantwortlichkeit nicht geahndet
werden können, soll künftig auch an das Organisationsverschulden angeknüpft werden können.
Die Pflicht zum Nachweis der legalen Herkunft großer Zahlungen wollen wir verstärken.
Sanktionen müssen gemäß den EU-Vorgaben wirksam, angemessen und abschreckend sein, zum
Beispiel indem unrechtmäßiger Gewinn bei der Abschöpfung geschätzt werden darf. Den
Sanktionskatalog wollen wir um weitere Maßnahmen wie den Ausschluss von der Vergabe
öffentlicher Aufträge, die Schadenswiedergutmachung sowie verpflichtende Vorkehrungen für
Unternehmen zur Verhinderung von Straftaten erweitern und ein öffentliches Sanktionsregister
einführen.
Rechtsschutz für jeden, Sammelklagen einführen
Menschen müssen ihr Recht auch gegenüber wirtschaftlich Stärkeren wirksam durchsetzen
können, zum Beispiel in Fällen wie dem Diesel-Abgas-Betrug. Dazu führen wir die Sammelklage
(Gruppenklage) ein, damit Menschen auch bei kleineren, aber massenhaft auftretenden Schäden
effektiv zu ihrem Recht kommen und zum Beispiel Schadensersatz bekommen. Die bisher
eingeführten kollektiven Klageverfahren wie die Musterfeststellungsklage, die nur
Verbraucher*innen zusteht, und das Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz sind unzureichend.
Die immer beliebtere Rechtsdurchsetzung durch Legal-Tech-Unternehmen stellt andererseits
eine Belastung für die Justiz dar, da alle Fälle einzeln entschieden werden. Den kollektiven
Rechtsschutz wollen wir deshalb verallgemeinert und vereinheitlicht in die
Zivilprozessordnung integrieren und die Bündelung individueller Ansprüche im Rahmen einer
Gruppenklage ermöglichen. Für eine bessere Durchsetzung des Rechts sollen die
Zugangsschranken gesenkt und die Verfahren vereinfacht werden. Die Verbandsklage-Richtlinie
der EU setzen wir zügig in nationales Recht um.
Kinderschutz vor Gericht verbessern
In familienrechtlichen Verfahren werden Entscheidungen getroffen, die erhebliche
Auswirkungen auf das weitere Leben von Kindern und ihre Familien haben können. Es gilt den
Kinderschutz vor Gericht zu stärken. Wir machen einerseits die Fortbildungen für
Familienrichter*innen verbindlich und werden diese andererseits bei ihrem Arbeitspensum
berücksichtigen. Auch in Kindschaftssachen wollen wir die Rechtsbeschwerdemöglichkeit zum
Bundesgerichtshof herstellen. In Strafverfahren wollen wir die Opferrechte von Kindern
weiter stärken. Mehrfache Vernehmungen müssen vermieden und die Befragungen kindgerecht
ausgestaltet sein. Sexualisierte Gewalt gegen Kinder muss konsequent aufgeklärt und verfolgt
werden, vor allem durch mehr – insbesondere auch auf Internetkriminalität spezialisiertes –
Personal bei Polizei und Staatsanwaltschaften.
Online-Kündigung mit nur einem Klick
Online-Verträge kann man mit einem Klick abschließen, während man für die Kündigung häufig
zu Telefon oder Briefbogen greifen muss. Auch lange Mindestlaufzeiten und automatische
Vertragsverlängerungen um ein Jahr sind alles andere als verbraucherfreundlich. Wir wollen
Verbraucher*innen vor Vertragsfallen schützen und durchsetzen, dass die Online-Kündigung so
einfach ist wie die Online-Bestellung. So wie es einen Bestellbutton gibt, muss es auch
einen Kündigungsbutton geben sowie eine verpflichtende Eingangsbestätigung für Online-/E-
Mail-Kündigungen. Vertragslaufzeiten und automatische Verlängerungen müssen verkürzt werden
– zugunsten des Verbraucherschutzes und des Wettbewerbs. Wir wollen die maximale
Mindestlaufzeit von Verträgen von zwei Jahren halbieren und die stillschweigende
Vertragsverlängerung von einem Jahr auf einen Monat verkürzen.
Ein Recht auf Reparatur
Von der Waschmaschine bis zum Handy – viele Geräte landen schon nach kurzer Zeit auf dem
Müll, weil sie schnell kaputtgehen, nicht reparierbar sind oder keine Software-Updates mehr
angeboten werden. Das ärgert die Verbraucher*innen, es verschwendet wertvolle Ressourcen und
verursacht Berge von Elektroschrott. Wir setzen stattdessen auf Qualität und Langlebigkeit.
Durch ein Recht auf Reparatur wollen wir Elektroschrott von vornherein vermeiden. Die
Grundlage dafür sind verbindliche Designvorgaben, damit elektronische Geräte so gestaltet
sind, dass sie möglichst langlebig, reparierbar und recyclingfähig sind. Durch die
Verdopplung der Gewährleistungsfristen auf vier Jahre und eine Angabe der vom Hersteller
vorgesehenen Lebensdauer wollen wir erreichen, dass Geräte für eine längere Lebensdauer
gebaut werden. So werden wir die Spielräume der EU-Vorgaben voll ausschöpfen und uns
gleichzeitig für mehr Verbraucherschutz in der EU engagieren.
Finanzberatung im Interesse der Kund*innen
Häufig werden Kund*innen Finanzprodukte angedreht, die für sie zu teuer, zu riskant oder
schlicht ungeeignet sind. Diese Produkte sind häufig gut für die Gewinne der Banken und
Versicherungen, aber schlecht für die Kund*innen. Wir wollen die Finanzberatung vom Kopf auf
die Füße stellen. Dafür schaffen wir ein einheitliches und transparentes Berufsbild für
Finanzberater*innen. Alle Vermittler*innen und Berater*innen sollen künftig von der BaFin
beaufsichtigt werden. Wir wollen weg von der Provisionsberatung und schrittweise zu einer
unabhängigen Honorarberatung übergehen. Dafür schaffen wir eine gesetzliche Honorarordnung,
die Finanzberater*innen stärkt und unabhängiger macht. Die Finanzaufsicht soll von der
Möglichkeit, den Vertrieb von schädlichen und irreführenden Finanzprodukten zu untersagen,
stärker als bisher Gebrauch machen. Überhöhte Dispozinsen und Gebühren für das Basiskonto
werden wir begrenzen.
Wir fördern die Kultur, die Künste und den Sport
Krisenfeste Strukturen für die Kultur
Kultur ist frei und muss keinen Zweck erfüllen. Sie ist gleichzeitig von zentraler Bedeutung
für die Selbstreflexion der Gesellschaft, den Zusammenhalt und die Persönlichkeitsbildung
der Einzelnen. Wir wollen, dass die Kulturlandschaft nach der Pandemie mit ihren
monatelangen Schließungen zu neuer Lebendigkeit, Vielfalt und Reichhaltigkeit findet und
Kultur und kulturelle Bildung endlich selbstverständlicher Teil der Daseinsvorsorge werden.
Eine nachhaltige (Wiederaufbau-)Strategie muss die Kommunalfinanzen als eine wichtige
Grundlage für das Kulturleben stärken, das Zuwendungsrecht reformieren, mehr Kooperationen
zwischen Bund, Ländern und Kommunen bei der Finanzierung von Kultureinrichtungen und -
projekten ermöglichen sowie einen Fonds zum Schutz von Kultureinrichtungen vor Verdrängung
und Abriss einrichten, der Kulturorte langfristig absichert. Die öffentliche Kulturförderung
soll künftig partizipativ, geschlechtergerecht, abgestimmt und nach transparenten Kriterien
angelegt sein.
Kulturschaffende und Kreative besser absichern
Die Corona-Krise zeigt, unter welch prekären Bedingungen viele Kultur- und Medienschaffende
arbeiten. Für eine vielfältige Kulturlandschaft braucht es eine Absicherung, die Freiräume
bietet und künstlerisches und kreatives Schaffen ermöglicht. Kulturschaffende sollen für die
Zeit der Corona-Krise mit einem Existenzgeld von 1.200 Euro im Monat abgesichert werden. Die
Künstlersozialkasse (KSK) muss finanziell gestärkt, Rechtssicherheit für die Mitgliedschaft
in der KSK geschaffen und die freiwillige Weiterversicherung für Selbständige in der
Arbeitslosenversicherung vereinfacht werden. Bei kulturellen Werken muss für Urheber*innen
eine angemessene Vergütung sichergestellt werden. Eine angemessene Beteiligung insbesondere
an den Gewinnen der Vertriebsplattformen sorgt dafür, dass Kultur- und Medienschaffende
weiter an ihren Werken verdienen können.
Kultur in der Gesellschaft
Aktives Kulturleben ist die Basis von demokratischen Gesellschaften. Hier findet die
Auseinandersetzung darüber statt, wie wir leben wollen. Deshalb muss die Gesellschaft in
ihrer ganzen Vielfalt im Kulturschaffen sichtbar sein. Wir wollen Kultureinrichtungen öffnen
und stärken, damit jede*r einfachen Zugang zu ihnen hat und ihre Angebote nutzen und
gestalten kann. Bestehende soziale, finanzielle oder bauliche Hürden müssen dafür abgebaut
werden, etwa durch den kostenlosen Eintritt für Schüler*innen in staatlichen Museen oder
durch die Sonntagsöffnung von öffentlichen Bibliotheken. Wir wollen gerade solche
Kulturangebote kontinuierlich und flächendeckend fördern, die die Situation und die
Bedürfnisse in ihrer Stadt oder ihrer Gemeinde mitdenken und das als ihre zentrale
Zukunftsaufgabe verstehen. In ländlichen Regionen, aber auch in urbanen Zentren sollen
Kultureinrichtungen Knotenpunkte von Begegnungen und zu sogenannten „Dritten Orten“ werden,
die auch Menschen einen Zugang zu Kultur ermöglichen, die davon bislang wenig profitieren.
Bei der Besetzung von Intendanzen, bei der Zusammensetzung von staatlich geförderten
Kulturbetrieben, bei der Vergabe von Stipendien und Werksaufträgen und bei staatlichen Jurys
wollen wir eine Quotenregelung einführen, um Geschlechtergerechtigkeit zu gewährleisten.
Zudem muss auf angemessene Repräsentanz der vielfältigen Gesellschaft geachtet werden.
Themen wie Nachhaltigkeit, Diversität und Teilhabe müssen fester Bestandteil der Ausbildung
zu Kulturberufen sein.
Den Kulturbetrieb ökologischer machen
Der Kulturbetrieb und die Künste können eine wichtige Rolle bei der Bewältigung der
Klimakrise spielen. Auch gibt es viele Initiativen und Akteur*innen, die mit viel Einsatz
versuchen, ressourcenschonender zu arbeiten und den Kulturbetrieb ökologisch auszurichten.
Wir werden das ökologische Engagement im Kulturbetrieb nachhaltig unterstützen. Dafür werden
wir einen „Green Culture Fonds“ als Förderinstrument einrichten. Antragsberechtigt sind
öffentlich geförderte Einrichtungen und Projekte sowie private Akteur*innen der Kultur- und
Kreativwirtschaft und der freien Szene. Auch beim Film sollen Förderinstitutionen und -
maßnahmen künftig klare Anreize für eine nachhaltige Produktion schaffen. Doch auch gerade
Künstler*innen geben neben Wissenschaftler*innen und Akteur*innen der Zivilgesellschaft
Impulse für die nachhaltige Transformation.
Erinnerungskultur stärken und öffnen
Erinnerungskultur trägt entscheidend zur Selbstverständigung und zum Zusammenhalt bei und
ist eine grundlegende Voraussetzung für den Schutz unserer Demokratie. Doch noch immer gibt
es Leerstellen in der Aufarbeitung der deutschen Verbrechensgeschichte. Der
Nationalsozialismus muss weiter konsequent aufgearbeitet und bisher wenig beachtete
Opfergruppen wie die sogenannten „Asozialen“, „Berufsverbrecher“ und „Euthanasie“-Opfer
sollen durch eine angemessene Entschädigung anerkannt werden. Die finanzielle Förderung von
Forschungsarbeiten, die Weiterentwicklung der pädagogischen und wissenschaftlichen Arbeit
der Gedenkstätten sowie die weitere Aufarbeitung und Rückgabe von NS-Raubkunst stehen dabei
im Mittelpunkt. Auch die DDR-Diktatur soll durch die Fortsetzung der Forschung und der
politischen Bildungsarbeit an den Außenstellen des Bundesbeauftragten für die Stasi-
Unterlagen weiter aufgearbeitet werden. Wir werden die Kontinuitäten des Kolonialismus ins
Bewusstsein rücken durch eine zentrale Erinnerungs- und Lernstätte und so eine breite
gesellschaftliche Debatte über unser koloniales Erbe fördern, die sich nicht allein auf die
Rückgabe von Kulturgütern beschränkt, sondern eine antirassistische Perspektive auf
Geschichte und Gesellschaft ermöglicht. Gleichzeitig muss sich die deutsche
Erinnerungskultur für die Erfahrungen und Geschichten der Menschen öffnen, die nach
Deutschland eingewandert sind, und das Gedenkstättenkonzept entsprechend weiterentwickelt
werden.
Ein Entwicklungsplan für den Sport
Im Sport, dem größten Träger der organisierten Zivilgesellschaft und des freiwilligen
Engagements, werden täglich demokratische Werte wie Gemeinsamkeit, Toleranz, Integration,
Inklusion, Engagement und Gesundheitsprävention gelebt und vermittelt. Damit übernimmt der
Sport eine herausragende Rolle für das gesellschaftliche Zusammenleben. Dies werden wir
fördern und bessere Rahmenbedingungen schaffen. Wir wollen Ideen und Energien bündeln und
zusammen mit den Sportverbänden, Ländern, Kommunen und der Wissenschaft einen
Entwicklungsplan Sport erarbeiten und umsetzen – ähnlich dem Goldenen Plan aus den 1960ern.
Ein besonderer Fokus muss dabei vor allem auf strukturschwachen Regionen, gerade in
Ostdeutschland, liegen, denn die Diskrepanz zwischen Ost und West ist beim Breitensport auch
30 Jahre nach der friedlichen Revolution ein Problem. Ausreichend vorhandene und
barrierefreie Sportstätten und Bewegungsräume zählen in Städten und ländlichen Räumen zur
Daseinsvorsorge, deshalb wollen wir, dass Bewegungs- und Sportflächen in der
Wohnungsbaupolitik und Quartiersplanung fest verankert und die bestehenden saniert werden.
Dazu gehören auch insbesondere Schwimmsportstätten, denn unser Anspruch ist, dass jedes Kind
schwimmen lernen kann. Das wollen wir mit einem Bundesprogramm zur Sanierung und
Instandsetzung von Schwimmstätten erreichen. Sportgroßveranstaltungen sollen klimaneutral,
sozial und nachhaltig ermöglicht werden, so dass sie auch einen bleibenden
Infrastrukturgewinn für die Bürger*innen vor Ort schaffen. Dafür braucht es eine bundesweit
einheitliche und föderal abgestimmte Gesamtstrategie, bei der von Beginn an
Bürger*innenbeteiligung Teil der Planung ist.
Spitzensport braucht Breitensport
Ein starker Breitensport braucht Vorbilder. Im Spitzen- und Profisport muss es um die
bestmögliche Förderung von Talenten gehen, nicht um den größten Gewinn für Funktionär*innen.
Deshalb wollen wir bei der Förderung des Spitzensports die Bedingungen und Perspektiven für
Leistungssportler*innen in den Mittelpunkt stellen. Bei der Doping-Prävention und im Anti-
Doping-Kampf stärken wir die NADA, und auf internationaler Ebene setzen wir uns für eine
Athlet*innenvertretung bei der WADA ein sowie dafür, dass diese künftig unabhängig vom IOC
finanziert wird. Auch Korruptionsskandale auf höchster Ebene der Sportfunktionär*innen sowie
die zunehmende Kommerzialisierung bedrohen den Spitzensport. Gerade beim Fußball gilt es den
Sport den Fans zurückzugeben. Deswegen sollen Transparenz und Good Governance auch im Sport
vorangetrieben werden. Gegen Rechtsextremismus und andere Formen gruppenbezogener
Menschenfeindlichkeit im Sport gehen wir mit einem finanziell starken Bundesprogramm vor,
das von einer unabhängigen Stelle beraten wird. Wir schützen die Bürger*innenrechte von Fans
und diese vor ausufernden Datensammlungen und Kollektivstrafen.
Wir bauen Europa weiter
Die Zukunft der EU gestalten
Wir sehen Deutschland in einer zentralen Verantwortung für den Zusammenhalt und die
Fortentwicklung der EU. Zuletzt aber wurde von Berlin aus bestenfalls verwaltet, oftmals
gebremst. Wir wollen die Europapolitik wieder aktiv gestalten – mit klarem Wertekompass,
entlang einer starken deutsch-französischen Zusammenarbeit und im Zusammenspiel mit unseren
europäischen Partner*innen. Unser Ziel ist eine EU, die zusammenhält und voranschreitet. In
manchen Bereichen kommen wir nur mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten voran, aber die
verstärkte Zusammenarbeit muss stets im Rahmen der Verträge und im Bestreben, dass sich
letztlich alle anschließen, erfolgen. In den kommenden zwei Jahren bietet die „Konferenz zur
Zukunft der EU“ eine große Chance, gemeinschaftlich mit den Bürger*innen Reformen der EU zu
entwickeln. Wir wollen sie nutzen für die nächste Phase der europäischen Integration auf dem
Weg zur Föderalen Europäischen Republik und um europäische Antworten auf die großen
Herausforderungen zu formulieren. Die Ergebnisse der Konferenz sollen im Rahmen der
europäischen Gesetzgebung bis hin zu Vertragsänderungen umgesetzt werden.
Europäisches Parlament stärken
Die Geschichte der EU ist eine Geschichte zunehmender Legitimität der europäischen
Institutionen. Unser Ziel ist, die europäische parlamentarische Demokratie zu stärken: mit
einem Parlament, das in allen Bereichen gleichberechtigt mit dem Rat entscheidet, ein
vollwertiges Initiativrecht für die Gesetzgebung und ein starkes Haushaltsrecht erhält. Es
soll die Kommission auf Vorschlag des Kommissions-Präsidenten bzw. der Kommissions-
Präsidentin wählen sowie durch ein konstruktives Misstrauensvotum entlassen können. Für die
Wahlen zum Europäischen Parlament setzen wir uns dafür ein, dass die Bürger*innen mit ihrer
Stimme für einen Spitzenkandidaten bzw. eine Spitzenkandidatin der Parteien auch die/den
nächste*n Präsident*in der EU-Kommission bestimmen. Ein Teil der Abgeordneten soll zukünftig
nicht mehr über viele nationale Listen ins Europaparlament einziehen, sondern über wirklich
europäische, transnationale Listen.
Ein europäisches Vereins- und Gemeinnützigkeitsrecht
Zum europäischen Gemeinwesen gehört das Zusammenwachsen der Zivilgesellschaften. Deshalb
setzen wir uns für ein europäisches Vereins- und Gemeinnützigkeitsrecht ein. Ein
europäischer Vereinsstatus mit klaren Regeln zu Gründung, Gemeinnützigkeit und Auflösung
würde europäische Vereine dem Schutz der EU unterstellen und nationaler Willkür entziehen.
Zudem wollen wir die Europäische Bürgerinitiative als zentrales Instrument der Teilhabe der
Bürger*innen und der Zivilgesellschaft stärken. So sollen Bürger*innen auch eine Reform der
Verträge oder die Einberufung eines Bürger*innenrates fordern können. Ist eine
Bürgerinitiative erfolgreich, sollte spätestens nach einem Jahr und einer Prüfung auf
Vereinbarkeit mit den EU-Grundrechten ein Gesetzesvorschlag folgen und im Europaparlament
eine Plenumsabstimmung über das Ziel der Initiative stattfinden.
Mit Mehrheitsentscheidungen Blockaden auflösen
Europa braucht mehr Handlungsfähigkeit, um auf Augenhöhe mit den heutigen Herausforderungen
voranzukommen. Blockaden durch einzelne Staaten in Bereichen wie der Außen- und
Sicherheitspolitik und in Steuerfragen oder auch bei Energie und Sozialem können wir uns
nicht länger leisten. Solange nationale Einzelinteressen das europäische Gemeinwohl
ausbremsen können, wird die EU keine aktivere Rolle etwa für mehr Steuergerechtigkeit oder
mehr Verantwortung für Demokratie und Menschenrechte in der Welt übernehmen können. Darum
setzen wir uns dafür ein, für alle verbleibenden Politikbereiche, in denen heute noch im
Einstimmigkeitsprinzip entschieden wird, Mehrheitsentscheidungen in Mitentscheidung des
Europäischen Parlaments einzuführen. Das ist auch deshalb wichtig, um bei weiteren
Erweiterungsrunden der EU deren Handlungsfähigkeit zu sichern. Unser langfristiges Ziel ist
es, die europäischen Institutionen zu einem Zweikammersystem weiterzuentwickeln.
Einflussnahme auf EU-Gesetzgebung transparent machen
Mehr Transparenz stärkt die europäische Demokratie und das Vertrauen der Bürger*innen in
Politik. Um nachvollziehbar zu machen, wofür die Regierungen der Mitgliedstaaten in Brüssel
eintreten, setzen wir uns für Fristen im Rahmen der Gesetzgebung ein, bis zu denen eine
öffentliche Debatte im Rat stattgefunden haben muss. Dabei müssen alle Regierungen ihre
aktuelle Position zum Vorschlag der Ratspräsidentschaft vorlegen. Auch den Zugang zu EU-
Dokumenten wollen wir substanziell weiterentwickeln. Die EU arbeitet bei
Interessensvertreter*innen bereits transparenter als der Bundestag. Wir wollen weitere
Schritte gehen – mit einem verbindlichen Lobbyregister für alle EU-Institutionen, strikteren
Karenzzeiten beim Wechsel zwischen Politik und Wirtschaft und einem „legislativen
Fußabdruck“, durch den die Einflussnahme auf Gesetzgebung überprüfbarer wird, kontrolliert
durch eine unabhängige Ethikbehörde, die Sanktionen verhängen kann.
Europäische Grundrechte einklagbar machen
Die EU ist eine Gemeinschaft der Werte und des Rechts. Wir wollen die EU-Grundrechtecharta
langfristig gegenüber den Nationalstaaten einklagbar machen, um so alle EU-Bürger*innen in
ihren Rechten zu stärken. Mit dem EU-Mechanismus für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und
Grundrechte setzen wir uns für ein stärkeres Instrument ein, um Verstöße autoritärer
Mitgliedstaaten zu sanktionieren. Aus dem jährlichen Rechtsstaatlichkeitsbericht sollen
konkrete Maßnahmen bis hin zu Vertragsverletzungsverfahren und der Nichtauszahlung von
Subventionen folgen. Kommunen und Regionen sowie Nichtregierungsorganisationen sollen dann
direkt von der EU gefördert werden. Bei den Artikel-7-Verfahren zur Rechtsstaatlichkeit
braucht es substanzielle Fortschritte. Alle Mitgliedstaaten sollen sich der Europäischen
Staatsanwaltschaft anschließen, wenn sie neue EU-Gelder erhalten wollen.
Eine öffentlich-rechtliche Medienplattform in Europa
Ein zusammenwachsendes Europa braucht eigene, öffentliche Orte, an denen seine Bürger*innen
zusammenkommen können, um sich zu informieren, zu partizipieren, sich zu unterhalten und
politisch zu diskutieren. Wenn überhaupt, kommen dafür bislang nur kommerziell betriebene,
digitale Plattformen in Frage. Als zeitgemäße Antwort setzen wir uns darum für eine
europäische, digitale Plattform in öffentlicher Hand ein. Sie bündelt europaweit qualitativ
hochwertige Inhalte – werbefrei, offen und multilingual. Unter hohen Datenschutzstandards
soll sie darüber hinaus als Kommunikationsplattform dienen. Die Grundlage bildet ein
öffentlich-rechtlicher Auftrag, sie arbeitet zusammen mit den nationalen öffentlichen
Rundfunkanstalten und frei von politischer Einflussnahme.
Europa der Kommunen und Regionen
Eine demokratische, vielfältige und bürger*innennahe EU lebt von der Stärke der Kommunen und
Regionen. Getreu dem Subsidiaritätsprinzip soll Europa da unterstützen, wo Kommunen an ihre
Grenzen stoßen – aber nicht jeden Lebensbereich regulieren. Die Wettbewerbsregeln des
Binnenmarkts dürfen Kommunen nicht zur Privatisierung öffentlicher Güter zwingen. In EU-
Handelsabkommen braucht es Ausnahmen für die kommunale Daseinsvorsorge sowie für öffentliche
und soziale Dienstleistungen. Für mehr europaweite Kooperation wollen wir
Städtepartnerschaften stärken, INTERREG-Programme für grenzüberschreitende Zusammenarbeit
ausweiten und Euregios und Eurodistrikte durch weniger Bürokratie und mehr Flexibilität
fördern. Kommunen und Regionen brauchen mehr Mitsprache auf europäischer Ebene, unter
anderem über einen gestärkten Ausschuss der Regionen. Bei Gestaltung und Vergabe von
Förderprogrammen setzen wir auf das Partnerschaftsprinzip.
weitere Antragsteller*innen
- Madeleine Henfling (KV Ilm-Kreis)
- Svenja Borgschulte (KV Berlin-Pankow)
- Werner Graf (KV Berlin-Friedrichshain/Kreuzberg)
- Canan Bayram (KV Berlin-Friedrichshain/Kreuzberg)
- June Tomiak (KV Berlin-Kreisfrei)
- Pascal Striebel (KV Berlin-Friedrichshain/Kreuzberg)
- Enad Altaweel (KV Berlin-Friedrichshain/Kreuzberg)
- Miriam Matz (KV Saalekreis)
- Karsten Finke (KV Bochum)
- Christiane Howe (KV Berlin-Tempelhof/Schöneberg)
- Claudia Schulte (KV Berlin-Friedrichshain/Kreuzberg)
- Stefan Sels (KV Berlin-Friedrichshain/Kreuzberg)
- Philipp Lang (KV Stuttgart)
- Andy Leipner (KV Berlin-Friedrichshain/Kreuzberg)
- Sarah Jermutus (KV Berlin-Friedrichshain/Kreuzberg)
- Elly Reich (KV Karlsruhe)
- Thore Hagemann (KV Berlin-Neukölln)
- Gerrit Alino Prange (KV Potsdam)
- Bahar Haghanipour (KV Berlin-Kreisfrei)
- Brigitte Kallmann (KV Berlin-Friedrichshain/Kreuzberg)
- Christopher Graf (KV Goslar)
- Larissa Gramatzki (KV Ulm)
- Johannes Mihram (KV Berlin-Mitte)
- Michael Hoffmeier (KV Eichsfeld)
- Vito Dabisch (KV Berlin-Kreisfrei)
- Tim Demisch (KV Berlin-Treptow/Köpenick)
- Timm Schulze (KV Bamberg-Stadt)
- Jasper Robeck (KV Erfurt)
- Jeanne Emilia Riedel (KV München)
- Frank Dürsch (KV München)
- Werner Heck (KV Berlin-Friedrichshain/Kreuzberg)
- Merle Spellerberg (KV Dresden)
- Tobias Stetter (KV Berlin-Friedrichshain/Kreuzberg)
- Theodoros Ioannidis (KV Berlin-Friedrichshain/Kreuzberg)
- Anne Steuernagel (KV Berlin-Neukölln)
- Svenja Hense (KV Ennepe-Ruhr)
- Achim Jooß (KV Ortenau)
- Dominik Reich (KV Berlin-Neukölln)
- Henrik Rubner (KV Berlin-Mitte)
- José-Luis Bote-Garcia (KV Berlin-Friedrichshain/Kreuzberg)
- Clemens Rostock (KV Oberhavel)
- Silvia Rothmund (KV Berlin-Friedrichshain/Kreuzberg)
- Michael Sebastian Schneiß (KV Berlin-Friedrichshain/Kreuzberg)
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Von Zeile 641 bis 645 (PB.S-01: Kapitel 3: Solidarität sichern):
Geringverdiener*innen nicht in Bedrängnis geraten, sondern weiter gut und sicher wohnen können. Wir wollen das Recht auf Wohnen ins Grundgesetz aufnehmen. KnappIn Deutschland sind derzeit - nach Schätzungen - etwa 700.000 Menschen sind derzeit wohnungslos in Deutschlandwohnungslos, 40.000 von ihnen leben ohne Obdach auf der Straße, mehr und mehr junge Menschen, Frauen und Familien. Um diesen Zustand zu beenden, wollen wir ein Nationales Aktionsprogramm zur Vermeidung und Bewältigung von Wohnungs- und Obdachlosigkeit auflegen. Dabei ist der Housing-First-Ansatz ein zentraler Baustein, bei dem Obdachlose in eine Wohnung einziehen können, ohne sich zuvor für Hilfe ”qualifizieren” zu müssen. Kein Mensch soll ohne Obdach und eine dauerhafte würdevolle Unterbringung sein.
Die Pandemie hat uns gezeigt, was eine Gesellschaft stark macht – dass man sich unterhakt
und einander vertraut. Sie hat uns spüren lassen, wie kostbar Gemeinsamkeit für unser
individuelles Glück ist, wie sehr wir andere Menschen brauchen und wie groß die Gefahr ist,
wenn eine Gesellschaft auseinanderdriftet. Diese alte und doch noch mal neu erlebte
Erfahrung ist Auftrag, Solidarität und Schutz in konkrete, bessere Politik zu übersetzen.
Wir wollen alles dafür tun, die Bedingungen für ein gutes Leben – von Kindesbeinen an – zu
verbessern: materielle Sicherheit, Chancen und Teilhabe zu garantieren und ein
Sicherheitsversprechen zu geben, das umso stärker ist, je mehr Unterstützung gebraucht wird.
Freiheitsrechte bleiben ein Privileg von wenigen, wenn die sozialen Voraussetzungen dafür
nicht für alle gewährleistet werden. Gesellschaften ohne existenzielle Not sind
krisenfester, solidarische und gleichberechtigte Gesellschaften stärker.
Corona hat uns schonungslos die Stärken und Schwächen unseres Sozialstaates vor Augen
geführt: wie wichtig ein robustes Gesundheitssystem für alle ist. Wie zentral eine
Wirtschaftskraft ist, die für gesellschaftlichen Wohlstand und damit einen Sozialstaat
sorgt, der Menschen bei Jobverlust oder Wirtschaftseinbruch vor Obdachlosigkeit bewahrt. Sie
hat aber zugleich bestehende Ungleichheiten verschärft. Wer arm ist, wird schneller krank.
Frauen tragen eine besondere Last in den systemrelevanten Berufen der Pflege, der Erziehung
und im Einzelhandel, sind aber deutlich schlechter bezahlt und in Entscheidungsprozessen
weniger repräsentiert. Selbständige, die ohnehin schon größere Risiken eingehen, stürzen
ohne Verdienst in Existenzangst oder -not. Wer die Kinder allein erzieht, ist durch
Kinderbetreuung, Homeschooling und Homeoffice noch mal mehr gefordert. Die Pandemie hat uns
auf unsere individuellen Lebensumstände zurückgeworfen. Wenn die Wohnung eng ist, der Garten
fehlt, aber die Schwimmhalle dicht ist, ist es dreifach schwer. Einsamkeit wird größer.
Jetzt ist die Zeit, die richtigen Lehren zu ziehen. Der Weg aus der Pandemie muss zu einem
neuen sozialen Sicherheitsversprechen führen. Wir wollen Schritt für Schritt die sozialen
Systeme so verändern, dass sie allen Menschen Sicherheit und Halt geben, auch in Zeiten
persönlicher und gesellschaftlicher Umbrüche, und ihnen Teilhabe ermöglichen. Unsere
Bibliotheken und Bolzplätze, Sport- und Musikvereine, Theater und Jugendzentren – kurz,
unsere öffentlichen und sozialen Orte – sollten zu den schönsten und stärksten Räumen des
Miteinanders werden.
Glück und Chancen dürfen nicht davon abhängen, ob man im Norden oder Süden, Osten oder
Westen, in der Stadt oder auf dem Land lebt, entsprechend sind gleichwertige
Lebensverhältnisse Verfassungsgrundsatz. Wir setzen alles daran, aus diesem oftmals noch
unerfüllten Anspruch Realität zu machen. Wer auf dem Land wohnt, braucht genauso einen
Zugang zu Ärzt*innen, schnellem Internet, öffentlicher Daseinsvorsorge wie Städter*innen.
Und wer in der Stadt lebt, muss auch dort guten und bezahlbaren Wohnraum finden können.
Wohnen ist die soziale Frage unserer Zeit und für viele Menschen, viele Familien bis weit in
die Mittelschicht hinein eine der Existenz.
Unser Gesundheitssystem soll allen eine gleichwertige Gesundheitsversorgung garantieren,
aber es klaffen Lücken: Gesundheitsämter wurden kaputtgespart, in Krankenhäusern und der
Verwaltung fehlt Personal, die, die da sind, arbeiten am Anschlag. Wir wollen die Vorzeichen
ändern und Vorsorge zum Leitprinzip machen: Kliniken sollen ihrem gesellschaftlichen Auftrag
entsprechend finanziert werden, auch auf dem Land braucht es Zugang zu Geburtshilfe und
Notfallhilfen. In der Pflege setzen wir uns ein für bessere Arbeitsbedingungen, mehr
Personal, Sicherheit für Menschen, die Pflege benötigen, und für diejenigen, die Angehörige
oder Freund*innen pflegen.
Digitalisierung, globaler Wettbewerb und der nötige Umbau der Wirtschaft bedeuten für viele
Menschen große Veränderungen, die mit der Angst vor Verlusten einhergehen. Aber Angst lähmt
und macht mürbe. Menschen benötigen auch im Übergang Sicherheit. Es gilt die Risiken
abzusichern und Perspektiven zu geben, etwa durch eine Arbeitsversicherung und durch
Weiterbildung. Starke Tarifpartner, starke Gewerkschaften und demokratische Mitbestimmung
können ebenfalls dazu beitragen, die großen Herausforderungen beim Übergang in eine sozial-
ökologische Marktwirtschaft gemeinsam zu bewältigen. Wir werden zeigen, dass Transformation
und Digitalisierung hin zu einem klimagerechten Wohlstand zukunftsfähige Jobs schaffen, mit
guten Arbeitsbedingungen und gerecht verteilter Arbeit.
Wir fördern Kinder, Jugendliche und Familien
Kinder in den Mittelpunkt
Kinder müssen sich bestmöglich und frei entfalten können. Dabei haben sie ein Recht auf
besonderen Schutz, Förderung und Beteiligung. Kinder sind keine kleinen Erwachsenen, sondern
haben ganz eigene Bedürfnisse, die bei Entscheidungen angehört, mitgedacht und abgewogen
werden müssen. Wir werden deshalb sicherstellen, dass das Wohl von Kindern bei staatlichen
Entscheidungen ein größeres Gewicht bekommt. Deshalb müssen starke Kinderrechte entlang der
Grundprinzipien der UN-Kinderrechtskonvention ins Grundgesetz. Mit einem Nationalen
Aktionsplan für Kinder- und Jugendbeteiligung wollen wir sicherstellen, dass alle Kinder und
Jugendlichen über ihre Rechte informiert sind und unabhängig vom soziokulturellen
Hintergrund, altersgerecht und niedrigschwellig Beteiligung leben können. Die Jugendarbeit
spielt hierbei eine wichtige Rolle, darum wollen wir die Jugendverbände mit einem
Verbandsklagerecht gegenüber Kommunen stärken. Werdende Demokrat*innen brauchen Mitmach- und
Medienkompetenz sowie politische Bildung, die wir als Querschnittsaufgaben in Kitas, Schulen
und Jugendhilfe konzeptionell und finanziell stärken. Beim Aufbau oder der Auswahl von
Angeboten im Sozialraum, bei allen Bau- und Wohnumfeldmaßnahmen, die Kinder und Jugendliche
betreffen, werden wir sie beteiligen, ihr Wohl sichern und dies im Baugesetzbuch
berücksichtigen.
Eine Kindergrundsicherung gegen Kinderarmut
In einem reichen Land wie Deutschland darf kein Kind in Armut aufwachsen – doch vor allem
bei Alleinerziehenden oder Geringverdienenden mit Kindern reicht das Geld oft vorn und
hinten nicht. Jedes Kind verdient unsere Unterstützung. Daher wollen wir Familien stärken
mit einer einfachen und gerechten Kinder- und Familienförderung: der Kindergrundsicherung.
Unser Vorschlag: Kindergeld, Kinderzuschlag, das Sozialgeld für Kinder und die Bedarfe für
Bildung und Teilhabe in eine neue eigenständige Leistung zusammenzufassen. Mit der
Kindergrundsicherung bekommt jedes Kind einen festen Garantie-Betrag, Kinder in Familien mit
geringen oder gar keinem Einkommen bekommen zusätzlich noch einen GarantiePlus-Betrag. Je
niedriger das Familieneinkommen, desto höher der GarantiePlus-Betrag. Nach einmaliger
Beantragung bei Geburt wird die Höhe der Kindergrundsicherung automatisch berechnet und
ausgezahlt. So kommt die Kindergrundsicherung garantiert bei jedem Kind an und Schritt für
Schritt beenden wir Kinderarmut. Sie ist gerecht, denn Kinder, die mehr brauchen, bekommen
auch mehr. Die Kindergrundsicherung verbinden wir mit einer Neuermittlung dessen, was Kinder
zum Leben brauchen.
Kinder- und Jugendhilfe für alle Kinder
Ob Kita, Hortbetreuung, Familienberatung, Hilfen zur Erziehung oder Angebote der
Jugendarbeit – die Kinder- und Jugendhilfe begleitet Familien beim Aufwachsen der Kinder.
Sozialarbeiter*innen und Pädagog*innen leisten dabei unter hohem Zeit- und Arbeitsdruck
Enormes. Durch gesetzliche Vorgaben zur Personalplanung wollen wir für besser ausgestattete
Jugendämter und Entlastung der Fachkräfte sorgen. Leistungsansprüche von Kindern und
Jugendlichen mit körperlichen und geistigen Behinderungen werden bisher in einem eigenen
Sozialgesetzbuch für Menschen mit Behinderungen geregelt. Das grenzt aus. Mit einem
Bundesinklusionsgesetz soll sichergestellt werden, dass alle Angebote der Kinder- und
Jugendhilfe künftig so ausgestaltet sind, dass sie sich auch an Kinder und Jugendliche mit
Behinderungen und ihre Eltern richten. Wir wollen auf dem eingeschlagenen Weg hin zu einem
inklusiven SGB VIII zügiger voranschreiten. Daher werden wir die Länder und Kommunen, die
bereits vor Umsetzung des Bundesinklusionsgesetzes alle Kinder unter dem Dach der
Jugendhilfe vereinen wollen, mit einem Bundesmodellprogramm unterstützen. So können
wertvolle Anregungen für den bundesweiten Umstrukturierungsprozess gewonnen werden.
Teilhabe und Schutz in der digitalen Welt
Kinder und Jugendliche wachsen als Digital Natives auf, sie sollen sicher und selbstbestimmt
mit Tablets, Smartphones und Co. umgehen können. Wir stärken die digitale Bildung als
Gemeinschaftsaufgabe von Eltern, Kitas, Schulen und der Jugendhilfe, mit Fortbildungen für
Fachkräfte und Unterstützungsangeboten für Eltern. Alle sollen digitale Kompetenzen erwerben
können, das geht nur mit entsprechender Hardware: Kinder in Familien im Hartz-IV- oder
Kinderzuschlags-Bezug sollen für die Schule einen Laptop erhalten, wenn sie diesen
benötigen. Kinder und Jugendliche brauchen im Netz besonderen Schutz vor Straftaten wie
Hassrede, Cybergrooming oder sexualisierter Gewalt, dem Mobbing im Netz wollen wir einen
Riegel vorschieben. Dafür setzen wir auf eine Präventionsstrategie, mit verpflichtenden
sicheren Voreinstellungen für Plattformen und leicht auffindbaren Beschwerdemöglichkeiten.
Vor kommerziellem Sammeln ihrer Daten durch private Anbieter werden wir Kinder schützen.
Kinder vor sexualisierter Gewalt schützen
Für viele Kinder und Jugendliche ist sexualisierte Gewalt leidvoller Alltag. Dagegen gehen
wir hart vor – mit starker Prävention, konsequenter Strafverfolgung und einem Maßnahmenpaket
zur Qualitätssicherung und zum Kinderschutz in familiengerichtlichen Verfahren. Das oberste
Ziel ist es, Taten zu verhindern. Dafür braucht es Aufklärung, Qualifizierung und gelebte
Schutzkonzepte überall dort, wo Kinder und Jugendliche sich aufhalten und betreut werden.
Basiswissen über Kinderrechte, insbesondere Beteiligung, Schutz bei Kindeswohlgefährdung und
Missbrauch gehören in die Curricula für Jura, Medizin, Pädagogik und Polizei. Die
Fortbildungspflicht für Familienrichter*innen und die Anforderungen an die Qualifikation von
Verfahrensbeiständen sind klar gesetzlich zu regeln. Die wichtige Arbeit des Unabhängigen
Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs werden wir auf eine gesetzliche
Grundlage stellen und damit dauerhaft absichern. Wir werden bundesweit spezialisierte
Fachberatungsstellen und telefonische sowie Online-Beratungsangebote finanziell absichern.
Mehr Zeit für Familien
Den Kopf frei haben für die Familie, die Kinder, auch wenn sie krank sind, das ist unser
Ziel. Mit der KinderZeit Plus wollen wir das Elterngeld auf 24 Monate ausweiten: pro
Elternteil je acht Monate, weitere acht Monate können flexibel untereinander aufgeteilt
werden. Wird die KinderZeit Plus Teilzeit in Anspruch genommen, verlängert dies entsprechend
den Bezugszeitraum. Sie kann bis zum 14. Geburtstag des Kindes genommen werden, denn auch
bei älteren Kindern kann mehr Aufmerksamkeit nötig sein. Wir unterstützen Eltern dabei,
Familie und Arbeit mit einer neuen Arbeitszeitkultur und einem flexiblen Vollzeitkorridor in
eine ausgewogene Balance zu bringen, Familienarbeit partnerschaftlich zu teilen und
Teilzeitfallen zu vermeiden. Niemand soll sich zwischen Kind und Job entscheiden müssen,
darum soll der Anspruch auf ein Kinderkrankengeld auf 15 Tage im Jahr pro Kind und
Elternteil steigen, Alleinerziehende bekommen 30 Tage. Weil gerade in den ersten beiden
Lebensjahren viele Infekte mitgenommen werden, sollte es in dieser Zeit einen zusätzlichen
erhöhten Anspruch auf Kinderkrankengeld geben. Die Altersgrenze wollen wir auch hier auf 14
Jahre anheben, ein ärztliches Attest wird erst ab dem vierten Erkrankungstag des Kindes
verpflichtend. Für die besondere Zeit direkt nach der Geburt wollen wir neben dem
Mutterschutz auch für den zweiten Elternteil eine 14-tägige Freistellung einrichten.
Alleinerziehenden den Rücken stärken
Alleinerziehende leisten enorm viel und sind dennoch besonders oft von Armut bedroht. Mit
der Kindergrundsicherung helfen wir mehrfach: Mit der Neuermittlung der Mindestbedarfe von
Kindern steigt auch der Mindestunterhalt. Und anders als beim heutigen Kindergeld soll nur
die Hälfte auf den Unterhaltsvorschuss angerechnet werden. Nach einer Trennung soll es bei
der Betreuung nicht zusätzlich knirschen, darum werden Mehrkosten für die Ausübung des
Umgangs, egal nach welchem Modell, angemessen berücksichtigt. Für Eltern im
Grundsicherungsbezug wollen wir einen Umgangsmehrbedarf einführen. Ob wichtiger Abendtermin
im Job, ein Beratungsgespräch oder Arztbesuch – Kinder können und sollten nicht immer dabei
sein. Es gilt, familienunterstützende Dienstleistungen zu fördern, zum Beispiel für
ergänzende Kinderbetreuung oder haushaltsnahe Dienstleistungen. Das gilt besonders im
Krankheitsfall, denn Kinder und Haushalt müssen trotzdem versorgt sein.
Absicherung für alle Familienformen
Ob Patchwork-, Stief- oder Regenbogenfamilie – Familien sind vielfältig und diese Vielfalt
muss ein modernes Familienrecht auch abbilden. Soziale Eltern übernehmen innerhalb der
Familie oft Verantwortung und sind wichtige Wegbegleiter. Rechtlich gesehen sind sie aber
auch nach Jahren Außenstehende für ihr Kind: Im Kindergarten, in der Schule oder bei
Ärzt*innen ist es nicht vorgesehen, dass sie Entscheidungen für ihre Kinder treffen. Mit der
Weiterentwicklung des „kleinen Sorgerechts“ hin zu einer elterlichen Mitverantwortung, die
auf Antrag beim Jugendamt auf bis zu zwei weitere Erwachsene übertragen werden kann, geben
wir allen Beteiligten mehr Sicherheit. Zwei-Mütter-Familien sollen nicht mehr durch das
langwierige Stiefkindadoptionsverfahren müssen, darum streben wir an, das Abstammungsrecht
zu reformieren, sodass die Co-Mutter analog zu Vätern in heterosexuellen Ehen automatisch
als zweites rechtliches Elternteil gilt. Bei Kinderwunsch sollen auch nichteheliche
Lebensgemeinschaften und lesbische Paare die Möglichkeit einer Kostenerstattung für die
künstliche Befruchtung erhalten. Verantwortung wird nicht nur da füreinander übernommen, wo
Kinder sind. Mit dem Pakt für das Zusammenleben werden wir eine neue Rechtsform schaffen,
die das Zusammenleben zweier Menschen, die füreinander Verantwortung übernehmen, unabhängig
von der Ehe rechtlich absichert.
Wir sorgen für gute Arbeit und faire Löhne
Mindestlohn anheben
Arbeit muss gerecht bezahlt werden. Und die Menschen brauchen gute Arbeitsbedingungen. Aber
in unserem reichen Land arbeiten noch immer Millionen Menschen im Niedriglohnsektor mit
schlechten Löhnen und unsicheren Beschäftigungsverhältnissen. Besonders oft sind davon
Frauen betroffen. Das wollen wir ändern. Den gesetzlichen Mindestlohn werden wir sofort auf
12 Euro anheben. Für weitere Erhöhungen soll die Mindestlohnkommission den Auftrag bekommen,
dass der Mindestlohn wirksam vor Armut schützen und mindestens der Entwicklung der
Tariflöhne entsprechen muss. Leiharbeiter*innen sollen vom ersten Tag an den gleichen Lohn
für gleiche Arbeit bekommen wie Stammbeschäftigte – plus Flexibilitätsprämie. Ohne
sachlichen Grund dürfen Arbeitsverträge nicht mehr befristet werden. Gegen den vielfachen
Missbrauch von Werkverträgen und die Abwälzung unternehmerischer Verantwortung mittels
Subunternehmerketten gehen wir ordnungspolitisch vor. Wir wollen den Arbeitsschutz stärken,
damit er wirksam vor Stress, Burn-out und Entgrenzung der Arbeit schützt. Mobbing und
Diskriminierung am Arbeitsplatz nehmen wir ernst und wollen besser davor schützen.
Vollbeschäftigung schaffen
Wir wollen allen Menschen ermöglichen, am Arbeitsleben teilzuhaben, denn ein guter
Arbeitsplatz ist eine wichtige Quelle für Einkommen, Anerkennung und Selbstverwirklichung.
Dazu müssen wir gute und sichere Jobs schaffen. Wir wollen die Beschäftigung weiter erhöhen
und damit auch verhindern, dass Corona langfristige Spuren am Arbeitsmarkt hinterlässt. Mit
dauerhaft höheren öffentlichen Investitionen, mehr Gründungsgeist und Forschung sowie
Innovation wollen wir ein Umfeld für viele neue Jobs schaffen. Der deutsche Arbeitsmarkt war
dabei in den letzten Jahren gespalten: Fachkräftemangel und deutliche Lohnsteigerungen für
Hochqualifizierte in einigen Branchen, prekäre Beschäftigung, unfreiwillige Teilzeit und
stagnierende Reallöhne in anderen. Dem wollen wir mit einer sozial gerechten Arbeitspolitik
entgegentreten. Damit sorgen wir für gute Löhne und trocknen den Niedriglohnsektor
mittelfristig aus. Langzeitarbeitslose brauchen eine besonders intensive Betreuung durch die
Arbeitsagentur, für Menschen ohne Perspektiven am ersten Arbeitsmarkt schaffen wir einen
dauerhaften sozialen Arbeitsmarkt.
Sozialpartnerschaft stärken, Tarifbindung erhöhen
Die Sozialpartnerschaft, Tarifverträge und Mitbestimmung sind Eckpfeiler der sozialen
Marktwirtschaft. Sie haben unser Land stark gemacht. Da, wo sie gelten, sorgen sie meistens
für anständige Löhne und gute Arbeitsbedingungen. Wir wollen, dass Tarifverträge und starke
Mitbestimmung wieder für mehr anstatt für immer weniger Beschäftigte und Betriebe gelten.
Bei der öffentlichen Vergabe sollen im Einklang mit europäischem Recht die Unternehmen zum
Zug kommen, die tarifgebunden sind oder mindestens Tariflöhne zahlen. Dafür setzen wir auf
ein Bundestariftreuegesetz. Zudem wollen wir es leichter machen, Tarifverträge für
allgemeinverbindlich zu erklären, damit sie für alle in einer Branche gelten. Betriebsräte,
die sich für Mitarbeiter*innen einsetzen, brauchen auch selbst mehr Schutz. Gleiches gilt
auch für die Beschäftigten, die erstmals einen Betriebsrat gründen wollen. Die
Mitbestimmungsrechte wollen wir ausbauen und modernisieren, wenn es um die
Personalentwicklung, die Stärkung von Frauen und die Verbesserung der Klimabilanz im
Unternehmen geht. Der Wandel der Arbeitswelt, den Digitalisierung und ökologische
Transformation mit sich bringen, muss gemeinsam mit den Beschäftigten im Betrieb gestaltet
werden.
Selbstbestimmter arbeiten, digitale Chancen nutzen
Wir wollen Beschäftigte dabei unterstützen, ihre Arbeit besser an ihr Familien- und
Privatleben anzupassen. Eine moderne Arbeitswelt bedeutet für uns auch mehr Mitsprache bei
Ort, Lage und Umfang der Arbeit. In der Corona-Krise wurde das Arbeiten von zu Hause zu
einer weit verbreiteten Erfahrung, für viele verbunden mit mehr Eigenständigkeit und weniger
Stress, wenn etwa das lange Pendeln wegfiel. Für andere aber auch zur echten Belastungsprobe
– wenn zu Hause Arbeitszimmer, Arbeitsschutz und auch Kolleg*innen fehlen. Homeoffice kann
zudem auch zur Entgrenzung von Arbeit und zum Abbau des bisherigen Arbeitsortes außerhalb
der eigenen vier Wände führen. Die Möglichkeit zur Selbstbestimmung im Arbeitsleben wollen
wir daher erhalten und stärken, indem wir ein Recht auf Homeoffice einführen – mit Blick auf
betriebliche Möglichkeiten, aber auch mit strikten Schutzkriterien versehen. Ein
Arbeitsplatz im Unternehmen muss aber ebenfalls allen zur Verfügung stehen.
Mehr Freiraum bei der Arbeitszeit
Ob im Büro, in der Pflege oder auf Montage – für viele Menschen ist der körperliche oder
psychische Druck durch Arbeit gewachsen. Gleichzeitig ist Zeit zu haben – für sich selbst
oder die Familie – für viele Menschen ein immer größerer Wert. Kürzere Arbeitszeiten, wie
beispielsweise die IG Metall sie als Beitrag zur Bewältigung des Strukturwandels in der
Automobilbranche vorgeschlagen hat, können eine Chance sein, Arbeit gerechter zu verteilen,
Arbeitsplätze zu sichern und Arbeitnehmer*innen zu entlasten. Wir wollen Beschäftigte in der
Pflege, in der die Belastung besonders hoch ist, mit besseren Arbeitsbedingungen
unterstützen und deshalb die 35-Stunden-Woche einführen. Darüber hinaus wollen wir die
Möglichkeiten aller Arbeitnehmer*innen, selbst flexibler über die eigene Arbeitszeit zu
bestimmen – gerade um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erleichtern –, verbessern.
Dafür wollen wir die starre Vollzeit zu einer Wahlarbeitszeit zwischen 30 und 40 Stunden bei
flexiblem Arbeitszeitkorridor umgestalten. Versuche, das Arbeitszeitgesetz zum Nachteil der
Arbeitnehmer*innen aufzuweichen, lehnen wir ab. Die europäische Arbeitszeitrichtlinie wollen
wir konsequent umsetzen.
Arbeitsversicherung stärkt Chancen
Wir wollen die Arbeitsmarktpolitik auf die Zukunft ausrichten und die
Arbeitslosenversicherung zu einer Arbeitsversicherung umbauen. Zentral dafür ist ein
Rechtsanspruch auf Weiterbildung und die Stärkung der beruflichen Qualifikation. In einer
Welt, in der häufige Berufswechsel für viele Menschen Normalität sind und man nicht mehr
automatisch 40 Jahre im gleichen Betrieb arbeitet, brauchen alle Menschen Anlaufstellen und
Unterstützung, um ihr Berufsleben selbstbestimmt zu gestalten. Überall dort, wo es eine
Arbeitsagentur gibt, sollen Bildungsagenturen zentrale Anlaufstellen werden und Menschen bei
der Neuorientierung unterstützen, Weiterbildungsberatung und -förderung sollen damit
vereinfacht werden. Den Zugang zur Arbeitsversicherung werden wir deutlich erleichtern und
bereits ab vier Monaten sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung einen Anspruch auf
Arbeitslosengeld einführen. Auch selbständige Berufstätigkeit muss sozial besser abgesichert
werden. Dafür vereinfachen wir den Zugang zur freiwilligen Arbeitslosenversicherung und
schaffen eine Zugangsmöglichkeit für alle Selbständigen auch mit Wahltarifen. Wir wollen
Gründungen aus Phasen der Arbeitslosigkeit heraus besser fördern und durch die Krise
zurückgeworfene junge Berufsanfänger*innen mit einem Einstiegszuschuss eine Brücke in den
Arbeitsmarkt bauen.
Besserer Schutz bei online vermittelter Arbeit
Vom Handwerkerdienst über Software-Entwicklung bis zur Reinigung – immer mehr
Dienstleistungen werden über Online-Plattformen vermittelt (Gig-Working) oder finden sogar
ortsunabhängig in der Cloud statt (Crowd-Working). Die Digitalisierung von Tätigkeiten und
die digitale Vermittlung von Arbeit bergen viele neue Chancen. Aber Arbeitsrecht und
Arbeitsschutz müssen an die Onlinewelt angepasst werden, damit daraus nicht neue Formen von
Ausbeutung und Abhängigkeiten entstehen. Wir wollen Scheinselbständigkeit verhindern, indem
wir bei der Abgrenzung zwischen selbständiger Tätigkeit und abhängiger Beschäftigung für
mehr Rechts- und Planungssicherheit sorgen. Wenn der/die Auftragnehmer*in einer Plattform
angibt, einen Arbeitnehmerstatus zu haben, soll künftig der/die Auftraggeber*in beweisen,
dass dem nicht so ist. Unfaires Preis-Dumping gilt es durch ein Mindesthonorar für
zeitbasierte Dienstleistungen zu unterbinden. Arbeitnehmerähnliche Personen und Solo-
Selbständige, die für Plattformen tätig werden, sollen sich künftig leichter tariflich
organisieren können, und branchenspezifisch sollen weitere verbindliche Honoraruntergrenzen
vereinbart werden können, die auch für allgemeinverbindlich erklärt werden können.
Plattformbetreiber tragen eine Verantwortung für ihre Auftragnehmer*innen. Wir wollen mit
klaren Mindeststandards beim Arbeits- und Datenschutz und bei den allgemeinen
Geschäftsbedingungen für Fairplay bei der Plattformökonomie sorgen.
Faire Arbeitsbedingungen für Beschäftigte aus europäischen
Nachbarstaaten
In jedem europäischen Nachbarland arbeiten zu können, das ist eine der großen
Errungenschaften unseres vereinten Europas. Was in hochqualifizierten Berufen viel Freiheit
gebracht hat, führte in manchen Dienstleistungsbereichen zu ausbeuterischen
Arbeitsrealitäten. Missstände in den deutschen Schlachthöfen haben das schlaglichtartig
gezeigt. Doch auch anderswo, zum Beispiel auf dem Bau oder in der Pflege, herrschen vielfach
ausbeuterische Verhältnisse. Wir wollen, dass alle Beschäftigten – egal, wie lange sie hier
arbeiten – genauso gut bezahlt und abgesichert sind wie ihre deutschen Kolleg*innen. Dafür
braucht es ein wirksames Vorgehen gegen Schwarzarbeit und Scheinselbständigkeit, ein
Verbandsklagerecht der Gewerkschaften, eine europäische Sozialversicherungsnummer, höhere
Mindeststandards für Unterkünfte von entsandten Beschäftigten, eine bessere Regulierung der
Vermittlungsagenturen und mehr Kontrolle durch eine gestärkte Europäische Arbeitsbehörde.
Arbeitnehmer*innen aus anderen EU-Staaten müssen besser über ihre Rechte informiert werden.
Wir schaffen Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern
Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit
Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit, von dieser Selbstverständlichkeit sind wir immer
noch weit entfernt. Durchschnittlich verdienen Frauen im gesamten Erwerbsleben etwa nur halb
so viel wie Männer, was sich auch in ihrer ungenügenden Alterssicherung bemerkbar macht. Wir
werden ein effektives Entgeltgleichheitsgesetz einführen, das auch für kleine Betriebe gilt
und die Unternehmen verpflichtet, von sich aus über die Bezahlung von Frauen und Männern und
über ihre Maßnahmen zum Schließen des eigenen Pay-Gaps zu berichten. Dieses Gesetz muss auch
ein wirksames Verbandsklagerecht enthalten, damit bei strukturellen Benachteiligungen auch
Verbände die Klage übernehmen können und die Betroffenen nicht auf sich allein gestellt
sind. Lohncheckverfahren können Diskriminierungen aufdecken. Deshalb werden wir
Tarifpartner*innen und Unternehmen verpflichten, alle Lohnstrukturen auf Diskriminierung zu
überprüfen. Wir setzen uns dafür ein, dass Berufe, die vor allem von Frauen ausgeübt werden,
eine höhere Wertschätzung erfahren als bisher, zum Beispiel in Form besserer
Arbeitsbedingungen, besserer Bezahlung oder besserer Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Wirtschaftliche Unabhängigkeit von Frauen stärken
Um das eigene Leben selbst gestalten zu können, ist es vielen Frauen wichtig, wirtschaftlich
unabhängig zu sein. Deshalb müssen Steine, die dies behindern, aus dem Weg geräumt werden.
Wir wollen für eine eigenständige Absicherung in allen Lebensphasen sorgen – von der
Berufswahl bis zur Rente. Minijobs, mit Ausnahmen für Studierende, Schüler*innen und
Rentner*innen, wollen wir in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung überführen und
Regelungen für haushaltsnahe Dienstleistungen schaffen. Das durch enge Rollenerwartungen
eingeschränkte Berufswahlverhalten von Mädchen und Jungen wollen wir durch eine
gendersensible Berufsberatung erweitern. Die gläserne Decke, die Frauen am Aufstieg hindert,
wollen wir aufbrechen. Dies gelingt auch durch eine kluge Zeitpolitik, die es auch
Partner*innen erleichtert, Verantwortung in der Familie zu übernehmen und Arbeit
geschlechtergerecht aufzuteilen. Diskriminierungen am Arbeitsmarkt begegnen wir mit einem
Verbandsklagerecht, das die Einzelne stärkt, und durch ein echtes Recht auf die Rückkehr in
Vollzeit, das auch für kleinere Betriebe gilt.
Gleichberechtigung auch bei der Steuer
Das deutsche Steuerrecht steckt noch im letzten Jahrhundert fest. Während sich viele Paare
Familien- und Erwerbsarbeit gleichberechtigter aufteilen, als es noch vor Jahren der Fall
war, gilt bei der Steuer nach wie vor das Modell eines männlichen Ernährers und einer Frau,
die höchstens zuverdient und sich hauptsächlich um Haushalt und Kinder kümmert. Dieses
Modell ist ungerecht, weil es Ehen privilegiert, Alleinerziehende und nicht verheiratete
Paare außen vor lässt, die Erwerbstätigkeit von Frauen hemmt und Frauen gleichzeitig nicht
wirklich absichert. In Krisen bekommen vor allem Frauen die Nachteile zu spüren, zum
Beispiel durch weniger Kurzarbeits- oder Arbeitslosengeld. Im Zusammenspiel mit Minijobs und
der kostenlosen Mitversicherung wirken sich diese Maßnahmen negativ auf die Erwerbstätigkeit
von Frauen aus. Deshalb wollen wir für neu geschlossene Ehen eine individuelle Besteuerung
mit übertragbarem Grundfreibetrag einführen. Bei der Lohnsteuer soll die/der heute über
Gebühr belastete Zweitverdiener*in entlastet werden, indem das Faktorverfahren zur Regel und
die Steuerklasse 5 für Zuverdiener*innen abgeschafft wird. So sorgen wir dafür, dass
gleichberechtigte Lebensentwürfe nicht länger benachteiligt werden. Paare, die bereits
verheiratet sind, können sich entscheiden, ob sie sich einzeln veranlagen oder weiterhin das
Ehegattensplitting nutzen wollen. Zugleich stärken wir mit der Kindergrundsicherung
Familien. Alleinerziehende, die heute am stärksten von Armut betroffen sind, entlasten wir
mit einer Steuergutschrift.
Wir sichern die sozialen Netze
Garantiesicherung statt Hartz IV
Jeder Mensch hat das Recht auf soziale Teilhabe, auf ein würdevolles Leben ohne
Existenzangst. Deswegen wollen wir Hartz IV überwinden und ersetzen es durch eine
Garantiesicherung. Sie schützt vor Armut und garantiert ohne Sanktionen das soziokulturelle
Existenzminimum. Sie stärkt so Menschen in Zeiten des Wandels und kann angesichts großer
Veränderungen der Arbeitswelt Sicherheit geben und Chancen und Perspektiven für ein
selbstbestimmtes Leben eröffnen. Die grüne Garantiesicherung ist eine Mindestsicherung, die
nicht stigmatisiert und die einfach und auf Augenhöhe gewährt wird. Sie schafft durch die
Abschaffung der bürokratischen Sanktionen Raum und Zeit in den Jobcentern für wirkliche
Arbeitsvermittlung und Begleitung. Dafür wollen wir die Regelsätze schrittweise anheben,
sodass sie das soziokulturelle Existenzminimum verlässlich sicherstellen. Die Leistungen der
Garantiesicherung wollen wir schrittweise individualisieren. Die Anrechnung von Einkommen
werden wir attraktiver gestalten, sodass zusätzliche Erwerbstätigkeit auch in Teilzeit zu
einem spürbar höheren Einkommen führt. Vermögen werden künftig unbürokratischer und mit
Hilfe einer Selbstauskunft geprüft.
Selbstbestimmung und gleichberechtigte Teilhabe für Menschen mit
Behinderungen
Menschen mit Behinderungen haben ein Recht darauf, gleichberechtigt wohnen, lernen und
arbeiten zu können und die Unterstützung zu wählen, die sie dafür brauchen. Leistungen zur
Teilhabe müssen in jeder Phase allgemeiner, beruflicher und hochschulischer Bildung gewährt
werden. Wir wollen einen inklusiven Arbeitsmarkt schaffen und dafür Arbeitgeber*innen, die
Menschen mit Behinderungen beschäftigen, besser unterstützen, den Wechsel von Werkstätten in
den allgemeinen Arbeitsmarkt fördern und Menschen, die das Budget für Arbeit nutzen, in der
Arbeitslosenversicherung absichern. Ziel ist, das Bundesteilhabegesetz weiterzuentwickeln
und Teilhabe zu garantieren – kein Poolen von Leistungen gegen den Willen der Betroffenen,
echtes Wunsch- und Wahlrecht, Leistungen zur Teilhabe unabhängig von Einkommen und Vermögen
der Leistungsberechtigten. Anträge auf Teilhabeleistungen sollen einfach sein und
Entscheidungen im Sinne der behinderten Menschen schnell erfolgen.
Gemeinsame soziale Mindeststandards in der EU
Wir treten ein für eine Europäische Union, die soziale Absicherung und Mindeststandards
europaweit garantiert. Soziale Rechte müssen den gleichen Stellenwert erhalten wie die
wirtschaftlichen Freiheiten des Binnenmarkts. Dafür sind gemeinsame europäische Arbeits- und
Sozialstandards essenziell. Wir machen uns für eine europäische Grundsicherungsrichtlinie
stark, die soziale Mindeststandards für jedes Land festlegt, angepasst an die jeweilige
ökonomische Situation. Länderspezifische Mindestlöhne sollen überall in Europa dafür sorgen,
dass Menschen von ihrer Arbeit leben können. Wir wollen die Europäischen Betriebsräte
stärken und die paritätische Mitbestimmung in den Kontroll- und Leitungsorganen europäischer
Unternehmen ausbauen, die mehr als 1.000 Beschäftigte haben. Unser langfristiges Ziel ist,
dass die in der Europäischen Grundrechtecharta verankerten sozialen Rechte als Grundrechte
gegenüber den Mitgliedstaaten vor dem Europäischen Gerichtshof einklagbar sind.
Eine verlässliche Alterssicherung für alle
Die langfristige Sicherung des Rentenniveaus bei 48 Prozent hat für uns hohe Priorität. Bei
einem weiteren Absinken wären immer mehr Menschen auf Grundrente angewiesen und die
Akzeptanz der gesetzlichen Rente wäre gefährdet. Um das Rentenniveau zu sichern, wollen wir
die Frauenerwerbstätigkeit unter anderem durch ein Rückkehrrecht in Vollzeit erhöhen, ein
echtes Einwanderungsgesetz schaffen und die Beschäftigungssituation älterer
Arbeitnehmer*innen verbessern. Um die Belastungen der Versicherten und der Arbeitgeber*innen
zu begrenzen, sollen bei Bedarf die Steuerzuschüsse erhöht werden. Prekäre Beschäftigung
muss überwunden werden, denn nur gute Löhne führen auch zu einer guten Rente. In einem
ersten Schritt zu einer Bürgerversicherung sorgen wir dafür, dass anderweitig nicht
abgesicherte Selbständige, denen sonst Altersarmut droht, und Abgeordnete in die gesetzliche
Rentenversicherung aufgenommen werden. Um Altersarmut zu verhindern, werden wir die
Grundrente reparieren und zu einer echten Garantierente weiterentwickeln. Grundsätzlich
halten wir an der Rente mit 67 fest. Wir wollen es Menschen aber leichter machen, selbst
darüber zu entscheiden, wann sie in Rente gehen wollen.
Ein Bürgerfonds für die Rente
Eine kapitalgedeckte Altersvorsorge kann das Umlagesystem sinnvoll ergänzen. Die Riester-
Rente hat sich aber als ein völliger Fehlschlag herausgestellt. Die Produkte sind teuer und
undurchschaubar und haben zum Teil eine geringere Rendite als Omas Sparstrumpf. Profitabel
sind sie oft nur für die Versicherungswirtschaft oder dank der öffentlichen Förderung.
Deswegen haben bei weitem nicht alle davon Gebrauch gemacht. Wir wollen die Riester-Rente
durch einen öffentlich verwalteten Bürgerfonds ersetzen und in diesen überführen. Durch den
Bürgerfonds profitieren die Menschen am Wertezuwachs der Wirtschaft. Der Fonds kann
langfristig orientiertes Eigenkapital für die Wirtschaft bereitstellen. In den Bürgerfonds
zahlen alle ein, die nicht aktiv widersprechen. So wird ein Volumen geschaffen, das die
Verwaltungskosten gering hält, die Risiken breit streut und auf teure Garantien verzichten
kann. Der Bürgerfonds wird politisch unabhängig verwaltet und investiert nachhaltig. Er
investiert langfristig und hilft so, die Kurzfristorientierung der Märkte zu überwinden. Für
Kleinsparer*innen gewährleistet er eine attraktive Rendite bei überschaubarem Risiko. Alle
Arbeitgeber*innen sollen künftig eine betriebliche Altersvorsorge anbieten und können den
Bürgerfonds als Standard dafür nutzen.
Wir geben Gesundheit und Pflege einen neuen Wert
Vorsorge als Leitprinzip
Wir wollen den Zugang zu guter Gesundheitsversorgung sicherstellen – aber gute
Gesundheitspolitik setzt schon vorher an. Wer in der Fleischindustrie unter prekären
Bedingungen arbeitet, in einer schimmeligen Wohnung oder an der vielbefahrenen Straße wohnt
oder mit Hartz IV in Armut lebt, kann seine Gesundheit nur schwer schützen, hat eine höhere
Wahrscheinlichkeit zu erkranken und oft einen schlechteren Zugang zur Gesundheitsversorgung.
Für eine gesunde Gesellschaft braucht es eine Politik, die vorsorgt, die die Ursachen von
Krankheiten bekämpft und vorausschauend handelt. Statt nur auf die nächste Krise zu
reagieren, sollen in Zukunft durch gemeinsame Gesundheitsziele und eine Ausweitung der
Gesundheitsberichterstattung Krankheitsursachen und der Stand der gesundheitlichen
Versorgung in den Blick genommen werden. Prävention, Gesundheitsförderung und
gesundheitliche Versorgung wollen wir grundsätzlich als Querschnittsaufgabe in allen
Politikbereichen verfolgen. Um uns gegen klimawandelbedingte Hitzewellen zu wappnen, werden
wir einen Sonderfonds zur Umsetzung von Hitzeaktionsplänen etablieren.
Für Pandemien gewappnet sein
Die Corona-Krise hat gezeigt, dass unser Gesundheitssystem für künftige Pandemien besser
gewappnet sein muss. Spätestens jetzt ist der Moment, die Krankenhaus- und Notfallversorgung
zu reformieren und die Digitalisierung, insbesondere in den Gesundheitsämtern, beherzt
voranzutreiben. Um Pandemien zukünftig effektiv und nachvollziehbar zu bekämpfen, sollen
Stufen zur Eindämmung von Pandemien im Infektionsschutzgesetz definiert, Pandemieschutzpläne
aktualisiert und soll ein unabhängiger und interdisziplinärer Pandemierat eingerichtet
werden. Wir investieren in Gesundheitsforschung, zum Beispiel bei Medikamenten oder der
Entwicklung neuer Testverfahren. Auch die Produktion von Medikamenten und Medizinprodukten
soll – in europäischer Kooperation – vorangetrieben werden, die Versorgung, zum Beispiel mit
Atemschutzmasken, durch eigene Produktionsstandorte sichergestellt werden. Auf europäischer
Ebene braucht es mehr gemeinsame Strategie und Koordinierung, etwa durch die gemeinsame
Planung und Nutzung medizinischer Notfallkapazitäten oder durch ein europäisches
Frühwarnsystem. Daher setzen wir uns für den zügigen Aufbau von HERA ein, einer europäischen
Behörde, die künftig staatliche und privatwirtschaftliche Aktivitäten besser koordinieren
soll. Das Europäische Zentrum für die Prävention und Kontrolle von Krankheiten wollen wir
stärken und uns für eine engere Kooperation mit nationalen Gesundheitsbehörden einsetzen.
Gesundheitsämter stärken
Nicht erst in der Corona-Pandemie wird sichtbar, dass wir als Gesellschaft größere
Anstrengungen unternehmen müssen, um die öffentliche Gesundheit zu stärken und Menschen ein
gutes Leben zu ermöglichen. Ob der Besuch bei der mobilen Zahnärzt*in in der Schule oder die
Impfaktion im Pflegeheim – für Gesundheitsförderung, die Menschen unkompliziert erreicht,
braucht es eine Stärkung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes. Unser Ziel ist es, im
Zusammenspiel zwischen den Gesundheitsämtern, universitären Strukturen der öffentlichen
Gesundheitsfürsorge und einem neu zu schaffenden Bundesinstitut für Gesundheit gemeinsam
eine starke Säule der öffentlichen Gesundheitsfürsorge aufzubauen. Das Institut soll
gemeinsame Gesundheitsziele und Qualitätsvorgaben für die Verbesserung der Versorgung
entwickeln und bestehende Strukturen des Bundes zur Förderung der Gesundheit bündeln. Bisher
sind die Gesundheitsämter chronisch unterfinanziert und unterbesetzt, die personelle und
technische Ausstattung muss dauerhaft verbessert werden. Wir wollen deshalb, dass Bund und
Länder gemeinsam dafür sorgen, dass künftig 1 Prozent der gesamten Gesundheitsausgaben in
den Öffentlichen Gesundheitsdienst fließt. Amtsärzt*innen müssen besser bezahlt werden. Auch
pflegerische Fachkompetenz soll stärker eingebunden werden – als sogenannte Community Health
Nurses oder in der Schulgesundheitspflege.
Gute gesundheitliche Versorgung in Stadt und Land
Gesundheit ist Daseinsvorsorge. Wir wollen, dass Menschen im ganzen Land gut und verlässlich
versorgt werden. Wenn mancherorts der Weg zur Hebamme kaum zu bewältigen ist, die
Kinderstationen Patient*innen abweisen müssen oder Hausarztpraxen auf dem Land wegen
fehlendem/-r Nachfolger*in schließen müssen, gefährdet das die gesundheitliche Versorgung.
Um die Versorgung in Stadt und Land zu stärken, wollen wir, dass ambulante und stationäre
Angebote in Zukunft übergreifend geplant werden und Gesundheitsregionen mit enger Anbindung
an die Kommunen gefördert werden. Perspektivisch soll es eine gemeinsame
Abrechnungssystematik für ambulante und stationäre Leistungen geben. Gleichzeitig wollen wir
die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen den Gesundheitsberufen stärken. Denn die
Versorgung muss von den Patient*innen aus gedacht werden. Dafür wollen wir insbesondere die
Einrichtung von kommunalen Gesundheitszentren unterstützen, in denen alle Gesundheitsberufe
auf Augenhöhe zusammenarbeiten. Die Aufgabenverteilung im Gesundheitswesen werden wir so
reformieren, dass Gesundheits- und Pflegeberufe mehr Tätigkeiten eigenverantwortlich
übernehmen können. Die Arbeitsbedingungen in und die Vergütung von Therapieberufen müssen
dringend ihrer wichtigen Rolle im Gesundheitswesen angepasst, das Schulgeld für diese
Ausbildungen muss abgeschafft werden.
Krankenhäuser nach gesellschaftlichem Auftrag finanzieren
In Krankenhäusern sollen alle die Versorgung erhalten, die sie benötigen. Doch falsche
politische Weichenstellungen und der daraus folgende ökonomische Druck haben zu Fehlanreizen
zu Lasten des Patient*innenwohls und zu Kosteneinsparungen zu Lasten des Personals geführt.
Kliniken sollen deshalb in Zukunft nicht mehr nur nach Fallzahl, sondern auch nach ihrem
gesellschaftlichen Auftrag finanziert werden. Dafür braucht es ein neues
Finanzierungssystem. Wir werden eine Säule der Strukturfinanzierung einführen und den
verbleibenden fallzahlabhängigen Vergütungsteil reformieren. Vielfach herrscht Stillstand
bei den Investitionen in die Krankenhäuser. Das wollen wir ändern, indem Bund und Länder die
Investitionskosten in Zukunft gemeinsam tragen. Der Bund soll dafür die Möglichkeit haben,
gemeinsame bundesweite Grundsätze in der Krankenhausplanung zu definieren. Welche Angebote
es vor Ort gibt, darf nicht davon abhängen, was sich rentiert, sondern soll sich danach
richten, was nötig ist. Die beste Qualität kann zumeist durch Spezialisierung sichergestellt
werden. Krankenhäuser, die durch fehlende Auslastung die nötige Qualität in einigen
Bereichen nicht gewährleisten können, sollen nicht einfach aufgegeben, sondern zu
leistungsfähigen lokalen Notfall-, Gesundheits- und Pflegezentren weiterentwickelt werden.
Notfallversorgung reformieren
Wie gut ein Gesundheitssystem funktioniert, zeig sich oft erst im Notfall – und dann wird es
häufig ernst. Damit die Notfallversorgung in Deutschland besser funktioniert, muss sich
einiges ändern. Das fängt beim Rettungsdienst an, der Menschen in Not heute umfassend
medizinisch behandeln kann und deshalb wie die übrige Gesundheitsversorgung im Gesetz
geregelt werden muss. Die Notrufleitstellen der Nummern 112 und 116117 müssen
organisatorisch zusammengeführt werden, damit es im Zweifelsfall keine Rolle spielt, wo
Menschen anrufen, sondern sie immer die passende Hilfe bekommen. Auch wollen wir, dass
Notaufnahmen gerade nachts und am Wochenende beispielsweise durch kompetente Hausärztinnen
und Hausärzte so unterstützt werden, dass auch weniger ernste Fälle gut versorgt werden
können. Durch einheitliche Stufen und Vorgaben zur Notfallversorgung wollen wir
sicherstellen, dass Menschen in Not, in der Stadt und auf dem Land, stets die erwartbare
Hilfe auch verlässlich vorfinden.
Psychotherapieplätze schaffen
Starke Prävention und angemessene Versorgung – für beides wollen wir die Weichen stellen,
denn psychische Gesundheit ist Fundament für Lebensqualität und soziale Teilhabe. Es ist
nicht zumutbar, dass viele Menschen in einer psychischen Krise monatelang auf therapeutische
Hilfe warten müssen. Wer eine psychische Erkrankung hat, braucht schnelle und leicht
zugängliche Hilfen, damit das Leid sich nicht verschlimmert. Wir wollen deshalb ambulante
Psychotherapieplätze durch mehr Kassenzulassungen von Psychotherapeut*innen schaffen. Es
braucht eine gemeindenahe und personenzentrierte Versorgung und eine verbesserte
sektorübergreifende Zusammenarbeit. Dabei müssen auch die Besonderheiten der Versorgung von
Kindern und Jugendlichen sowie von Frauen, die von Gewalt betroffen sind, berücksichtigt
werden. Hilfsangebote zwischen ambulanter und stationärer Behandlung müssen flexibler werden
und die verschiedenen Berufsgruppen im Team eine miteinander abgestimmte Behandlung
übernehmen können. Bei der unzureichenden Reform der Psychotherapie-Ausbildung muss
nachgebessert werden, sodass angehende Psychotherapeut*innen endlich unter guten Bedingungen
ausgebildet werden.
Geburtshilfe verbessern, Gesundheit von Frauen stärken
Um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, sind Verbesserungen bei der Geburtshilfe und
eine Unterstützung freiberuflicher Hebammen durch eine Reform der Haftpflicht für
Gesundheitsberufe nötig. Wir wollen das Gesundheitssystem geschlechtergerecht machen.
Geschlechtsspezifische Aspekte in Forschung und Ausbildung und in der medizinischen Praxis
werden nicht ausreichend berücksichtigt, etwa bei der Medikamentenforschung. Das gefährdet
die Gesundheit von Frauen wie auch von Trans*- und Inter*-Menschen. Die Forschung zu
geschlechtsspezifischer Medizin und Pflege sowie Frauengesundheit muss gestärkt und in der
medizinischen und pflegerischen Praxis umgesetzt werden. Mit Hilfe einer Frauenquote für
Führungspositionen im Gesundheitswesen und besseren Arbeitsbedingungen holen wir mehr Frauen
in die Führungsgremien unseres Gesundheitswesens.
Zugang zum Gesundheitssystem sichern, Diskriminierung beenden
Auch im Gesundheitswesen wollen wir Diskriminierung bekämpfen. Beispielsweise erhalten
Menschen mit Behinderungen häufig nicht alle dringend benötigten Gesundheitsleistungen,
Hilfsmittel oder häusliche Pflege und werden so in ihrer Teilhabe beschränkt. Deshalb wollen
wir mit einem ressortübergreifenden Inklusionsplan diese Hürden umfassend abbauen, die
Gesundheitsleistungen auf die jeweiligen Bedarfe gezielt ausrichten und bürokratische
Vorgänge so weit wie möglich reduzieren. Das umfasst auch verpflichtende Vorgaben zur
Barrierefreiheit bei der Bedarfsplanung und eine Reform der Heilmittelversorgung. Auch für
LSBTIQ* muss diskriminierungsfreie Gesundheitsversorgung gesichert sein. Dafür werden wir
den Anspruch auf medizinische Maßnahmen für trans- und intergeschlechtliche Menschen
gesetzlich verankern. Die bestehenden Lücken beim Verbot sogenannter „Konversionstherapien“
werden wir schließen. Die Blutspende gestalten wir diskriminierungsfrei. Menschen, die ohne
Papiere in Deutschland leben, müssen ebenfalls Zugang zu guter gesundheitlicher Versorgung
haben, etwa durch einen anonymen Krankenschein, die Abschaffung der Mitteilungs- und
Unterrichtungspflichten an öffentlichen Stellen oder die Stärkung von Beratungsnetzwerken
für Menschen ohne Papiere.
Auf dem Weg zur Bürgerversicherung für Gesundheit und Pflege
Gesetzlich Versicherte warten länger auf Termine bei Fachärzt*innen, und viele privat
Versicherte können sich die hohen Prämien nicht mehr leisten. Von dieser Zwei-Klassen-
Medizin profitieren wenige, zum Nachteil vieler. Unser Ziel ist eine solidarisch finanzierte
Bürgerversicherung, in der jede*r unabhängig vom Einkommen die Versorgung bekommt, die er
oder sie braucht. Die Bürgerversicherung bezieht alle in die Finanzierung eines
leistungsstarken Versicherungssystems ein. Auch Beamte, Selbständige, Unternehmer*innen und
Abgeordnete beteiligen sich mit einkommensabhängigen Beiträgen. Neben Löhnen und Gehältern
sollen Beiträge auf Kapitaleinkommen erhoben werden. Als ersten Schritt verbessern wir die
Versorgung gesetzlich Versicherter – zum Beispiel bei der Erstattung von Brillen. Außerdem
wollen wir die Benachteiligung gesetzlich versicherter Beamt*innen durch einen
beihilfefähigen Tarif beenden und privat Versicherte, die sich nur den Basistarif leisten
können, besser absichern.
Digitalisierung verbessert Gesundheitsversorgung
Wir wollen die Chancen der Digitalisierung – ob Robotik zur Unterstützung in der Pflege,
Telemedizin oder die elektronische Patientenakte – nutzen, um das Gesundheitssystem
zukunftsfähig zu machen. Per App sollen Patient*innen sicher auf den digitalen Impfpass,
Gesundheitsinformationen wie die eigene Blutgruppe, die Krankheitsgeschichte oder die
neuesten Blutwerte zugreifen können. Damit sie den Patient*innen wirklich nützt, muss die
digitale Patientenakte weiterentwickelt werden. Dabei sind unter anderem
Patient*innenorganisationen stärker einzubinden. Gesundheitsdaten sollen anonymisiert der
Forschung zur Verfügung gestellt werden, um die Gesundheitsversorgung in Deutschland zu
verbessern. Eine Weitergabe der Daten erfolgt dabei nicht gegen den Willen der
Patient*innen. Ihre eigenen Gesundheitsdaten müssen für Patient*innen möglichst barrierefrei
und sicher zugänglich sein. Die ärztliche Schweigepflicht und das Patient*innengeheimnis
müssen auch für digitalisierte Gesundheitsdaten jederzeit gewahrt bleiben. Um
administrativen Aufwand für medizinisches und pflegerisches Personal zu verringern und
Innovationen anzureizen, sollen Hersteller von Medizinprodukten und Software offene
Schnittstellen anbieten.
Ambulante Pflege stärken
Wer pflegebedürftig wird, hat die bestmögliche Pflege und Unterstützung für ein
selbstbestimmtes und würdevolles Leben verdient. Gerade in einer alternden Gesellschaft
braucht es dafür überall vielfältige, auf den Bedarf vor Ort angepasste pflegerische
Angebote. Statt weiterer Großeinrichtungen sind mehr ambulante Wohn- und Pflegeformen nötig
– eingebettet in ein Umfeld, das ältere Menschen dabei unterstützt, aktiv am
gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. So wird die Pflege auch für Angehörige einfacher.
Dafür wollen wir die rechtlichen Rahmenbedingungen für Quartierspflege schaffen und den
Kommunen ermöglichen, eine verbindliche Pflegebedarfsplanung vorzunehmen, um das Angebot an
Pflege vor Ort zu gestalten. Ein Bundesprogramm soll eine Anschubfinanzierung für Kommunen
bereitstellen, die sich hier auf den Weg machen. Jemanden zu pflegen verdient unsere
Anerkennung und die Unterstützung der Gesellschaft. Deshalb wollen wir Menschen, die
Verantwortung für Angehörige, Nachbar*innen oder Freund*innen übernehmen, mit der PflegeZeit
Plus besonders unterstützen. Wir ermöglichen damit allen Erwerbstätigen eine bis zu
dreimonatige Freistellung sowie eine Lohnersatzleistung, die befristet auch anschließende
Arbeitszeitreduzierungen finanziell abfedert.
Eine doppelte Pflegegarantie
Pflegebedürftige und ihre Angehörigen müssen immer mehr eigenes Geld für ihre Versorgung
aufbringen. Wir wollen, dass Pflegebedürftige die für sie notwendigen Pflegeleistungen
erhalten, ohne von Armut bedroht zu sein. Mit einer doppelten Pflegegarantie wollen wir die
Eigenanteile schnell senken und dauerhaft deckeln. So garantieren wir, dass die selbst
aufzubringenden Kosten verlässlich planbar werden. Die Pflegeversicherung soll alle über
diesen Betrag hinausgehenden Kosten für eine bedarfsgerechte Pflege tragen. Mit einer
solidarischen Pflege-Bürgerversicherung wollen wir dafür sorgen, dass sich alle mit
einkommensabhängigen Beiträgen an der Finanzierung des Pflegerisikos beteiligen.
Pflege aus dem Notstand führen, Arbeitsbedingungen im
Gesundheitswesen verbessern
Pflegekräfte leisten einen unschätzbaren Beitrag für unsere Gesellschaft. Menschen, die im
Alter oder bei Krankheit Unterstützung brauchen, wünschen sich zu Recht Pflegekräfte, die
sich mit Sorgfalt um sie kümmern können. Dafür brauchen Pflegekräfte Zeit für die
Patient*innen und gute Arbeitsbedingungen. Das geht nur mit mehr Kolleg*innen. Wir wollen
durch verbindliche Personalbemessung – auch in der Langzeitpflege –, die bessere
Vereinbarkeit von Beruf und Familie, mehr eigenverantwortliche Arbeit von Fachkräften und
die Einführung der 35-Stunden-Woche in der Pflege Arbeitsbedingungen schaffen, unter denen
viele Menschen – ganz neu, weiter oder wieder – gerne in der Pflege arbeiten. Die Ausnahmen
im Arbeitszeitgesetz für den Gesundheitsbereich wollen wir beschränken, um Überlastung zu
verhindern und den Personalverlust in Krankenhäusern einzudämmen. Doch Wertschätzung braucht
auch Löhne, die sie bezeugen – am besten über gute Tarifverträge. Wir wollen die gesetzliche
Pflegeversicherung verpflichten, nur noch mit Anbietern zusammenzuarbeiten, die nach Tarif
bezahlen. Die Selbstorganisation und die Einflussmöglichkeiten der professionellen Pflege
wollen wir durch den Aufbau einer Bundespflegekammer unterstützen.
Ein Cannabiskontrollgesetz
Wir stellen Gesundheits- und Jugendschutz in den Mittelpunkt der Drogenpolitik. Doch auf dem
Schwarzmarkt gilt kein Jugendschutz, stattdessen schafft er zusätzliche gesundheitliche
Gefahren. Das Verbot von Cannabis richtet mehr Schaden an, als dass es nützt. Wir setzen auf
wirksame Prävention, auf Entkriminalisierung und Selbstbestimmung. Deshalb werden wir mit
einem Cannabiskontrollgesetz das bestehende Cannabisverbot aufheben und einen kontrollierten
und legalen Verkauf von Cannabis in lizenzierten Fachgeschäften ermöglichen. Darüber hinaus
wollen wir niedrigschwelliges Drugchecking für psychoaktive Substanzen und andere Maßnahmen
zur Schadensminimierung wie die Ausgabe sauberer Spritzen bundesweit ermöglichen, damit
Konsument*innen nicht durch gefährliche Inhaltsstoffe oder schmutzige Spritzen zusätzlich
gefährdet werden. Das heutige Betäubungsmittelrecht evaluieren wir auf seine Wirkungen hin.
Wir schaffen bezahlbaren Wohnraum
Ein Recht auf Wohnen ins Grundgesetz
Alle Menschen brauchen angemessenen Wohnraum. Wohnen ist ein Recht. Aber es wird immer
schwieriger, überhaupt Wohnungen zu finden. Und die Mieten und Immobilienpreise steigen
vielerorts immer noch weiter. Großstädte teilen sich immer stärker in Einkommensstadtteile
auf, Innenstädten geht das Leben verloren. Deshalb gilt es zu handeln, damit gerade auch
Familien und Alleinerziehende, Studierende, Menschen mit Behinderungen, ältere Menschen oder
Geringverdiener*innen nicht in Bedrängnis geraten, sondern weiter gut und sicher wohnen
können. Wir wollen das Recht auf Wohnen ins Grundgesetz aufnehmen. KnappIn Deutschland sind derzeit - nach Schätzungen - etwa 700.000 Menschen sind derzeit wohnungslos in Deutschlandwohnungslos, 40.000 von ihnen leben ohne Obdach auf der Straße, mehr und mehr junge Menschen, Frauen und Familien. Um diesen Zustand zu
beenden, wollen wir ein Nationales Aktionsprogramm zur Vermeidung und Bewältigung von
Wohnungs- und Obdachlosigkeit auflegen. Dabei ist der Housing-First-Ansatz ein zentraler Baustein, bei dem Obdachlose in eine Wohnung einziehen können, ohne sich zuvor für Hilfe ”qualifizieren” zu müssen. Kein Mensch soll ohne Obdach und eine dauerhafte würdevolle Unterbringung sein.
Krisenbedingte Wohnungsverluste verhindern
Wir wollen Mieter*innen entlasten und vor einem krisenbedingten Verlust der eigenen Wohnung
bewahren. Die Möglichkeit, die Miete nachzuzahlen, soll Zwangsräumungen verhindern. Bei
krisenbedingten Einkommensausfällen soll ein Programm der KfW Bank („Sicher-Wohnen-Fonds“)
eine finanzielle Unterstützung von Mieter*innen sicherstellen. Vermieter*innen, die auf
diese Mietzahlungen angewiesen sind, sollten dann eine staatliche Unterstützung erhalten.
Neue Gemeinnützigkeit für sozialen Wohnraum
Wir wollen neuen Wohnraum schaffen – und zwar vor allem familiengerecht, öffentlich und
gemeinwohlorientiert. Stattdessen gehen immer noch viele weitere Sozialwohnungen verloren –
rund 100 jeden Tag. Unser Vorbild ist die Stadt Wien, die mit ihrem großen Anteil an
gemeinnützigem und für breite Schichten bezahlbarem Wohnraum eine ausgewogene Mischung
sicherstellt. Wir werden deshalb die Mittel für den sozialen Wohnungsbau deutlich erhöhen
und verstetigen, statt sie zu kürzen. Wir werden die Kommunen unterstützen, ihre bestehenden
Wohnungsgesellschaften zu stärken und neue zu gründen. Dazu wollen wir mit einem
Bundesprogramm „Neue Wohngemeinnützigkeit“ für eine Million zusätzliche, günstige
Mietwohnungen in den Ballungsräumen sorgen, sicher und auf Dauer. Die noch vorhandenen
bundeseigenen Bestände sollen nicht mehr an private Investor*innen veräußert, sondern
ausschließlich verbilligt an Kommunen mit einer dauerhaften Sozialbindung abgegeben werden.
So wollen wir in den nächsten zehn Jahren den Bestand an Sozialwohnungen um eine Million
erhöhen.
Starke Mieter*innen, faire Mieten
Viele Menschen geben einen immer größeren Anteil ihres Einkommens für ihre Wohnung aus,
viele können sich ihre Mieten nicht mehr leisten. Unser Ziel sind deshalb faire und
bezahlbare Mieten und starke Rechte für Mieter*innen. Konkret wollen wir Mietobergrenzen im
Bestand mit einem Bundesgesetz ermöglichen und die Mietpreisbremse entfristen und
nachschärfen. Reguläre Mieterhöhungen sollen auf 2,5 Prozent im Jahr innerhalb des
Mietspiegels begrenzt werden. Dazu wollen wir qualifizierte Mietspiegel stärken, verbreiten
und rechtssicher ausgestalten. Zur Berechnung sollen die Mietverträge der letzten 20 Jahre
herangezogen werden. Wir streben an, die Modernisierungsumlage weiter abzusenken und auf
maximal 1,50 Euro pro Quadratmeter zu begrenzen, damit energetische Sanierungen
perspektivisch warmmietenneutral möglich sind. Außerdem wollen wir es Mieter*innen
erleichtern, ihre Wohnungen samt den bestehenden Verträgen zu tauschen. Das
Umwandlungsverbot im Baugesetzbuch und den Milieuschutz auszuweiten sind weitere
Instrumente. Dazu stärken wir das kommunale Vorkaufsrecht, und Mietwucher muss – nach § 5
Wirtschaftsstrafgesetz – auch tatsächlich geahndet werden.
Spekulation mit Bauland und Geldwäsche am Wohnungsmarkt beenden
Wohnen ist ein soziales Grundrecht und der Wohnungsmarkt kein Ort für Spekulant*innen. Zu
häufig werden Immobilien zur Geldwäsche genutzt, das gilt es zu beenden. Ein entscheidender
Hebel ist Transparenz. Deshalb planen wir, ein Immobilienregister der Eigentümer*innen
einzuführen, die Grundbücher bei begründetem Interesse kostenfrei zugänglich zu machen und
Bargeld beim Immobilienverkauf zu verbieten. Außerdem wollen wir den Missbrauch von
sogenannten „Share Deals“ zur Steuerumgehung beenden und setzen auf eine anteilige
Besteuerung des Immobilienbesitzes bei Unternehmensverkäufen. Die Spekulation mit Bauland
soll unterbunden werden. Wenn in Kommunen große Wohnungsnot herrscht, kann sich daraus eine
Pflicht für Eigentümer*innen ergeben, Grundstücke zu bebauen, statt auf höhere Preise zu
spekulieren. Auch gegen Fehlnutzungen und spekulativen Leerstand von Wohnraum werden wir
vorgehen.
Grund und Boden gemeinwohlorientiert
Boden unterscheidet sich von anderen Gütern, weil er prinzipiell nicht vermehrbar ist. Bei
Fehlentwicklungen ergibt sich hieraus eine besondere Verpflichtung, staatlich einzugreifen.
Knappheit von und Spekulation mit Boden führt zu steigenden Preisen und Mieten. Wir wollen
erreichen, dass die öffentliche Hand wieder eine strategische Bodenpolitik betreibt. Der
Bund soll seine eigenen Immobilien nicht länger meistbietend verkaufen, sondern gezielt die
Schaffung von bezahlbarem und nachhaltigem Wohnraum fördern. Dafür wollen wir die
Bundesanstalt für Immobilienaufgaben in einen gemeinnützigen Bodenfonds umwandeln. Der Fonds
kauft neue Flächen strategisch zu und überträgt sie an gemeinwohlorientierte Träger. Die
Flächen sollen bevorzugt in Erbpacht vergeben werden, um Sozialwohnungen dauerhaft sichern
zu können. Werden sie veräußert, sollen Kommunen und kommunale Wohnungsgesellschaften ein
Erstzugriffsrecht erhalten. Die Einnahmen des Fonds fließen nicht in den Haushalt, sondern
werden für den Zukauf weiterer Flächen verwendet.
Erwerb von Wohneigentum erleichtern
Wohneigentum ist für viele Menschen ein Lebenstraum, der wegen explodierender
Immobilienpreise in den meisten Regionen des Landes immer schwerer zu erfüllen ist. Wir
wollen den Erwerb von Wohneigentum erleichtern. Deshalb soll das Prinzip „wer den Makler
bestellt, bezahlt“ genauso für Immobilienkäufe eingeführt werden, so wie es für
Maklerprovisionen bei Vermietungen bereits gilt. Wir streben an, die Courtage auf 2 Prozent
zu begrenzen, damit sie nicht auf verstecktem Weg zu noch höheren Kaufpreisen führt. Dazu
wollen wir die Kaufnebenkosten weiter senken, indem wir es den Ländern ermöglichen, den
Steuersatz der Grunderwerbssteuer beispielsweise für große Wohnungsunternehmen zu erhöhen
und für private Käufer*innen zu senken. Wir wollen Mietkauf für selbstgenutztes Wohneigentum
über die Länder und Kommunen fördern, auch den Kauf und die Modernisierung leerstehender
Wohnungen und Ausbauten zu günstigem Wohnraum unterstützen wir. Beteiligungen an
Genossenschaften und den gemeinschaftlichen Erwerb durch Mieter*innen wollen wir
unterstützen, zum Beispiel indem wir günstige Kredite oder Bürgschaften gewähren.
Ressourcenschonendes und nachhaltiges Bauen vorantreiben
Wir können die Klimaziele nur mit einer Bauwende hin zu ressourcenschonendem und
nachhaltigem Bauen erreichen. Bei Städtebau und Gebäudeplanung sind Stoff- und
Energieverbrauch bei Herstellung und Betrieb sowie das spätere Recycling durchgängig für
alle Gebäude zu berücksichtigen. Konkret setzen wir auf ein Gebäude-Ressourcen-Gesetz und
eine Holzbaustrategie, damit wir mit mehr nachwachsenden Rohstoffen bauen können. Wir
fördern außerdem die Digitalisierung der Planung am Bau. Um den Flächenverbrauch zu
reduzieren, setzen wir auf behutsame Nachverdichtung und unterstützen die Kommunen dabei mit
Förderprogrammen.
Wir investieren in lebenswerte Dörfer und Städte
Regionale Daseinsvorsorge stärken
Gleichwertige Lebensverhältnisse sind eine Voraussetzung für gutes, selbstbestimmtes Leben
überall im Land. Einschränkungen gibt es vielerorts, häufig unterscheiden sie sich von
Region zu Region: Hier fehlt ein Zentrum im Dorf, dort schließen in der Kleinstadt die
Schwimmbäder, und auf dem Land ist das Internet zu langsam. Unser Ziel ist es, dass
individuelle Entfaltung, demokratische Teilhabe und gesellschaftliches Engagement überall im
Land möglich sind, auch in strukturschwachen Regionen. Hier brauchen wir gute Infrastruktur
und den Zugang zu öffentlichen Gütern in den Kommunen. Deshalb wollen wir gemeinsam mit Bund
und Ländern eine neue Gemeinschaftsaufgabe „Regionale Daseinsvorsorge“ im Grundgesetz
einführen. Regionen, die heute mit großen Versorgungsproblemen zu kämpfen haben, sollen
wieder investieren und gestalten können. Ziel ist, anhand von regionalen Indikatoren in
allen Bundesländern Förderregionen auszuwählen und die Zusammenarbeit der Kommunen in diesen
Regionen zu unterstützen. Mit Regionalbudgets geben wir Bürger*innen und Akteur*innen vor
Ort die Möglichkeit, ihre Entwicklungsstrategien und Ziele selbst zu bestimmen. Für zentrale
Versorgungsbereiche wie Gesundheit, Mobilität und Breitband wollen wir nötige
Mindeststandards formulieren. Eine inklusive und solidarische Gesellschaft braucht Orte des
Miteinanders, Orte gegen die Einsamkeit, Orte des gesellschaftlichen Zusammenhalts. Das kann
ein Marktplatz sein oder ein Familienzentrum, die Stadtteilbibliothek, der Skatepark, der
Kulturbahnhof. Wir wollen eine Bundesstrategie „Orte des Zusammenhalts“ auf den Weg bringen.
Mit der gezielten Ansiedelung von neuen Forschungsinstituten und Bundeseinrichtungen, vor
allem in Ostdeutschland, können wir strukturschwachen Regionen wichtige Impulse geben.
Außerdem unterstützen wir die Idee der Errichtung eines „Zukunftszentrums für Deutsche
Einheit und Europäische Transformation“.
Solide Finanzausstattung für Kommunen
Für eine starke kommunale Selbstverwaltung und eine belastbare öffentliche Daseinsvorsorge
braucht es eine solide Finanzausstattung. Viele Kommunen schaffen es jedoch nicht einmal
mehr, den ihnen übertragenen Pflichtaufgaben wie etwa der Reparatur von Gemeindestraßen oder
der Schulsanierung nachzukommen. Sie waren bereits vor der Corona-Krise finanzschwach oder
verschuldet und ihr Handlungsspielraum verkleinert sich zunehmend. Das spüren die Menschen
vor Ort unmittelbar. Wenn keine Finanzmittel für freiwillige Leistungen wie Sport- oder
Kultureinrichtungen und deren Erhaltung übrig ist, hat das Auswirkungen auf das
gemeinschaftliche Leben in den Kommunen und auf das Vertrauen in den Staat. Wir wollen die
Gemeindefinanzen besser und krisenfester aufstellen. Dazu gehört eine faire Unterstützung
bei den kommunalen Altschulden und bei gemeindlichen Corona-bedingten Steuerausfällen. Wir
wollen mehr kommunale Investitionen ermöglichen, beispielsweise in Klimaschutz, die
Verkehrswende und Kultureinrichtungen. Dafür soll der Zugang zu Fördermitteln einfacher und
unbürokratischer werden und sollen die Hürden für die Teilnahme besonders für finanzschwache
Kommunen gesenkt werden. Wir wollen, dass Bund und Länder den Kommunen mit einer gemeinsamen
Kompetenzagentur für Förderpolitik und Investitionen mit Rat und Tat zur Seite stehen und
die Umsetzung von Projekten ermöglichen.
Innenstädte retten
Innenstädte und Ortskerne, die man gerne besucht, in denen man verweilt und andere Menschen
trifft, tragen enorm zu unserer Lebensqualität bei. Sie bieten kulturellen Austausch und
geben dem Leben in Stadt und Land eine Bühne. Wir wollen Stadtzentren und Ortskerne
lebenswerter und attraktiver machen. Eine kluge Stadtentwicklungspolitik, nachhaltige
Verkehrskonzepte und ein Städtebaunotfallfonds sind die besten Voraussetzungen, dass auch
der Einzelhandel dort eine Zukunft hat. Dafür wollen wir die Städtebauförderung neu
ausrichten: für schönere Städte, mehr Stadtgrün und Wasserflächen, damit man auch in Zeiten
immer heißerer Sommer gut in der Stadt leben kann. Mit zusätzlichen Mitteln für Smart-City-
Projekte unterstützen wir den Aufbau unabhängiger digitaler Plattformen, mit denen der
örtliche Einzelhandel attraktivere Angebote machen kann. Dazu arbeiten wir gegen Verdrängung
und Leerstand an. Eine Million neue gemeinnützige Wohnungen sollen in den nächsten Jahren in
unseren Städten entstehen. Kleineren Gewerben, sozialen und Kulturprojekten, Clubs und
Handwerker*innen wollen wir mit einem Gewerbemietrecht und über das Baurecht eine zentrale
Lage in den Städten ermöglichen. Bundeseigene Immobilien sollen zukünftig nur noch an
gemeinnützige, öffentliche oder am Gemeinwohl orientierte Träger abgegeben werden.
Ländlich leben, digital arbeiten
Das Leben auf dem Land und im Dorf hat viel zu bieten. Gründer*innen, Familien oder
Freischaffende – alle brauchen schnelles Internet für ihr Leben. Eine ausreichend schnelle
Breitband- und Mobilfunkversorgung gehört zur Daseinsvorsorge, deshalb werden wir einen
Rechtsanspruch darauf einführen. Wir schaffen Ankommens- und Bleibeperspektiven für Jung und
Alt. Über die Gemeinschaftsaufgabe für Agrar- und Küstenschutz fördern wir Wohnprojekte für
alle Generationen, Co-Working, die Aktivierung von Leerstand sowie gemeinschaftliche und
genossenschaftliche Wohnformen. Bahnhofsgebäude wollen wir als gemeinwohlorientierte Räume
zu einladenden Mobilitätsknotenpunkten weiterentwickeln und attraktiver machen. Damit
verknüpfen wir die Bahn mit den Ortschaften. Wir unterstützen die Landesprogramme zu
Markttreffs: wenn zum Beispiel Supermärkte ihre Flächen so umbauen, dass sie Café, Bank- und
Postfiliale integrieren. Kommunen sollen Zuschüsse bekommen, wenn sie öffentliche
Einrichtungen, Sporthalle, Bibliothek, Spielplatz, Working-Space oder Kino unter dem Dach
eines Kulturzentrums zusammenfassen.
Schnelles Internet überall
Mit weniger als zwei Millionen aktiven Glasfaser-Anschlüssen steht Deutschland im OECD-
Vergleich sehr schlecht da. Egal ob Stadt oder Land, ob mobiles Arbeiten oder Heimunterricht
– schnelles Internet ist die Voraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe und gleichwertige
Lebensverhältnisse. Mit einem Breitband-Universaldienst wollen wir einen Rechtsanspruch auf
schnelles Internet für alle schaffen, der sich nicht am Minimalstandard, sondern an den
Nutzungsgewohnheiten der Mehrheit orientiert. Wir sorgen dafür, dass Blockaden bei der
Abrufung der Fördergelder für den Netzausbau abgebaut werden und dann auch zügig gebaut
wird. Und wir machen Schluss mit der Bandbreiten-Schummelei: Wenn
Telekommunikationsunternehmen nicht die versprochenen Download-Geschwindigkeiten liefern,
soll es unkomplizierten pauschalierten Schadenersatz und hohe Bußgelder geben. Beim
Mobilfunkausbau gilt es eine flächendeckende Versorgung sicherzustellen, egal in welchem
Netz man surft. Wo die Anbieter keine Kooperationsvereinbarungen schließen, um Funklöcher zu
schließen, muss notfalls lokales Roaming angeordnet werden, natürlich mit entsprechender
Vergütung. Bei zukünftigen Frequenzversteigerungen sollen die Versorgungsauflagen für die
Fläche so angepasst werden, dass sie mit dem steigenden Bedarf Schritt halten – insbesondere
entlang von Bahnstrecken und Straßen.
Selbstbestimmt im Alter, in Stadt und Land
Wir wollen Selbstbestimmung auch im Alter ermöglichen. Wir wollen den Abbau von Barrieren in
Wohnungen und im Wohnumfeld stärker finanziell fördern und somit älteren Menschen
ermöglichen, länger als bisher in ihrem vertrauten Quartier selbstbestimmt wohnen zu
bleiben. Gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht Selbstbestimmung. Das wollen wir mit einem
Programm fördern, bei dem Ansprechstellen und Gemeindezentren über altersgerechtes Wohnen,
Weiterbildungsangebote, Pflege und soziale Sicherung sowie Möglichkeiten, sich im Dorf oder
im Stadtteil zu engagieren, informieren. Zur Selbstbestimmung gehört auch, den eigenen
Bedürfnissen entsprechend mobil zu sein, unabhängig vom eigenen Pkw. Dafür muss das
Nahverkehrsangebot in den Städten ausgebaut und auf dem Land erhalten bzw. intelligent
vernetzt werden. Es braucht flächendeckend barrierefreie Zugänge zu allen öffentlichen
Verkehrsmitteln, und die Wege zu ÖPNV und Nahversorgung sollen mit genügend Möglichkeiten
zum Ausruhen und „Kräftesammeln“ ausgestattet werden.
Antragstext
In Zeile 644:
Eine gut ausgestatteteSicherheit für Alle und eine bürger*innennahe Polizei
Unsere vielfältige Gesellschaft ist stark. Weil Menschen sich engagieren, auf
Fußballplätzen, bei der freiwilligen Feuerwehr, in Musikschulen oder am Sorgentelefon, Junge
für Alte, Alte für Junge. Weil es ein breites Kulturangebot gibt, eine vielfältige
Medienlandschaft. Weil die Jugend sich einmischt, weil Menschen in Kommunalparlamenten
Verantwortung übernehmen, sich Bürger*innen in Foren einbringen und das Schicksal ihrer Orte
in die Hand nehmen.
Aber Demokratie ist nie fertig. Unser demokratisches Zusammenleben in Deutschland und Europa
ist ein Versprechen, das wir immer wieder neu erfüllen müssen. Es verspricht gleiche
Entfaltungsmöglichkeiten und Rechte für alle, die hier leben. Es ist oft anstrengend, teils
eine Zumutung, wenn andere Ansichten und Werthaltungen akzeptiert und respektiert werden
müssen, wenn es den einen zu schnell und den anderen zu langsam vorangeht. Aber vor allem
ist es eine Stärke: zuhören, den Dialog suchen, inhaltlich ringen. So haben wir als
demokratische Gesellschaft die Herausforderungen der letzten Jahrzehnte gemeistert. Nun gilt
es mit voller Gleichberechtigung und mehr Beteiligung unsere liberale Demokratie zu stärken,
in Deutschland und in Europa, auf den Straßen, in den Parlamenten, und unsere Institutionen
fit zu machen für die Aufgaben dieses Jahrzehnts.
Menschen sind unterschiedlich, aber gleich in ihrer Würde und ihren Rechten. Nur wenn Würde
und gleiche Rechte vor der Klammer stehen, wenn alle Menschen in unserer Gesellschaft, in
unserem Europa gleichen Schutz und gleiche Chancen haben und ihre Rechte in Anspruch nehmen
können, kommen Freiheit und Sicherheit – individuelle und gesellschaftliche – heraus und
wird Gerechtigkeit befördert. Dieser Anspruch ist jedoch noch nicht voll verwirklicht. Wenn
mit Frauen die Hälfte der Bevölkerung nicht gleichberechtigt beteiligt, repräsentiert und
bezahlt wird, ist die Demokratie nicht vollkommen. Viele Menschen erleben noch immer
Ausgrenzung und Diskriminierung. Nötig sind mehr Zugänge, mehr Teilhabe und mehr
Repräsentanz, zum Beispiel für Menschen aus Ostdeutschland oder mit Migrationsgeschichte.
Eine gleichberechtigte Gesellschaft braucht Politik, die Strukturen verändert.
Rassismus trifft uns nicht alle, aber er geht uns alle an. Wenn wir als Gesellschaft lernen,
Vielfalt als Reichtum zu begreifen, schützen wir uns gegenseitig vor Gewalt, Hetze,
Ausgrenzung, Frauenhass und Rassismus. Aber das reicht noch nicht. Wir wissen, dass aus
diskriminierenden Worten Taten werden. Die Angriffe von Extremist*innen, insbesondere von
rechts, treffen unsere demokratische Gesellschaft bis ins Mark. Sie zielen auf Menschen beim
Beten, beim ausgelassenen Beisammensein oder in den Institutionen des Staates. Unsere
Demokratie muss wehrhaft dagegenhalten, mit einer starken Zivilgesellschaft, selbstbewussten
Parlamenten, einer gut ausgestatteten und bürger*innennahen Polizei und handlungsfähigen,
starken Justiz. Es ist Aufgabe der Politik, die Voraussetzungen dafür zu schaffen.
Wie wir unser Zusammenleben gestalten, hängt stark vom Zusammenspiel zwischen Bürger*innen
und dem Staat ab. Wenn Menschen beteiligt und gehört werden, geht Planung schneller. Wenn
Jugend mitentscheidet, werden Entscheidungen besser und zukunftsfester. Wenn
Gleichberechtigung und Vielfalt herrschen, werden sie ausgewogener und nachhaltiger. Wir
wollen deshalb mehr Möglichkeiten schaffen, damit Menschen sich einbringen können.
Immer mehr Herausforderungen sind europäisch und global. Sie bewältigen wir nur in einer
starken Europäischen Union, die Handlungswillen und Handlungsfähigkeit zusammenbringt und
die von ihren Bürger*innen aktiv mitgestaltet wird. Darum denken wir unsere Demokratie
konsequent europäisch, wollen diese vertiefen, lähmende Blockaden strukturell überwinden –
und so Zukunftsfragen beherzt angehen. Unser Fixstern für die Weiterentwicklung der
Europäischen Union ist die Föderale Europäische Republik.
Gleichzeitig gilt es unseren demokratischen Staat auf die Höhe der Zeit zu bringen. Alte
Faxgeräte, fehlendes Personal und überbordende Bürokratie nerven und verhindern, dass es
vorangeht. Unser Ziel ist ein gut funktionierender Staat, pragmatisch und den Menschen
zugewandt. Ein Staat, der mit einer effizienten, zugänglichen Verwaltung in der Lage ist,
Krisen zu bewältigen, und das Land voranbringt, der es Menschen leicht macht, ihren Alltag
zu bewältigen und ihre Rechte in Anspruch zu nehmen. Und wir wollen mit Anstand und
Transparenz regieren, bauend auf Gleichberechtigung und kooperativ. Für Zusammenhalt in
Vielfalt, in einem bürger*innennahen Staat.
Wir machen den Staat effektiver und bürger*innennäher
Planungs- und Investitionsbeschleunigung
Deutschland braucht im nächsten Jahr eine Modernisierungsoffensive. Die
Schieneninfrastruktur, erneuerbare Energien und die Energienetze müssen ausgebaut, Schulen,
Straßen und Brücken saniert, digitale Infrastrukturen aufgebaut werden. Doch derzeit dauert
es oft viel zu lange, solche Projekte zu realisieren, Investitionsmittel fließen nicht ab.
Das wollen wir ändern. Wir verschlanken die Verfahren durch Bündelung und schaffen
öffentliche Planungskapazitäten. Wir stärken auf allen Ebenen die Planungsbehörden und
zuständigen Gerichte. Besonders wichtige Projekte sollten durch eine Einbeziehung des
Parlaments beschleunigt werden. . Auch die frühzeitige Einbindung der Bürger*innen vor Ort
führt in der Regel dazu, dass Projekte schneller und besser abgeschlossen werden können.
Ziel ist, alle Planungszeiten zu halbieren.
Digitale Ämter – serviceorientiert, schnell und zuvorkommend
Jeden Tag tun gut ausgebildete Fachleute in den Behörden ihre Arbeit, um das Land am Laufen
zu halten. Dennoch ist für viele Menschen der Kontakt zu deutschen Behörden unkomfortabel
und unzeitgemäß. Ein Grund dafür sind unzureichende Technik und veraltete und überkommene
Abläufe. Mit mehr barrierefreien E-Government-Dienstleistungen, sicheren digitalen
Beteiligungsformaten im Planungsrecht und Open Government wollen wir unsere Verwaltung
modernisieren und unnötige Bürokratie wie Schriftformerfordernisse abbauen.
Verwaltungsverfahren sollen stets digital gedacht und gestaltet werden, vor allem auch in
der Zusammenarbeit mit Unternehmen. Gleichzeitig muss gewährleistet sein, dass die Türen des
Staates auch für den persönlichen Kontakt mit den Bürgerinnen und Bürgern geöffnet bleiben
und durch mobile Angebote ergänzt werden. Die Nutzung der digitalen Verwaltungsleistungen
soll über einen zentralen Zugang erfolgen. Der Austausch von Unterlagen unter den Behörden
muss nach Zustimmung und unter Beachtung des Datenschutzes möglich sein. Damit die
Verwaltung all dies leisten kann, muss sie selbst digitalisiert werden. Wir setzen uns
gemeinsam mit den Ländern dafür ein, dass die Verwaltung flächendeckend mit der modernsten
Technik ausgestattet wird, vom Gesundheits- bis zum Bürgeramt. Digitalisierung wird das
Verhältnis von Staat und Bürger*innen auf eine neue Basis stellen und auch zum Motor für
einen modernen Sozialstaat werden. In diesem werden Leistungen des Staates ohne komplizierte
Anträge geprüft und automatisch den Berechtigten bereitgestellt.
Der Personalausweis auf dem Smartphone
Sichere und geschützte digitale Identitäten sind (häufig) das fehlende Puzzlestück für
moderne staatliche Dienstleistungen und die vertrauensvolle Nutzung privater Dienste. Wir
wollen auch bei digitalen Verwaltungsleistungen vorankommen und den Sprung zu sicheren
mobilen digitalen Identitäten per Smartphone (Wallet-Lösungen) ermöglichen – wie es zum
Beispiel in skandinavischen Ländern schon Praxis ist. Mit dem mobilen Personalausweis auf
dem Smartphone sollen Bürger*innen beispielsweise Behördengänge oder die Steuererklärungen
abwickeln können. Mit einer staatlich abgesicherten ID-Wallet, die den höchsten Datenschutz-
und IT-Sicherheitsstandards entspricht, sollen Bürger*innen ihren Personalausweis, ihren
Führerschein oder ihre Krankenkassenkarte, aber auch Zahlungsdaten und Mitgliedschaften
sicher auf dem Smartphone verwahren können und nicht auf private Anbieter angewiesen sein
müssen. Diese digitalen Identitäten können dann auch für die sichere Nutzung von privaten
Diensten wie Online-Versandhandel genutzt werden. Dafür schaffen wir die gesetzliche
Grundlage, fördern die öffentliche Entwicklung und Zertifizierung. Europa und Deutschland
müssen bei hoheitlichen digitalen Identitäten Vorreiter sein und Vertrauen durch
Souveränität schaffen.
Transparenz-Gesetz für Open Data
Der Zugang zu staatlichen Datenbeständen ermöglicht innovative, elektronische
Dienstleistungen sowie neue demokratische Beteiligungsmöglichkeiten. Auch für neue
technologische Anwendungen ist der geregelte Zugang zu offenen Daten aus staatlichen
Beständen wichtig. Wir heben den Schatz von mit öffentlichen Mitteln erwirtschafteten nicht
personenbeziehbaren Daten und wollen diesen zeitnah, kosten- und lizenzfrei zur Verfügung
stellen. Das bestehende Datenportal GovData wollen wir zu einem zentralen und
nutzerfreundlichen Open- und E-Government-Portal ausbauen. Auch offene Software, offene
Standards und offene Schnittstellen fördern wir, indem wir sie als Standard in die Vergabe-
und Vertragsordnungen für öffentliche Gelder aufnehmen.
Bessere Daten für die Forschung – bessere Entscheidungsgrundlagen für
die Politik
Auch die Corona-Krise hat wieder einmal gezeigt, dass Deutschland bei Forschungsdaten weit
hinter vergleichbaren Ländern zurückliegt. Während in den USA viele Daten quasi in Echtzeit
vorlagen und politische Maßnahmen zeitnah evaluiert werden konnten, fehlen bei uns
hinreichende und schnell verfügbare Daten. Wir wollen das ändern und zeitnah Daten der
Forschung und den politischen Entscheidungsträger*innen zur Verfügung stellen. Dafür richten
wir ein Forschungsdatenzentrum beim Statistischen Bundesamt ein, mit einem gesetzlichen
Forschungsauftrag und einem eigenen Forschungsinstitut. Wir werden auch Unsicherheiten bei
der Datenverknüpfung beseitigen und ein Datentreuhandzentrum einrichten, das, unter
Datenschutzauflagen, Daten aus unterschiedlichen öffentlichen Statistiken verknüpfen darf.
Klimaneutrale Bundesverwaltung
Klimaschutz braucht Vorreiter und Vorbilder. Wir wollen, dass die Bundesverwaltung endlich
beides wird. Die Bundesverwaltung muss klimaneutral werden. Das umfasst sowohl die
Versorgung mit Ökostrom und den Fuhrpark der Bundesbehörden als auch die Gebäude des Bundes,
die mit erneuerbaren Heiz- und Kühlsystemen ausgestattet und umfassend energetisch
modernisiert werden. Mit der Einführung eines Solarstandards über Neubauten hinaus werden
die Dächer der Bundesbehörden zu Kraftwerken. Zudem sorgen wir dafür, dass der Bund seine
Beschaffung sofort an ökologischen und sozialen Kriterien orientiert. So geht die Politik
mit gutem Beispiel voran.
Der lernende Staat
Corona- und Klimakrise führen uns vor Augen, mit welch großen Herausforderungen Regierung
und Verwaltung heute umgehen müssen. Wir wollen, dass die öffentliche Verwaltung in die Lage
versetzt wird, vorausschauend zu handeln und sich zugleich zügig und konsequent an ihre
jeweiligen Aufgaben anzupassen. Dafür braucht es eine Kultur behördlicher Zusammenarbeit
sowie innovative und flexible Arbeitsstrukturen. Innovationseinheiten in den Behörden sollen
eng und transparent mit Wissenschaft, Wirtschaft und Verbänden zusammenarbeiten, sich
untereinander vernetzen sowie neue Ideen testen und eine positive Fehlerkultur etablieren.
Mitarbeiter*innen und Beamt*innen der öffentlichen Verwaltung sollen außerdem in ihrer
Expertise und Kreativität gefördert und gestärkt werden. Wir setzen uns zudem für mehr
Kooperation der Ministerien bei der Verfolgung gemeinsamer Ziele ein.
Justiz entlasten und digitalisieren
Strafverfolgungsbehörden und Gerichte haben mit einer hohen Arbeitsbelastung zu kämpfen.
Verfahren dauern zu lang. Hier braucht es dringend Entlastung durch mehr Personal, durch die
Entkriminalisierung von Bagatelldelikten und durch eine flächendeckende Ausstattung der
Justiz mit der nötigen Technik. Die Digitalisierung der Justiz wie auch ihren Personalbedarf
werden wir durch einen Bund-Länder-Digitalpakt Justiz in Fortsetzung und Konkretisierung des
Ende 2021 auslaufenden Pakts für den Rechtsstaat mit ausreichender Finanzierung umsetzen.
Polizei und Staatsanwaltschaft müssen digital zusammenarbeiten können, wozu es einheitliche
Programme und zureichende Bandbreiten braucht. Wir fördern und vereinfachen die
elektronische Kommunikation zwischen Bürger*innen und Justiz. Dazu gehört der leichte Zugang
zum Recht durch schnelle Online-Verfahren für einfache Rechtssachen.
Den öffentlichen Dienst stärken und modernisieren
Der öffentliche Dienst, die Millionen Menschen, die in Verwaltungen, Ministerien und
Behörden arbeiten, sind ein Rückgrat unserer Demokratie und das Fundament unseres
Gemeinwesens. Doch in den letzten Jahrzehnten wurde zu oft am öffentlichen Dienst gespart
und gekürzt – die Konsequenzen spüren wir heute alle. Damit unser Staat mit den großen
Herausforderungen Schritt halten kann, müssen die Mitarbeiter*innen unseres Gemeinwesens in
die Lage dazu versetzt werden. Wir wollen deshalb den öffentlichen Dienst wieder stärken und
ihn zugleich modernisieren. Mehr Stellen, gerade im IT- und Planungsbereich, gute Bezahlung,
flexible Laufbahnen, mehr Durchlässigkeit machen den öffentlichen Dienst fit für das 21.
Jahrhundert. Dazu starten wir eine große Fortbildungsoffensive für die öffentliche
Verwaltung und werden die Digitalisierung zum Schwerpunkt einer jeden Verwaltungsausbildung
machen.
Vielfalt in der Verwaltung
Die Vielfalt Deutschlands sollte sich auch in seiner Verwaltung widerspiegeln, denn das
trägt zu Vertrauen und Bürger*innennähe bei. Eine diverse Verwaltung entsteht aber nicht von
selbst, sondern benötigt Mittel, Strukturen und gezielte Förderung. Im Bereich des
öffentlichen Dienstes und der Unternehmen mit Bundesbeteiligung hat der Staat die
Möglichkeit, als gutes Beispiel in Sachen Vielfalt voranzugehen, so beispielsweise
Mehrsprachigkeit in der Verwaltung zu fördern und bei der Einstellungs- und
Beförderungspraxis nicht nur die Gleichstellung der Geschlechter, sondern auch die
gesellschaftliche Vielfalt zu beachten und in den Unternehmensleitbildern das Ziel der
Gleichberechtigung und der Repräsentanz diskriminierter Gruppen zu verankern. Ganz besonders
gilt dies für die im Bewerbungsprozess besonders relevanten Einheiten wie die
Personalabteilung oder Einstellungskommissionen, die so weit wie möglich geschlechtergerecht
und vielfältig zu besetzen sind. Wir werden verbindliche Zielvorgaben zur Erhöhung des
Anteils von Menschen mit Migrationshintergrund einführen. Das „Diversity-Budgeting“, also
den Einsatz und die Evaluierung von Haushaltsmitteln in einer Vielfalt besonders fördernden
Weise, wollen wir voranbringen.
Wir treten ein für Vielfalt, Anerkennung und gleiche
Rechte
Einheit in Vielfalt
Wir alle sind unterschiedlich, aber an Rechten und Würde gleich. Zusammenhalt in Vielfalt
setzt voraus, respektiert und gehört zu werden, gleichberechtigt mitgestalten und teilhaben
zu können, ohne Angst frei zu leben und sich als Gleiche zu begegnen, das Gemeinsame neben
den Unterschieden zu sehen. Damit die Perspektive und Expertise derjenigen, die von
Diskriminierung betroffen sind, gehört werden, sie als Gleiche die Möglichkeit zur vollen
Teilhabe erhalten, wollen wir einen Partizipationsrat, ähnlich dem Deutschen Ethikrat, als
ein gesetzlich verankertes und unabhängiges Gremium einführen, mit Vertreter*innen aus der
(post)migrantischen Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Forschung. Um den gesellschaftlichen
Zusammenhalt zu fördern, wollen wir die verschiedenen gesellschaftlichen Themen, die die
Teilhabe an der offenen und vielfältigen Einwanderungsgesellschaft betreffen, bei einem
Ministerium bündeln und diese Themen aus dem Innenministerium herauslösen. Für mehr
Repräsentanz und Teilhabe werden wir ein Partizipations- und Teilhabegesetz vorlegen und das
Bundesgremiengesetz reformieren. Alle, die dauerhaft ihren Lebensmittelpunkt hier haben,
sollen ein kommunales Wahlrecht erhalten.
Konsequent gegen Rassismus
Rassismus ist Realität im Alltag, auf der Straße, im Netz, in Institutionen. Er betrifft
nicht alle von uns gleichermaßen, aber er geht uns alle gleichermaßen an. Rassismus und alle
Formen von Diskriminierungen stellen nicht nur eine große Gefahr für die betroffenen
Menschen dar, sondern bedrohen auch das gleichberechtigte und friedliche Zusammenleben. Wir
wollen den Schutz vor und die Beseitigung von Diskriminierungen und strukturellem Rassismus
mit einem staatlichen Gewährleistungsanspruch in der Verfassung verankern, ergänzend zur
überfälligen Ersetzung des Begriffs „Rasse“ sowie der expliziten Benennung von
Diskriminierung aufgrund sexueller Identität. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes
(ADS) muss unabhängiger und wirkmächtiger werden – mit mehr Personal, Budget und
Kompetenzen. Zudem wollen wir eine*n weisungsunabhängige*n und finanziell gut
ausgestattete*n Antirassismusbeauftragte*n einsetzen. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz
soll zu einem echten Bundesantidiskriminierungsgesetz weiterentwickelt werden. Das Netz
zivilgesellschaftlicher Beratungsstellen soll flächendeckend ausgebaut und in den
Institutionen sollen Anlaufstellen geschaffen werden. Wir werden die Forschung zu
Diskriminierung und Rassismus ausbauen, insbesondere Antidiskriminierungs- und
Gleichstellungsdaten erheben und unabhängige wissenschaftliche Studien in Bezug auf
staatliche Institutionen durchführen. Antirassismus, Antidiskriminierung und
Postkolonialismus wollen wir in Lehrplänen verankern.
Unterstützung und Sicherheit für Juden und Jüdinnen in Deutschland
Jüdisches Leben in seiner Vielfalt und seiner Selbstentfaltung in Deutschland werden wir
konsequent fördern und sichtbar machen. Wir unterstützen Projekte und Initiativen, die
jüdisches religiöses Leben, Kultur und Bildung stärken. Wir wollen politische und kulturelle
Bildungsangebote für alle Bürger*innen zugänglich machen, um Wissen über das jüdische Leben
sowie Kontakte und Erfahrungen mit jüdischen Menschen und Einrichtungen zu vermitteln, auch
über schulische und universitäre Curricula. Dafür müssen sich jüdische Menschen in
Deutschland sicher fühlen können. Sicherheit von Jüdinnen und Juden und den Schutz jüdischer
Einrichtungen und Gemeinden müssen wir umfassend gewährleisten. Antisemitische Anschläge in
der Gegenwart, allen voran der von Halle, erinnern uns daran, wie stark der Antisemitismus
noch immer in Deutschland verbreitet ist. Es ist unsere gemeinsame Verantwortung,
Antisemitismus, auch im Alltäglichen, mit aller Entschlossenheit entgegenzutreten. Dafür
braucht es bessere Analysekapazitäten und eine entschlossene Ahndung und Dokumentation
antisemitischer Vorfälle. Antisemitische Narrative und verschwörungsideologische Erzählungen
– auch im Zusammenhang mit Demonstrationen gegen Corona-Maßnahmen – müssen entlarvt werden.
Präventionsmaßnahmen und sensibilisierende Aus- und Fortbildungen, allen voran der
Mitarbeiter*innen von Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden sowie der Gerichte, wollen
wir gezielt ausbauen. Antisemitismus soll auch abseits des Geschichtsunterrichts in den
Lehrplänen verankert werden.
Muslim*innen schützen und stärken
Der Islam gehört zu Deutschland, jedoch sind Muslim*innen überproportional von struktureller
Diskriminierung, insbesondere auf dem Arbeitsmarkt, sowie von gewalttätigen Übergriffen
betroffen. Der Anschlag von Hanau, die fortdauernden Bedrohungen muslimischer Einrichtungen
zeigen, wie dringend nötig umfassende Schutzkonzepte sowie Präventionsprogramme sind. Opfer
müssen geschützt, beraten und gestärkt, die Ursachen der Muslim*innenfeindlichkeit verstärkt
in den Blick genommen werden. Tatsächliche Gleichstellung setzt rechtliche Gleichstellung
voraus. Im Bereich der religiösen Pluralität stellt das deutsche Religionsverfassungsrecht
eine gute Grundlage dar, um die Vielfalt auch in einer modernen Einwanderungsgesellschaft zu
gewährleisten. Der Staat darf keine Religion diskriminieren oder ungerechtfertigt
bevorzugen. Wir unterstützen Staatsverträge mit islamischen Religionsgemeinschaften, die in
keiner strukturellen Abhängigkeit zu einem Staat, einer Partei oder politischen Bewegung und
deren oder dessen jeweiliger Regierungspolitik stehen und sich religiös selbst bestimmen.
Für die eigenständige und selbstbewusste Religionsausübung von Muslim*innen ist eine Imam-
Ausbildung in Deutschland dringend notwendig. Dafür wollen wir islamisch-theologische und
praxisorientierte Aus- und Weiterbildungsprogramme für Imame und islamische
Religionsbedienstete in Kooperation mit den Instituten für islamische Theologie bundesweit
etablieren und unterstützen.
Antiziganismus entschlossen bekämpfen
Immer noch leiden Menschen mit Romani-Hintergrund in Deutschland an einem tiefsitzenden
Antiziganismus, der bis in die Mitte der Gesellschaft reicht. Immer noch werden Angehörige
der größten Minderheit in der Europäischen Union beim Zugang zu Bildung, Gesundheit, Wohnen
und Arbeit benachteiligt. Wir wollen deshalb die neue EU-Roma-Rahmenstrategie (Post-2020)
umsetzen. Dafür braucht es eine mit ausreichend finanziellen Mitteln und Befugnissen
ausgestattete „Nationale Koordinierungsstelle“, die die Umsetzung und das Monitoring der
deutschen Strategie in Abstimmung mit den Bundesländern, Verwaltungen und
Selbstorganisationen übernimmt. Der Erhalt von Sprache und Kulturen von Sinti*zze und
Rom*nja muss aktiv gefördert sowie eine unabhängige, zivilgesellschaftliche Monitoring- und
Informationsstelle zur Dokumentation und Aufarbeitung antiziganistischer Vorfälle und zur
Unterstützung der Betroffenen eingerichtet werden.
Ein Barrierefreiheits-Gesetz
Wir treten für eine inklusive Gesellschaft ein. Für behinderte und ältere Menschen, Eltern
mit Kinderwagen oder Verletzte mit Gipsbein sind jedoch Stufen, zu enge Türen oder schwer
lesbare Webseiten oft im Weg, es ist mühsam, manchmal unmöglich, Angebote zu nutzen, die für
andere selbstverständlich sind. Wir wollen Barrierefreiheit schaffen, damit Menschen mit
Behinderungen gleichberechtigt am öffentlichen Leben teilhaben und selbstbestimmt, gemeinsam
mit nichtbehinderten Menschen leben, lernen und arbeiten können. Das wollen wir mit einem
„Barrierefreiheits-Gesetz“ erreichen. Durch eine Erhöhung der Bundesförderung soll mehr
barrierefreier Wohnraum entstehen. Den Abbau von Barrieren in Städten und Dörfern werden wir
im Rahmen der Städtebauförderung unterstützen.
Verhältnis Kirche und Staat reformieren
Die christlichen Kirchen und Gemeinden sind eine wichtige Stütze unserer Gesellschaft. Sie
sind zuverlässige Partner, wenn es um gesellschaftlichen Zusammenhalt geht. Die Betreuung
von Pflegebedürftigen, Menschen mit Behinderungen und Kindern wäre ohne die Vielfalt auch
der kirchlichen Träger nicht möglich. Ihre tatkräftige Unterstützung, wenn es um
Seenotrettung und die Integration von Geflüchteten geht, ist ein wichtiger
gesellschaftlicher Beitrag. Das Grundrecht auf Religions- und Weltanschauungsfreiheit wollen
wir, auch weltweit, weiter stärken. Gleichzeitig wahren wir das Selbstbestimmungsrecht der
Religionsgemeinschaften, suchen die Kooperation und den Dialog mit allen unabhängigen
Religions- und Weltanschauungen, die das Grundgesetz achten, und stehen dabei stets zum
säkularen Staat und seinem Neutralitätsprinzip. Die besondere Beziehung zwischen Staat und
den christlichen Kirchen wollen wir erhalten und wo nötig der gesellschaftlichen Realität
anpassen. So wollen wir, dass beispielsweise das kirchliche Arbeitsrecht reformiert wird.
Außerdem wollen wir die Vollendung des Verfassungsauftrags zur Ablösung der Staatsleistungen
umsetzen.
Wir erneuern das demokratische Fundament
Für eine saubere Politik
Demokratie lebt vom Vertrauen der Bürger*innen. Grundlage sind klare Regeln und die Haltung
der Menschen, die sie vertreten. Wir wollen Vertrauen ermöglichen und das Primat der Politik
gegenüber intransparenter Einflussnahme schützen. Seit Jahren drängen wir darauf, dass
politische Interessensvertretung transparent, nachvollziehbar und fair ist. Bereits bei der
Entstehung von Gesetzen muss sichtbar sein, wer Einfluss genommen und welche Akteur*innen
mitgewirkt haben. Dafür wollen wir mit einem gesetzlichen Lobbyregister wirkungsvoll den
Einfluss organisierter Interessensgruppen und von Lobbyist*innen bei Bundesregierung und
Bundestag offenlegen. Interessenskonflikte wollen wir verhindern und Abgeordneten eine
entgeltliche Lobbytätigkeit neben ihrem Mandat untersagen und die gesetzliche Regelung zur
Abgeordnetenbestechung klarer fassen. Wir wollen, dass der Wechsel aus Regierungsämtern in
die Wirtschaft für eine Karenzzeit von zwei Jahren nach Ausscheiden auf Interessenskonflikte
geprüft wird. Einkünfte von Abgeordneten aus Nebentätigkeiten sollen auf Euro und Cent
veröffentlicht werden, für Unternehmensbeteiligungen und Aktienoptionen von Abgeordneten
braucht es striktere Regeln. Die Annahme von Direktspenden durch parteigebundene Abgeordnete
sollte verboten werden. Spenden an Parteien müssen transparenter gemacht werden, deshalb
wollen wir striktere Veröffentlichungsregeln. Parteispenden sollen auf natürliche Personen
beschränkt und auf einen jährlichen Höchstbetrag gedeckelt werden. Solange es keine
gesetzliche Regelung gibt, wollen wir uns im politischen Wettbewerb nicht schlechterstellen
als die politische Konkurrenz. Für das Parteiensponsoring wollen wir eine gesetzliche
Regelung und eine Veröffentlichung ab dem ersten Euro einführen. Das Parteiengesetz und die
unabhängige Kontrolle werden wir stärken.
Parlament stärken, Wahlrecht reformieren
Der Bundestag ist der zentrale Ort für öffentliche Debatten, Rede und Gegenrede und
Entscheidungen unserer Demokratie. Für gute Gesetzgebung braucht es ausreichende Beratung
und eine Stärkung der Kontrollrechte des Parlaments. Wir wollen die Rolle des Bundestages
bei der Gesetzgebung ausbauen. Seine Arbeitsfähigkeit ist zu garantieren und zu stärken.
Deshalb setzen wir uns für eine Wahlrechtsreform ein, die das Parlament kleiner macht, fair
und verfassungsgemäß ist und bei der jede Stimme gleich viel wert ist. Die Sitzungen der
Fachausschüsse sollen in der Regel öffentlich stattfinden und gestreamt werden. Die
Abgeordneten sollen in ihren Kontrollrechten gegenüber der Regierung mit einem
Akteneinsichtsrecht gestärkt werden.
Macht fair teilen, auch in den Parlamenten
Es ist höchste Zeit für eine faire Verteilung von Macht. Unsere repräsentative Demokratie
muss diverser werden, unsere Parlamente brauchen die Vielfalt der Herkunft und Lebenswege,
die Debatten brauchen die Perspektiven, die daraus entstehen. Das bedeutet auch, dass es
dringend mehr Frauen im Parlament braucht. Frauen sollten überall gleichberechtigt vertreten
sein, wo Entscheidungen getroffen werden, die uns alle betreffen. Gleichberechtigung ist ein
historischer und verfassungsrechtlicher Auftrag für uns alle. Dass Parität per Gesetz
wirksam und angemessen ist, zeigen Beispiele aus dem europäischen Ausland. Dass
verfassungsrechtlich hohe Hürden bestehen, haben Urteile von Verfassungsgerichten aus Bund
und Ländern aufgezeigt. Wir wollen die Parität vorantreiben und entsprechende
Gesetzesänderungen auf den Weg bringen. Um Frauen das politische Engagement zu erleichtern,
braucht es auch Maßnahmen und Angebote, die Frauen den Einstieg in und die Gestaltung von
Politik erleichtern.
Mit 16 wählen
Demokratie lebt von der Gestaltung und dem Engagement aller Bürger*innen, vom Kindes- bis
ins hohe Alter. Viele politische Entscheidungen von heute sind entscheidend für die Zukunft
junger Menschen, und viele junge Menschen übernehmen früh Verantwortung für die
Gesellschaft. Wenn Jugendliche in ihrem Lebensalltag demokratische Erfahrungen machen und
ihre Rechte wahrnehmen können, stärkt das die Demokratie und macht sie zukunftssicherer.
Darum werden wir uns dafür einsetzen, das Wahlalter für Bundestags- und Europawahlen auf 16
Jahre abzusenken.
Bürger*innenräte für mehr Beteiligung
Direkte Beteiligungsmöglichkeiten bereichern die Demokratie und stärken die Repräsentanz.
Mit Bürger*innenräten schaffen wir die Möglichkeit, bei ausgewählten Themen die
Alltagsexpertise von Bürger*innen direkter in die Gesetzgebung einfließen zu lassen. Auf
Initiative der Regierung, des Parlaments oder eines Bürger*innenbegehrens beraten zufällig
ausgewählte Bürger*innen in einem festgelegten Zeitraum über eine konkrete Fragestellung.
Sie erarbeiten Handlungsempfehlungen und geben Impulse für die öffentliche
Auseinandersetzung und die parlamentarische Entscheidung. Eine freie, gleiche und faire
Beratung muss sichergestellt werden. Regierung und Parlament müssen sich mit den Ergebnissen
auseinandersetzen. Außerdem werden wir ein digitales Portal, wie es zum Beispiel in Baden-
Württemberg schon erfolgreich angewendet wird, für die aktive Beteiligung an der
Gesetzgebung einführen und das Petitionsrecht zu einem leicht zugänglichen Instrument für
bessere Mitwirkung am demokratischen Prozess ausbauen.
Öffentlich-rechtlicher Rundfunk für alle und eine vielfältige
Medienlandschaft
Kritischer und unabhängiger Journalismus ist eine Säule unserer Demokratie. Wir haben in
Deutschland eine vielfältige Medienlandschaft aus öffentlich-rechtlichen, privaten und Non-
Profit-Angeboten. Wir stehen zu einem pluralistischen, kritischen und staatsfernen
öffentlich-rechtlichen Rundfunk für alle und arbeiten dafür, dass er stark und zukunftsfest
aufgestellt ist. Dazu zählen auch eine ausreichende Finanzierung und ein Programmauftrag,
der alle gesellschaftlichen Bereiche umfasst. Aus der besonderen Stellung des öffentlich-
rechtlichen Rundfunks und dem Anspruch, dass er die Lebenswelt und Interessen aller
angemessen abbildet, ergeben sich auch Reformbedarfe. Hierfür wollen wir gemeinsam mit den
Ländern eine Initiative auf den Weg bringen und in der Breite der Gesellschaft eine Debatte
darüber führen, wie öffentlich-rechtliche Medien im 21. Jahrhundert aussehen sollen. Wir
setzen uns dafür ein, dass die Rundfunkräte die Vielfalt und unterschiedlichen Perspektiven
unserer heutigen Gesellschaft besser abbilden, dass sie durchsetzungsstärker sowie sender-
und staatsferner werden. Die Mediatheken der öffentlich-rechtlichen Sender wollen wir zu
gemeinsamen Plattformen weiterentwickeln, die europäisch verzahnt werden können, um so die
europäische Demokratie zu stärken.
Hasskriminalität im Netz bekämpfen
Digitale Plattformen und Anwendungen müssen den Menschen dienen und nicht umgekehrt. Uns
geht es darum, Nutzer*innenrechte zu stärken und dabei die Balance zwischen
Persönlichkeitsschutz und Meinungsfreiheit zu wahren. Wir wollen Hasskriminalität im Netz
wirksamer bekämpfen und dafür einen effektiven Gesetzesrahmen entwickeln. Betroffene müssen
sich schnell und effektiv gegen Angriffe im Netz wehren können. Das wollen wir durch die
ambitionierte Ausgestaltung und dann zügige Umsetzung des europäischen Digital Services Act
erreichen. Wir treten für einen effektiven Umgang mit Nutzer*innenbeschwerden, eine
Verbesserung der Strafverfolgung und zivilrechtlicher Durchsetzung ein. Dafür brauchen wir
personell wie technisch bestmöglich aufgestellte Strafverfolgungsbehörden. Diese müssen, gut
geschult, auf Grundlage klarer Rechtsvorgaben arbeiten können. Plattformbetreiber müssen
ihrer großen Verantwortung gerecht werden. Sie dürfen bestehende Rechte nicht aushöhlen,
sind für eigene Inhalte haftbar und müssen beim Moderieren von Inhalten die Grundrechte
wahren. Große Anbieter sollen sich durch eine Abgabe an den unabhängigen Beratungsangeboten
für Betroffene von Hass und Hetze beteiligen. Dies wollen wir bündeln in ein Gesetz für
digitalen Gewaltschutz, das die Möglichkeit beinhaltet, gegen Accounts vorzugehen, wenn
keine Täter*in festgestellt wird. Für den Umgang mit Desinformation, aber auch für die
Rechtskontrolle der Anbieter insgesamt wollen wir die Aufsicht national wie auch europäisch
besser strukturieren, unter anderem mit einer gemeinsamen Medienanstalt der Länder. Eine
Verpflichtung zum Einsatz von Uploadfiltern lehnen wir ab.
Software für die Allgemeinheit
Unser Alltag wird immer häufiger von Teilhabe an und Zugang zu Software geprägt. Freie und
offene Software bildet dabei eine Grundlage unzähliger Anwendungen, seien es digitale
Lernplattformen, sichere Anwendungen für die Heimarbeit, Stärkung der IT-Sicherheit mit
guter Verschlüsselung oder sichere und einfache Abstimmungsmöglichkeiten in der Vereins- und
Parteiarbeit. Sie spielt in immer mehr gesellschaftlich relevanten Bereichen eine
entscheidende Rolle und ist Grundlage für unsere Anforderungen in Bezug auf Offenheit,
Teilhabe und Sicherheit. Doch oftmals fehlt es den Entwickler*innen an Unterstützung, diese
dauerhaft auf dem neusten Stand der Technik zu halten und anwendungsfreundlich zu gestalten.
Wir treten daher dafür ein, eine eigenständige öffentliche Förderstiftung zu schaffen, die
gesellschaftlich relevante freie und offene Software fördert, deren Ergebnisse Gesellschaft,
Wissenschaft, Schulen, Wirtschaft und Verwaltung zur Verfügung stehen.
Demokratiefördergesetz für eine starke Zivilgesellschaft
Eine lebendige Zivilgesellschaft ist elementar für die politische Auseinandersetzung in
unserer Demokratie. Engagierte Menschen, vor allem Ehrenamtler*innen in Initiativen,
Verbänden, Vereinen oder NGOs, stärken den Zusammenhalt, tragen dazu bei, wichtige Anliegen
auf die öffentliche Tagesordnung zu setzen und leisten ihren Beitrag zur Willensbildung. Wir
machen uns dafür stark, dass sie ihrer Arbeit in Zukunft gut abgesichert, ohne
Einschüchterung und Kriminalisierung nachgehen können. Mit einem Demokratiefördergesetz
werden wir ihr Engagement nachhaltig, projektunabhängig und unbürokratisch finanziell
absichern. Die Arbeit der politischen Stiftungen wollen wir verbindlicher und transparenter
regeln, auch in ihrem Verhältnis zu den Parteien, und dafür eine eigenständige gesetzliche
Grundlage schaffen.
Gemeinnützigkeit reformieren
Alle Bürger*innen sollen gleichberechtigt an der Willensbildung unserer Gesellschaft
teilhaben können. Die Gemeinnützigkeit ist dafür ein wichtiger Status, der an vielen Stellen
überhaupt erst Zugänge öffnet. Damit Initiativen und Verbände eigenständig bleiben, sorgen
wir deshalb für Klarheit und Rechtssicherheit im Gemeinnützigkeitsrecht. Ihre gemeinnützigen
Ziele sollen sie auch durch politische Aktivitäten wie Studien und Demonstrationen
verwirklichen dürfen. Nicht nur die Förderung des demokratischen Staatswesens, sondern auch
die Förderung tragender Grundsätze sollte klar gemeinnützig sein. Die Gemeinnützigkeit
zusätzlicher Zwecke wie des Friedens, der Durchsetzung der nationalen und internationalen
Grund- und Menschenrechte, der Rechtsstaatlichkeit, der Durchsetzung des Sozialstaatsgebotes
und allgemein der gleichberechtigten Teilhabe und der Bekämpfung von Diskriminierung wollen
wir anerkennen und stärken. Auch der E-Sport soll gemeinnützig werden. Mit der Einführung
einer Demokratieklausel stellen wir sicher, dass sich Vereine aktiv an gesellschaftlichen
Debatten beteiligen können. Für mehr Transparenz sorgen wir mit einem
Gemeinnützigkeitsregister und einfach handhabbaren Transparenzpflichten sowie mit Regeln zur
Offenlegung der Spendenstruktur.
Freiwilligendienst ausbauen und für alle ermöglichen
Ehrenamt und freiwilliges Engagement sind vielfältig, Millionen Menschen stärken damit den
Zusammenhalt der Gesellschaft. Wir wollen den Bundesfreiwilligendienst auf 200.000 Plätze im
Jahr erweitern und machen uns für eine rechtliche Garantie für einen Platz stark. Die
Freiwilligendienste sollen besser ausfinanziert werden, damit sich junge Menschen unabhängig
vom Einkommen ihrer Eltern engagieren können. Auch für Ältere und Menschen mit Behinderungen
sollen die Rahmenbedingungen attraktiver und inklusiver werden. Zusammen mit Ländern und
Kommunen wollen wir eine Engagementkarte für Vergünstigungen einführen, beispielsweise für
Schwimmbäder oder Theater, und erkennen die Leistung der vielen Engagierten mehr an.
Wir gestalten die vielfältige Einwanderungsgesellschaft
Einbürgerung erleichtern
Die Staatsangehörigkeit stellt ein dauerhaftes Band rechtlicher Gleichheit, Teilhabe und
Zugehörigkeit sicher. Wer in Deutschland geboren wird, soll die Möglichkeit erhalten,
deutsche*r Staatsbürger*in zu werden, wenn ein Elternteil rechtmäßig seinen gewöhnlichen
Aufenthalt in Deutschland hat. Für Menschen, die hier jahrelang leben und Teil dieser
Gesellschaft geworden sind, sollen Einbürgerungen früher möglich werden. Nach fünf Jahren
Aufenthalt in Deutschland sollen alle einen Antrag auf Einbürgerung stellen können. Den
Optionszwang im Staatsangehörigkeitsrecht wollen wir abschaffen und Mehrstaatigkeit
anerkennen. Die vorgenommenen Aushöhlungen des Staatsangehörigkeitsrechts wollen wir
zurücknehmen. Hindernisse bei der Identitätsklärung, die nicht in der Hand der
Einzubürgernden liegen, dürfen ihnen nicht angelastet werden.
Ein modernes Einwanderungsgesetz für eine vielfältige
Einwanderungsgesellschaft
Deutschland ist ein Einwanderungsland, doch bis heute fehlen eine aktive
Einwanderungspolitik und ein Einwanderungsrecht, das Einwanderung tatsächlich fördert und
nicht komplizierter macht. Wir wollen ein modernes Einwanderungsgesetz beschließen, das neue
Zugangswege für Bildungs- und Arbeitsmigration schafft – auch im gering- und
unqualifizierten Bereich –, das transparente, unbürokratische und faire Verfahren bietet,
das globale und regionale Notwendigkeiten berücksichtigt und flexibel auf die Bedarfe des
Arbeitsmarktes reagiert. Dafür soll auf Basis des jährlichen Arbeitskräftebedarfs eine
punktebasierte Talentkarte eingeführt werden. Wir erleichtern die Bildungsmigration über
Stipendien und Ausbildungsvisa, genauso wie die Voraussetzungen für eine unbefristete
Aufenthaltserlaubnis und die Anerkennung von im Ausland erworbenen Berufsqualifikationen.
Außerdem beenden wir den automatischen Verlust der Aufenthaltserlaubnis nach einem
sechsmonatigen Aufenthalt im Ausland. Für Menschen, die sich ohne sicheren Aufenthaltstitel
in Deutschland befinden, jedoch in den Arbeitsmarkt integriert sind oder deren
Qualifizierung in den Arbeitskräftebedarf passt, soll es die Möglichkeit zum echten
Spurwechsel geben. Gut funktionierende Konzepte der Arbeitsmigration, wie die
Westbalkanregelung, bauen wir aus und verstetigen sie.
Integration gelingt nur mittendrin – Sprache, Zugang, Teilhabe von
Anfang an
Integration ist in einer vielfältigen Einwanderungsgesellschaft der erste Schritt auf dem
Weg zu gleichen Teilhabechancen in zentralen Bereichen des Lebens. Sie ist ein
wechselseitiger Prozess und stellt sowohl Anforderungen an die, die zu uns kommen, als auch
an alle, die schon länger hier leben. Für das Zusammenleben sind die Werte des Grundgesetzes
die Grundlage. Wir treten dafür ein, dass alle neu ankommenden Migrant*innen und
Geflüchteten von Anfang an ein Recht auf einen kostenfreien Zugang zu passgenauen und gut
erreichbaren Sprach- und Integrationskursen haben. Denn derzeit ist das für viele Personen
im Asylverfahren, Geduldete und EU-Bürger*innen nur schwer und kostenpflichtig möglich.
Zudem wollen wir die nach 2015 ausgebauten Angebote an weiterführenden Sprachkursen
aufrechterhalten. Genauso wichtig für eine gelingende Integration sind die möglichst
dezentrale Unterbringung, ein breites Beratungsangebot gerade auch für Familien sowie der
unterschiedslose Zugang zu Wohnraum, Gesundheits- und Sozialleistungen sowie zu Kitas,
Bildungseinrichtungen, Ausbildung und Arbeit. Gezielte Unterstützung ermöglicht Teilhabe und
stärkt den gesamtgesellschaftlichen Zusammenhalt. Wir wollen auf europäischer Ebene einen
kommunalen Integrationsfonds auflegen, um europaweit das Ankommen in den Kommunen direkt zu
unterstützen. Damit sollen unter anderem Migrationsberatungsstellen gestärkt und aufgebaut,
zivilgesellschaftliche Unterstützungsstrukturen gefördert und strukturelle Entlastungen der
Kommunen, die sich zur Aufnahme von Geflüchteten bereit erklären, in der EU gesichert
werden. Betriebe, die Geflüchteten eine Chance auf Ausbildung oder Beschäftigung geben,
brauchen entsprechende Unterstützung und Förderung.
Asylverfahren rechtssicher und transparent
Wir wollen, dass Asylverfahren in Deutschland rechtssicher, fair und transparent gestaltet
sind. Wir wollen dafür sorgen, dass es zügig zu einer Entscheidung über den Aufenthaltstitel
kommt, damit Menschen früh verbindliche Gewissheit haben, ob sie bleiben können oder nicht.
Eine nichtstaatliche unabhängige Asylverfahrensberatung für alle Asylsuchenden, von der
Ankunft bis zum Abschluss des Asylverfahrens, wollen wir sicherstellen und die verlängerte
Verweildauer von Geflüchteten in den Erstaufnahmeeinrichtungen auf mögliche 18 Monate
rückgängig machen auf wieder 6 Monate. Die dezentrale Unterbringung sollte immer Vorrang
haben. Wir wollen das Recht von Kindern, unabhängig von der Bleibeperspektive, auf Zugang zu
Bildungsangeboten garantieren. Wir beenden die flächendeckenden und anlasslosen
Widerrufsprüfungen durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und optimieren
so das Asylprozessrecht. Wir wollen das Asylbewerberleistungsgesetz abschaffen und damit
eine verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung von Geflüchteten, die ein
echtes Ankommen und Teilhabe erschwert. Integrationsfeindliche gesetzliche Regelungen wie
Arbeitsverbot und pauschale Wohnsitzauflage schaffen wir ab. Die in den vergangenen Jahren
vorgenommenen Aushöhlungen des Asylrechts wollen wir zurücknehmen. Die Ausrufung „sicherer“
Herkunfts- oder Drittstaaten lehnen wir ab – auch auf europäischer Ebene.
Raus aus der Duldung
Mehr als 200.000 Menschen – darunter viele Kinder und Jugendliche – leben über viele Jahre
in einem Zustand der Perspektivlosigkeit und Rechtsunsicherheit in Deutschland, weil sie nur
geduldet sind. Das ist weder für die Betroffenen noch für das gesellschaftliche
Zusammenleben gut. Nicht zu wissen, ob Deutschland wirklich Heimat wird, erschwert die
Integration massiv. Wir wollen die Anzahl der Menschen, die sich von Duldung zu Duldung
hangeln müssen, deshalb möglichst auf null reduzieren. Für diese Menschen braucht es nach
fünf Jahren Aufenthalt ein sicheres Bleiberecht. Heranwachsende, Jugendliche und Familien
mit minderjährigen Kindern sollen nach drei Jahren einen Aufenthaltstitel bekommen. Durch
die Umwandlung der Ausbildungsduldung in ein Ausbildungsbleiberecht verschaffen wir den
Menschen einen verlässlichen Zugang zu Ausbildung und Arbeitsmarkt und sorgen für die
Betriebe für Planungssicherheit. Menschen, die nach sorgfältiger Prüfung der asyl- und
aufenthaltsrechtlichen sowie nach Ausschöpfung aller Rechtsschutzmöglichkeiten kein Asyl
bekommen und in ihrem Herkunftsland nicht gefährdet sind, müssen zügig wieder ausreisen. Wir
wollen dies durch schnelle und wirksame Unterstützung und Beratung erleichtern.
Abschiebungen, zum Beispiel über Rückübernahmeabkommen, sind das letzte Mittel, wenn die
Rückkehr verweigert wird, freiwillige Ausreisen haben immer Vorrang. Abschiebungen in
Kriegs- und Krisenländer wollen wir beenden, den Abschiebestopp nach Syrien und Afghanistan
wieder einsetzen.
Wir rücken Feminismus, Queerpolitik und
Geschlechtergerechtigkeit in den Fokus
Gleichberechtigung in allen Lebensbereichen
Feminismus nimmt alle in den Blick und schafft Selbstbestimmung, Teilhabe und Gerechtigkeit.
Ziel ist eine Gesellschaft, in der alle unabhängig vom Geschlecht selbstbestimmt leben und
auch Frauen überall gleichberechtigt mitgestalten können – von der Arbeitswelt bis in die
Parlamente. Das ist eine Aufgabe für alle Geschlechter. Dafür braucht es auch Männer, die
für eine Gesellschaft einstehen, in der Macht, Möglichkeiten und Verantwortung gerecht
geteilt werden. Geschlechtergerechtigkeit ist eine Querschnittsaufgabe. Mit einem Gender-
Check wollen wir prüfen, ob eine Maßnahme oder ein Gesetz die Gleichberechtigung der
Geschlechter voranbringt, und dort, wo es ihr entgegensteht, dementsprechend eingreifen. Die
neu geschaffene Bundesstiftung Gleichstellung werden wir zu einer effektiven Institution
ausbauen, die gesichertes Wissen zu den Lebenslagen aller Geschlechter bereitstellt und
wirksame Maßnahmen für Gleichberechtigung entwickelt, bündelt und für Wirtschaft, Politik
und Öffentlichkeit zugänglich macht. Hierfür leisten die Sozialwissenschaften und die
Genderstudies einen unverzichtbaren Beitrag. Wir brauchen eine Gleichberechtigungsstrategie,
die alle Lebens- und Politikbereiche umfasst, ressortübergreifend arbeitet und die
Erkenntnisse in umsetzbare Ziele übersetzt. Es wird Zeit für eine feministische Regierung,
in der Frauen und Männer gleichermaßen für Geschlechtergerechtigkeit eintreten.
Geschlechtsspezifische Gewalt bekämpfen
Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt, die vor allem Frauen betrifft, ist eine
gesellschaftliche Gemeinschaftsaufgabe. Gewalt im häuslichen und persönlichen Nahbereich
wird oft verharmlost, sowohl in der medialen Darstellung als auch in der Rechtsprechung. Mit
der Istanbul-Konvention haben wir ein Instrument an der Hand, das die notwendigen Maßnahmen
beschreibt. Dazu gehört auch eine Reform der Kriminalstatistik, damit das ganze Ausmaß der
in Deutschland verübten Verbrechen, die aus Frauenhass begangen werden, differenziert
erfasst wird und diese Taten systematisch als Hassverbrechen eingestuft werden.
Gewaltbetroffene Frauen, deren Aufenthaltsstatus von dem Aufenthaltsstatus ihres Ehemanns
oder Partners abhängt, sollen einen eigenständigen Aufenthaltstitel erhalten können. Polizei
und Justiz müssen im Umgang mit Betroffenen sexualisierter Gewalt umfassend geschult und
sensibilisiert sein. Opfer von Vergewaltigungen brauchen eine qualifizierte
Notfallversorgung einschließlich anonymer Spurensicherung und der Pille danach. Wir werden
Monitoringstellen einrichten und die getroffenen Maßnahmen regelmäßig auf ihre Wirksamkeit
prüfen.
Frauenhäuser absichern
Jeder Mensch hat das Recht auf körperliche Unversehrtheit. Es ist die Pflicht des Staates,
Frauen vor geschlechtsspezifischer Gewalt zu schützen. Frauenhäusern kommt hierbei eine
Schlüsselrolle zu. Denn jede von Gewalt betroffene Frau, ob mit oder ohne Kinder, braucht
eine Anlaufstelle und Schutz – unabhängig von ihrem aufenthaltsrechtlichen Status, ihrer
Wohnsituation oder davon, ob sie eine Beeinträchtigung hat. Mit einem gesetzlichen
Rechtsanspruch auf Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt sichern wir über eine
Geldleistung des Bundes Betroffene ab und verbessern den Zugang zu Schutzeinrichtungen und
deren Angeboten für alle Frauen. Länder und Kommunen müssen weiterhin ihrerseits ihrer
Finanzierungsverantwortung nachkommen. Für die Aufenthaltszeit in einem Frauenhaus sollen
Betroffene, die Sozialleistungen erhalten, nicht schlechtergestellt werden. Wir brauchen
Frauenhäuser, in denen Kinder, auch wenn sie älter sind, mit aufgenommen werden können.
Zudem müssen intersektionale Schutzkonzepte und Zufluchtsräume, insbesondere auch für
queere, trans- und intergeschlechtliche Menschen, entwickelt und bereitgestellt werden.
Vor Zwang schützen
Menschen, die in der Prostitution arbeiten, brauchen Rechte und Schutz. Dazu sollen
Prostitutionsstätten strenger kontrolliert werden und in Zukunft einer Erlaubnispflicht
unterliegen. Außerdem wollen wir Beratungsangebote ausbauen und finanziell unterstützen.
Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung ist ein abscheuliches Verbrechen, das wir
mit den Mitteln des Strafrechts, aber auch durch ein gemeinsames europäisches Vorgehen,
Information sowie Schutz und Hilfe für die Opfer konsequent bekämpfen werden. Opfer von
Menschenhandel einfach abzuschieben ist falsch. Stattdessen würden ihre Anzeige- und
Aussagebereitschaft durch ein dauerhaftes Bleiberecht erhöht und die Strafverfolgung der
Täter*innen würde erleichtert. Zwangsverheiratungen sind Menschenrechtsverletzungen. Frauen
und Männer, die davon bedroht sind, brauchen Hilfe und Schutz und gute Beratung durch
verlässlich finanzierte Beratungsstellen. Weibliche Genitalverstümmelung ist eine massive
Verletzung der körperlichen Integrität. Es ist entscheidend, dass wir den Betroffenen helfen
und sie schützen, auch durch internationale Aufklärungs- und Hilfekampagnen. Doch auch in
Deutschland brauchen wir eine Strategie dagegen. Zivilgesellschaftliche Organisationen, die
sich in diesem Bereich engagieren, wollen wir besser unterstützen, die Kontaktpersonen der
Mädchen sowie pädagogisches Personal und Jugendämter sollen geschult und sensibilisiert
werden.
Selbstbestimmung durch Gesundheitsversorgung
Alle Menschen, auch Mädchen und Frauen, sollen selbst über ihren Körper und ihr Leben
entscheiden können. Eine gute Gesundheitsversorgung inklusive eines gesicherten Zugangs und
umfassender Informationen zum Schwangerschaftsabbruch sind dafür notwendig. Die
Entscheidung, ob eine Frau eine Schwangerschaft abbricht oder nicht, gehört mit zu den
schwersten im Leben. Gerade deshalb ist es so wichtig, dass diese Frauen gut beraten und
medizinisch professionell versorgt werden. Wir streiten für eine ausreichende und
wohnortnahe Versorgung mit Ärzt*innen, Praxen und Kliniken, die Schwangerschaftsabbrüche
vornehmen. Das Thema muss in die Ausbildung von Ärzt*innen nach international anerkannten
Standards integriert werden. Familienplanungs- und Beratungsstellen werden wir absichern und
die freiwilligen Beratungsangebote ausbauen. Um die Versorgung für Frauen dauerhaft zu
gewährleisten, braucht es eine Entstigmatisierung und Entkriminalisierung von
selbstbestimmten Abbrüchen sowie eine generelle Kostenübernahme. Frauen, die sich für einen
Abbruch entscheiden, und Ärzt*innen, die einen solchen ausführen, müssen etwa durch die
Einrichtung von Schutzzonen vor Anfeindungen und Gehsteigbelästigungen geschützt werden.
Ungewollt Schwangere brauchen den bestmöglichen Zugang zu Informationen. Um diesen zu
gewährleisten und Ärzt*innen zu schützen, gilt es den § 219 a aus dem Strafgesetzbuch zu
streichen. Die Kosten für ärztlich verordnete Mittel zur Empfängnisverhütung müssen für
Empfängerinnen von staatlichen Transferleistungen übernommen werden.
Homo- und Transfeindlichkeit bekämpfen
Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans*-, Inter*- und queere Menschen (LSBTIQ*) sollen
selbstbestimmt und diskriminierungsfrei ihr Leben leben können. Dafür und gegen gesetzliche
Diskriminierungen sowie Benachteiligungen und Anfeindungen im Alltag werden wir ein starkes
Signal setzen und den Begriff „sexuelle Identität“ in Artikel 3 Absatz 3 des Grundgesetzes
ergänzen. Wir werden einen bundesweiten ressortübergreifenden Aktionsplan „Vielfalt leben!“
für die Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt vorlegen mit dem Ziel, LSBTIQ*
gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu garantieren und Vielfalt und
Akzeptanz zu fördern. Dazu gehören auch Maßnahmen zur LSBTIQ*-inklusiven
Gesellschaftspolitik sowie eine langfristige Strukturförderung der LSBTIQ*-Verbände. Gegen
LSBTIQ* gerichtete Hasskriminalität werden wir entschieden bekämpfen. Das diskriminierende
Blutspendeverbot für homosexuelle Männer wollen wir aufheben. Um queere Jugendliche zu
schützen und zu stärken, wollen wir mit einer bundesweiten Aufklärungskampagne für junge
Menschen über die Vielfalt sexueller Orientierungen und geschlechtlicher Identitäten
informieren und bezüglich Homo- und Transphobie sensibilisieren. Wir werden uns gemeinsam
mit den Ländern dafür einsetzen, dass sich geschlechtliche Vielfalt und Diversität in den
Lehr- und Bildungsplänen wiederfinden.
Selbstbestimmung garantieren, Transsexuellengesetz aufheben
Mit einem Selbstbestimmungsgesetz werden wir dafür sorgen, dass das überholte
Transsexuellengesetz endlich aufgehoben wird. Eine Änderung der Geschlechtsangabe auf Antrag
der betroffenen Person werden wir ermöglichen und das Offenbarungsverbot konkretisieren. Wir
schreiben fest, dass nicht notwendige Operationen und Behandlungen an intergeschlechtlichen
Kindern verboten werden. Bei Gesundheitsleistungen sowie geschlechtsangleichenden
Operationen und Hormontherapien muss das Selbstbestimmungsrecht gesichert sein. Den Anspruch
auf medizinische körperangleichende Maßnahmen wollen wir gesetzlich verankern und dafür
sorgen, dass die Kostenübernahme durch das Gesundheitssystem gewährleistet wird.
Wir stärken Sicherheit und Bürger*innenrechte
Eine gut ausgestatteteSicherheit für Alle und eine bürger*innennahe Polizei
Deutschland ist ein sicheres Land. Das liegt auch an einer gut arbeitenden Polizei. Wir
wollen, dass das so bleibt. Dennoch: Diebstahl, Einbrüche, Gewalttaten, Hassverbrechen oder
organisierte Kriminalität belasten Opfer und ihre Angehörigen schwer. Für ihre Aufgaben wie
Prävention, Aufklärung und Strafverfolgung wollen wir die Polizei stärken, in der Stadt und
auf dem Land, analog und digital. Den früheren Personalabbau bei Bundespolizei und
Bundeskriminalamt wollen wir durch eine Offensive bei der Besetzung offener Stellen beheben.
Die Polizist*innen verdienen unsere Wertschätzung, genauso wie gute Arbeitsverhältnisse und
leistungsfähige Strukturen innerhalb der Behörden. Sichere und leistungsfähige
Datenverarbeitung, kombiniert mit mobiler IT, ist dabei eine Grundvoraussetzung moderner
Polizeiarbeit, die wir unterstützen wollen.
Die besondere Verantwortung der Polizei
Wir wollen eine Gesellschaft, in der alle frei und sicher leben können. Sicherheit muss
überall gleichermaßen garantiert sein. Damit die Polizei dieser Aufgabe nachkommen kann,
muss sie auf das Vertrauen der gesamten Bevölkerung bauen können. Als ausführendes Organ des
staatlichen Gewaltmonopols hat die Polizei dabei eine ganz besondere Verantwortung. Dem
dient die Einführung einer Kennzeichnungspflicht für die Bundespolizei sowie einer/eines
Bundespolizeibeauftragten, an die/den sich sowohl Polizist*innen wie auch Bürger*innen
wenden können, um in der Polizeiarbeit auftretende Missstände zu bearbeiten. Polizist*innen
sollten sich auch nach der Ausbildung verpflichtend fortbilden können und müssen. Wichtige
Fortbildungsbereiche sind beispielsweise der Umgang mit psychisch Kranken sowie
Antidiskriminierung und die Gefahr von Racial Profiling. Längst überfällig sind
wissenschaftliche Studien zu Rechtsextremismus und Rassismus in den Sicherheitsorganen.
Rationale Sicherheitspolitik setzt eine solide Faktenlage und klare Zuständigkeiten voraus.
Deshalb werden wir den Periodischen Sicherheitsbericht wieder einführen, dessen Aussagekraft
sich in der Vergangenheit bewährt hat.
Europäisches Kriminalamt schaffen, organisierte Kriminalität
verfolgen
Zahlreiche Straftaten wie Einbrüche oder Diebstähle finden grenzüberschreitend statt. Auch
die organisierte Kriminalität und islamistische oder rechtsextreme Terrornetzwerke machen
nicht an Landesgrenzen halt. Zum Schutz der Bürger*innen und zur Verteidigung unserer
Freiheit brauchen wir eine stärkere grenzüberschreitende Zusammenarbeit von Polizei und
Justiz: durch gemeinsame europäische Polizeiteams, durch die Aufwertung von Europol zu einem
Europäischen Kriminalamt sowie durch eine engere justizielle Zusammenarbeit der
Mitgliedstaaten, auch mit Hilfe von Eurojust und der Europäischen Staatsanwaltschaft. Wegen
der zunehmenden Vernetzung von europäischen Datenbanken sind hohe Datenschutzstandards und
eine Verbesserung des grenzüberschreitenden Rechtsschutzes unabdingbar. Diese Zusammenarbeit
braucht eine unabhängige Justiz und faire Strafverfahren in allen EU-Mitgliedstaaten.
Verfassungsschutz neu ordnen
Der Verfassungsschutz hat in der Vergangenheit viel Vertrauen verspielt, als er sich auf dem
rechten Auge blind zeigte. Hier sind Veränderungen, insbesondere durch einen personellen
Neuanfang, zu beobachten, nun muss ein struktureller Neustart folgen, mit dem die
Analysefähigkeit des Verfassungsschutzes verbessert wird. Die in Wissenschaft und
Zivilgesellschaft schon heute vorhandene Expertise über verfassungsfeindliche Bestrebungen
muss systematischer genutzt werden. Wir wollen den Verfassungsschutz deshalb strukturell neu
aufstellen: zum einen mit einem unabhängigen, wissenschaftlich und unter Einbeziehung der
Zivilgesellschaft aus öffentlichen Quellen arbeitenden Institut zum Schutz der Verfassung.
Zum anderen mit einem verkleinerten Bundesamt für Gefahrenerkennung und Spionageabwehr, das
mit rechtsstaatskonformen nachrichtendienstlichen Mitteln klar abgegrenzt von polizeilichen
Aufgaben arbeitet.
Rechtsextremismus bekämpfen, Netzwerke zerschlagen
Es gibt mehr als 32.000 Rechtsextremist*innen in Deutschland, die sich immer stärker
vernetzen. Die Bekämpfung rechtsextremistischer Strukturen – auch innerhalb der
Sicherheitsbehörden – muss Priorität für alle Sicherheitsorgane haben. Dazu braucht es ein
Bündel aus Prävention, Schutz- und Sanktionsmaßnahmen. Durch eine bundesweit vernetzte
Präventionsstrategie wollen wir die Präventionsarbeit massiv ausbauen. Die
zivilgesellschaftliche Arbeit gegen Rechtsextremismus soll strukturell und langfristig durch
ein Demokratiefördergesetz gefördert werden. Wir werden unabhängige wissenschaftliche
Studien zu Rassismus und Rechtsextremismus in den verschiedenen Sicherheitsbehörden
initiieren, Hassgewalt erfassen und konsequent verfolgen. Die Mordserie des
rechtsterroristischen NSU sowie andere rassistische und rechtsextremistische Terrorakte in
Deutschland sind nach wie vor nicht vollständig aufgearbeitet. Deshalb richten wir nach dem
Vorbild der Stasi-Unterlagen-Behörde ein NSU-Archiv ein, in dem auch die Ergebnisse der 13
parlamentarischen Untersuchungsausschüsse ausgewertet werden und langfristig für
Wissenschaftler*innen, Journalist*innen und die Zivilgesellschaft zugänglich sind.
Vor Terrorismus schützen
Jede Form politisch motivierter Gewalt gefährdet unseren Rechtsstaat. Insbesondere durch
Terrorismus von gewaltbereiten Rechtsextremist*innen und Islamist*innen ist die innere
Sicherheit in Deutschland bedroht. Um die offene Gesellschaft, unsere Demokratie und die
Menschen zu schützen, müssen wir Terror entschieden bekämpfen – durch Prävention, bessere
Vernetzung der Sicherheitsbehörden und eine konsequente Überwachung von sogenannten
Gefährder*innen. Dazu braucht es eine europäisch abgestimmte Definition des
Gefährderbegriffs. Gefährder*innen müssen engmaschig überwacht werden. Ziel ist, dass
gegenüber Gefährder*innen offene Haftbefehle konsequent vollstreckt und laufende Verfahren
über Ländergrenzen hinweg zusammengezogen werden. Die Kooperation und Kommunikation zwischen
den Sicherheitsbehörden auch über Ländergrenzen muss reformiert werden, wozu die Schaffung
rechtlicher Grundlagen für die Terrorabwehrzentren GTAZ und GETZ gehört. Aussteigerprogramme
für Menschen aus rechtsextremistischen und islamistischen Szene werden wir ausbauen. Es
braucht ein bundeseinheitliches, professionalisiertes Präventions- und
Deradikalisierungsnetzwerk analog zu den zivilgesellschaftlichen Trägern, die sich bereits
besser als die politischen Ebenen in Bund und Ländern vernetzt haben. Prävention und
Deradikalisierung in Haftanstalten wollen wir stärken. Um Attentate zu erschweren, werden
wir illegalen Waffenhandel, auch und gerade auf Online-Marktplätzen, verstärkt verfolgen.
Den privaten Waffenbesitz tödlicher Schusswaffen wollen wir weitestgehend beenden.
Schutz für Whistleblower
Abgasmanipulationen, Missstände in Pflegeeinrichtungen, der Verkauf von Facebook-Nutzerdaten
– kaum einer der großen Wirtschaftsskandale der vergangenen Jahre wäre ohne die Hinweise aus
den Unternehmen überhaupt an die Öffentlichkeit gelangt. Missstände bis hin zu kriminellen
Aktivitäten in Unternehmen und Behörden brauchen mutige Menschen, die sie ans Licht bringen.
Diese „Whistleblower“ müssen im Interesse von uns allen besser vor Repressalien und
gesundheitlichen, finanziellen und sozialen Folgen ihrer Meldung geschützt werden. Das
werden wir mit einem Hinweisgeberschutzgesetz, das die EU-Whistleblower-Richtlinie
ambitioniert und umfassend in nationales Recht umsetzt, erreichen. Darin festgeschrieben
sind ein zweistufiges Meldeverfahren sowie ein Entschädigungsfonds, mit dem das persönliche
Risiko minimiert wird. Die Furcht vor einem ökonomischen und persönlichen Schaden als
Hemmnis für eine Hinweisgabe soll so abgebaut und potenzielle Hinweisgeber*innen sollen
ermutigt werden.
Zielgerichtete Abwehr konkreter Gefahren
Ein starker, demokratischer Rechtsstaat kann gleichzeitig Sicherheit gewährleisten und
Freiheit bewahren. Wir stehen für eine rationale Sicherheits- und Kriminalpolitik, die
konkrete Gefahren anlassbezogen und zielgerichtet abwehrt, statt die Bevölkerung mit
pauschaler Massenüberwachung unter Generalverdacht zu stellen. Zukünftige Sicherheitsgesetze
müssen auf valider Empirie beruhen und verfassungsrechtliche Vorgaben zwingend beachten.
Statt pauschaler, anlassloser Vorratsdatenspeicherung und genereller Backdoors für
Sicherheitsbehörden oder Staatstrojaner für Geheimdienste wollen wir es der Polizei
ermöglichen, technische Geräte anhand einer rechtsstaatlich ausgestalteten Quellen-TKÜ
zielgerichtet zu infiltrieren. Zudem soll eine Meldepflicht für Sicherheitslücken eingeführt
werden.
Wir garantieren den Rechtsstaat und stärken den
Verbraucherschutz
Konsequent gegen Korruption
Korruption, Steuerhinterziehung, Geldwäsche oder Manipulationen im Finanzmarkt sind
Rechtsverstöße, die verheerende Auswirkungen auf den Wettbewerb und den freien Markt, für
Umwelt und Menschen(rechte) haben können. Wirtschaftsstraftaten machen einen Großteil der
polizeilich erfassten finanziellen Schädigungen aus. Bei Rechtsverstößen werden wir
Unternehmen deshalb künftig wirksamer zur Rechenschaft ziehen. Ziel ist, die bereits
verstreut bestehenden Regelungen in einem eigenständigen Gesetz gegen
Wirtschaftskriminalität zusammenzufassen und zu ergänzen. Um zu verhindern, dass
Rechtsverstöße von Unternehmen wegen organisierter Unverantwortlichkeit nicht geahndet
werden können, soll künftig auch an das Organisationsverschulden angeknüpft werden können.
Die Pflicht zum Nachweis der legalen Herkunft großer Zahlungen wollen wir verstärken.
Sanktionen müssen gemäß den EU-Vorgaben wirksam, angemessen und abschreckend sein, zum
Beispiel indem unrechtmäßiger Gewinn bei der Abschöpfung geschätzt werden darf. Den
Sanktionskatalog wollen wir um weitere Maßnahmen wie den Ausschluss von der Vergabe
öffentlicher Aufträge, die Schadenswiedergutmachung sowie verpflichtende Vorkehrungen für
Unternehmen zur Verhinderung von Straftaten erweitern und ein öffentliches Sanktionsregister
einführen.
Rechtsschutz für jeden, Sammelklagen einführen
Menschen müssen ihr Recht auch gegenüber wirtschaftlich Stärkeren wirksam durchsetzen
können, zum Beispiel in Fällen wie dem Diesel-Abgas-Betrug. Dazu führen wir die Sammelklage
(Gruppenklage) ein, damit Menschen auch bei kleineren, aber massenhaft auftretenden Schäden
effektiv zu ihrem Recht kommen und zum Beispiel Schadensersatz bekommen. Die bisher
eingeführten kollektiven Klageverfahren wie die Musterfeststellungsklage, die nur
Verbraucher*innen zusteht, und das Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz sind unzureichend.
Die immer beliebtere Rechtsdurchsetzung durch Legal-Tech-Unternehmen stellt andererseits
eine Belastung für die Justiz dar, da alle Fälle einzeln entschieden werden. Den kollektiven
Rechtsschutz wollen wir deshalb verallgemeinert und vereinheitlicht in die
Zivilprozessordnung integrieren und die Bündelung individueller Ansprüche im Rahmen einer
Gruppenklage ermöglichen. Für eine bessere Durchsetzung des Rechts sollen die
Zugangsschranken gesenkt und die Verfahren vereinfacht werden. Die Verbandsklage-Richtlinie
der EU setzen wir zügig in nationales Recht um.
Kinderschutz vor Gericht verbessern
In familienrechtlichen Verfahren werden Entscheidungen getroffen, die erhebliche
Auswirkungen auf das weitere Leben von Kindern und ihre Familien haben können. Es gilt den
Kinderschutz vor Gericht zu stärken. Wir machen einerseits die Fortbildungen für
Familienrichter*innen verbindlich und werden diese andererseits bei ihrem Arbeitspensum
berücksichtigen. Auch in Kindschaftssachen wollen wir die Rechtsbeschwerdemöglichkeit zum
Bundesgerichtshof herstellen. In Strafverfahren wollen wir die Opferrechte von Kindern
weiter stärken. Mehrfache Vernehmungen müssen vermieden und die Befragungen kindgerecht
ausgestaltet sein. Sexualisierte Gewalt gegen Kinder muss konsequent aufgeklärt und verfolgt
werden, vor allem durch mehr – insbesondere auch auf Internetkriminalität spezialisiertes –
Personal bei Polizei und Staatsanwaltschaften.
Online-Kündigung mit nur einem Klick
Online-Verträge kann man mit einem Klick abschließen, während man für die Kündigung häufig
zu Telefon oder Briefbogen greifen muss. Auch lange Mindestlaufzeiten und automatische
Vertragsverlängerungen um ein Jahr sind alles andere als verbraucherfreundlich. Wir wollen
Verbraucher*innen vor Vertragsfallen schützen und durchsetzen, dass die Online-Kündigung so
einfach ist wie die Online-Bestellung. So wie es einen Bestellbutton gibt, muss es auch
einen Kündigungsbutton geben sowie eine verpflichtende Eingangsbestätigung für Online-/E-
Mail-Kündigungen. Vertragslaufzeiten und automatische Verlängerungen müssen verkürzt werden
– zugunsten des Verbraucherschutzes und des Wettbewerbs. Wir wollen die maximale
Mindestlaufzeit von Verträgen von zwei Jahren halbieren und die stillschweigende
Vertragsverlängerung von einem Jahr auf einen Monat verkürzen.
Ein Recht auf Reparatur
Von der Waschmaschine bis zum Handy – viele Geräte landen schon nach kurzer Zeit auf dem
Müll, weil sie schnell kaputtgehen, nicht reparierbar sind oder keine Software-Updates mehr
angeboten werden. Das ärgert die Verbraucher*innen, es verschwendet wertvolle Ressourcen und
verursacht Berge von Elektroschrott. Wir setzen stattdessen auf Qualität und Langlebigkeit.
Durch ein Recht auf Reparatur wollen wir Elektroschrott von vornherein vermeiden. Die
Grundlage dafür sind verbindliche Designvorgaben, damit elektronische Geräte so gestaltet
sind, dass sie möglichst langlebig, reparierbar und recyclingfähig sind. Durch die
Verdopplung der Gewährleistungsfristen auf vier Jahre und eine Angabe der vom Hersteller
vorgesehenen Lebensdauer wollen wir erreichen, dass Geräte für eine längere Lebensdauer
gebaut werden. So werden wir die Spielräume der EU-Vorgaben voll ausschöpfen und uns
gleichzeitig für mehr Verbraucherschutz in der EU engagieren.
Finanzberatung im Interesse der Kund*innen
Häufig werden Kund*innen Finanzprodukte angedreht, die für sie zu teuer, zu riskant oder
schlicht ungeeignet sind. Diese Produkte sind häufig gut für die Gewinne der Banken und
Versicherungen, aber schlecht für die Kund*innen. Wir wollen die Finanzberatung vom Kopf auf
die Füße stellen. Dafür schaffen wir ein einheitliches und transparentes Berufsbild für
Finanzberater*innen. Alle Vermittler*innen und Berater*innen sollen künftig von der BaFin
beaufsichtigt werden. Wir wollen weg von der Provisionsberatung und schrittweise zu einer
unabhängigen Honorarberatung übergehen. Dafür schaffen wir eine gesetzliche Honorarordnung,
die Finanzberater*innen stärkt und unabhängiger macht. Die Finanzaufsicht soll von der
Möglichkeit, den Vertrieb von schädlichen und irreführenden Finanzprodukten zu untersagen,
stärker als bisher Gebrauch machen. Überhöhte Dispozinsen und Gebühren für das Basiskonto
werden wir begrenzen.
Wir fördern die Kultur, die Künste und den Sport
Krisenfeste Strukturen für die Kultur
Kultur ist frei und muss keinen Zweck erfüllen. Sie ist gleichzeitig von zentraler Bedeutung
für die Selbstreflexion der Gesellschaft, den Zusammenhalt und die Persönlichkeitsbildung
der Einzelnen. Wir wollen, dass die Kulturlandschaft nach der Pandemie mit ihren
monatelangen Schließungen zu neuer Lebendigkeit, Vielfalt und Reichhaltigkeit findet und
Kultur und kulturelle Bildung endlich selbstverständlicher Teil der Daseinsvorsorge werden.
Eine nachhaltige (Wiederaufbau-)Strategie muss die Kommunalfinanzen als eine wichtige
Grundlage für das Kulturleben stärken, das Zuwendungsrecht reformieren, mehr Kooperationen
zwischen Bund, Ländern und Kommunen bei der Finanzierung von Kultureinrichtungen und -
projekten ermöglichen sowie einen Fonds zum Schutz von Kultureinrichtungen vor Verdrängung
und Abriss einrichten, der Kulturorte langfristig absichert. Die öffentliche Kulturförderung
soll künftig partizipativ, geschlechtergerecht, abgestimmt und nach transparenten Kriterien
angelegt sein.
Kulturschaffende und Kreative besser absichern
Die Corona-Krise zeigt, unter welch prekären Bedingungen viele Kultur- und Medienschaffende
arbeiten. Für eine vielfältige Kulturlandschaft braucht es eine Absicherung, die Freiräume
bietet und künstlerisches und kreatives Schaffen ermöglicht. Kulturschaffende sollen für die
Zeit der Corona-Krise mit einem Existenzgeld von 1.200 Euro im Monat abgesichert werden. Die
Künstlersozialkasse (KSK) muss finanziell gestärkt, Rechtssicherheit für die Mitgliedschaft
in der KSK geschaffen und die freiwillige Weiterversicherung für Selbständige in der
Arbeitslosenversicherung vereinfacht werden. Bei kulturellen Werken muss für Urheber*innen
eine angemessene Vergütung sichergestellt werden. Eine angemessene Beteiligung insbesondere
an den Gewinnen der Vertriebsplattformen sorgt dafür, dass Kultur- und Medienschaffende
weiter an ihren Werken verdienen können.
Kultur in der Gesellschaft
Aktives Kulturleben ist die Basis von demokratischen Gesellschaften. Hier findet die
Auseinandersetzung darüber statt, wie wir leben wollen. Deshalb muss die Gesellschaft in
ihrer ganzen Vielfalt im Kulturschaffen sichtbar sein. Wir wollen Kultureinrichtungen öffnen
und stärken, damit jede*r einfachen Zugang zu ihnen hat und ihre Angebote nutzen und
gestalten kann. Bestehende soziale, finanzielle oder bauliche Hürden müssen dafür abgebaut
werden, etwa durch den kostenlosen Eintritt für Schüler*innen in staatlichen Museen oder
durch die Sonntagsöffnung von öffentlichen Bibliotheken. Wir wollen gerade solche
Kulturangebote kontinuierlich und flächendeckend fördern, die die Situation und die
Bedürfnisse in ihrer Stadt oder ihrer Gemeinde mitdenken und das als ihre zentrale
Zukunftsaufgabe verstehen. In ländlichen Regionen, aber auch in urbanen Zentren sollen
Kultureinrichtungen Knotenpunkte von Begegnungen und zu sogenannten „Dritten Orten“ werden,
die auch Menschen einen Zugang zu Kultur ermöglichen, die davon bislang wenig profitieren.
Bei der Besetzung von Intendanzen, bei der Zusammensetzung von staatlich geförderten
Kulturbetrieben, bei der Vergabe von Stipendien und Werksaufträgen und bei staatlichen Jurys
wollen wir eine Quotenregelung einführen, um Geschlechtergerechtigkeit zu gewährleisten.
Zudem muss auf angemessene Repräsentanz der vielfältigen Gesellschaft geachtet werden.
Themen wie Nachhaltigkeit, Diversität und Teilhabe müssen fester Bestandteil der Ausbildung
zu Kulturberufen sein.
Den Kulturbetrieb ökologischer machen
Der Kulturbetrieb und die Künste können eine wichtige Rolle bei der Bewältigung der
Klimakrise spielen. Auch gibt es viele Initiativen und Akteur*innen, die mit viel Einsatz
versuchen, ressourcenschonender zu arbeiten und den Kulturbetrieb ökologisch auszurichten.
Wir werden das ökologische Engagement im Kulturbetrieb nachhaltig unterstützen. Dafür werden
wir einen „Green Culture Fonds“ als Förderinstrument einrichten. Antragsberechtigt sind
öffentlich geförderte Einrichtungen und Projekte sowie private Akteur*innen der Kultur- und
Kreativwirtschaft und der freien Szene. Auch beim Film sollen Förderinstitutionen und -
maßnahmen künftig klare Anreize für eine nachhaltige Produktion schaffen. Doch auch gerade
Künstler*innen geben neben Wissenschaftler*innen und Akteur*innen der Zivilgesellschaft
Impulse für die nachhaltige Transformation.
Erinnerungskultur stärken und öffnen
Erinnerungskultur trägt entscheidend zur Selbstverständigung und zum Zusammenhalt bei und
ist eine grundlegende Voraussetzung für den Schutz unserer Demokratie. Doch noch immer gibt
es Leerstellen in der Aufarbeitung der deutschen Verbrechensgeschichte. Der
Nationalsozialismus muss weiter konsequent aufgearbeitet und bisher wenig beachtete
Opfergruppen wie die sogenannten „Asozialen“, „Berufsverbrecher“ und „Euthanasie“-Opfer
sollen durch eine angemessene Entschädigung anerkannt werden. Die finanzielle Förderung von
Forschungsarbeiten, die Weiterentwicklung der pädagogischen und wissenschaftlichen Arbeit
der Gedenkstätten sowie die weitere Aufarbeitung und Rückgabe von NS-Raubkunst stehen dabei
im Mittelpunkt. Auch die DDR-Diktatur soll durch die Fortsetzung der Forschung und der
politischen Bildungsarbeit an den Außenstellen des Bundesbeauftragten für die Stasi-
Unterlagen weiter aufgearbeitet werden. Wir werden die Kontinuitäten des Kolonialismus ins
Bewusstsein rücken durch eine zentrale Erinnerungs- und Lernstätte und so eine breite
gesellschaftliche Debatte über unser koloniales Erbe fördern, die sich nicht allein auf die
Rückgabe von Kulturgütern beschränkt, sondern eine antirassistische Perspektive auf
Geschichte und Gesellschaft ermöglicht. Gleichzeitig muss sich die deutsche
Erinnerungskultur für die Erfahrungen und Geschichten der Menschen öffnen, die nach
Deutschland eingewandert sind, und das Gedenkstättenkonzept entsprechend weiterentwickelt
werden.
Ein Entwicklungsplan für den Sport
Im Sport, dem größten Träger der organisierten Zivilgesellschaft und des freiwilligen
Engagements, werden täglich demokratische Werte wie Gemeinsamkeit, Toleranz, Integration,
Inklusion, Engagement und Gesundheitsprävention gelebt und vermittelt. Damit übernimmt der
Sport eine herausragende Rolle für das gesellschaftliche Zusammenleben. Dies werden wir
fördern und bessere Rahmenbedingungen schaffen. Wir wollen Ideen und Energien bündeln und
zusammen mit den Sportverbänden, Ländern, Kommunen und der Wissenschaft einen
Entwicklungsplan Sport erarbeiten und umsetzen – ähnlich dem Goldenen Plan aus den 1960ern.
Ein besonderer Fokus muss dabei vor allem auf strukturschwachen Regionen, gerade in
Ostdeutschland, liegen, denn die Diskrepanz zwischen Ost und West ist beim Breitensport auch
30 Jahre nach der friedlichen Revolution ein Problem. Ausreichend vorhandene und
barrierefreie Sportstätten und Bewegungsräume zählen in Städten und ländlichen Räumen zur
Daseinsvorsorge, deshalb wollen wir, dass Bewegungs- und Sportflächen in der
Wohnungsbaupolitik und Quartiersplanung fest verankert und die bestehenden saniert werden.
Dazu gehören auch insbesondere Schwimmsportstätten, denn unser Anspruch ist, dass jedes Kind
schwimmen lernen kann. Das wollen wir mit einem Bundesprogramm zur Sanierung und
Instandsetzung von Schwimmstätten erreichen. Sportgroßveranstaltungen sollen klimaneutral,
sozial und nachhaltig ermöglicht werden, so dass sie auch einen bleibenden
Infrastrukturgewinn für die Bürger*innen vor Ort schaffen. Dafür braucht es eine bundesweit
einheitliche und föderal abgestimmte Gesamtstrategie, bei der von Beginn an
Bürger*innenbeteiligung Teil der Planung ist.
Spitzensport braucht Breitensport
Ein starker Breitensport braucht Vorbilder. Im Spitzen- und Profisport muss es um die
bestmögliche Förderung von Talenten gehen, nicht um den größten Gewinn für Funktionär*innen.
Deshalb wollen wir bei der Förderung des Spitzensports die Bedingungen und Perspektiven für
Leistungssportler*innen in den Mittelpunkt stellen. Bei der Doping-Prävention und im Anti-
Doping-Kampf stärken wir die NADA, und auf internationaler Ebene setzen wir uns für eine
Athlet*innenvertretung bei der WADA ein sowie dafür, dass diese künftig unabhängig vom IOC
finanziert wird. Auch Korruptionsskandale auf höchster Ebene der Sportfunktionär*innen sowie
die zunehmende Kommerzialisierung bedrohen den Spitzensport. Gerade beim Fußball gilt es den
Sport den Fans zurückzugeben. Deswegen sollen Transparenz und Good Governance auch im Sport
vorangetrieben werden. Gegen Rechtsextremismus und andere Formen gruppenbezogener
Menschenfeindlichkeit im Sport gehen wir mit einem finanziell starken Bundesprogramm vor,
das von einer unabhängigen Stelle beraten wird. Wir schützen die Bürger*innenrechte von Fans
und diese vor ausufernden Datensammlungen und Kollektivstrafen.
Wir bauen Europa weiter
Die Zukunft der EU gestalten
Wir sehen Deutschland in einer zentralen Verantwortung für den Zusammenhalt und die
Fortentwicklung der EU. Zuletzt aber wurde von Berlin aus bestenfalls verwaltet, oftmals
gebremst. Wir wollen die Europapolitik wieder aktiv gestalten – mit klarem Wertekompass,
entlang einer starken deutsch-französischen Zusammenarbeit und im Zusammenspiel mit unseren
europäischen Partner*innen. Unser Ziel ist eine EU, die zusammenhält und voranschreitet. In
manchen Bereichen kommen wir nur mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten voran, aber die
verstärkte Zusammenarbeit muss stets im Rahmen der Verträge und im Bestreben, dass sich
letztlich alle anschließen, erfolgen. In den kommenden zwei Jahren bietet die „Konferenz zur
Zukunft der EU“ eine große Chance, gemeinschaftlich mit den Bürger*innen Reformen der EU zu
entwickeln. Wir wollen sie nutzen für die nächste Phase der europäischen Integration auf dem
Weg zur Föderalen Europäischen Republik und um europäische Antworten auf die großen
Herausforderungen zu formulieren. Die Ergebnisse der Konferenz sollen im Rahmen der
europäischen Gesetzgebung bis hin zu Vertragsänderungen umgesetzt werden.
Europäisches Parlament stärken
Die Geschichte der EU ist eine Geschichte zunehmender Legitimität der europäischen
Institutionen. Unser Ziel ist, die europäische parlamentarische Demokratie zu stärken: mit
einem Parlament, das in allen Bereichen gleichberechtigt mit dem Rat entscheidet, ein
vollwertiges Initiativrecht für die Gesetzgebung und ein starkes Haushaltsrecht erhält. Es
soll die Kommission auf Vorschlag des Kommissions-Präsidenten bzw. der Kommissions-
Präsidentin wählen sowie durch ein konstruktives Misstrauensvotum entlassen können. Für die
Wahlen zum Europäischen Parlament setzen wir uns dafür ein, dass die Bürger*innen mit ihrer
Stimme für einen Spitzenkandidaten bzw. eine Spitzenkandidatin der Parteien auch die/den
nächste*n Präsident*in der EU-Kommission bestimmen. Ein Teil der Abgeordneten soll zukünftig
nicht mehr über viele nationale Listen ins Europaparlament einziehen, sondern über wirklich
europäische, transnationale Listen.
Ein europäisches Vereins- und Gemeinnützigkeitsrecht
Zum europäischen Gemeinwesen gehört das Zusammenwachsen der Zivilgesellschaften. Deshalb
setzen wir uns für ein europäisches Vereins- und Gemeinnützigkeitsrecht ein. Ein
europäischer Vereinsstatus mit klaren Regeln zu Gründung, Gemeinnützigkeit und Auflösung
würde europäische Vereine dem Schutz der EU unterstellen und nationaler Willkür entziehen.
Zudem wollen wir die Europäische Bürgerinitiative als zentrales Instrument der Teilhabe der
Bürger*innen und der Zivilgesellschaft stärken. So sollen Bürger*innen auch eine Reform der
Verträge oder die Einberufung eines Bürger*innenrates fordern können. Ist eine
Bürgerinitiative erfolgreich, sollte spätestens nach einem Jahr und einer Prüfung auf
Vereinbarkeit mit den EU-Grundrechten ein Gesetzesvorschlag folgen und im Europaparlament
eine Plenumsabstimmung über das Ziel der Initiative stattfinden.
Mit Mehrheitsentscheidungen Blockaden auflösen
Europa braucht mehr Handlungsfähigkeit, um auf Augenhöhe mit den heutigen Herausforderungen
voranzukommen. Blockaden durch einzelne Staaten in Bereichen wie der Außen- und
Sicherheitspolitik und in Steuerfragen oder auch bei Energie und Sozialem können wir uns
nicht länger leisten. Solange nationale Einzelinteressen das europäische Gemeinwohl
ausbremsen können, wird die EU keine aktivere Rolle etwa für mehr Steuergerechtigkeit oder
mehr Verantwortung für Demokratie und Menschenrechte in der Welt übernehmen können. Darum
setzen wir uns dafür ein, für alle verbleibenden Politikbereiche, in denen heute noch im
Einstimmigkeitsprinzip entschieden wird, Mehrheitsentscheidungen in Mitentscheidung des
Europäischen Parlaments einzuführen. Das ist auch deshalb wichtig, um bei weiteren
Erweiterungsrunden der EU deren Handlungsfähigkeit zu sichern. Unser langfristiges Ziel ist
es, die europäischen Institutionen zu einem Zweikammersystem weiterzuentwickeln.
Einflussnahme auf EU-Gesetzgebung transparent machen
Mehr Transparenz stärkt die europäische Demokratie und das Vertrauen der Bürger*innen in
Politik. Um nachvollziehbar zu machen, wofür die Regierungen der Mitgliedstaaten in Brüssel
eintreten, setzen wir uns für Fristen im Rahmen der Gesetzgebung ein, bis zu denen eine
öffentliche Debatte im Rat stattgefunden haben muss. Dabei müssen alle Regierungen ihre
aktuelle Position zum Vorschlag der Ratspräsidentschaft vorlegen. Auch den Zugang zu EU-
Dokumenten wollen wir substanziell weiterentwickeln. Die EU arbeitet bei
Interessensvertreter*innen bereits transparenter als der Bundestag. Wir wollen weitere
Schritte gehen – mit einem verbindlichen Lobbyregister für alle EU-Institutionen, strikteren
Karenzzeiten beim Wechsel zwischen Politik und Wirtschaft und einem „legislativen
Fußabdruck“, durch den die Einflussnahme auf Gesetzgebung überprüfbarer wird, kontrolliert
durch eine unabhängige Ethikbehörde, die Sanktionen verhängen kann.
Europäische Grundrechte einklagbar machen
Die EU ist eine Gemeinschaft der Werte und des Rechts. Wir wollen die EU-Grundrechtecharta
langfristig gegenüber den Nationalstaaten einklagbar machen, um so alle EU-Bürger*innen in
ihren Rechten zu stärken. Mit dem EU-Mechanismus für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und
Grundrechte setzen wir uns für ein stärkeres Instrument ein, um Verstöße autoritärer
Mitgliedstaaten zu sanktionieren. Aus dem jährlichen Rechtsstaatlichkeitsbericht sollen
konkrete Maßnahmen bis hin zu Vertragsverletzungsverfahren und der Nichtauszahlung von
Subventionen folgen. Kommunen und Regionen sowie Nichtregierungsorganisationen sollen dann
direkt von der EU gefördert werden. Bei den Artikel-7-Verfahren zur Rechtsstaatlichkeit
braucht es substanzielle Fortschritte. Alle Mitgliedstaaten sollen sich der Europäischen
Staatsanwaltschaft anschließen, wenn sie neue EU-Gelder erhalten wollen.
Eine öffentlich-rechtliche Medienplattform in Europa
Ein zusammenwachsendes Europa braucht eigene, öffentliche Orte, an denen seine Bürger*innen
zusammenkommen können, um sich zu informieren, zu partizipieren, sich zu unterhalten und
politisch zu diskutieren. Wenn überhaupt, kommen dafür bislang nur kommerziell betriebene,
digitale Plattformen in Frage. Als zeitgemäße Antwort setzen wir uns darum für eine
europäische, digitale Plattform in öffentlicher Hand ein. Sie bündelt europaweit qualitativ
hochwertige Inhalte – werbefrei, offen und multilingual. Unter hohen Datenschutzstandards
soll sie darüber hinaus als Kommunikationsplattform dienen. Die Grundlage bildet ein
öffentlich-rechtlicher Auftrag, sie arbeitet zusammen mit den nationalen öffentlichen
Rundfunkanstalten und frei von politischer Einflussnahme.
Europa der Kommunen und Regionen
Eine demokratische, vielfältige und bürger*innennahe EU lebt von der Stärke der Kommunen und
Regionen. Getreu dem Subsidiaritätsprinzip soll Europa da unterstützen, wo Kommunen an ihre
Grenzen stoßen – aber nicht jeden Lebensbereich regulieren. Die Wettbewerbsregeln des
Binnenmarkts dürfen Kommunen nicht zur Privatisierung öffentlicher Güter zwingen. In EU-
Handelsabkommen braucht es Ausnahmen für die kommunale Daseinsvorsorge sowie für öffentliche
und soziale Dienstleistungen. Für mehr europaweite Kooperation wollen wir
Städtepartnerschaften stärken, INTERREG-Programme für grenzüberschreitende Zusammenarbeit
ausweiten und Euregios und Eurodistrikte durch weniger Bürokratie und mehr Flexibilität
fördern. Kommunen und Regionen brauchen mehr Mitsprache auf europäischer Ebene, unter
anderem über einen gestärkten Ausschuss der Regionen. Bei Gestaltung und Vergabe von
Förderprogrammen setzen wir auf das Partnerschaftsprinzip.
weitere Antragsteller*innen
- Madeleine Henfling (KV Ilm-Kreis)
- Svenja Borgschulte (KV Berlin-Pankow)
- Werner Graf (KV Berlin-Friedrichshain/Kreuzberg)
- Canan Bayram (KV Berlin-Friedrichshain/Kreuzberg)
- June Tomiak (KV Berlin-Kreisfrei)
- Pascal Striebel (KV Berlin-Friedrichshain/Kreuzberg)
- Enad Altaweel (KV Berlin-Friedrichshain/Kreuzberg)
- Miriam Matz (KV Saalekreis)
- Karsten Finke (KV Bochum)
- Christiane Howe (KV Berlin-Tempelhof/Schöneberg)
- Claudia Schulte (KV Berlin-Friedrichshain/Kreuzberg)
- Stefan Sels (KV Berlin-Friedrichshain/Kreuzberg)
- Philipp Lang (KV Stuttgart)
- Andy Leipner (KV Berlin-Friedrichshain/Kreuzberg)
- Sarah Jermutus (KV Berlin-Friedrichshain/Kreuzberg)
- Elly Reich (KV Karlsruhe)
- Thore Hagemann (KV Berlin-Neukölln)
- Gerrit Alino Prange (KV Potsdam)
- Bahar Haghanipour (KV Berlin-Kreisfrei)
- Brigitte Kallmann (KV Berlin-Friedrichshain/Kreuzberg)
- Christopher Graf (KV Goslar)
- Larissa Gramatzki (KV Ulm)
- Johannes Mihram (KV Berlin-Mitte)
- Michael Hoffmeier (KV Eichsfeld)
- Vito Dabisch (KV Berlin-Kreisfrei)
- Tim Demisch (KV Berlin-Treptow/Köpenick)
- Timm Schulze (KV Bamberg-Stadt)
- Jasper Robeck (KV Erfurt)
- Jeanne Emilia Riedel (KV München)
- Frank Dürsch (KV München)
- Werner Heck (KV Berlin-Friedrichshain/Kreuzberg)
- Merle Spellerberg (KV Dresden)
- Tobias Stetter (KV Berlin-Friedrichshain/Kreuzberg)
- Theodoros Ioannidis (KV Berlin-Friedrichshain/Kreuzberg)
- Anne Steuernagel (KV Berlin-Neukölln)
- Svenja Hense (KV Ennepe-Ruhr)
- Achim Jooß (KV Ortenau)
- Dominik Reich (KV Berlin-Neukölln)
- Henrik Rubner (KV Berlin-Mitte)
- José-Luis Bote-Garcia (KV Berlin-Friedrichshain/Kreuzberg)
- Clemens Rostock (KV Oberhavel)
- Silvia Rothmund (KV Berlin-Friedrichshain/Kreuzberg)
- Michael Sebastian Schneiß (KV Berlin-Friedrichshain/Kreuzberg)
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In Zeile 644:
Eine gut ausgestatteteSicherheit für Alle und eine bürger*innennahe Polizei
Unsere vielfältige Gesellschaft ist stark. Weil Menschen sich engagieren, auf
Fußballplätzen, bei der freiwilligen Feuerwehr, in Musikschulen oder am Sorgentelefon, Junge
für Alte, Alte für Junge. Weil es ein breites Kulturangebot gibt, eine vielfältige
Medienlandschaft. Weil die Jugend sich einmischt, weil Menschen in Kommunalparlamenten
Verantwortung übernehmen, sich Bürger*innen in Foren einbringen und das Schicksal ihrer Orte
in die Hand nehmen.
Aber Demokratie ist nie fertig. Unser demokratisches Zusammenleben in Deutschland und Europa
ist ein Versprechen, das wir immer wieder neu erfüllen müssen. Es verspricht gleiche
Entfaltungsmöglichkeiten und Rechte für alle, die hier leben. Es ist oft anstrengend, teils
eine Zumutung, wenn andere Ansichten und Werthaltungen akzeptiert und respektiert werden
müssen, wenn es den einen zu schnell und den anderen zu langsam vorangeht. Aber vor allem
ist es eine Stärke: zuhören, den Dialog suchen, inhaltlich ringen. So haben wir als
demokratische Gesellschaft die Herausforderungen der letzten Jahrzehnte gemeistert. Nun gilt
es mit voller Gleichberechtigung und mehr Beteiligung unsere liberale Demokratie zu stärken,
in Deutschland und in Europa, auf den Straßen, in den Parlamenten, und unsere Institutionen
fit zu machen für die Aufgaben dieses Jahrzehnts.
Menschen sind unterschiedlich, aber gleich in ihrer Würde und ihren Rechten. Nur wenn Würde
und gleiche Rechte vor der Klammer stehen, wenn alle Menschen in unserer Gesellschaft, in
unserem Europa gleichen Schutz und gleiche Chancen haben und ihre Rechte in Anspruch nehmen
können, kommen Freiheit und Sicherheit – individuelle und gesellschaftliche – heraus und
wird Gerechtigkeit befördert. Dieser Anspruch ist jedoch noch nicht voll verwirklicht. Wenn
mit Frauen die Hälfte der Bevölkerung nicht gleichberechtigt beteiligt, repräsentiert und
bezahlt wird, ist die Demokratie nicht vollkommen. Viele Menschen erleben noch immer
Ausgrenzung und Diskriminierung. Nötig sind mehr Zugänge, mehr Teilhabe und mehr
Repräsentanz, zum Beispiel für Menschen aus Ostdeutschland oder mit Migrationsgeschichte.
Eine gleichberechtigte Gesellschaft braucht Politik, die Strukturen verändert.
Rassismus trifft uns nicht alle, aber er geht uns alle an. Wenn wir als Gesellschaft lernen,
Vielfalt als Reichtum zu begreifen, schützen wir uns gegenseitig vor Gewalt, Hetze,
Ausgrenzung, Frauenhass und Rassismus. Aber das reicht noch nicht. Wir wissen, dass aus
diskriminierenden Worten Taten werden. Die Angriffe von Extremist*innen, insbesondere von
rechts, treffen unsere demokratische Gesellschaft bis ins Mark. Sie zielen auf Menschen beim
Beten, beim ausgelassenen Beisammensein oder in den Institutionen des Staates. Unsere
Demokratie muss wehrhaft dagegenhalten, mit einer starken Zivilgesellschaft, selbstbewussten
Parlamenten, einer gut ausgestatteten und bürger*innennahen Polizei und handlungsfähigen,
starken Justiz. Es ist Aufgabe der Politik, die Voraussetzungen dafür zu schaffen.
Wie wir unser Zusammenleben gestalten, hängt stark vom Zusammenspiel zwischen Bürger*innen
und dem Staat ab. Wenn Menschen beteiligt und gehört werden, geht Planung schneller. Wenn
Jugend mitentscheidet, werden Entscheidungen besser und zukunftsfester. Wenn
Gleichberechtigung und Vielfalt herrschen, werden sie ausgewogener und nachhaltiger. Wir
wollen deshalb mehr Möglichkeiten schaffen, damit Menschen sich einbringen können.
Immer mehr Herausforderungen sind europäisch und global. Sie bewältigen wir nur in einer
starken Europäischen Union, die Handlungswillen und Handlungsfähigkeit zusammenbringt und
die von ihren Bürger*innen aktiv mitgestaltet wird. Darum denken wir unsere Demokratie
konsequent europäisch, wollen diese vertiefen, lähmende Blockaden strukturell überwinden –
und so Zukunftsfragen beherzt angehen. Unser Fixstern für die Weiterentwicklung der
Europäischen Union ist die Föderale Europäische Republik.
Gleichzeitig gilt es unseren demokratischen Staat auf die Höhe der Zeit zu bringen. Alte
Faxgeräte, fehlendes Personal und überbordende Bürokratie nerven und verhindern, dass es
vorangeht. Unser Ziel ist ein gut funktionierender Staat, pragmatisch und den Menschen
zugewandt. Ein Staat, der mit einer effizienten, zugänglichen Verwaltung in der Lage ist,
Krisen zu bewältigen, und das Land voranbringt, der es Menschen leicht macht, ihren Alltag
zu bewältigen und ihre Rechte in Anspruch zu nehmen. Und wir wollen mit Anstand und
Transparenz regieren, bauend auf Gleichberechtigung und kooperativ. Für Zusammenhalt in
Vielfalt, in einem bürger*innennahen Staat.
Wir machen den Staat effektiver und bürger*innennäher
Planungs- und Investitionsbeschleunigung
Deutschland braucht im nächsten Jahr eine Modernisierungsoffensive. Die
Schieneninfrastruktur, erneuerbare Energien und die Energienetze müssen ausgebaut, Schulen,
Straßen und Brücken saniert, digitale Infrastrukturen aufgebaut werden. Doch derzeit dauert
es oft viel zu lange, solche Projekte zu realisieren, Investitionsmittel fließen nicht ab.
Das wollen wir ändern. Wir verschlanken die Verfahren durch Bündelung und schaffen
öffentliche Planungskapazitäten. Wir stärken auf allen Ebenen die Planungsbehörden und
zuständigen Gerichte. Besonders wichtige Projekte sollten durch eine Einbeziehung des
Parlaments beschleunigt werden. . Auch die frühzeitige Einbindung der Bürger*innen vor Ort
führt in der Regel dazu, dass Projekte schneller und besser abgeschlossen werden können.
Ziel ist, alle Planungszeiten zu halbieren.
Digitale Ämter – serviceorientiert, schnell und zuvorkommend
Jeden Tag tun gut ausgebildete Fachleute in den Behörden ihre Arbeit, um das Land am Laufen
zu halten. Dennoch ist für viele Menschen der Kontakt zu deutschen Behörden unkomfortabel
und unzeitgemäß. Ein Grund dafür sind unzureichende Technik und veraltete und überkommene
Abläufe. Mit mehr barrierefreien E-Government-Dienstleistungen, sicheren digitalen
Beteiligungsformaten im Planungsrecht und Open Government wollen wir unsere Verwaltung
modernisieren und unnötige Bürokratie wie Schriftformerfordernisse abbauen.
Verwaltungsverfahren sollen stets digital gedacht und gestaltet werden, vor allem auch in
der Zusammenarbeit mit Unternehmen. Gleichzeitig muss gewährleistet sein, dass die Türen des
Staates auch für den persönlichen Kontakt mit den Bürgerinnen und Bürgern geöffnet bleiben
und durch mobile Angebote ergänzt werden. Die Nutzung der digitalen Verwaltungsleistungen
soll über einen zentralen Zugang erfolgen. Der Austausch von Unterlagen unter den Behörden
muss nach Zustimmung und unter Beachtung des Datenschutzes möglich sein. Damit die
Verwaltung all dies leisten kann, muss sie selbst digitalisiert werden. Wir setzen uns
gemeinsam mit den Ländern dafür ein, dass die Verwaltung flächendeckend mit der modernsten
Technik ausgestattet wird, vom Gesundheits- bis zum Bürgeramt. Digitalisierung wird das
Verhältnis von Staat und Bürger*innen auf eine neue Basis stellen und auch zum Motor für
einen modernen Sozialstaat werden. In diesem werden Leistungen des Staates ohne komplizierte
Anträge geprüft und automatisch den Berechtigten bereitgestellt.
Der Personalausweis auf dem Smartphone
Sichere und geschützte digitale Identitäten sind (häufig) das fehlende Puzzlestück für
moderne staatliche Dienstleistungen und die vertrauensvolle Nutzung privater Dienste. Wir
wollen auch bei digitalen Verwaltungsleistungen vorankommen und den Sprung zu sicheren
mobilen digitalen Identitäten per Smartphone (Wallet-Lösungen) ermöglichen – wie es zum
Beispiel in skandinavischen Ländern schon Praxis ist. Mit dem mobilen Personalausweis auf
dem Smartphone sollen Bürger*innen beispielsweise Behördengänge oder die Steuererklärungen
abwickeln können. Mit einer staatlich abgesicherten ID-Wallet, die den höchsten Datenschutz-
und IT-Sicherheitsstandards entspricht, sollen Bürger*innen ihren Personalausweis, ihren
Führerschein oder ihre Krankenkassenkarte, aber auch Zahlungsdaten und Mitgliedschaften
sicher auf dem Smartphone verwahren können und nicht auf private Anbieter angewiesen sein
müssen. Diese digitalen Identitäten können dann auch für die sichere Nutzung von privaten
Diensten wie Online-Versandhandel genutzt werden. Dafür schaffen wir die gesetzliche
Grundlage, fördern die öffentliche Entwicklung und Zertifizierung. Europa und Deutschland
müssen bei hoheitlichen digitalen Identitäten Vorreiter sein und Vertrauen durch
Souveränität schaffen.
Transparenz-Gesetz für Open Data
Der Zugang zu staatlichen Datenbeständen ermöglicht innovative, elektronische
Dienstleistungen sowie neue demokratische Beteiligungsmöglichkeiten. Auch für neue
technologische Anwendungen ist der geregelte Zugang zu offenen Daten aus staatlichen
Beständen wichtig. Wir heben den Schatz von mit öffentlichen Mitteln erwirtschafteten nicht
personenbeziehbaren Daten und wollen diesen zeitnah, kosten- und lizenzfrei zur Verfügung
stellen. Das bestehende Datenportal GovData wollen wir zu einem zentralen und
nutzerfreundlichen Open- und E-Government-Portal ausbauen. Auch offene Software, offene
Standards und offene Schnittstellen fördern wir, indem wir sie als Standard in die Vergabe-
und Vertragsordnungen für öffentliche Gelder aufnehmen.
Bessere Daten für die Forschung – bessere Entscheidungsgrundlagen für
die Politik
Auch die Corona-Krise hat wieder einmal gezeigt, dass Deutschland bei Forschungsdaten weit
hinter vergleichbaren Ländern zurückliegt. Während in den USA viele Daten quasi in Echtzeit
vorlagen und politische Maßnahmen zeitnah evaluiert werden konnten, fehlen bei uns
hinreichende und schnell verfügbare Daten. Wir wollen das ändern und zeitnah Daten der
Forschung und den politischen Entscheidungsträger*innen zur Verfügung stellen. Dafür richten
wir ein Forschungsdatenzentrum beim Statistischen Bundesamt ein, mit einem gesetzlichen
Forschungsauftrag und einem eigenen Forschungsinstitut. Wir werden auch Unsicherheiten bei
der Datenverknüpfung beseitigen und ein Datentreuhandzentrum einrichten, das, unter
Datenschutzauflagen, Daten aus unterschiedlichen öffentlichen Statistiken verknüpfen darf.
Klimaneutrale Bundesverwaltung
Klimaschutz braucht Vorreiter und Vorbilder. Wir wollen, dass die Bundesverwaltung endlich
beides wird. Die Bundesverwaltung muss klimaneutral werden. Das umfasst sowohl die
Versorgung mit Ökostrom und den Fuhrpark der Bundesbehörden als auch die Gebäude des Bundes,
die mit erneuerbaren Heiz- und Kühlsystemen ausgestattet und umfassend energetisch
modernisiert werden. Mit der Einführung eines Solarstandards über Neubauten hinaus werden
die Dächer der Bundesbehörden zu Kraftwerken. Zudem sorgen wir dafür, dass der Bund seine
Beschaffung sofort an ökologischen und sozialen Kriterien orientiert. So geht die Politik
mit gutem Beispiel voran.
Der lernende Staat
Corona- und Klimakrise führen uns vor Augen, mit welch großen Herausforderungen Regierung
und Verwaltung heute umgehen müssen. Wir wollen, dass die öffentliche Verwaltung in die Lage
versetzt wird, vorausschauend zu handeln und sich zugleich zügig und konsequent an ihre
jeweiligen Aufgaben anzupassen. Dafür braucht es eine Kultur behördlicher Zusammenarbeit
sowie innovative und flexible Arbeitsstrukturen. Innovationseinheiten in den Behörden sollen
eng und transparent mit Wissenschaft, Wirtschaft und Verbänden zusammenarbeiten, sich
untereinander vernetzen sowie neue Ideen testen und eine positive Fehlerkultur etablieren.
Mitarbeiter*innen und Beamt*innen der öffentlichen Verwaltung sollen außerdem in ihrer
Expertise und Kreativität gefördert und gestärkt werden. Wir setzen uns zudem für mehr
Kooperation der Ministerien bei der Verfolgung gemeinsamer Ziele ein.
Justiz entlasten und digitalisieren
Strafverfolgungsbehörden und Gerichte haben mit einer hohen Arbeitsbelastung zu kämpfen.
Verfahren dauern zu lang. Hier braucht es dringend Entlastung durch mehr Personal, durch die
Entkriminalisierung von Bagatelldelikten und durch eine flächendeckende Ausstattung der
Justiz mit der nötigen Technik. Die Digitalisierung der Justiz wie auch ihren Personalbedarf
werden wir durch einen Bund-Länder-Digitalpakt Justiz in Fortsetzung und Konkretisierung des
Ende 2021 auslaufenden Pakts für den Rechtsstaat mit ausreichender Finanzierung umsetzen.
Polizei und Staatsanwaltschaft müssen digital zusammenarbeiten können, wozu es einheitliche
Programme und zureichende Bandbreiten braucht. Wir fördern und vereinfachen die
elektronische Kommunikation zwischen Bürger*innen und Justiz. Dazu gehört der leichte Zugang
zum Recht durch schnelle Online-Verfahren für einfache Rechtssachen.
Den öffentlichen Dienst stärken und modernisieren
Der öffentliche Dienst, die Millionen Menschen, die in Verwaltungen, Ministerien und
Behörden arbeiten, sind ein Rückgrat unserer Demokratie und das Fundament unseres
Gemeinwesens. Doch in den letzten Jahrzehnten wurde zu oft am öffentlichen Dienst gespart
und gekürzt – die Konsequenzen spüren wir heute alle. Damit unser Staat mit den großen
Herausforderungen Schritt halten kann, müssen die Mitarbeiter*innen unseres Gemeinwesens in
die Lage dazu versetzt werden. Wir wollen deshalb den öffentlichen Dienst wieder stärken und
ihn zugleich modernisieren. Mehr Stellen, gerade im IT- und Planungsbereich, gute Bezahlung,
flexible Laufbahnen, mehr Durchlässigkeit machen den öffentlichen Dienst fit für das 21.
Jahrhundert. Dazu starten wir eine große Fortbildungsoffensive für die öffentliche
Verwaltung und werden die Digitalisierung zum Schwerpunkt einer jeden Verwaltungsausbildung
machen.
Vielfalt in der Verwaltung
Die Vielfalt Deutschlands sollte sich auch in seiner Verwaltung widerspiegeln, denn das
trägt zu Vertrauen und Bürger*innennähe bei. Eine diverse Verwaltung entsteht aber nicht von
selbst, sondern benötigt Mittel, Strukturen und gezielte Förderung. Im Bereich des
öffentlichen Dienstes und der Unternehmen mit Bundesbeteiligung hat der Staat die
Möglichkeit, als gutes Beispiel in Sachen Vielfalt voranzugehen, so beispielsweise
Mehrsprachigkeit in der Verwaltung zu fördern und bei der Einstellungs- und
Beförderungspraxis nicht nur die Gleichstellung der Geschlechter, sondern auch die
gesellschaftliche Vielfalt zu beachten und in den Unternehmensleitbildern das Ziel der
Gleichberechtigung und der Repräsentanz diskriminierter Gruppen zu verankern. Ganz besonders
gilt dies für die im Bewerbungsprozess besonders relevanten Einheiten wie die
Personalabteilung oder Einstellungskommissionen, die so weit wie möglich geschlechtergerecht
und vielfältig zu besetzen sind. Wir werden verbindliche Zielvorgaben zur Erhöhung des
Anteils von Menschen mit Migrationshintergrund einführen. Das „Diversity-Budgeting“, also
den Einsatz und die Evaluierung von Haushaltsmitteln in einer Vielfalt besonders fördernden
Weise, wollen wir voranbringen.
Wir treten ein für Vielfalt, Anerkennung und gleiche
Rechte
Einheit in Vielfalt
Wir alle sind unterschiedlich, aber an Rechten und Würde gleich. Zusammenhalt in Vielfalt
setzt voraus, respektiert und gehört zu werden, gleichberechtigt mitgestalten und teilhaben
zu können, ohne Angst frei zu leben und sich als Gleiche zu begegnen, das Gemeinsame neben
den Unterschieden zu sehen. Damit die Perspektive und Expertise derjenigen, die von
Diskriminierung betroffen sind, gehört werden, sie als Gleiche die Möglichkeit zur vollen
Teilhabe erhalten, wollen wir einen Partizipationsrat, ähnlich dem Deutschen Ethikrat, als
ein gesetzlich verankertes und unabhängiges Gremium einführen, mit Vertreter*innen aus der
(post)migrantischen Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Forschung. Um den gesellschaftlichen
Zusammenhalt zu fördern, wollen wir die verschiedenen gesellschaftlichen Themen, die die
Teilhabe an der offenen und vielfältigen Einwanderungsgesellschaft betreffen, bei einem
Ministerium bündeln und diese Themen aus dem Innenministerium herauslösen. Für mehr
Repräsentanz und Teilhabe werden wir ein Partizipations- und Teilhabegesetz vorlegen und das
Bundesgremiengesetz reformieren. Alle, die dauerhaft ihren Lebensmittelpunkt hier haben,
sollen ein kommunales Wahlrecht erhalten.
Konsequent gegen Rassismus
Rassismus ist Realität im Alltag, auf der Straße, im Netz, in Institutionen. Er betrifft
nicht alle von uns gleichermaßen, aber er geht uns alle gleichermaßen an. Rassismus und alle
Formen von Diskriminierungen stellen nicht nur eine große Gefahr für die betroffenen
Menschen dar, sondern bedrohen auch das gleichberechtigte und friedliche Zusammenleben. Wir
wollen den Schutz vor und die Beseitigung von Diskriminierungen und strukturellem Rassismus
mit einem staatlichen Gewährleistungsanspruch in der Verfassung verankern, ergänzend zur
überfälligen Ersetzung des Begriffs „Rasse“ sowie der expliziten Benennung von
Diskriminierung aufgrund sexueller Identität. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes
(ADS) muss unabhängiger und wirkmächtiger werden – mit mehr Personal, Budget und
Kompetenzen. Zudem wollen wir eine*n weisungsunabhängige*n und finanziell gut
ausgestattete*n Antirassismusbeauftragte*n einsetzen. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz
soll zu einem echten Bundesantidiskriminierungsgesetz weiterentwickelt werden. Das Netz
zivilgesellschaftlicher Beratungsstellen soll flächendeckend ausgebaut und in den
Institutionen sollen Anlaufstellen geschaffen werden. Wir werden die Forschung zu
Diskriminierung und Rassismus ausbauen, insbesondere Antidiskriminierungs- und
Gleichstellungsdaten erheben und unabhängige wissenschaftliche Studien in Bezug auf
staatliche Institutionen durchführen. Antirassismus, Antidiskriminierung und
Postkolonialismus wollen wir in Lehrplänen verankern.
Unterstützung und Sicherheit für Juden und Jüdinnen in Deutschland
Jüdisches Leben in seiner Vielfalt und seiner Selbstentfaltung in Deutschland werden wir
konsequent fördern und sichtbar machen. Wir unterstützen Projekte und Initiativen, die
jüdisches religiöses Leben, Kultur und Bildung stärken. Wir wollen politische und kulturelle
Bildungsangebote für alle Bürger*innen zugänglich machen, um Wissen über das jüdische Leben
sowie Kontakte und Erfahrungen mit jüdischen Menschen und Einrichtungen zu vermitteln, auch
über schulische und universitäre Curricula. Dafür müssen sich jüdische Menschen in
Deutschland sicher fühlen können. Sicherheit von Jüdinnen und Juden und den Schutz jüdischer
Einrichtungen und Gemeinden müssen wir umfassend gewährleisten. Antisemitische Anschläge in
der Gegenwart, allen voran der von Halle, erinnern uns daran, wie stark der Antisemitismus
noch immer in Deutschland verbreitet ist. Es ist unsere gemeinsame Verantwortung,
Antisemitismus, auch im Alltäglichen, mit aller Entschlossenheit entgegenzutreten. Dafür
braucht es bessere Analysekapazitäten und eine entschlossene Ahndung und Dokumentation
antisemitischer Vorfälle. Antisemitische Narrative und verschwörungsideologische Erzählungen
– auch im Zusammenhang mit Demonstrationen gegen Corona-Maßnahmen – müssen entlarvt werden.
Präventionsmaßnahmen und sensibilisierende Aus- und Fortbildungen, allen voran der
Mitarbeiter*innen von Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden sowie der Gerichte, wollen
wir gezielt ausbauen. Antisemitismus soll auch abseits des Geschichtsunterrichts in den
Lehrplänen verankert werden.
Muslim*innen schützen und stärken
Der Islam gehört zu Deutschland, jedoch sind Muslim*innen überproportional von struktureller
Diskriminierung, insbesondere auf dem Arbeitsmarkt, sowie von gewalttätigen Übergriffen
betroffen. Der Anschlag von Hanau, die fortdauernden Bedrohungen muslimischer Einrichtungen
zeigen, wie dringend nötig umfassende Schutzkonzepte sowie Präventionsprogramme sind. Opfer
müssen geschützt, beraten und gestärkt, die Ursachen der Muslim*innenfeindlichkeit verstärkt
in den Blick genommen werden. Tatsächliche Gleichstellung setzt rechtliche Gleichstellung
voraus. Im Bereich der religiösen Pluralität stellt das deutsche Religionsverfassungsrecht
eine gute Grundlage dar, um die Vielfalt auch in einer modernen Einwanderungsgesellschaft zu
gewährleisten. Der Staat darf keine Religion diskriminieren oder ungerechtfertigt
bevorzugen. Wir unterstützen Staatsverträge mit islamischen Religionsgemeinschaften, die in
keiner strukturellen Abhängigkeit zu einem Staat, einer Partei oder politischen Bewegung und
deren oder dessen jeweiliger Regierungspolitik stehen und sich religiös selbst bestimmen.
Für die eigenständige und selbstbewusste Religionsausübung von Muslim*innen ist eine Imam-
Ausbildung in Deutschland dringend notwendig. Dafür wollen wir islamisch-theologische und
praxisorientierte Aus- und Weiterbildungsprogramme für Imame und islamische
Religionsbedienstete in Kooperation mit den Instituten für islamische Theologie bundesweit
etablieren und unterstützen.
Antiziganismus entschlossen bekämpfen
Immer noch leiden Menschen mit Romani-Hintergrund in Deutschland an einem tiefsitzenden
Antiziganismus, der bis in die Mitte der Gesellschaft reicht. Immer noch werden Angehörige
der größten Minderheit in der Europäischen Union beim Zugang zu Bildung, Gesundheit, Wohnen
und Arbeit benachteiligt. Wir wollen deshalb die neue EU-Roma-Rahmenstrategie (Post-2020)
umsetzen. Dafür braucht es eine mit ausreichend finanziellen Mitteln und Befugnissen
ausgestattete „Nationale Koordinierungsstelle“, die die Umsetzung und das Monitoring der
deutschen Strategie in Abstimmung mit den Bundesländern, Verwaltungen und
Selbstorganisationen übernimmt. Der Erhalt von Sprache und Kulturen von Sinti*zze und
Rom*nja muss aktiv gefördert sowie eine unabhängige, zivilgesellschaftliche Monitoring- und
Informationsstelle zur Dokumentation und Aufarbeitung antiziganistischer Vorfälle und zur
Unterstützung der Betroffenen eingerichtet werden.
Ein Barrierefreiheits-Gesetz
Wir treten für eine inklusive Gesellschaft ein. Für behinderte und ältere Menschen, Eltern
mit Kinderwagen oder Verletzte mit Gipsbein sind jedoch Stufen, zu enge Türen oder schwer
lesbare Webseiten oft im Weg, es ist mühsam, manchmal unmöglich, Angebote zu nutzen, die für
andere selbstverständlich sind. Wir wollen Barrierefreiheit schaffen, damit Menschen mit
Behinderungen gleichberechtigt am öffentlichen Leben teilhaben und selbstbestimmt, gemeinsam
mit nichtbehinderten Menschen leben, lernen und arbeiten können. Das wollen wir mit einem
„Barrierefreiheits-Gesetz“ erreichen. Durch eine Erhöhung der Bundesförderung soll mehr
barrierefreier Wohnraum entstehen. Den Abbau von Barrieren in Städten und Dörfern werden wir
im Rahmen der Städtebauförderung unterstützen.
Verhältnis Kirche und Staat reformieren
Die christlichen Kirchen und Gemeinden sind eine wichtige Stütze unserer Gesellschaft. Sie
sind zuverlässige Partner, wenn es um gesellschaftlichen Zusammenhalt geht. Die Betreuung
von Pflegebedürftigen, Menschen mit Behinderungen und Kindern wäre ohne die Vielfalt auch
der kirchlichen Träger nicht möglich. Ihre tatkräftige Unterstützung, wenn es um
Seenotrettung und die Integration von Geflüchteten geht, ist ein wichtiger
gesellschaftlicher Beitrag. Das Grundrecht auf Religions- und Weltanschauungsfreiheit wollen
wir, auch weltweit, weiter stärken. Gleichzeitig wahren wir das Selbstbestimmungsrecht der
Religionsgemeinschaften, suchen die Kooperation und den Dialog mit allen unabhängigen
Religions- und Weltanschauungen, die das Grundgesetz achten, und stehen dabei stets zum
säkularen Staat und seinem Neutralitätsprinzip. Die besondere Beziehung zwischen Staat und
den christlichen Kirchen wollen wir erhalten und wo nötig der gesellschaftlichen Realität
anpassen. So wollen wir, dass beispielsweise das kirchliche Arbeitsrecht reformiert wird.
Außerdem wollen wir die Vollendung des Verfassungsauftrags zur Ablösung der Staatsleistungen
umsetzen.
Wir erneuern das demokratische Fundament
Für eine saubere Politik
Demokratie lebt vom Vertrauen der Bürger*innen. Grundlage sind klare Regeln und die Haltung
der Menschen, die sie vertreten. Wir wollen Vertrauen ermöglichen und das Primat der Politik
gegenüber intransparenter Einflussnahme schützen. Seit Jahren drängen wir darauf, dass
politische Interessensvertretung transparent, nachvollziehbar und fair ist. Bereits bei der
Entstehung von Gesetzen muss sichtbar sein, wer Einfluss genommen und welche Akteur*innen
mitgewirkt haben. Dafür wollen wir mit einem gesetzlichen Lobbyregister wirkungsvoll den
Einfluss organisierter Interessensgruppen und von Lobbyist*innen bei Bundesregierung und
Bundestag offenlegen. Interessenskonflikte wollen wir verhindern und Abgeordneten eine
entgeltliche Lobbytätigkeit neben ihrem Mandat untersagen und die gesetzliche Regelung zur
Abgeordnetenbestechung klarer fassen. Wir wollen, dass der Wechsel aus Regierungsämtern in
die Wirtschaft für eine Karenzzeit von zwei Jahren nach Ausscheiden auf Interessenskonflikte
geprüft wird. Einkünfte von Abgeordneten aus Nebentätigkeiten sollen auf Euro und Cent
veröffentlicht werden, für Unternehmensbeteiligungen und Aktienoptionen von Abgeordneten
braucht es striktere Regeln. Die Annahme von Direktspenden durch parteigebundene Abgeordnete
sollte verboten werden. Spenden an Parteien müssen transparenter gemacht werden, deshalb
wollen wir striktere Veröffentlichungsregeln. Parteispenden sollen auf natürliche Personen
beschränkt und auf einen jährlichen Höchstbetrag gedeckelt werden. Solange es keine
gesetzliche Regelung gibt, wollen wir uns im politischen Wettbewerb nicht schlechterstellen
als die politische Konkurrenz. Für das Parteiensponsoring wollen wir eine gesetzliche
Regelung und eine Veröffentlichung ab dem ersten Euro einführen. Das Parteiengesetz und die
unabhängige Kontrolle werden wir stärken.
Parlament stärken, Wahlrecht reformieren
Der Bundestag ist der zentrale Ort für öffentliche Debatten, Rede und Gegenrede und
Entscheidungen unserer Demokratie. Für gute Gesetzgebung braucht es ausreichende Beratung
und eine Stärkung der Kontrollrechte des Parlaments. Wir wollen die Rolle des Bundestages
bei der Gesetzgebung ausbauen. Seine Arbeitsfähigkeit ist zu garantieren und zu stärken.
Deshalb setzen wir uns für eine Wahlrechtsreform ein, die das Parlament kleiner macht, fair
und verfassungsgemäß ist und bei der jede Stimme gleich viel wert ist. Die Sitzungen der
Fachausschüsse sollen in der Regel öffentlich stattfinden und gestreamt werden. Die
Abgeordneten sollen in ihren Kontrollrechten gegenüber der Regierung mit einem
Akteneinsichtsrecht gestärkt werden.
Macht fair teilen, auch in den Parlamenten
Es ist höchste Zeit für eine faire Verteilung von Macht. Unsere repräsentative Demokratie
muss diverser werden, unsere Parlamente brauchen die Vielfalt der Herkunft und Lebenswege,
die Debatten brauchen die Perspektiven, die daraus entstehen. Das bedeutet auch, dass es
dringend mehr Frauen im Parlament braucht. Frauen sollten überall gleichberechtigt vertreten
sein, wo Entscheidungen getroffen werden, die uns alle betreffen. Gleichberechtigung ist ein
historischer und verfassungsrechtlicher Auftrag für uns alle. Dass Parität per Gesetz
wirksam und angemessen ist, zeigen Beispiele aus dem europäischen Ausland. Dass
verfassungsrechtlich hohe Hürden bestehen, haben Urteile von Verfassungsgerichten aus Bund
und Ländern aufgezeigt. Wir wollen die Parität vorantreiben und entsprechende
Gesetzesänderungen auf den Weg bringen. Um Frauen das politische Engagement zu erleichtern,
braucht es auch Maßnahmen und Angebote, die Frauen den Einstieg in und die Gestaltung von
Politik erleichtern.
Mit 16 wählen
Demokratie lebt von der Gestaltung und dem Engagement aller Bürger*innen, vom Kindes- bis
ins hohe Alter. Viele politische Entscheidungen von heute sind entscheidend für die Zukunft
junger Menschen, und viele junge Menschen übernehmen früh Verantwortung für die
Gesellschaft. Wenn Jugendliche in ihrem Lebensalltag demokratische Erfahrungen machen und
ihre Rechte wahrnehmen können, stärkt das die Demokratie und macht sie zukunftssicherer.
Darum werden wir uns dafür einsetzen, das Wahlalter für Bundestags- und Europawahlen auf 16
Jahre abzusenken.
Bürger*innenräte für mehr Beteiligung
Direkte Beteiligungsmöglichkeiten bereichern die Demokratie und stärken die Repräsentanz.
Mit Bürger*innenräten schaffen wir die Möglichkeit, bei ausgewählten Themen die
Alltagsexpertise von Bürger*innen direkter in die Gesetzgebung einfließen zu lassen. Auf
Initiative der Regierung, des Parlaments oder eines Bürger*innenbegehrens beraten zufällig
ausgewählte Bürger*innen in einem festgelegten Zeitraum über eine konkrete Fragestellung.
Sie erarbeiten Handlungsempfehlungen und geben Impulse für die öffentliche
Auseinandersetzung und die parlamentarische Entscheidung. Eine freie, gleiche und faire
Beratung muss sichergestellt werden. Regierung und Parlament müssen sich mit den Ergebnissen
auseinandersetzen. Außerdem werden wir ein digitales Portal, wie es zum Beispiel in Baden-
Württemberg schon erfolgreich angewendet wird, für die aktive Beteiligung an der
Gesetzgebung einführen und das Petitionsrecht zu einem leicht zugänglichen Instrument für
bessere Mitwirkung am demokratischen Prozess ausbauen.
Öffentlich-rechtlicher Rundfunk für alle und eine vielfältige
Medienlandschaft
Kritischer und unabhängiger Journalismus ist eine Säule unserer Demokratie. Wir haben in
Deutschland eine vielfältige Medienlandschaft aus öffentlich-rechtlichen, privaten und Non-
Profit-Angeboten. Wir stehen zu einem pluralistischen, kritischen und staatsfernen
öffentlich-rechtlichen Rundfunk für alle und arbeiten dafür, dass er stark und zukunftsfest
aufgestellt ist. Dazu zählen auch eine ausreichende Finanzierung und ein Programmauftrag,
der alle gesellschaftlichen Bereiche umfasst. Aus der besonderen Stellung des öffentlich-
rechtlichen Rundfunks und dem Anspruch, dass er die Lebenswelt und Interessen aller
angemessen abbildet, ergeben sich auch Reformbedarfe. Hierfür wollen wir gemeinsam mit den
Ländern eine Initiative auf den Weg bringen und in der Breite der Gesellschaft eine Debatte
darüber führen, wie öffentlich-rechtliche Medien im 21. Jahrhundert aussehen sollen. Wir
setzen uns dafür ein, dass die Rundfunkräte die Vielfalt und unterschiedlichen Perspektiven
unserer heutigen Gesellschaft besser abbilden, dass sie durchsetzungsstärker sowie sender-
und staatsferner werden. Die Mediatheken der öffentlich-rechtlichen Sender wollen wir zu
gemeinsamen Plattformen weiterentwickeln, die europäisch verzahnt werden können, um so die
europäische Demokratie zu stärken.
Hasskriminalität im Netz bekämpfen
Digitale Plattformen und Anwendungen müssen den Menschen dienen und nicht umgekehrt. Uns
geht es darum, Nutzer*innenrechte zu stärken und dabei die Balance zwischen
Persönlichkeitsschutz und Meinungsfreiheit zu wahren. Wir wollen Hasskriminalität im Netz
wirksamer bekämpfen und dafür einen effektiven Gesetzesrahmen entwickeln. Betroffene müssen
sich schnell und effektiv gegen Angriffe im Netz wehren können. Das wollen wir durch die
ambitionierte Ausgestaltung und dann zügige Umsetzung des europäischen Digital Services Act
erreichen. Wir treten für einen effektiven Umgang mit Nutzer*innenbeschwerden, eine
Verbesserung der Strafverfolgung und zivilrechtlicher Durchsetzung ein. Dafür brauchen wir
personell wie technisch bestmöglich aufgestellte Strafverfolgungsbehörden. Diese müssen, gut
geschult, auf Grundlage klarer Rechtsvorgaben arbeiten können. Plattformbetreiber müssen
ihrer großen Verantwortung gerecht werden. Sie dürfen bestehende Rechte nicht aushöhlen,
sind für eigene Inhalte haftbar und müssen beim Moderieren von Inhalten die Grundrechte
wahren. Große Anbieter sollen sich durch eine Abgabe an den unabhängigen Beratungsangeboten
für Betroffene von Hass und Hetze beteiligen. Dies wollen wir bündeln in ein Gesetz für
digitalen Gewaltschutz, das die Möglichkeit beinhaltet, gegen Accounts vorzugehen, wenn
keine Täter*in festgestellt wird. Für den Umgang mit Desinformation, aber auch für die
Rechtskontrolle der Anbieter insgesamt wollen wir die Aufsicht national wie auch europäisch
besser strukturieren, unter anderem mit einer gemeinsamen Medienanstalt der Länder. Eine
Verpflichtung zum Einsatz von Uploadfiltern lehnen wir ab.
Software für die Allgemeinheit
Unser Alltag wird immer häufiger von Teilhabe an und Zugang zu Software geprägt. Freie und
offene Software bildet dabei eine Grundlage unzähliger Anwendungen, seien es digitale
Lernplattformen, sichere Anwendungen für die Heimarbeit, Stärkung der IT-Sicherheit mit
guter Verschlüsselung oder sichere und einfache Abstimmungsmöglichkeiten in der Vereins- und
Parteiarbeit. Sie spielt in immer mehr gesellschaftlich relevanten Bereichen eine
entscheidende Rolle und ist Grundlage für unsere Anforderungen in Bezug auf Offenheit,
Teilhabe und Sicherheit. Doch oftmals fehlt es den Entwickler*innen an Unterstützung, diese
dauerhaft auf dem neusten Stand der Technik zu halten und anwendungsfreundlich zu gestalten.
Wir treten daher dafür ein, eine eigenständige öffentliche Förderstiftung zu schaffen, die
gesellschaftlich relevante freie und offene Software fördert, deren Ergebnisse Gesellschaft,
Wissenschaft, Schulen, Wirtschaft und Verwaltung zur Verfügung stehen.
Demokratiefördergesetz für eine starke Zivilgesellschaft
Eine lebendige Zivilgesellschaft ist elementar für die politische Auseinandersetzung in
unserer Demokratie. Engagierte Menschen, vor allem Ehrenamtler*innen in Initiativen,
Verbänden, Vereinen oder NGOs, stärken den Zusammenhalt, tragen dazu bei, wichtige Anliegen
auf die öffentliche Tagesordnung zu setzen und leisten ihren Beitrag zur Willensbildung. Wir
machen uns dafür stark, dass sie ihrer Arbeit in Zukunft gut abgesichert, ohne
Einschüchterung und Kriminalisierung nachgehen können. Mit einem Demokratiefördergesetz
werden wir ihr Engagement nachhaltig, projektunabhängig und unbürokratisch finanziell
absichern. Die Arbeit der politischen Stiftungen wollen wir verbindlicher und transparenter
regeln, auch in ihrem Verhältnis zu den Parteien, und dafür eine eigenständige gesetzliche
Grundlage schaffen.
Gemeinnützigkeit reformieren
Alle Bürger*innen sollen gleichberechtigt an der Willensbildung unserer Gesellschaft
teilhaben können. Die Gemeinnützigkeit ist dafür ein wichtiger Status, der an vielen Stellen
überhaupt erst Zugänge öffnet. Damit Initiativen und Verbände eigenständig bleiben, sorgen
wir deshalb für Klarheit und Rechtssicherheit im Gemeinnützigkeitsrecht. Ihre gemeinnützigen
Ziele sollen sie auch durch politische Aktivitäten wie Studien und Demonstrationen
verwirklichen dürfen. Nicht nur die Förderung des demokratischen Staatswesens, sondern auch
die Förderung tragender Grundsätze sollte klar gemeinnützig sein. Die Gemeinnützigkeit
zusätzlicher Zwecke wie des Friedens, der Durchsetzung der nationalen und internationalen
Grund- und Menschenrechte, der Rechtsstaatlichkeit, der Durchsetzung des Sozialstaatsgebotes
und allgemein der gleichberechtigten Teilhabe und der Bekämpfung von Diskriminierung wollen
wir anerkennen und stärken. Auch der E-Sport soll gemeinnützig werden. Mit der Einführung
einer Demokratieklausel stellen wir sicher, dass sich Vereine aktiv an gesellschaftlichen
Debatten beteiligen können. Für mehr Transparenz sorgen wir mit einem
Gemeinnützigkeitsregister und einfach handhabbaren Transparenzpflichten sowie mit Regeln zur
Offenlegung der Spendenstruktur.
Freiwilligendienst ausbauen und für alle ermöglichen
Ehrenamt und freiwilliges Engagement sind vielfältig, Millionen Menschen stärken damit den
Zusammenhalt der Gesellschaft. Wir wollen den Bundesfreiwilligendienst auf 200.000 Plätze im
Jahr erweitern und machen uns für eine rechtliche Garantie für einen Platz stark. Die
Freiwilligendienste sollen besser ausfinanziert werden, damit sich junge Menschen unabhängig
vom Einkommen ihrer Eltern engagieren können. Auch für Ältere und Menschen mit Behinderungen
sollen die Rahmenbedingungen attraktiver und inklusiver werden. Zusammen mit Ländern und
Kommunen wollen wir eine Engagementkarte für Vergünstigungen einführen, beispielsweise für
Schwimmbäder oder Theater, und erkennen die Leistung der vielen Engagierten mehr an.
Wir gestalten die vielfältige Einwanderungsgesellschaft
Einbürgerung erleichtern
Die Staatsangehörigkeit stellt ein dauerhaftes Band rechtlicher Gleichheit, Teilhabe und
Zugehörigkeit sicher. Wer in Deutschland geboren wird, soll die Möglichkeit erhalten,
deutsche*r Staatsbürger*in zu werden, wenn ein Elternteil rechtmäßig seinen gewöhnlichen
Aufenthalt in Deutschland hat. Für Menschen, die hier jahrelang leben und Teil dieser
Gesellschaft geworden sind, sollen Einbürgerungen früher möglich werden. Nach fünf Jahren
Aufenthalt in Deutschland sollen alle einen Antrag auf Einbürgerung stellen können. Den
Optionszwang im Staatsangehörigkeitsrecht wollen wir abschaffen und Mehrstaatigkeit
anerkennen. Die vorgenommenen Aushöhlungen des Staatsangehörigkeitsrechts wollen wir
zurücknehmen. Hindernisse bei der Identitätsklärung, die nicht in der Hand der
Einzubürgernden liegen, dürfen ihnen nicht angelastet werden.
Ein modernes Einwanderungsgesetz für eine vielfältige
Einwanderungsgesellschaft
Deutschland ist ein Einwanderungsland, doch bis heute fehlen eine aktive
Einwanderungspolitik und ein Einwanderungsrecht, das Einwanderung tatsächlich fördert und
nicht komplizierter macht. Wir wollen ein modernes Einwanderungsgesetz beschließen, das neue
Zugangswege für Bildungs- und Arbeitsmigration schafft – auch im gering- und
unqualifizierten Bereich –, das transparente, unbürokratische und faire Verfahren bietet,
das globale und regionale Notwendigkeiten berücksichtigt und flexibel auf die Bedarfe des
Arbeitsmarktes reagiert. Dafür soll auf Basis des jährlichen Arbeitskräftebedarfs eine
punktebasierte Talentkarte eingeführt werden. Wir erleichtern die Bildungsmigration über
Stipendien und Ausbildungsvisa, genauso wie die Voraussetzungen für eine unbefristete
Aufenthaltserlaubnis und die Anerkennung von im Ausland erworbenen Berufsqualifikationen.
Außerdem beenden wir den automatischen Verlust der Aufenthaltserlaubnis nach einem
sechsmonatigen Aufenthalt im Ausland. Für Menschen, die sich ohne sicheren Aufenthaltstitel
in Deutschland befinden, jedoch in den Arbeitsmarkt integriert sind oder deren
Qualifizierung in den Arbeitskräftebedarf passt, soll es die Möglichkeit zum echten
Spurwechsel geben. Gut funktionierende Konzepte der Arbeitsmigration, wie die
Westbalkanregelung, bauen wir aus und verstetigen sie.
Integration gelingt nur mittendrin – Sprache, Zugang, Teilhabe von
Anfang an
Integration ist in einer vielfältigen Einwanderungsgesellschaft der erste Schritt auf dem
Weg zu gleichen Teilhabechancen in zentralen Bereichen des Lebens. Sie ist ein
wechselseitiger Prozess und stellt sowohl Anforderungen an die, die zu uns kommen, als auch
an alle, die schon länger hier leben. Für das Zusammenleben sind die Werte des Grundgesetzes
die Grundlage. Wir treten dafür ein, dass alle neu ankommenden Migrant*innen und
Geflüchteten von Anfang an ein Recht auf einen kostenfreien Zugang zu passgenauen und gut
erreichbaren Sprach- und Integrationskursen haben. Denn derzeit ist das für viele Personen
im Asylverfahren, Geduldete und EU-Bürger*innen nur schwer und kostenpflichtig möglich.
Zudem wollen wir die nach 2015 ausgebauten Angebote an weiterführenden Sprachkursen
aufrechterhalten. Genauso wichtig für eine gelingende Integration sind die möglichst
dezentrale Unterbringung, ein breites Beratungsangebot gerade auch für Familien sowie der
unterschiedslose Zugang zu Wohnraum, Gesundheits- und Sozialleistungen sowie zu Kitas,
Bildungseinrichtungen, Ausbildung und Arbeit. Gezielte Unterstützung ermöglicht Teilhabe und
stärkt den gesamtgesellschaftlichen Zusammenhalt. Wir wollen auf europäischer Ebene einen
kommunalen Integrationsfonds auflegen, um europaweit das Ankommen in den Kommunen direkt zu
unterstützen. Damit sollen unter anderem Migrationsberatungsstellen gestärkt und aufgebaut,
zivilgesellschaftliche Unterstützungsstrukturen gefördert und strukturelle Entlastungen der
Kommunen, die sich zur Aufnahme von Geflüchteten bereit erklären, in der EU gesichert
werden. Betriebe, die Geflüchteten eine Chance auf Ausbildung oder Beschäftigung geben,
brauchen entsprechende Unterstützung und Förderung.
Asylverfahren rechtssicher und transparent
Wir wollen, dass Asylverfahren in Deutschland rechtssicher, fair und transparent gestaltet
sind. Wir wollen dafür sorgen, dass es zügig zu einer Entscheidung über den Aufenthaltstitel
kommt, damit Menschen früh verbindliche Gewissheit haben, ob sie bleiben können oder nicht.
Eine nichtstaatliche unabhängige Asylverfahrensberatung für alle Asylsuchenden, von der
Ankunft bis zum Abschluss des Asylverfahrens, wollen wir sicherstellen und die verlängerte
Verweildauer von Geflüchteten in den Erstaufnahmeeinrichtungen auf mögliche 18 Monate
rückgängig machen auf wieder 6 Monate. Die dezentrale Unterbringung sollte immer Vorrang
haben. Wir wollen das Recht von Kindern, unabhängig von der Bleibeperspektive, auf Zugang zu
Bildungsangeboten garantieren. Wir beenden die flächendeckenden und anlasslosen
Widerrufsprüfungen durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und optimieren
so das Asylprozessrecht. Wir wollen das Asylbewerberleistungsgesetz abschaffen und damit
eine verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung von Geflüchteten, die ein
echtes Ankommen und Teilhabe erschwert. Integrationsfeindliche gesetzliche Regelungen wie
Arbeitsverbot und pauschale Wohnsitzauflage schaffen wir ab. Die in den vergangenen Jahren
vorgenommenen Aushöhlungen des Asylrechts wollen wir zurücknehmen. Die Ausrufung „sicherer“
Herkunfts- oder Drittstaaten lehnen wir ab – auch auf europäischer Ebene.
Raus aus der Duldung
Mehr als 200.000 Menschen – darunter viele Kinder und Jugendliche – leben über viele Jahre
in einem Zustand der Perspektivlosigkeit und Rechtsunsicherheit in Deutschland, weil sie nur
geduldet sind. Das ist weder für die Betroffenen noch für das gesellschaftliche
Zusammenleben gut. Nicht zu wissen, ob Deutschland wirklich Heimat wird, erschwert die
Integration massiv. Wir wollen die Anzahl der Menschen, die sich von Duldung zu Duldung
hangeln müssen, deshalb möglichst auf null reduzieren. Für diese Menschen braucht es nach
fünf Jahren Aufenthalt ein sicheres Bleiberecht. Heranwachsende, Jugendliche und Familien
mit minderjährigen Kindern sollen nach drei Jahren einen Aufenthaltstitel bekommen. Durch
die Umwandlung der Ausbildungsduldung in ein Ausbildungsbleiberecht verschaffen wir den
Menschen einen verlässlichen Zugang zu Ausbildung und Arbeitsmarkt und sorgen für die
Betriebe für Planungssicherheit. Menschen, die nach sorgfältiger Prüfung der asyl- und
aufenthaltsrechtlichen sowie nach Ausschöpfung aller Rechtsschutzmöglichkeiten kein Asyl
bekommen und in ihrem Herkunftsland nicht gefährdet sind, müssen zügig wieder ausreisen. Wir
wollen dies durch schnelle und wirksame Unterstützung und Beratung erleichtern.
Abschiebungen, zum Beispiel über Rückübernahmeabkommen, sind das letzte Mittel, wenn die
Rückkehr verweigert wird, freiwillige Ausreisen haben immer Vorrang. Abschiebungen in
Kriegs- und Krisenländer wollen wir beenden, den Abschiebestopp nach Syrien und Afghanistan
wieder einsetzen.
Wir rücken Feminismus, Queerpolitik und
Geschlechtergerechtigkeit in den Fokus
Gleichberechtigung in allen Lebensbereichen
Feminismus nimmt alle in den Blick und schafft Selbstbestimmung, Teilhabe und Gerechtigkeit.
Ziel ist eine Gesellschaft, in der alle unabhängig vom Geschlecht selbstbestimmt leben und
auch Frauen überall gleichberechtigt mitgestalten können – von der Arbeitswelt bis in die
Parlamente. Das ist eine Aufgabe für alle Geschlechter. Dafür braucht es auch Männer, die
für eine Gesellschaft einstehen, in der Macht, Möglichkeiten und Verantwortung gerecht
geteilt werden. Geschlechtergerechtigkeit ist eine Querschnittsaufgabe. Mit einem Gender-
Check wollen wir prüfen, ob eine Maßnahme oder ein Gesetz die Gleichberechtigung der
Geschlechter voranbringt, und dort, wo es ihr entgegensteht, dementsprechend eingreifen. Die
neu geschaffene Bundesstiftung Gleichstellung werden wir zu einer effektiven Institution
ausbauen, die gesichertes Wissen zu den Lebenslagen aller Geschlechter bereitstellt und
wirksame Maßnahmen für Gleichberechtigung entwickelt, bündelt und für Wirtschaft, Politik
und Öffentlichkeit zugänglich macht. Hierfür leisten die Sozialwissenschaften und die
Genderstudies einen unverzichtbaren Beitrag. Wir brauchen eine Gleichberechtigungsstrategie,
die alle Lebens- und Politikbereiche umfasst, ressortübergreifend arbeitet und die
Erkenntnisse in umsetzbare Ziele übersetzt. Es wird Zeit für eine feministische Regierung,
in der Frauen und Männer gleichermaßen für Geschlechtergerechtigkeit eintreten.
Geschlechtsspezifische Gewalt bekämpfen
Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt, die vor allem Frauen betrifft, ist eine
gesellschaftliche Gemeinschaftsaufgabe. Gewalt im häuslichen und persönlichen Nahbereich
wird oft verharmlost, sowohl in der medialen Darstellung als auch in der Rechtsprechung. Mit
der Istanbul-Konvention haben wir ein Instrument an der Hand, das die notwendigen Maßnahmen
beschreibt. Dazu gehört auch eine Reform der Kriminalstatistik, damit das ganze Ausmaß der
in Deutschland verübten Verbrechen, die aus Frauenhass begangen werden, differenziert
erfasst wird und diese Taten systematisch als Hassverbrechen eingestuft werden.
Gewaltbetroffene Frauen, deren Aufenthaltsstatus von dem Aufenthaltsstatus ihres Ehemanns
oder Partners abhängt, sollen einen eigenständigen Aufenthaltstitel erhalten können. Polizei
und Justiz müssen im Umgang mit Betroffenen sexualisierter Gewalt umfassend geschult und
sensibilisiert sein. Opfer von Vergewaltigungen brauchen eine qualifizierte
Notfallversorgung einschließlich anonymer Spurensicherung und der Pille danach. Wir werden
Monitoringstellen einrichten und die getroffenen Maßnahmen regelmäßig auf ihre Wirksamkeit
prüfen.
Frauenhäuser absichern
Jeder Mensch hat das Recht auf körperliche Unversehrtheit. Es ist die Pflicht des Staates,
Frauen vor geschlechtsspezifischer Gewalt zu schützen. Frauenhäusern kommt hierbei eine
Schlüsselrolle zu. Denn jede von Gewalt betroffene Frau, ob mit oder ohne Kinder, braucht
eine Anlaufstelle und Schutz – unabhängig von ihrem aufenthaltsrechtlichen Status, ihrer
Wohnsituation oder davon, ob sie eine Beeinträchtigung hat. Mit einem gesetzlichen
Rechtsanspruch auf Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt sichern wir über eine
Geldleistung des Bundes Betroffene ab und verbessern den Zugang zu Schutzeinrichtungen und
deren Angeboten für alle Frauen. Länder und Kommunen müssen weiterhin ihrerseits ihrer
Finanzierungsverantwortung nachkommen. Für die Aufenthaltszeit in einem Frauenhaus sollen
Betroffene, die Sozialleistungen erhalten, nicht schlechtergestellt werden. Wir brauchen
Frauenhäuser, in denen Kinder, auch wenn sie älter sind, mit aufgenommen werden können.
Zudem müssen intersektionale Schutzkonzepte und Zufluchtsräume, insbesondere auch für
queere, trans- und intergeschlechtliche Menschen, entwickelt und bereitgestellt werden.
Vor Zwang schützen
Menschen, die in der Prostitution arbeiten, brauchen Rechte und Schutz. Dazu sollen
Prostitutionsstätten strenger kontrolliert werden und in Zukunft einer Erlaubnispflicht
unterliegen. Außerdem wollen wir Beratungsangebote ausbauen und finanziell unterstützen.
Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung ist ein abscheuliches Verbrechen, das wir
mit den Mitteln des Strafrechts, aber auch durch ein gemeinsames europäisches Vorgehen,
Information sowie Schutz und Hilfe für die Opfer konsequent bekämpfen werden. Opfer von
Menschenhandel einfach abzuschieben ist falsch. Stattdessen würden ihre Anzeige- und
Aussagebereitschaft durch ein dauerhaftes Bleiberecht erhöht und die Strafverfolgung der
Täter*innen würde erleichtert. Zwangsverheiratungen sind Menschenrechtsverletzungen. Frauen
und Männer, die davon bedroht sind, brauchen Hilfe und Schutz und gute Beratung durch
verlässlich finanzierte Beratungsstellen. Weibliche Genitalverstümmelung ist eine massive
Verletzung der körperlichen Integrität. Es ist entscheidend, dass wir den Betroffenen helfen
und sie schützen, auch durch internationale Aufklärungs- und Hilfekampagnen. Doch auch in
Deutschland brauchen wir eine Strategie dagegen. Zivilgesellschaftliche Organisationen, die
sich in diesem Bereich engagieren, wollen wir besser unterstützen, die Kontaktpersonen der
Mädchen sowie pädagogisches Personal und Jugendämter sollen geschult und sensibilisiert
werden.
Selbstbestimmung durch Gesundheitsversorgung
Alle Menschen, auch Mädchen und Frauen, sollen selbst über ihren Körper und ihr Leben
entscheiden können. Eine gute Gesundheitsversorgung inklusive eines gesicherten Zugangs und
umfassender Informationen zum Schwangerschaftsabbruch sind dafür notwendig. Die
Entscheidung, ob eine Frau eine Schwangerschaft abbricht oder nicht, gehört mit zu den
schwersten im Leben. Gerade deshalb ist es so wichtig, dass diese Frauen gut beraten und
medizinisch professionell versorgt werden. Wir streiten für eine ausreichende und
wohnortnahe Versorgung mit Ärzt*innen, Praxen und Kliniken, die Schwangerschaftsabbrüche
vornehmen. Das Thema muss in die Ausbildung von Ärzt*innen nach international anerkannten
Standards integriert werden. Familienplanungs- und Beratungsstellen werden wir absichern und
die freiwilligen Beratungsangebote ausbauen. Um die Versorgung für Frauen dauerhaft zu
gewährleisten, braucht es eine Entstigmatisierung und Entkriminalisierung von
selbstbestimmten Abbrüchen sowie eine generelle Kostenübernahme. Frauen, die sich für einen
Abbruch entscheiden, und Ärzt*innen, die einen solchen ausführen, müssen etwa durch die
Einrichtung von Schutzzonen vor Anfeindungen und Gehsteigbelästigungen geschützt werden.
Ungewollt Schwangere brauchen den bestmöglichen Zugang zu Informationen. Um diesen zu
gewährleisten und Ärzt*innen zu schützen, gilt es den § 219 a aus dem Strafgesetzbuch zu
streichen. Die Kosten für ärztlich verordnete Mittel zur Empfängnisverhütung müssen für
Empfängerinnen von staatlichen Transferleistungen übernommen werden.
Homo- und Transfeindlichkeit bekämpfen
Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans*-, Inter*- und queere Menschen (LSBTIQ*) sollen
selbstbestimmt und diskriminierungsfrei ihr Leben leben können. Dafür und gegen gesetzliche
Diskriminierungen sowie Benachteiligungen und Anfeindungen im Alltag werden wir ein starkes
Signal setzen und den Begriff „sexuelle Identität“ in Artikel 3 Absatz 3 des Grundgesetzes
ergänzen. Wir werden einen bundesweiten ressortübergreifenden Aktionsplan „Vielfalt leben!“
für die Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt vorlegen mit dem Ziel, LSBTIQ*
gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu garantieren und Vielfalt und
Akzeptanz zu fördern. Dazu gehören auch Maßnahmen zur LSBTIQ*-inklusiven
Gesellschaftspolitik sowie eine langfristige Strukturförderung der LSBTIQ*-Verbände. Gegen
LSBTIQ* gerichtete Hasskriminalität werden wir entschieden bekämpfen. Das diskriminierende
Blutspendeverbot für homosexuelle Männer wollen wir aufheben. Um queere Jugendliche zu
schützen und zu stärken, wollen wir mit einer bundesweiten Aufklärungskampagne für junge
Menschen über die Vielfalt sexueller Orientierungen und geschlechtlicher Identitäten
informieren und bezüglich Homo- und Transphobie sensibilisieren. Wir werden uns gemeinsam
mit den Ländern dafür einsetzen, dass sich geschlechtliche Vielfalt und Diversität in den
Lehr- und Bildungsplänen wiederfinden.
Selbstbestimmung garantieren, Transsexuellengesetz aufheben
Mit einem Selbstbestimmungsgesetz werden wir dafür sorgen, dass das überholte
Transsexuellengesetz endlich aufgehoben wird. Eine Änderung der Geschlechtsangabe auf Antrag
der betroffenen Person werden wir ermöglichen und das Offenbarungsverbot konkretisieren. Wir
schreiben fest, dass nicht notwendige Operationen und Behandlungen an intergeschlechtlichen
Kindern verboten werden. Bei Gesundheitsleistungen sowie geschlechtsangleichenden
Operationen und Hormontherapien muss das Selbstbestimmungsrecht gesichert sein. Den Anspruch
auf medizinische körperangleichende Maßnahmen wollen wir gesetzlich verankern und dafür
sorgen, dass die Kostenübernahme durch das Gesundheitssystem gewährleistet wird.
Wir stärken Sicherheit und Bürger*innenrechte
Eine gut ausgestatteteSicherheit für Alle und eine bürger*innennahe Polizei
Deutschland ist ein sicheres Land. Das liegt auch an einer gut arbeitenden Polizei. Wir
wollen, dass das so bleibt. Dennoch: Diebstahl, Einbrüche, Gewalttaten, Hassverbrechen oder
organisierte Kriminalität belasten Opfer und ihre Angehörigen schwer. Für ihre Aufgaben wie
Prävention, Aufklärung und Strafverfolgung wollen wir die Polizei stärken, in der Stadt und
auf dem Land, analog und digital. Den früheren Personalabbau bei Bundespolizei und
Bundeskriminalamt wollen wir durch eine Offensive bei der Besetzung offener Stellen beheben.
Die Polizist*innen verdienen unsere Wertschätzung, genauso wie gute Arbeitsverhältnisse und
leistungsfähige Strukturen innerhalb der Behörden. Sichere und leistungsfähige
Datenverarbeitung, kombiniert mit mobiler IT, ist dabei eine Grundvoraussetzung moderner
Polizeiarbeit, die wir unterstützen wollen.
Die besondere Verantwortung der Polizei
Wir wollen eine Gesellschaft, in der alle frei und sicher leben können. Sicherheit muss
überall gleichermaßen garantiert sein. Damit die Polizei dieser Aufgabe nachkommen kann,
muss sie auf das Vertrauen der gesamten Bevölkerung bauen können. Als ausführendes Organ des
staatlichen Gewaltmonopols hat die Polizei dabei eine ganz besondere Verantwortung. Dem
dient die Einführung einer Kennzeichnungspflicht für die Bundespolizei sowie einer/eines
Bundespolizeibeauftragten, an die/den sich sowohl Polizist*innen wie auch Bürger*innen
wenden können, um in der Polizeiarbeit auftretende Missstände zu bearbeiten. Polizist*innen
sollten sich auch nach der Ausbildung verpflichtend fortbilden können und müssen. Wichtige
Fortbildungsbereiche sind beispielsweise der Umgang mit psychisch Kranken sowie
Antidiskriminierung und die Gefahr von Racial Profiling. Längst überfällig sind
wissenschaftliche Studien zu Rechtsextremismus und Rassismus in den Sicherheitsorganen.
Rationale Sicherheitspolitik setzt eine solide Faktenlage und klare Zuständigkeiten voraus.
Deshalb werden wir den Periodischen Sicherheitsbericht wieder einführen, dessen Aussagekraft
sich in der Vergangenheit bewährt hat.
Europäisches Kriminalamt schaffen, organisierte Kriminalität
verfolgen
Zahlreiche Straftaten wie Einbrüche oder Diebstähle finden grenzüberschreitend statt. Auch
die organisierte Kriminalität und islamistische oder rechtsextreme Terrornetzwerke machen
nicht an Landesgrenzen halt. Zum Schutz der Bürger*innen und zur Verteidigung unserer
Freiheit brauchen wir eine stärkere grenzüberschreitende Zusammenarbeit von Polizei und
Justiz: durch gemeinsame europäische Polizeiteams, durch die Aufwertung von Europol zu einem
Europäischen Kriminalamt sowie durch eine engere justizielle Zusammenarbeit der
Mitgliedstaaten, auch mit Hilfe von Eurojust und der Europäischen Staatsanwaltschaft. Wegen
der zunehmenden Vernetzung von europäischen Datenbanken sind hohe Datenschutzstandards und
eine Verbesserung des grenzüberschreitenden Rechtsschutzes unabdingbar. Diese Zusammenarbeit
braucht eine unabhängige Justiz und faire Strafverfahren in allen EU-Mitgliedstaaten.
Verfassungsschutz neu ordnen
Der Verfassungsschutz hat in der Vergangenheit viel Vertrauen verspielt, als er sich auf dem
rechten Auge blind zeigte. Hier sind Veränderungen, insbesondere durch einen personellen
Neuanfang, zu beobachten, nun muss ein struktureller Neustart folgen, mit dem die
Analysefähigkeit des Verfassungsschutzes verbessert wird. Die in Wissenschaft und
Zivilgesellschaft schon heute vorhandene Expertise über verfassungsfeindliche Bestrebungen
muss systematischer genutzt werden. Wir wollen den Verfassungsschutz deshalb strukturell neu
aufstellen: zum einen mit einem unabhängigen, wissenschaftlich und unter Einbeziehung der
Zivilgesellschaft aus öffentlichen Quellen arbeitenden Institut zum Schutz der Verfassung.
Zum anderen mit einem verkleinerten Bundesamt für Gefahrenerkennung und Spionageabwehr, das
mit rechtsstaatskonformen nachrichtendienstlichen Mitteln klar abgegrenzt von polizeilichen
Aufgaben arbeitet.
Rechtsextremismus bekämpfen, Netzwerke zerschlagen
Es gibt mehr als 32.000 Rechtsextremist*innen in Deutschland, die sich immer stärker
vernetzen. Die Bekämpfung rechtsextremistischer Strukturen – auch innerhalb der
Sicherheitsbehörden – muss Priorität für alle Sicherheitsorgane haben. Dazu braucht es ein
Bündel aus Prävention, Schutz- und Sanktionsmaßnahmen. Durch eine bundesweit vernetzte
Präventionsstrategie wollen wir die Präventionsarbeit massiv ausbauen. Die
zivilgesellschaftliche Arbeit gegen Rechtsextremismus soll strukturell und langfristig durch
ein Demokratiefördergesetz gefördert werden. Wir werden unabhängige wissenschaftliche
Studien zu Rassismus und Rechtsextremismus in den verschiedenen Sicherheitsbehörden
initiieren, Hassgewalt erfassen und konsequent verfolgen. Die Mordserie des
rechtsterroristischen NSU sowie andere rassistische und rechtsextremistische Terrorakte in
Deutschland sind nach wie vor nicht vollständig aufgearbeitet. Deshalb richten wir nach dem
Vorbild der Stasi-Unterlagen-Behörde ein NSU-Archiv ein, in dem auch die Ergebnisse der 13
parlamentarischen Untersuchungsausschüsse ausgewertet werden und langfristig für
Wissenschaftler*innen, Journalist*innen und die Zivilgesellschaft zugänglich sind.
Vor Terrorismus schützen
Jede Form politisch motivierter Gewalt gefährdet unseren Rechtsstaat. Insbesondere durch
Terrorismus von gewaltbereiten Rechtsextremist*innen und Islamist*innen ist die innere
Sicherheit in Deutschland bedroht. Um die offene Gesellschaft, unsere Demokratie und die
Menschen zu schützen, müssen wir Terror entschieden bekämpfen – durch Prävention, bessere
Vernetzung der Sicherheitsbehörden und eine konsequente Überwachung von sogenannten
Gefährder*innen. Dazu braucht es eine europäisch abgestimmte Definition des
Gefährderbegriffs. Gefährder*innen müssen engmaschig überwacht werden. Ziel ist, dass
gegenüber Gefährder*innen offene Haftbefehle konsequent vollstreckt und laufende Verfahren
über Ländergrenzen hinweg zusammengezogen werden. Die Kooperation und Kommunikation zwischen
den Sicherheitsbehörden auch über Ländergrenzen muss reformiert werden, wozu die Schaffung
rechtlicher Grundlagen für die Terrorabwehrzentren GTAZ und GETZ gehört. Aussteigerprogramme
für Menschen aus rechtsextremistischen und islamistischen Szene werden wir ausbauen. Es
braucht ein bundeseinheitliches, professionalisiertes Präventions- und
Deradikalisierungsnetzwerk analog zu den zivilgesellschaftlichen Trägern, die sich bereits
besser als die politischen Ebenen in Bund und Ländern vernetzt haben. Prävention und
Deradikalisierung in Haftanstalten wollen wir stärken. Um Attentate zu erschweren, werden
wir illegalen Waffenhandel, auch und gerade auf Online-Marktplätzen, verstärkt verfolgen.
Den privaten Waffenbesitz tödlicher Schusswaffen wollen wir weitestgehend beenden.
Schutz für Whistleblower
Abgasmanipulationen, Missstände in Pflegeeinrichtungen, der Verkauf von Facebook-Nutzerdaten
– kaum einer der großen Wirtschaftsskandale der vergangenen Jahre wäre ohne die Hinweise aus
den Unternehmen überhaupt an die Öffentlichkeit gelangt. Missstände bis hin zu kriminellen
Aktivitäten in Unternehmen und Behörden brauchen mutige Menschen, die sie ans Licht bringen.
Diese „Whistleblower“ müssen im Interesse von uns allen besser vor Repressalien und
gesundheitlichen, finanziellen und sozialen Folgen ihrer Meldung geschützt werden. Das
werden wir mit einem Hinweisgeberschutzgesetz, das die EU-Whistleblower-Richtlinie
ambitioniert und umfassend in nationales Recht umsetzt, erreichen. Darin festgeschrieben
sind ein zweistufiges Meldeverfahren sowie ein Entschädigungsfonds, mit dem das persönliche
Risiko minimiert wird. Die Furcht vor einem ökonomischen und persönlichen Schaden als
Hemmnis für eine Hinweisgabe soll so abgebaut und potenzielle Hinweisgeber*innen sollen
ermutigt werden.
Zielgerichtete Abwehr konkreter Gefahren
Ein starker, demokratischer Rechtsstaat kann gleichzeitig Sicherheit gewährleisten und
Freiheit bewahren. Wir stehen für eine rationale Sicherheits- und Kriminalpolitik, die
konkrete Gefahren anlassbezogen und zielgerichtet abwehrt, statt die Bevölkerung mit
pauschaler Massenüberwachung unter Generalverdacht zu stellen. Zukünftige Sicherheitsgesetze
müssen auf valider Empirie beruhen und verfassungsrechtliche Vorgaben zwingend beachten.
Statt pauschaler, anlassloser Vorratsdatenspeicherung und genereller Backdoors für
Sicherheitsbehörden oder Staatstrojaner für Geheimdienste wollen wir es der Polizei
ermöglichen, technische Geräte anhand einer rechtsstaatlich ausgestalteten Quellen-TKÜ
zielgerichtet zu infiltrieren. Zudem soll eine Meldepflicht für Sicherheitslücken eingeführt
werden.
Wir garantieren den Rechtsstaat und stärken den
Verbraucherschutz
Konsequent gegen Korruption
Korruption, Steuerhinterziehung, Geldwäsche oder Manipulationen im Finanzmarkt sind
Rechtsverstöße, die verheerende Auswirkungen auf den Wettbewerb und den freien Markt, für
Umwelt und Menschen(rechte) haben können. Wirtschaftsstraftaten machen einen Großteil der
polizeilich erfassten finanziellen Schädigungen aus. Bei Rechtsverstößen werden wir
Unternehmen deshalb künftig wirksamer zur Rechenschaft ziehen. Ziel ist, die bereits
verstreut bestehenden Regelungen in einem eigenständigen Gesetz gegen
Wirtschaftskriminalität zusammenzufassen und zu ergänzen. Um zu verhindern, dass
Rechtsverstöße von Unternehmen wegen organisierter Unverantwortlichkeit nicht geahndet
werden können, soll künftig auch an das Organisationsverschulden angeknüpft werden können.
Die Pflicht zum Nachweis der legalen Herkunft großer Zahlungen wollen wir verstärken.
Sanktionen müssen gemäß den EU-Vorgaben wirksam, angemessen und abschreckend sein, zum
Beispiel indem unrechtmäßiger Gewinn bei der Abschöpfung geschätzt werden darf. Den
Sanktionskatalog wollen wir um weitere Maßnahmen wie den Ausschluss von der Vergabe
öffentlicher Aufträge, die Schadenswiedergutmachung sowie verpflichtende Vorkehrungen für
Unternehmen zur Verhinderung von Straftaten erweitern und ein öffentliches Sanktionsregister
einführen.
Rechtsschutz für jeden, Sammelklagen einführen
Menschen müssen ihr Recht auch gegenüber wirtschaftlich Stärkeren wirksam durchsetzen
können, zum Beispiel in Fällen wie dem Diesel-Abgas-Betrug. Dazu führen wir die Sammelklage
(Gruppenklage) ein, damit Menschen auch bei kleineren, aber massenhaft auftretenden Schäden
effektiv zu ihrem Recht kommen und zum Beispiel Schadensersatz bekommen. Die bisher
eingeführten kollektiven Klageverfahren wie die Musterfeststellungsklage, die nur
Verbraucher*innen zusteht, und das Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz sind unzureichend.
Die immer beliebtere Rechtsdurchsetzung durch Legal-Tech-Unternehmen stellt andererseits
eine Belastung für die Justiz dar, da alle Fälle einzeln entschieden werden. Den kollektiven
Rechtsschutz wollen wir deshalb verallgemeinert und vereinheitlicht in die
Zivilprozessordnung integrieren und die Bündelung individueller Ansprüche im Rahmen einer
Gruppenklage ermöglichen. Für eine bessere Durchsetzung des Rechts sollen die
Zugangsschranken gesenkt und die Verfahren vereinfacht werden. Die Verbandsklage-Richtlinie
der EU setzen wir zügig in nationales Recht um.
Kinderschutz vor Gericht verbessern
In familienrechtlichen Verfahren werden Entscheidungen getroffen, die erhebliche
Auswirkungen auf das weitere Leben von Kindern und ihre Familien haben können. Es gilt den
Kinderschutz vor Gericht zu stärken. Wir machen einerseits die Fortbildungen für
Familienrichter*innen verbindlich und werden diese andererseits bei ihrem Arbeitspensum
berücksichtigen. Auch in Kindschaftssachen wollen wir die Rechtsbeschwerdemöglichkeit zum
Bundesgerichtshof herstellen. In Strafverfahren wollen wir die Opferrechte von Kindern
weiter stärken. Mehrfache Vernehmungen müssen vermieden und die Befragungen kindgerecht
ausgestaltet sein. Sexualisierte Gewalt gegen Kinder muss konsequent aufgeklärt und verfolgt
werden, vor allem durch mehr – insbesondere auch auf Internetkriminalität spezialisiertes –
Personal bei Polizei und Staatsanwaltschaften.
Online-Kündigung mit nur einem Klick
Online-Verträge kann man mit einem Klick abschließen, während man für die Kündigung häufig
zu Telefon oder Briefbogen greifen muss. Auch lange Mindestlaufzeiten und automatische
Vertragsverlängerungen um ein Jahr sind alles andere als verbraucherfreundlich. Wir wollen
Verbraucher*innen vor Vertragsfallen schützen und durchsetzen, dass die Online-Kündigung so
einfach ist wie die Online-Bestellung. So wie es einen Bestellbutton gibt, muss es auch
einen Kündigungsbutton geben sowie eine verpflichtende Eingangsbestätigung für Online-/E-
Mail-Kündigungen. Vertragslaufzeiten und automatische Verlängerungen müssen verkürzt werden
– zugunsten des Verbraucherschutzes und des Wettbewerbs. Wir wollen die maximale
Mindestlaufzeit von Verträgen von zwei Jahren halbieren und die stillschweigende
Vertragsverlängerung von einem Jahr auf einen Monat verkürzen.
Ein Recht auf Reparatur
Von der Waschmaschine bis zum Handy – viele Geräte landen schon nach kurzer Zeit auf dem
Müll, weil sie schnell kaputtgehen, nicht reparierbar sind oder keine Software-Updates mehr
angeboten werden. Das ärgert die Verbraucher*innen, es verschwendet wertvolle Ressourcen und
verursacht Berge von Elektroschrott. Wir setzen stattdessen auf Qualität und Langlebigkeit.
Durch ein Recht auf Reparatur wollen wir Elektroschrott von vornherein vermeiden. Die
Grundlage dafür sind verbindliche Designvorgaben, damit elektronische Geräte so gestaltet
sind, dass sie möglichst langlebig, reparierbar und recyclingfähig sind. Durch die
Verdopplung der Gewährleistungsfristen auf vier Jahre und eine Angabe der vom Hersteller
vorgesehenen Lebensdauer wollen wir erreichen, dass Geräte für eine längere Lebensdauer
gebaut werden. So werden wir die Spielräume der EU-Vorgaben voll ausschöpfen und uns
gleichzeitig für mehr Verbraucherschutz in der EU engagieren.
Finanzberatung im Interesse der Kund*innen
Häufig werden Kund*innen Finanzprodukte angedreht, die für sie zu teuer, zu riskant oder
schlicht ungeeignet sind. Diese Produkte sind häufig gut für die Gewinne der Banken und
Versicherungen, aber schlecht für die Kund*innen. Wir wollen die Finanzberatung vom Kopf auf
die Füße stellen. Dafür schaffen wir ein einheitliches und transparentes Berufsbild für
Finanzberater*innen. Alle Vermittler*innen und Berater*innen sollen künftig von der BaFin
beaufsichtigt werden. Wir wollen weg von der Provisionsberatung und schrittweise zu einer
unabhängigen Honorarberatung übergehen. Dafür schaffen wir eine gesetzliche Honorarordnung,
die Finanzberater*innen stärkt und unabhängiger macht. Die Finanzaufsicht soll von der
Möglichkeit, den Vertrieb von schädlichen und irreführenden Finanzprodukten zu untersagen,
stärker als bisher Gebrauch machen. Überhöhte Dispozinsen und Gebühren für das Basiskonto
werden wir begrenzen.
Wir fördern die Kultur, die Künste und den Sport
Krisenfeste Strukturen für die Kultur
Kultur ist frei und muss keinen Zweck erfüllen. Sie ist gleichzeitig von zentraler Bedeutung
für die Selbstreflexion der Gesellschaft, den Zusammenhalt und die Persönlichkeitsbildung
der Einzelnen. Wir wollen, dass die Kulturlandschaft nach der Pandemie mit ihren
monatelangen Schließungen zu neuer Lebendigkeit, Vielfalt und Reichhaltigkeit findet und
Kultur und kulturelle Bildung endlich selbstverständlicher Teil der Daseinsvorsorge werden.
Eine nachhaltige (Wiederaufbau-)Strategie muss die Kommunalfinanzen als eine wichtige
Grundlage für das Kulturleben stärken, das Zuwendungsrecht reformieren, mehr Kooperationen
zwischen Bund, Ländern und Kommunen bei der Finanzierung von Kultureinrichtungen und -
projekten ermöglichen sowie einen Fonds zum Schutz von Kultureinrichtungen vor Verdrängung
und Abriss einrichten, der Kulturorte langfristig absichert. Die öffentliche Kulturförderung
soll künftig partizipativ, geschlechtergerecht, abgestimmt und nach transparenten Kriterien
angelegt sein.
Kulturschaffende und Kreative besser absichern
Die Corona-Krise zeigt, unter welch prekären Bedingungen viele Kultur- und Medienschaffende
arbeiten. Für eine vielfältige Kulturlandschaft braucht es eine Absicherung, die Freiräume
bietet und künstlerisches und kreatives Schaffen ermöglicht. Kulturschaffende sollen für die
Zeit der Corona-Krise mit einem Existenzgeld von 1.200 Euro im Monat abgesichert werden. Die
Künstlersozialkasse (KSK) muss finanziell gestärkt, Rechtssicherheit für die Mitgliedschaft
in der KSK geschaffen und die freiwillige Weiterversicherung für Selbständige in der
Arbeitslosenversicherung vereinfacht werden. Bei kulturellen Werken muss für Urheber*innen
eine angemessene Vergütung sichergestellt werden. Eine angemessene Beteiligung insbesondere
an den Gewinnen der Vertriebsplattformen sorgt dafür, dass Kultur- und Medienschaffende
weiter an ihren Werken verdienen können.
Kultur in der Gesellschaft
Aktives Kulturleben ist die Basis von demokratischen Gesellschaften. Hier findet die
Auseinandersetzung darüber statt, wie wir leben wollen. Deshalb muss die Gesellschaft in
ihrer ganzen Vielfalt im Kulturschaffen sichtbar sein. Wir wollen Kultureinrichtungen öffnen
und stärken, damit jede*r einfachen Zugang zu ihnen hat und ihre Angebote nutzen und
gestalten kann. Bestehende soziale, finanzielle oder bauliche Hürden müssen dafür abgebaut
werden, etwa durch den kostenlosen Eintritt für Schüler*innen in staatlichen Museen oder
durch die Sonntagsöffnung von öffentlichen Bibliotheken. Wir wollen gerade solche
Kulturangebote kontinuierlich und flächendeckend fördern, die die Situation und die
Bedürfnisse in ihrer Stadt oder ihrer Gemeinde mitdenken und das als ihre zentrale
Zukunftsaufgabe verstehen. In ländlichen Regionen, aber auch in urbanen Zentren sollen
Kultureinrichtungen Knotenpunkte von Begegnungen und zu sogenannten „Dritten Orten“ werden,
die auch Menschen einen Zugang zu Kultur ermöglichen, die davon bislang wenig profitieren.
Bei der Besetzung von Intendanzen, bei der Zusammensetzung von staatlich geförderten
Kulturbetrieben, bei der Vergabe von Stipendien und Werksaufträgen und bei staatlichen Jurys
wollen wir eine Quotenregelung einführen, um Geschlechtergerechtigkeit zu gewährleisten.
Zudem muss auf angemessene Repräsentanz der vielfältigen Gesellschaft geachtet werden.
Themen wie Nachhaltigkeit, Diversität und Teilhabe müssen fester Bestandteil der Ausbildung
zu Kulturberufen sein.
Den Kulturbetrieb ökologischer machen
Der Kulturbetrieb und die Künste können eine wichtige Rolle bei der Bewältigung der
Klimakrise spielen. Auch gibt es viele Initiativen und Akteur*innen, die mit viel Einsatz
versuchen, ressourcenschonender zu arbeiten und den Kulturbetrieb ökologisch auszurichten.
Wir werden das ökologische Engagement im Kulturbetrieb nachhaltig unterstützen. Dafür werden
wir einen „Green Culture Fonds“ als Förderinstrument einrichten. Antragsberechtigt sind
öffentlich geförderte Einrichtungen und Projekte sowie private Akteur*innen der Kultur- und
Kreativwirtschaft und der freien Szene. Auch beim Film sollen Förderinstitutionen und -
maßnahmen künftig klare Anreize für eine nachhaltige Produktion schaffen. Doch auch gerade
Künstler*innen geben neben Wissenschaftler*innen und Akteur*innen der Zivilgesellschaft
Impulse für die nachhaltige Transformation.
Erinnerungskultur stärken und öffnen
Erinnerungskultur trägt entscheidend zur Selbstverständigung und zum Zusammenhalt bei und
ist eine grundlegende Voraussetzung für den Schutz unserer Demokratie. Doch noch immer gibt
es Leerstellen in der Aufarbeitung der deutschen Verbrechensgeschichte. Der
Nationalsozialismus muss weiter konsequent aufgearbeitet und bisher wenig beachtete
Opfergruppen wie die sogenannten „Asozialen“, „Berufsverbrecher“ und „Euthanasie“-Opfer
sollen durch eine angemessene Entschädigung anerkannt werden. Die finanzielle Förderung von
Forschungsarbeiten, die Weiterentwicklung der pädagogischen und wissenschaftlichen Arbeit
der Gedenkstätten sowie die weitere Aufarbeitung und Rückgabe von NS-Raubkunst stehen dabei
im Mittelpunkt. Auch die DDR-Diktatur soll durch die Fortsetzung der Forschung und der
politischen Bildungsarbeit an den Außenstellen des Bundesbeauftragten für die Stasi-
Unterlagen weiter aufgearbeitet werden. Wir werden die Kontinuitäten des Kolonialismus ins
Bewusstsein rücken durch eine zentrale Erinnerungs- und Lernstätte und so eine breite
gesellschaftliche Debatte über unser koloniales Erbe fördern, die sich nicht allein auf die
Rückgabe von Kulturgütern beschränkt, sondern eine antirassistische Perspektive auf
Geschichte und Gesellschaft ermöglicht. Gleichzeitig muss sich die deutsche
Erinnerungskultur für die Erfahrungen und Geschichten der Menschen öffnen, die nach
Deutschland eingewandert sind, und das Gedenkstättenkonzept entsprechend weiterentwickelt
werden.
Ein Entwicklungsplan für den Sport
Im Sport, dem größten Träger der organisierten Zivilgesellschaft und des freiwilligen
Engagements, werden täglich demokratische Werte wie Gemeinsamkeit, Toleranz, Integration,
Inklusion, Engagement und Gesundheitsprävention gelebt und vermittelt. Damit übernimmt der
Sport eine herausragende Rolle für das gesellschaftliche Zusammenleben. Dies werden wir
fördern und bessere Rahmenbedingungen schaffen. Wir wollen Ideen und Energien bündeln und
zusammen mit den Sportverbänden, Ländern, Kommunen und der Wissenschaft einen
Entwicklungsplan Sport erarbeiten und umsetzen – ähnlich dem Goldenen Plan aus den 1960ern.
Ein besonderer Fokus muss dabei vor allem auf strukturschwachen Regionen, gerade in
Ostdeutschland, liegen, denn die Diskrepanz zwischen Ost und West ist beim Breitensport auch
30 Jahre nach der friedlichen Revolution ein Problem. Ausreichend vorhandene und
barrierefreie Sportstätten und Bewegungsräume zählen in Städten und ländlichen Räumen zur
Daseinsvorsorge, deshalb wollen wir, dass Bewegungs- und Sportflächen in der
Wohnungsbaupolitik und Quartiersplanung fest verankert und die bestehenden saniert werden.
Dazu gehören auch insbesondere Schwimmsportstätten, denn unser Anspruch ist, dass jedes Kind
schwimmen lernen kann. Das wollen wir mit einem Bundesprogramm zur Sanierung und
Instandsetzung von Schwimmstätten erreichen. Sportgroßveranstaltungen sollen klimaneutral,
sozial und nachhaltig ermöglicht werden, so dass sie auch einen bleibenden
Infrastrukturgewinn für die Bürger*innen vor Ort schaffen. Dafür braucht es eine bundesweit
einheitliche und föderal abgestimmte Gesamtstrategie, bei der von Beginn an
Bürger*innenbeteiligung Teil der Planung ist.
Spitzensport braucht Breitensport
Ein starker Breitensport braucht Vorbilder. Im Spitzen- und Profisport muss es um die
bestmögliche Förderung von Talenten gehen, nicht um den größten Gewinn für Funktionär*innen.
Deshalb wollen wir bei der Förderung des Spitzensports die Bedingungen und Perspektiven für
Leistungssportler*innen in den Mittelpunkt stellen. Bei der Doping-Prävention und im Anti-
Doping-Kampf stärken wir die NADA, und auf internationaler Ebene setzen wir uns für eine
Athlet*innenvertretung bei der WADA ein sowie dafür, dass diese künftig unabhängig vom IOC
finanziert wird. Auch Korruptionsskandale auf höchster Ebene der Sportfunktionär*innen sowie
die zunehmende Kommerzialisierung bedrohen den Spitzensport. Gerade beim Fußball gilt es den
Sport den Fans zurückzugeben. Deswegen sollen Transparenz und Good Governance auch im Sport
vorangetrieben werden. Gegen Rechtsextremismus und andere Formen gruppenbezogener
Menschenfeindlichkeit im Sport gehen wir mit einem finanziell starken Bundesprogramm vor,
das von einer unabhängigen Stelle beraten wird. Wir schützen die Bürger*innenrechte von Fans
und diese vor ausufernden Datensammlungen und Kollektivstrafen.
Wir bauen Europa weiter
Die Zukunft der EU gestalten
Wir sehen Deutschland in einer zentralen Verantwortung für den Zusammenhalt und die
Fortentwicklung der EU. Zuletzt aber wurde von Berlin aus bestenfalls verwaltet, oftmals
gebremst. Wir wollen die Europapolitik wieder aktiv gestalten – mit klarem Wertekompass,
entlang einer starken deutsch-französischen Zusammenarbeit und im Zusammenspiel mit unseren
europäischen Partner*innen. Unser Ziel ist eine EU, die zusammenhält und voranschreitet. In
manchen Bereichen kommen wir nur mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten voran, aber die
verstärkte Zusammenarbeit muss stets im Rahmen der Verträge und im Bestreben, dass sich
letztlich alle anschließen, erfolgen. In den kommenden zwei Jahren bietet die „Konferenz zur
Zukunft der EU“ eine große Chance, gemeinschaftlich mit den Bürger*innen Reformen der EU zu
entwickeln. Wir wollen sie nutzen für die nächste Phase der europäischen Integration auf dem
Weg zur Föderalen Europäischen Republik und um europäische Antworten auf die großen
Herausforderungen zu formulieren. Die Ergebnisse der Konferenz sollen im Rahmen der
europäischen Gesetzgebung bis hin zu Vertragsänderungen umgesetzt werden.
Europäisches Parlament stärken
Die Geschichte der EU ist eine Geschichte zunehmender Legitimität der europäischen
Institutionen. Unser Ziel ist, die europäische parlamentarische Demokratie zu stärken: mit
einem Parlament, das in allen Bereichen gleichberechtigt mit dem Rat entscheidet, ein
vollwertiges Initiativrecht für die Gesetzgebung und ein starkes Haushaltsrecht erhält. Es
soll die Kommission auf Vorschlag des Kommissions-Präsidenten bzw. der Kommissions-
Präsidentin wählen sowie durch ein konstruktives Misstrauensvotum entlassen können. Für die
Wahlen zum Europäischen Parlament setzen wir uns dafür ein, dass die Bürger*innen mit ihrer
Stimme für einen Spitzenkandidaten bzw. eine Spitzenkandidatin der Parteien auch die/den
nächste*n Präsident*in der EU-Kommission bestimmen. Ein Teil der Abgeordneten soll zukünftig
nicht mehr über viele nationale Listen ins Europaparlament einziehen, sondern über wirklich
europäische, transnationale Listen.
Ein europäisches Vereins- und Gemeinnützigkeitsrecht
Zum europäischen Gemeinwesen gehört das Zusammenwachsen der Zivilgesellschaften. Deshalb
setzen wir uns für ein europäisches Vereins- und Gemeinnützigkeitsrecht ein. Ein
europäischer Vereinsstatus mit klaren Regeln zu Gründung, Gemeinnützigkeit und Auflösung
würde europäische Vereine dem Schutz der EU unterstellen und nationaler Willkür entziehen.
Zudem wollen wir die Europäische Bürgerinitiative als zentrales Instrument der Teilhabe der
Bürger*innen und der Zivilgesellschaft stärken. So sollen Bürger*innen auch eine Reform der
Verträge oder die Einberufung eines Bürger*innenrates fordern können. Ist eine
Bürgerinitiative erfolgreich, sollte spätestens nach einem Jahr und einer Prüfung auf
Vereinbarkeit mit den EU-Grundrechten ein Gesetzesvorschlag folgen und im Europaparlament
eine Plenumsabstimmung über das Ziel der Initiative stattfinden.
Mit Mehrheitsentscheidungen Blockaden auflösen
Europa braucht mehr Handlungsfähigkeit, um auf Augenhöhe mit den heutigen Herausforderungen
voranzukommen. Blockaden durch einzelne Staaten in Bereichen wie der Außen- und
Sicherheitspolitik und in Steuerfragen oder auch bei Energie und Sozialem können wir uns
nicht länger leisten. Solange nationale Einzelinteressen das europäische Gemeinwohl
ausbremsen können, wird die EU keine aktivere Rolle etwa für mehr Steuergerechtigkeit oder
mehr Verantwortung für Demokratie und Menschenrechte in der Welt übernehmen können. Darum
setzen wir uns dafür ein, für alle verbleibenden Politikbereiche, in denen heute noch im
Einstimmigkeitsprinzip entschieden wird, Mehrheitsentscheidungen in Mitentscheidung des
Europäischen Parlaments einzuführen. Das ist auch deshalb wichtig, um bei weiteren
Erweiterungsrunden der EU deren Handlungsfähigkeit zu sichern. Unser langfristiges Ziel ist
es, die europäischen Institutionen zu einem Zweikammersystem weiterzuentwickeln.
Einflussnahme auf EU-Gesetzgebung transparent machen
Mehr Transparenz stärkt die europäische Demokratie und das Vertrauen der Bürger*innen in
Politik. Um nachvollziehbar zu machen, wofür die Regierungen der Mitgliedstaaten in Brüssel
eintreten, setzen wir uns für Fristen im Rahmen der Gesetzgebung ein, bis zu denen eine
öffentliche Debatte im Rat stattgefunden haben muss. Dabei müssen alle Regierungen ihre
aktuelle Position zum Vorschlag der Ratspräsidentschaft vorlegen. Auch den Zugang zu EU-
Dokumenten wollen wir substanziell weiterentwickeln. Die EU arbeitet bei
Interessensvertreter*innen bereits transparenter als der Bundestag. Wir wollen weitere
Schritte gehen – mit einem verbindlichen Lobbyregister für alle EU-Institutionen, strikteren
Karenzzeiten beim Wechsel zwischen Politik und Wirtschaft und einem „legislativen
Fußabdruck“, durch den die Einflussnahme auf Gesetzgebung überprüfbarer wird, kontrolliert
durch eine unabhängige Ethikbehörde, die Sanktionen verhängen kann.
Europäische Grundrechte einklagbar machen
Die EU ist eine Gemeinschaft der Werte und des Rechts. Wir wollen die EU-Grundrechtecharta
langfristig gegenüber den Nationalstaaten einklagbar machen, um so alle EU-Bürger*innen in
ihren Rechten zu stärken. Mit dem EU-Mechanismus für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und
Grundrechte setzen wir uns für ein stärkeres Instrument ein, um Verstöße autoritärer
Mitgliedstaaten zu sanktionieren. Aus dem jährlichen Rechtsstaatlichkeitsbericht sollen
konkrete Maßnahmen bis hin zu Vertragsverletzungsverfahren und der Nichtauszahlung von
Subventionen folgen. Kommunen und Regionen sowie Nichtregierungsorganisationen sollen dann
direkt von der EU gefördert werden. Bei den Artikel-7-Verfahren zur Rechtsstaatlichkeit
braucht es substanzielle Fortschritte. Alle Mitgliedstaaten sollen sich der Europäischen
Staatsanwaltschaft anschließen, wenn sie neue EU-Gelder erhalten wollen.
Eine öffentlich-rechtliche Medienplattform in Europa
Ein zusammenwachsendes Europa braucht eigene, öffentliche Orte, an denen seine Bürger*innen
zusammenkommen können, um sich zu informieren, zu partizipieren, sich zu unterhalten und
politisch zu diskutieren. Wenn überhaupt, kommen dafür bislang nur kommerziell betriebene,
digitale Plattformen in Frage. Als zeitgemäße Antwort setzen wir uns darum für eine
europäische, digitale Plattform in öffentlicher Hand ein. Sie bündelt europaweit qualitativ
hochwertige Inhalte – werbefrei, offen und multilingual. Unter hohen Datenschutzstandards
soll sie darüber hinaus als Kommunikationsplattform dienen. Die Grundlage bildet ein
öffentlich-rechtlicher Auftrag, sie arbeitet zusammen mit den nationalen öffentlichen
Rundfunkanstalten und frei von politischer Einflussnahme.
Europa der Kommunen und Regionen
Eine demokratische, vielfältige und bürger*innennahe EU lebt von der Stärke der Kommunen und
Regionen. Getreu dem Subsidiaritätsprinzip soll Europa da unterstützen, wo Kommunen an ihre
Grenzen stoßen – aber nicht jeden Lebensbereich regulieren. Die Wettbewerbsregeln des
Binnenmarkts dürfen Kommunen nicht zur Privatisierung öffentlicher Güter zwingen. In EU-
Handelsabkommen braucht es Ausnahmen für die kommunale Daseinsvorsorge sowie für öffentliche
und soziale Dienstleistungen. Für mehr europaweite Kooperation wollen wir
Städtepartnerschaften stärken, INTERREG-Programme für grenzüberschreitende Zusammenarbeit
ausweiten und Euregios und Eurodistrikte durch weniger Bürokratie und mehr Flexibilität
fördern. Kommunen und Regionen brauchen mehr Mitsprache auf europäischer Ebene, unter
anderem über einen gestärkten Ausschuss der Regionen. Bei Gestaltung und Vergabe von
Förderprogrammen setzen wir auf das Partnerschaftsprinzip.
weitere Antragsteller*innen
- Madeleine Henfling (KV Ilm-Kreis)
- Svenja Borgschulte (KV Berlin-Pankow)
- Werner Graf (KV Berlin-Friedrichshain/Kreuzberg)
- Canan Bayram (KV Berlin-Friedrichshain/Kreuzberg)
- June Tomiak (KV Berlin-Kreisfrei)
- Pascal Striebel (KV Berlin-Friedrichshain/Kreuzberg)
- Enad Altaweel (KV Berlin-Friedrichshain/Kreuzberg)
- Miriam Matz (KV Saalekreis)
- Karsten Finke (KV Bochum)
- Christiane Howe (KV Berlin-Tempelhof/Schöneberg)
- Claudia Schulte (KV Berlin-Friedrichshain/Kreuzberg)
- Stefan Sels (KV Berlin-Friedrichshain/Kreuzberg)
- Philipp Lang (KV Stuttgart)
- Andy Leipner (KV Berlin-Friedrichshain/Kreuzberg)
- Sarah Jermutus (KV Berlin-Friedrichshain/Kreuzberg)
- Elly Reich (KV Karlsruhe)
- Thore Hagemann (KV Berlin-Neukölln)
- Gerrit Alino Prange (KV Potsdam)
- Bahar Haghanipour (KV Berlin-Kreisfrei)
- Brigitte Kallmann (KV Berlin-Friedrichshain/Kreuzberg)
- Christopher Graf (KV Goslar)
- Larissa Gramatzki (KV Ulm)
- Johannes Mihram (KV Berlin-Mitte)
- Michael Hoffmeier (KV Eichsfeld)
- Vito Dabisch (KV Berlin-Kreisfrei)
- Tim Demisch (KV Berlin-Treptow/Köpenick)
- Timm Schulze (KV Bamberg-Stadt)
- Jasper Robeck (KV Erfurt)
- Jeanne Emilia Riedel (KV München)
- Frank Dürsch (KV München)
- Werner Heck (KV Berlin-Friedrichshain/Kreuzberg)
- Merle Spellerberg (KV Dresden)
- Tobias Stetter (KV Berlin-Friedrichshain/Kreuzberg)
- Theodoros Ioannidis (KV Berlin-Friedrichshain/Kreuzberg)
- Anne Steuernagel (KV Berlin-Neukölln)
- Svenja Hense (KV Ennepe-Ruhr)
- Achim Jooß (KV Ortenau)
- Dominik Reich (KV Berlin-Neukölln)
- Henrik Rubner (KV Berlin-Mitte)
- José-Luis Bote-Garcia (KV Berlin-Friedrichshain/Kreuzberg)
- Clemens Rostock (KV Oberhavel)
- Silvia Rothmund (KV Berlin-Friedrichshain/Kreuzberg)
- Michael Sebastian Schneiß (KV Berlin-Friedrichshain/Kreuzberg)
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