Veranstaltung: | 49. Bundesdelegiertenkonferenz Karlsruhe |
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Tagesordnungspunkt: | W-EP Wahl der Europaliste |
Antragsteller*in: | Terry Reintke (KV Gelsenkirchen) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 09.11.2023, 16:24 |
W-EP-31: Bewerbung: Terry Reintke
Bewerbungstext
Ihr Lieben,
wir leben in schwierigen Zeiten. Multiple, eng miteinander verwobene Krisen prägen unsere Zeit und brauchen unsere geeinten Kräfte:
Die Eskalation der Gewalt im Nahen Osten, der brutale Angriffskrieg in der Ukraine und die damit verbundene Energiekrise. Wachsende soziale Ungleichheit. Ein autoritärer Backlash gegen Demokratie und Grundrechte. Eine sich weiter verschärfende Klimakrise und das Artensterben.
Die Welt ist in den letzten Jahren dunkler geworden. Und oft ist es schwieriger geworden, Hoffnung zu schöpfen und positiv in die Zukunft zu blicken.
Aber gerade jetzt, gerade für diese Herausforderungen braucht es uns Grüne.
Es braucht uns Grüne, um für mehr soziale Gerechtigkeit zu streiten. Denn viele Menschen haben Angst, ob das Geld auf ihrem Konto bis zum Ende des Monats reicht. Fernfahrer kämpfen für faire Löhne, Pflegerinnen für bessere Arbeitsbedingungen, Saisonarbeiter*innen für verlässlichen Gesundheitsschutz. Sie setzen dabei auch auf die EU.
Mit der Kindergrundsicherung haben wir in Deutschland gezeigt, dass es geht. Wir können unsere Gesellschaften fairer machen. Dazu jetzt die nötigen Mehrheiten zu organisieren, ist unsere Aufgabe. Auch auf europäischer Ebene.
Die EU kann den schützenden Rahmen für starke soziale Sicherungssysteme bieten. Dabei dürfen wir Menschen nicht gegeneinander ausspielen, sondern müssen klarmachen: Gemeinsam in einer starken Europäischen Union sind wir alle am sichersten und stärksten.
Denn soziale Gerechtigkeit ist die Grundlage für demokratische Gesellschaften. Mit dem europäischen Mindestlohn und der Lohntransparenzrichtlinie haben wir gezeigt: Die EU kann sozial und gerecht.
Wir haben in den letzten Jahren viel erreicht. Die massive Mobilisierung der Klimabewegung und die grüne Welle in Teilen Europas zur Wahl 2019 haben viele Knoten gelöst und Veränderungen möglich gemacht, die davor keine Mehrheiten hatten.
Aber diese Fortschritte, der Green Deal, stehen massiv unter Druck. Die Konservativen und Liberalen verbünden sich mit Rechtsextremen, um Fortschritte im Natur- und Umweltschutz oder bei der Industrie- und Energiewende zu verwässern oder ganz zu verhindern.
Die Klimaziele zu erreichen, ist dabei längst zur Frage von zukünftiger Wettbewerbsfähigkeit und Sicherheit geworden.
Wir dürfen uns nicht noch einmal von autokratischen Regimen erpressbar machen. Im Gegenteil: Wir müssen Spitzenreiter werden in grüner Transformation, bei grüner Technologie und grüner Industrie.
Deshalb brauchen wir den Umbau unserer Industrie. Schon lange ist uns klar, dass die Industrie in Europa nur dann eine wettbewerbsfähige Zukunft haben wird, wenn sie möglichst schnell klimaneutral wird. Wenn schon in wenigen Jahren im Ruhrgebiet Grüner Stahl produziert wird, wenn unsere Unternehmen es schaffen, die klügsten Lösungen zu finden, um Emissionen und Umweltverschmutzung zu vermeiden, wenn unsere Forschung Spitze ist, um Kreislaufwirtschaft zum Laufen zu bringen, dann sind wir vorne. Dann sind wir stark. Das müssen wir jetzt aufbauen.
Aber eine kluge Industriepolitik braucht eine kluge Investitionspolitik. Eine EU, die sich kaputtspart, wird im globalen Wettbewerb nicht bestehen können. Wenn die Wirtschaft schwächelt und sich die Infrastruktur gleichzeitig in vielen europäischen Staaten in einem desolaten Zustand befindet, dann müssen wir jetzt massiv in die Zukunftsfähigkeit der Europäischen Union investieren: Von Wasserstoffpipelines über Glasfasernetze, von Bahngleisen hin zu funktionierenden Krankenhausstrukturen. Lasst uns zusammen die Infrastrukturunion Wirklichkeit werden lassen.
Europa hat eine dunkle Vergangenheit. Und es hat sich gezeigt, dass wir immer dann stark waren, wenn wir anstelle autoritären Kleinmachens auf demokratischen Aufbruch gesetzt haben.
Wir haben es geschafft, dass die Europäische Union endlich der Istanbul Konvention beigetreten ist und damit ein starkes Zeichen für den Schutz von Frauenrechten gesetzt hat. Wir haben erfolgreich dafür gesorgt, dass jetzt ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn läuft, durch das Orban und den anderen Autokraten in der EU klar gemacht wird, dass wir nicht tatenlos dabei zusehen werden, wenn LGBTI-feindliche Gesetzgebung in den Mitgliedstaaten gemacht wird.
Denn gerade versuchen Autokraten, unsere demokratischen Gesellschaften auszuhöhlen. Sie attackieren Minderheiten, verwehren Frauen Grundrechte, untergraben den Rechtsstaat und bauen die Gewaltenteilung ab. Sie wollen all das zerstören, was uns in den letzten Jahrzehnten stark und sicher gemacht hat.
Das werden wir nicht zulassen. Wir Grüne kämpfen für eine EU, die ihre Werte ernst nimmt und Demokratie und Freiheit verteidigt und weiterentwickelt.
Für all diese Herausforderungen braucht es ein starkes Europa.
Ich bin seit 2014 im Europäischen Parlament und seit einem Jahr Ko-Vorsitzende der größten Grünen Fraktion aller Zeiten.
Wir haben viel erreicht, aber es gibt noch sehr viel zu tun, um unser Europa Grüner, demokratischer und gerechter zu machen. Das ist mein Ziel.
Europäische Grüße,
Terry
- geboren am 9. Mai 1987 in Gelsenkirchen
- Studium in Berlin und Edinburgh (Diplom Politikwissenschaft)
- seit 2014 im Europäischen Parlament
- 2019-2022 stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen/EFA im Europäischen Parlament
- seit 2022 Fraktionsvorsitzende der Grünen/EFA im Europäischen Parlament
- Themenschwerpunkte: Grüne Transformation, Soziales, Rechtstaat und Demokratie