Veranstaltung: | 51. Bundesdelegiertenkonferenz Hannover |
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Tagesordnungspunkt: | V Verschiedenes |
Antragsteller*in: | Luna Möbius (KV Halle) und 159 weitere Antragsteller*innen (Frauenanteil: 51%) |
Status: | Eingereicht |
Angelegt: | 15.10.2025, 15:38 |
V-71: Antifaschismus muss praktisch werden: Mehr Ressourcen für den Kampf in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern gegen Rechtsextreme an der Macht!
Antragstext
Anders als viele Beobachter*innen geben wir diese Länder nicht auf und finden es
auch nicht hinnehmbar, wenn Politiker*innen anderer Parteien sagen, dass „die
Rechtsextremen dann eben mal regieren sollen, dann können sie sich entzaubern“:
Erstens, weil sich Rechtsextreme in Regierungen nicht entzaubern, sondern
demokratische Strukturen schleifen werden und zweitens, weil wir die Menschen in
Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern sehen, die von einer rechtsextremen
Regierung massiv drangsaliert und geschädigt werden würden; und drittens: Weil
eine Regierungsbeteiligung von Rechtsextremen auf Landesebene über den Bundesrat
und diverser anderer Gremien, wie die Fachminister*innenkonferenzen, zu einer
Destabilisierung der Entscheidungsprozesse in der gesamten Bundesrepublik führen
würde: Die Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt sind
systemrelevant für die Bundesrepublik in ihrer Gesamtheit.
Bündnis 90/Die Grünen müssen alles in ihrer Macht stehende dazu beitragen, dass
beide Bundesländer auch nach den Landtagswahlen mit stabilen Mehrheiten auf dem
Boden des Grundgesetzes regiert werden können. Dazu braucht es eine bessere
Sichtbarkeit und mehr Engagement der Gesamtpartei in und für Ostdeutschland.
Es ist noch gar nicht so lang her, da waren Bündnis 90/Die Grünen in
Ostdeutschland erfolgreich und Teil der Landesregierungen in Brandenburg,
Berlin, Thüringen, Sachsen-Anhalt und Sachsen. Wir haben die Lebensrealität
Ostdeutschlands verändert, wir haben die Interessen gesellschaftlicher
Minderheiten geschützt, Programme gegen Rechtsextremismus ausgebaut, wir haben
uns für mehr Wohlstand im Osten eingesetzt und gleichzeitig den Klima- und
Umweltschutz in den ostdeutschen Bundesländern massiv gestärkt. Zusätzlich waren
unsere Regierungsvertreter*innen im Bundesrat oft genug das Zünglein an der
Waage hin zu einer sozialeren und ökologischeren Politik für ganz Deutschland.
Ganz anders stellt sich jetzt die Situation dar: Nicht nur wir als Bündnisgrüne
haben zuletzt in Ostdeutschland Wahlen und Gestaltungsmöglichkeiten verloren,
sondern inzwischen wollen manche politische Beobachter*innen und
Entscheider*innen hinter vorgehaltener Hand ostdeutsche Bundesländer verloren
geben.
Deswegen werden wir als Partei Bündnis 90/Grüne alles in unserer Macht Stehende
tun, damit am Ende dieser Landtagswahlen demokratische Regierungsmehrheiten und
Bündnisgrüne in Fraktionsstärke in den Landtagen Mecklenburg-Vorpommern und
Sachsen-Anhalt stehen. Dazu gehört eine finanziell auskömmliche Unterstützung
der wahlkämpfenden Landesverbände und ein stärkerer Fokus auf die in Sachsen-
Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern wahlentscheidenden Themen in der Kommunikation
der Bundespartei. Zusätzlich muss vom Bundesverband eine jährliche
Strategietagung für ostdeutsche Kreisverbände zur Vernetzung und Skalierung
erfolgreicher Politikansätze ausgerichtet werden und eine solidarischere
Mittelverteilung in der Gesamtpartei verstetigt werden: Es braucht eine
Evaluation der finanziellen Mittelvergabe innerhalb der Partei, um
sicherzustellen, dass ostdeutsche Landesverbände auskömmlich ausgestattet sind.
Erstens müssen wir die zunehmende, schon heute eklatante Vermögens- und
Einkommensungleichheit in Ost und West über 35 Jahre nach der Friedlichen
Revolution mit einer größeren Dringlichkeit und Konsequenz ansprechen: Es
braucht eine Reform der Erbschaftssteuer, bei der die Einnahmen der
Erbschaftssteuer nicht nur im jeweiligen Bundesland verbleiben, sondern mit
einem neuen Verteilungsschlüssel gerecht auf die Bundesländer aufgeteilt werden.
Es kann nicht sein, dass über 90% der Erbschaftssteuereinnahmen auch nach einer
Reform allein in den westdeutschen Bundesländern anfallen. Daneben müssen wir
nicht nur unsere eigenen sozialpolitischen Projekte vertreten, sondern vor allem
auch beweisen, dass wir sie auch umsetzen können. Die enormen Herausforderungen
bei Pflege, Gesundheit, Rente und im Arbeitsmarkt verlangen in allen Parteien
nach neuen Antworten, auch bei uns. In einer Zeit, in der Union und SPD hier
offensichtlich versagen und die Sozialversicherungen massiv unter Druck sind
müssen wir zeigen, dass wir nicht nur über mehr Gerechtigkeit reden, sondern sie
auch umgesetzt bekommen, wenn es hart auf hart kommt. Umso niedriger das
Einkommen, umso stärker profitieren Menschen von funktionierenden
Sozialversicherungen und funktionierender öffentlicher Infrastruktur, das gilt
nicht nur, aber gerade auch in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern.
Zweitens müssen wir breitere Bevölkerungsgruppen ansprechen: Die aktuelle
Bundesregierung macht keine überzeugende Arbeit. Wir müssen erst recht in dieser
Zeit, in der die ehemaligen Volksparteien Union und SPD massiv an Zuspruch
verlieren und bislang fast allein Rechtsextreme davon profitieren deutlich über
das grüne Kernklientel hinaus Menschen erreichen. Wir müssen gerade in dieser
Zeit das Vertrauen neuer Bevölkerungsgruppen erkämpfen – gerade auch, aber
natürlich nicht nur von Menschen in Ostdeutschland. Dafür müssen wir die Sprache
der Menschen vor Ort und ihre spezifischen Probleme deutlicher ansprechen, damit
diese sich stärker bei uns wiederfinden, gesehen und repräsentiert fühlen
können. Wähler*innen suchen immer öfter nach Menschen, mit denen sie sich
identifizieren können. Weil wir dieses Bedürfnis ernst nehmen müssen auch wir
Identifikationsfiguren aus so unterschiedlichen Gruppen wie u.a. Ostdeutschen,
Arbeiterkindern und Menschen ohne Hochschulabschluss stärker als Partei in den
Vordergrund stellen.
Drittens müssen wir Rechtspopulismus und Rechtsextremismus anders bekämpfen als
bislang. Die AfD ist in den letzten Monaten und Jahren trotz des Dagegenhaltens
vieler Akteure stärker geworden. Die Ursachen dafür sind komplex: Einerseits
funktioniert die Brandmauer nur dann, wenn sie auch inhaltlich und nicht nur
formal gehalten wird. Andererseits haben die demokratischen Parteien es
versäumt, nicht nur Strategien gegen die AfD zu entwickeln, sondern auch die
Ursachen für deren Erstarken zu bekämpfen. Die CDU und CSU sind weiterhin dabei
den Fehler ihrer Schwesterparteien anderer Länder zu wiederholen und sich
inhaltlich der AfD anzunähern, in der Hoffnung dadurch Wähler*innen zu binden.
Die Evidenz ist hier allerdings eindeutig: Wer extreme Rechte und
Rechtspopulisten kopiert, stärkt letztlich das Original. Die AfD muss anders und
vor allem strategisch bekämpft werden. Die AfD ist eine gesichert rechtsextreme
Partei, ein AfD-Verbot ist längst überfällig, es liegt alles auf dem Tisch.
Bündnis 90/Die Grünen wird alles dafür tun, die entsprechenden Mehrheiten zu
organisieren und das AfD-Verbotsverfahren auf den Weg zu bringen, um dem
parlamentarischen Arm des Rechtsextremismus die Grundlage zu nehmen.
Ergänzend müssen wir auch die Scheinheiligkeit rechtsextremer Akteure stärker
thematisieren, die Finanzierungsströme und die Verbreitung von
Falschinformationen sehr viel konsequenter bekämpfen als bislang und auch die
inneren Widersprüche im rechtsextremen Lager stärker herauszuarbeiten. Noch
wichtiger ist eine tragfähige sozialökologische Zukunftserzählung, die nicht
belehrt, sondern Menschen emotional erreicht, wie beim Hamburger Klimaentscheid.
Viertens braucht es mehr Entscheidungsmacht in Ostdeutschland. Noch immer bleibt
das Gefühl: Der Westen entscheidet über den Osten, ohne ihn. Ostdeutsche sind
sowohl in den bundesdeutschen, als auch in den Eliten in Ostdeutschland im
Schnitt unterrepräsentiert – diese strukturelle Benachteiligung müssen wir über
gezielte Förderung von Ostdeutschen und im Bedarfsfall auch Ost-Quotierungen
aufbrechen. Daneben gilt auch: Wenn die Bundesregierung ihre Versprechen bricht
und Standorte des Bundes in Ostdeutschland wieder einkassiert, wie die DATI in
Erfurt, die Intel Fabrik in Magdeburg oder das Bundesamt zur Bekämpfung der
Finanzkriminalität in Dresden, dann verstärkt sie negative Erwartungen und
zerstört Vertrauen in gerechte Politik. Standort-Versprechen müssen eingehalten
werden.
Begründung
Autorinnen des Antrags: Madeleine Henfling, Luna Möbius, Paula Piechotta, Julia Schneider
Die Landtagswahlen 2026 werden vor allem in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt zur Richtungsentscheidung werden - erstmals seit 1945 könnte eine gesichert rechtsextreme Partei dort in Regierungsverantwortung gelangen. Als Demokrat*innen, als Bürgerrechtspartei, als Bündnispartei ist es unsere Aufgabe, alles dafür zu tun, damit dies nicht gelingen wird.