| Veranstaltung: | 51. Bundesdelegiertenkonferenz Hannover |
|---|---|
| Tagesordnungspunkt: | V Verschiedenes |
| Antragsteller*in: | Thomas Wolff (KV Berlin-Charlottenburg/Wilmersdorf) und 55 weitere Antragsteller*innen (Frauenanteil: 36%) |
| Status: | Eingereicht |
| Angelegt: | 04.10.2025, 18:52 |
V-18: Basisgeld – Bürgergeld für Alle
Antragstext
Mit über 170 verschiedenartigen Sozialleistungen bei einem Dutzend Behörden, die
meist nicht aufeinander und schon gar nicht mit Steuer- und Abgabensystem
abgestimmt sind, ist in Deutschland ein Sozialstaat entstanden, der von Experten
als Sanierungsfall eingestuft wird.
In vielen Fällen lohnt es sich nicht, mehr oder überhaupt zu arbeiten, das von
Politikeren propagierte Lohnabstandsgebot ist strukturell grob verletzt, da
verschiedene Anrechnungen auf Sozialleistungen die Einkünfte entwerten. Wenn
Betroffene sich der unwürdigen Zumutung verweigern, für effektiv unter 2€ die
Stunde arbeiten zu gehen, werden sie auch noch von konservativen Politikern der
Arbeitsverweigerung diffamiert, obwohl sie mit dieser rationalen ökonomischen
Abwägung sich im Grunde systemkonform verhalten und dafür Anerkennung verdienen
sollten.
Menschen, die unverschuldet ihre Arbeit verlieren, werden in kürzester Zeit in
die Armut gedrängt. Durch den verlangten Aufbrauch ersparter Rücklagen, bevor
sie minimale Leistung erhalten, unterliegen sie im Grunde einer Vermögensteuer
für Arme, gefordert vor Allem von konservativen Politikern, die sich gegen die
Wiedereinführung einer angemessenen Vermögensteuer hartnäckig sperren.
Allein die Komplexität des Sozialsystems, das bei jedem Reförmchen noch immer
komplizierter wird, ist ungerecht, denn normale Menschen überblicken nicht,
welche Sozialleistungen ihnen zustehen würden.
Diesem sanierungsbedürftigen Sozialstaatsmoloch wollen wir ein zukunftsfähiges
gerechtes Sozialstaatsmodell entgegensetzen, das die Menschen fair behandelt.
Das Bürgergeld soll zu einem Basisgeld für Alle erweitert werden.
Es ersetzt im Bereich „Bedürftiger“ die bedarfsbedingte Grundsicherung sowie im
Bereich der Normalverdienenden den steuerlichen Grundfreibetrag.
Dazwischen stellt es einen fließenden Übergang her und füllt damit die Einkommen
von Geringverdienenden auf.
Dieser Wandel im Sozialsystem ist aus vielfältigen Gründen notwendig:
- um die Brüche im Übergang vielfältiger sozialer Leistungen abzuschaffen,
die häufig dazu führen, dass mehr Bruttoeinkommen zu kaum mehr oder sogar
weniger Nettoeinkommen führt,
- um Arbeitsanreize zu schaffen, denn im derzeitigen System lohnt sich
Arbeit oft nicht,
- um Arbeitsmotivation nicht mehr durch familäre Leistungsanrechnung zu
zerstören,
- um eine würdige Absicherung gesellschaftlicher Teilhabe zu schaffen, deren
Bezug nicht demütigend ist,
- um die verdeckte Armut abzuschaffen, die entsteht wenn Leistungen wegen
der Kompliziertheit des Sozialsystems nicht beantragt werden,
- und um für die Mittelschicht die Drohkulisse des schnellen sozialen
Absturzes bei unverschuldetem Arbeitsverlust zu mildern.
Damit wird Teilhabe und Gerechtigkeit geschaffen.
Die über 170 verschiedenen Sozialleistungen müssen darauf untersucht werden, ob
sie im neuen gesellschaftlichen Ausgleich aufgehen, ob sie angepasst werden oder
bestehen bleiben.
Ebenso müssen Steuern, Abgaben und Leistungsvoraussetzungen aufeinander
abgestimmt werden, denn für die Menschen zählt, was unter dem Strich zur
Verfügung steht.
So entsteht anstelle des Flickwerks eines im 19. Jahrhundert verankerten
Sozialsystems ein modernes, überschaubares, gerechtes und solidarisches System
des Ausgleichs und der Teilhabe. Die Leistungen können dabei aus mehreren
Komponenten bestehen:
- einem garantierten existenzsichernden Grundbetrag für Alle,
- einer variablen Teilhabedividende, die von der volkswirtschaftlichen
Leistung abhängt,
- bedarfsabhängige Unterstützung für Wohnen oder besondere Lebenslagen.
Insoweit die Gesamtleistung den bisherigen steuerlichen Grundfreibetrag
übersteigt, kann sie auch einer Steuer unterzogen werden. In Kombination mit der
Teilhabedividende entsteht so ein solidarisches System aus Geben und Nehmen, das
gesellschaftliche Zugehörigkeit unterstreicht und es auch Menschen ohne Arbeit
ermöglicht, an steuerlichen Fördermöglichkeiten zum Beispiel für ihre
Weiterbildung teilzunehmen.
Durch die Ablösung bisheriger Basisleistungen wie Bürgergeld, Steuerfreibetrag,
BAFöG u.a. finanziert sich das Basisgeld für Alle zu einem großen Teil selbst.
Durch die Schließung von Gerechtigkeitslücken für Menschen, die bislang durch
die Maschen des komplexen Systems des Sozialstaats fallen, wird eine
Zusatzfinanzierung erforderlich.
Diese sollte weitgehend aus Steuern oder Abgaben auf Vermögensgewinne gespeist
werden, die aus der Nutzung ursprünglicher Gemeingüter entstanden sind
(Land/Baugrund, Rohstoffe).
Damit wird auch der bereits seit über 200 Jahren von Staatsphilosophen erhobenen
Forderung einer Bodendividende als Ausgleich der Privatisierung natürlicher
Allgemeinressourcen gerecht.
Durch dieses Finanzierungsprinzip wirken wir gleichzeitig der gewachsenen
Vermögensungleichheit entgegen.
Begründung
Die Begründung ergibt sich weitgehend aus dem Antragstext. Mit der Umgestaltung des Sozialstaats zu einem einheitlichen Ausgleichs-System, das zum Beispiel in Form einer negativen Einkommensteuer organisiert werden kann, wird nicht nur der grünen Vorstellung von Sozialleistungen entsprochen, die nicht stigmatisierend wirken sollen, sondern auch durchgängig finanzielle Fairness zwischen Staat und Menschen erreicht.
Der Antrag verfolgt einen konkreten Schritt in die Richtung des grünen Grundsatzprogramms, Absatz (323):
„Existenzsichernde Sozialleistungen sollen Schritt für Schritt zusammengeführt und langfristig soll die Auszahlung in das Steuersystem integriert werden. So schaffen wir einen transparenten und einfachen sozialen Ausgleich. Verdeckte Armut wird überwunden. Dabei orientieren wir uns an der Leitidee eines Bedingungslosen Grundeinkommens.“
Das Basisgeld soll so gestaltet werden, dass ein solidarisches System entsteht und an die Stelle des jetzigen Mixes aus Anspruchs- und Almosendenken tritt.
Die Gestaltung der Gegenfinanzierung wirkt gleichzeitig der „Schere zwischen Arm und Reich“ entgegen.
