Veranstaltung: | 51. Bundesdelegiertenkonferenz Hannover |
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Tagesordnungspunkt: | V Verschiedenes |
Antragsteller*in: | Beate Müller-Gemmeke (KV Reutlingen) und 122 weitere Antragsteller*innen (Frauenanteil: 49%) |
Status: | Eingereicht |
Angelegt: | 08.10.2025, 00:13 |
V-17: Strukturwandel gerecht gestalten – Demokratie stärken
Antragstext
Deutschland durchläuft tiefgreifende Umbrüche. Digitalisierung, Klimakrise,
Energie- und Mobilitätswende verändern unsere Wirtschaft und Arbeitswelt in
einem historischen Tempo. Diese Transformation ist notwendig, um unsere
Lebensgrundlagen zu erhalten, Wohlstand nachhaltig zu sichern und eine gute
Zukunft für kommende Generationen zu ermöglichen. Doch die Geschwindigkeit und
Unsicherheit des Wandels erzeugen auch Angst, Frustration und Widerstand. Wo
Menschen das Gefühl haben, dass sie auf der Strecke bleiben, wächst der Boden
für Spaltung, Wut und den Aufstieg autoritärer Kräfte.
Der Erfolg der AfD gerade in Regionen und Branchen, die besonders vom Wandel
betroffen sind, ist Ausdruck dieser Verunsicherung. Er zeigt: Wenn Politik den
sozialen Zusammenhalt nicht stärkt, gefährdet sie auch die ökologische
Transformation. Wo Abstiegsängste, Ohnmacht und Entwertungserfahrungen
überwiegen, gedeihen Misstrauen, Nationalismus und Demokratieverdrossenheit.
Wenn Menschen die Hoffnung verlieren, dass Veränderung ihr Leben verbessern
kann, gewinnen jene, die einfache, aber falsche Antworten geben.
Deshalb braucht es eine Politik, die Klimaschutz, soziale Sicherheit und
Demokratie zusammenführt. Die ökologische Transformation gelingt nur als
ökologische Sozialpolitik, wenn sie als gemeinsame Aufgabe verstanden wird – als
ein Projekt, das Gerechtigkeit, Teilhabe, gute Arbeit und soziale Sicherheit
miteinander verbindet. Sie braucht Anerkennung für die Arbeit derer, die sie
tragen. Sie braucht Mitbestimmung, Solidarität und Verlässlichkeit. Und sie
braucht eine Sprache der Zuversicht, die den Mut zum Wandel mit dem Versprechen
von Gerechtigkeit verbindet.
Die sozial-ökologische Transformation darf keine Frage von Gewinnern und
Verlierern sein. Klimaschutz, Digitalisierung und Strukturwandel müssen sozial
flankiert werden – mit gezielten Investitionen, Ausgleichsmechanismen und fairen
Übergängen. Jede Maßnahme für Klimaneutralität braucht ein soziales Fundament:
gute Löhne, bezahlbare Energie, sichere Arbeitsplätze. Nur wenn beides
zusammengedacht wird, entsteht Vertrauen in den Wandel.
Verlässliche Arbeit ist die Grundlage für gesellschaftlichen Zusammenhalt. Wir
wollen die Tarifbindung stärken, einen wirklich armutsfesten Mindestlohn und
gute Arbeitsbedingungen in allen Branchen. Arbeit darf nicht krank machen – sie
muss Sicherheit und Würde bieten. Gute Arbeit ist die soziale Basis jeder
erfolgreichen Transformation.
Demokratie lebt von Mitbestimmung – auch im Betrieb. Beschäftigte müssen in
Veränderungsprozesse einbezogen werden – in Unternehmen, Verwaltungen und
öffentlichen Einrichtungen. Wo Menschen mitreden, mitentscheiden und gestalten
können, sind sie weniger anfällig für autoritäre Versuchungen. Wir wollen die
betriebliche und unternehmerische Mitbestimmung deutlich stärken und sie auf die
Herausforderungen des sozial-ökologischen Wandels ausrichten. Beschäftigte
sollen bei Fragen von Investitionen, Produktionsweisen und Geschäftsmodellen
stärker beteiligt werden. Denn nachhaltige Entscheidungen entstehen dort, wo
Verantwortung geteilt wird – für gute Arbeit, für das Klima und für die Zukunft
unseres Landes.
Der Wandel kann nur gelingen, wenn er Sicherheit bietet. Wir wollen einen
verbindlichen Transformationsfonds, eine Qualifizierungsoffensive mit einem
Anspruch auf Mitbestimmung, Schutz bei Arbeitsplatzverlust und gezielte
Förderung für Regionen im Strukturwandel. Wer sich auf Veränderung einlässt,
muss wissen: Niemand wird im Stich gelassen. Dazu gehört auch ein verlässliches
soziales Netz, das Menschen in allen Lebenslagen schützt – bei Arbeitslosigkeit,
Krankheit und Pflege. Der Sozialstaat muss Halt geben, wenn Biografien brüchig
werden, und Chancen eröffnen, wenn Neues beginnt. So entsteht Vertrauen in
Veränderung – weil klar ist: Die Gesellschaft steht zusammen, auch wenn es
schwierig wird.
Eine gerechte Transformation braucht auch eine gerechte Finanzierung. Wer über
große Vermögen, hohe Erbschaften oder besonders hohe Einkommen verfügt, kann und
soll stärker zum Gemeinwohl beitragen. Starke Schultern tragen mehr
Verantwortung – aus Solidarität und im Bewusstsein, dass Zukunft nur gemeinsam
gelingt. Wir wollen steuerliche Spielräume nutzen, um gezielt in soziale
Sicherheit, Infrastruktur und den klimaneutralen Umbau unserer Wirtschaft zu
investieren. Diese Mittel sollen vor allem dort wirken, wo Wandel soziale
Risiken schafft – damit Klimaschutz, sozialer Ausgleich und Zusammenhalt Hand in
Hand gehen.
Die ökologische und soziale Erneuerung braucht starke Bündnisse: zwischen
Gewerkschaften, Klimabewegung, Sozialverbänden, Wissenschaft und Politik.
Gemeinsam müssen wir zeigen, dass Klimaschutz Arbeitsplätze sichern, Regionen
stärken und Perspektiven schaffen kann. Diese Allianzen sind die Antwort auf
Spaltung und Populismus – sie verbinden ökologisches Handeln mit sozialer
Gerechtigkeit und Demokratie.
Die Transformation gelingt nur, wenn die Gesellschaft jene anerkennt, die sie
tragen – in Produktion, Pflege, Handwerk, Verwaltung, Bildung, Dienstleistung.
Diese Arbeit verdient Respekt, faire Löhne und gesellschaftliche Wertschätzung.
Wir wollen sichtbar machen, was oft übersehen wird: Ohne die Arbeit dieser
Menschen gibt es keine Klimaneutralität und keinen Zusammenhalt.
Demokratie braucht Orte der Begegnung, des Dialogs und der Bildung. Wir wollen
politische Bildung, Aufklärung über Desinformation und neue Beteiligungsprojekte
in Betrieben, Schulen und Kommunen fördern. Wer versteht, was Wandel bedeutet
und wie man ihn mitgestalten kann, wird nicht zur Zielscheibe rechter Hetze.
Demokratie ist lernbar – und sie beginnt im Alltag.
Gesellschaftlicher Zusammenhalt entsteht dort, wo Menschen sich begegnen,
Verantwortung übernehmen und füreinander einstehen. Wir wollen Programme
fördern, die Dialog, Respekt, Gleichstellung und Vielfalt in Betrieben und
Verwaltungen stärken - weil diese gerade unter Druck stehen. Soziale Nähe und
gegenseitige Anerkennung sind die stärkste Antwort auf Hass und Spaltung.
Politik muss ermutigen. Es geht nicht nur darum, was wir verändern, sondern auch
darum, wie wir darüber sprechen. Sprache kann verbinden oder spalten – sie kann
Ängste schüren oder Vertrauen schaffen. Den Zwängen neuer Medien und den
populistischen Strömungen unserer Zeit dürfen wir keinen weiteren Raum geben.
Wir wollen eine Sprache der Zuversicht: ehrlich über Herausforderungen, klar
über Ziele und respektvoll im Ton. Menschen müssen spüren, dass Politik ihnen
zuhört, ihre Lebenswirklichkeit ernst nimmt und erklärt, warum Veränderung
notwendig ist – und wie sie gelingt.
Begründung
GewerkschaftsGrün steht seit Jahren für einen Wandel, der Arbeit, Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit zusammenführt. Der Antrag greift zentrale Diskussionen unserer Jahrestagung auf und zeigt, was uns leitet: soziale Sicherheit, gute Arbeit, Solidarität, Demokratie und ökologische Verantwortung gehören zusammen. Gerade in Zeiten von Rechtsruck und Verunsicherung bleibt klar: Wir bleiben dran – für eine Transformation, die gerecht ist, Vertrauen stärkt und Menschen Halt gibt.
weitere Antragsteller*innen
Änderungsanträge
- V-17-072 (Carolin Astrid Renner (KV Görlitz), Eingereicht)