| Veranstaltung: | 51. Bundesdelegiertenkonferenz Hannover |
|---|---|
| Tagesordnungspunkt: | V Verschiedenes |
| Antragsteller*in: | Alexandra Geese (KV Bonn) und 69 weitere Antragsteller*innen (Frauenanteil: 46%) |
| Status: | Eingereicht |
| Angelegt: | 15.10.2025, 14:18 |
V-41: Demokratie beleben: Internet befreien, Souveränität schaffen, Medien stärken
Antragstext
Die Tech‑Oligarchen haben eine unheilige Allianz mit der Trump‑Regierung
geschmiedet. Ihr Ziel ist es, nicht nur die USA zu einem autoritären Staat
umzugestalten, sondern auch in Europa demokratische Parteien durch
rechtsextreme, Trump‑freundliche Kräfte zu ersetzen. Besonders bedrohlich wird
dieser Plan, weil Trumps und Putins Ziele hier übereinstimmen und die
Tech‑Unternehmen über soziale Netzwerke die öffentliche Meinung in Europa stark
beeinflussen. Gleichzeitig ist Europa im digitalen Bereich von den USA abhängig:
80 % unserer digitalen Dienste stammen von US‑Firmen, die den Anweisungen ihrer
Regierung folgen müssen. Diese Abhängigkeit gefährdet sowohl unsere Demokratie
als auch unsere Wirtschaft. Jetzt muss Europa diese Gefahr in eine Chance
verwandeln und eine digitale Welt aufbauen, die im Dienst einer demokratischen
Gesellschaft steht. Dafür fordern wir wir folgende Maßnahmen:
- Algorithmen umgestalten – Nutzer*innen entscheiden, was sie sehen! Das von
Google, Meta, X und TikTok dominierte Internet steuert die öffentliche
Meinung im Interesse einiger Tech‑Milliardäre sowie der chinesischen und
US‑Regierungen. Tech‑Oligarchen wie Elon Musk und Mark Zuckerberg
entscheiden mit ihren Algorithmen, wessen Meinung Millionen von Menschen
angezeigt und wessen Meinung unsichtbar gemacht wird. Dabei gilt: Je
wütender, desto besser. Empörender Content wie Hass und Desinformation
wird bevorzugt, während die Sichtbarkeit von progressiven Parteien und
seriösen Medien unterdrückt wird. Eine Studie von Global Witness während
des Bundestagswahlkampfs zeigte, dass neu registrierte
TikTok‑Nutzer*innen, die gleichmäßig Accounts von AfD, CDU, SPD und Grünen
folgten, zu 78 % AfD‑Content in ihrer Timeline erhielten; bei X lag der
Anteil bei 64 %. Elon Musk, Marc Zuckerberg und Co. zwingen ihnen solche
Inhalte auf. Diese Meinungsdiktatur muss beendet werden! Menschen sollen
im Internet das sehen, was sie bewusst selbst auswählen. Algorithmen, die
Desinformation, Hass und Gewalt höhere Reichweite verschaffen als jenen
journalistisch arbeitenden Medien, sind mit unserer Demokratie nicht
vereinbar. Dank des europäischen Digital Services Act kann die Europäische
Kommission bei systemischem Risiko für den öffentlichen Diskurs und
Wahlen, sowie für die Medien- und Meinungsfreiheit Änderungen der
Algorithmen durchsetzen. Das muss sie jetzt tun.
- Unabhängige soziale Netzwerke
Aktuell entstehen neue Modelle unabhängiger, offener sozialer Netzwerke,
die auf ein Geschäftsmodell ohne Datenprofile, problematische Algorithmen
und Kontrolle durch Milliardäre setzen. Ob Fediverse oder AT-Protokoll:
Wir wollen gute Rahmenbedingungen für solche Plattformen schaffen, die
Europäer*innen Raum für einen freien, demokratischen Austausch bieten und
Medien Sichtbarkeit verschaffen.
- Freie Bahn für Innovation
Der Digital Markets Act verhindert, dass Gatekeeper ihre Datenmacht gegen
andere Unternehmen einsetzen. Er ist ein wichtiges Instrument, um fairen
Wettbewerb wiederherzustellen. Doch die Europäische Kommission wendet ihn
nur punktuell an. Wir fordern eine konsequente Durchsetzung und den Schutz
aller Unternehmen vor den Monopolpraktiken der Gatekeeper. Innovation
entsteht durch Freiheit, nicht wenn Monopole sie im Keim ersticken.
- Google zerschlagen – Ende des Monopols im Online‑Werbemarkt
Der globale Online‑Werbemarkt wird zu großen Teilen von Google
kontrolliert. Google hat ein Monopol auf Angebot‑ und Nachfrageseite
aufgebaut, das Verlegern, Werbetreibenden und insbesondere Bürger*innen
sowie der Demokratie schadet. Dieses System führt zur chronischen
Unterfinanzierung der Medien, weil traditionelle Werbeeinnahmen zunehmend
an Google fließen und immer weniger Erträge bei den Verlegern bleiben. Die
EU‑Kommission hat bereits ein Verfahren eingeleitet. Dieses Verfahren muss
mit strukturellen Maßnahmen, d.h. mit dem Verkauf von Unternehmensteilen
enden. Langfristig braucht Europa Werbesysteme, die dafür sorgen, dass
Einnahmen an denjenigen gehen, die die Inhalte produzieren, anstatt an
Konzerne, die Daten sammeln.
- Medien stärken
Die größte Gefahr für die Medienfreiheit in Europa ist die
Unterfinanzierung. Google bedroht die finanzielle Unabhängigkeit von
Medien zusätzlich durch KI‑Tools wie AI Mode und AI Overview, die zu einem
dramatischen Rückgang der Besucherzahlen der Seiten von Qualitätsmedien im
Internet führen. Ohne wirksamen Urheberrechtsschutz und Plattformen, die
Qualität belohnen und faire Geschäftsmodelle bieten, wird es in wenigen
Jahren kaum noch unabhängige Medien geben, die nach journalistischen
Standards arbeiten. Wir schützen das freie Web und das Urheberrecht, damit
Medien angemessene Einnahmen erzielen können.
- Offene Web‑Dateninfrastruktur
Für digitale Souveränität und Informationsfreiheit ist eine offene
europäische Web‑Dateninfrastruktur unverzichtbar – ein Katalog aller im
Internet verfügbaren Informationen und Dokumente. Sie bildet die Basis für
vielfältige, souveräne Digitalinnovationen, etwa Suchmaschinen und
KI‑Anwendungen. Europa muss jetzt die Weichen stellen, um den Aufbau und
Betrieb einer solchen Infrastruktur im Einklang mit europäischen Werten
und Regeln zu ermöglichen. Unsere digitale Zukunft darf nicht in den
Händen einzelner Konzerne liegen, sondern muss allen zugänglich sein.
Derzeit ist der Zugang zu Wissen bereits durch intransparente KI‑Chatbots
und Angriffe auf Forschungseinrichtungen gefährdet.
- Digitale Souveränität
Europa muss digital erwachsen werden. Wir benötigen eine eigenständige
digitale Infrastruktur: Chips, Supercomputer, Rechenzentren und
datenschutzfreundliche KI‑Anwendungen. Europa verfügt über Talent,
exzellente Universitäten und starke Unternehmen. Jetzt gilt es,
politischen Willen zu zeigen und sowohl private als auch öffentliche
Finanzierung sicherzustellen. Ein erster wichtiger Schritt ist die Reform
der Vergaberichtlinie, damit mit öffentlichen Mitteln europäische Firmen
gestärkt werden, die unsere Gesetze einhalten und Wertschöpfung vor Ort
schaffen. So bauen wir Kompetenz und Kapazitäten auf, reduzieren
Abhängigkeiten, stärken die heimische Wirtschaft und schützen die Daten
der Bürger*innen vor Missbrauch. Dazu unterstützen wir den Eurostack.
- Eine europäische Cloud-und AI-Infrastruktur
Im kommenden europäischen Cloud‑and‑AI‑Development‑Act muss eine klare
Definition von Souveränität für den Cloud‑Sektor festgelegt werden.
Souveränität über Daten in der Cloud bedeutet unter anderem, dass keine
ausländische Regierung Zugriff hat, europäische Unternehmen profitieren,
Kompetenz in Europa aufgebaut wird und die Beschaffung diversifiziert ist.
„Souveränitäts‑Washing“ durch komplexe Vertragskonstrukte, die uns noch
tiefer in die Abhängigkeit treiben, muss durch eindeutige Definitionen
ausgeschlossen werden. Sensible Daten wie beispielsweise Gesundheits‑ oder
Verteidigungsinformationen müssen von europäischen Unternehmen gespeichert
und verarbeitet werden, um höchste Sicherheits‑ und Datenschutzstandards
zu gewährleisten.
- Schluss mit der steuerlichen Benachteiligung europäischer Unternehmen
Es kann nicht sein, dass lokale Buchhändler mehr Steuern zahlen als
Amazon. Heute zahlen US‑Tech‑Giganten weniger als die Hälfte der Steuern,
die europäische Unternehmen entrichten. Wer in Europa Gewinne
erwirtschaftet, muss gleich behandelt werden. Sollte die USA die im Rahmen
der OECD erzielte Regelung weiterhin nicht ratifizieren, muss Europa
selbst entschieden vorangehen.
- Internationales Bündnis für eine freie digitale Welt
Europa muss jetzt eine Führungsrolle übernehmen und eine Koalition mit
Brasilien, Kanada, Taiwan, Südkorea, Australien, Indien, Mexiko und vielen
weiteren Ländern bilden, um gemeinsam gute Regeln für den digitalen Raum
durchzusetzen und eine von monopolistischen Unternehmen unabhängige
Tech‑Landschaft aufzubauen. Offene Standards, Open‑Source‑Software, eine
leistungsfähige Chip‑Industrie, demokratische KI im Dienst der Menschen
und nicht der Oligarchen sowie Schutz vor ausländischer Einflussnahme und
illegalen Aktivitäten – all das lässt sich erreichen, wenn demokratische
Staaten solidarisch zusammenarbeiten und sich nicht von Trumps Erpressung
einschüchtern lassen. Ein Zusammenschluss von Ländern mit offenen
digitalen Systemen und klarer Regulierung kann Demokratie und Freiheit
gegen die globalen Herrschaftsansprüche amerikanischer und chinesischer
Techno‑Autokratien verteidigen.
