Veranstaltung: | 51. Bundesdelegiertenkonferenz Hannover |
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Tagesordnungspunkt: | V Verschiedenes |
Antragsteller*in: | Peter May (KV Sankt Wendel) und 59 weitere Antragsteller*innen (Frauenanteil: 45%) |
Status: | Eingereicht |
Angelegt: | 11.10.2025, 19:49 |
V-38: Frieden im Sudan schaffen, Hilfe in größter humanitärer Katastrophe sichern
Antragstext
Im Sudan herrscht zurzeit die weltweit größte humanitäre Katastrophe. Der
Machtkampf der Kriegsparteien mit den Rapid Support Forces (RSF) unter Hemedti
und der sudanesischen Armee (SAF) unter al-Burhan als den wichtigsten Akteuren
hat bisher mehr als 150.000 Menschenleben gefordert. Weitere Länder befeuern mit
Waffenlieferungen und politischer Unterstützung der verschiedenen Kriegsparteien
den Krieg und Terror, u.a. die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), Saudi-
Arabien, die Türkei und Ägypten.
Mehr als 14 Millionen wurden vertrieben, als Binnenflüchtlinge im Land und in
die angrenzenden Nachbarländer. Plünderungen, Brandschatzungen und
Vergewaltigungen sind an der Tagesordnung. Durch gezielte Blockaden – aktuell EL
Fasher in Darfur – werden absichtlich humanitäre Hilfe und
Nahrungsmittellieferungen verhindert, Hunger wird als Waffe eingesetzt.
Starke Meinungsverschiedenheiten zwischen den USA, Saudi-Arabien, Ägypten und
den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) (Quad-Gruppe) führten dazu, dass die
USA ein für Ende Juli 2025 geplantes Treffen absagen mussten. Bereits am 12.
September vereinbarte die Quad-Gruppe einen neuen Fahrplan zur Beendigung des
Bürgerkriegs im Sudan.
Was macht Deutschland und Europa? Sofortiges Handeln ist unerlässlich! Wir
fordern die Regierungen auf, den Sudankrieg ganz oben auf die politische Agenda
zu setzen.
1. Eine Einflussnahme der Bundesregierung und der EU-Kommission auf die Staaten
und Regierungen, die jeweiligen Konfliktparteien nicht länger durch
Waffenlieferungen, Nachschub und Wirtschaftsbeziehungen zu unterstützen und
damit die Fortsetzung des Kriegs erst ermöglichen. Dies sind vornehmlich
Ägypten, Saudi-Arabien, Vereinigte Arabische Emirate (VAE) und die Türkei,
Aufforderung der Bundesregierung, bilaterale Gesprächskanäle hierzu zu nutzen
und im Rahmen der EU Einfluss zu nehmen um einen Stopp von Waffenlieferungen aus
EU Ländern inklusive laufender Verträge durchzusetzen.
Die EU Kommission verhandelt mit den VAE ein Freihandelsabkommen. Die VAE sind
Hauptunterstützer der RFS (Rapid Support Forces). Dabei geht es klar um das
Interesse, die Goldressourcen und andere seltene Mineralien, insbesondere in
Darfur, auszubeuten. Die Forderung nach einem Stopp von Waffenlieferungen und
Konfliktbeilegung muss in die Verhandlungen eingebracht und zur Bedingung eines
erfolgreichen Abschlusses gemacht werden. Sie sind dabei in den größeren
Zusammenhang mit der Achtung der Menschenrechte und Konfliktbeilegung zu
stellen.
2. Die Aufforderung an die Bundesregierung und die EU-Kommission, geltende
Sanktionen gegen Firmen und Personen insbesondere aus den VAE, die die RSF durch
Lieferung von Fahrzeugen, Waffen u.a. zu unterstützen bzw. die Ausbeutung und
den Handel mit der Konfliktressource Gold betreiben zu überprüfen und auf der
Basis neuer Erkenntnisse zu erweitern.
3. Die Aufforderung an die Bundesregierung, die für die Überprüfung der Herkunft
von Konfliktrohstoffen zuständige BGR (Bundesanstalt für Geowissenschaften und
Rohstoffe) anzuweisen, ein besonderes Augenmerk auf Goldlieferungen zu richten.
Deutschland bezieht den Großteil seines Goldes über die Schweiz, in der keine
gesetzlichen Regeln zur Herkunftsbestimmung bestehen. Hier muss in
Zusammenarbeit mit den Schweizer Behörden sichergestellt werden, dass kein
“gewaschenes Konflikt-Gold” aus dem Sudan nach Deutschland gelangt.
4. Deutschland ist einer der größten Geber von EZ (Entwicklungszusammenarbeit)
und Humanitärer Hilfe für den Sudan, spielt aber bei der Konfliktbearbeitung und
auch der Koordinierung der Hilfe für die Bevölkerung keine entscheidende Rolle.
Gleiches gilt für die EU.
B90/Die Grünen fordern daher eine Rolle der EU und von Deutschland im QUAD
Prozess und eine führende Rolle von Deutschland bei der Koordinierung von EZ und
Humanitärer Hilfe. Dafür braucht es personelle Verstärkung in der Botschaft, im
Auswärtigen Amt und Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung.
5. Eine Steigerung der Humanitären Hilfe für den Sudan und die gesamte
betroffene Region (Flüchtlingslager sind teilweise auch in den Nachbarländern).
Die aktuell vorgesehenen Kürzungen im Haushalt sind völlig kontraproduktiv. Für
die Abwicklung der Hilfsleistungen sind insbesondere die VN und
zivilgesellschaftliche Organisationen einzubeziehen.
7. Wir fordern Deutschland und die EU auf, gemeinsam mit der Quad-Gruppe, die
sudanesischen Akteure und dabei vor allem die sudanesische Zivilbevölkerung
dabei zu unterstützen, einen Friedensplan zu entwickeln, der die Interessen
aller Parteien und Kriegsparteien gleichermaßen berücksichtigt. Kreativität ist
gefragt. Frauen und junge Menschen bzw. deren Vertreter*innen, die die Treiber
der Proteste 2018 waren, gehören als Garanten für friedliche Veränderung mit an
den Verhandlungstisch.
Begründung
Der Krieg im Sudan ist aktuell die weltweit größte humanitäre Katastrophe, ist aber fast weltweit „unter dem Radar“ der Wahrnehmung und wird von den beiden anderen großen Kriegen (Nahost und Ukraine) in der Wahrnehmung völlig überlagert. Ein vermittelndes Eingreifen u.a. der deutschen Regierung ist dringend erforderlich.
Hintergründe:
Nach der Unabhängigkeit
Seit der Unabhängigkeit des Sudan 1956 werden die internen Konflikte und Kriege entlang dreier großer Konfliktlinien ausgetragen: Im ersten Konflikt stehen sich auf der einen Seite die Kräfte des Regimes, das von der „Islamischen Bewegung“ und dem Militär getragen wird, und auf der anderen Seite die traditionellen politischen Eliten sowie zivilgesellschaftliche und demokratische Akteure gegenüber.
Die zweite Konfliktlinie verläuft zwischen den Eliten in Khartum und den Regionen des Landes. Besonders Darfur, Süd-Kordofan (Nubaberge) sowie der Süd- und der Ostsudan sind von der extremen ökonomischen und politischen Benachteiligung und Marginalisierung betroffen.
Der dritte Konflikt besteht zwischen den besitzenden Schichten und der großen Mehrheit der Bevölkerung. Dort wird der Zentrum-Peripherie-Konflikt von vielfältigen Landnutzungskonflikten zwischen viehzüchtenden Nomaden und sesshaften Ackerbauern überlagert, die sich infolge langer Dürreperioden und zunehmender Desertifikation seit Mitte der 1980er Jahre massiv verschärft haben. Die politische und sozio-ökonomische Ausgrenzung breiter Bevölkerungsgruppen wird durch die Auswirkungen des globalen Klimawandels noch zusätzlich verschärft.
In den drei Konflikten geht es um die Teilhabe an den wirtschaftlichen Ressourcen des Landes.
(zitiert nach Quelle: https://www.bpb.de/themen/kriege-konflikte/dossier-kriege-konflikte/54699/sudan/)
Khartum-Prozess
Im November 2014 wurde der "Khartum-Prozess“, genauer gesagt die "Migrationsrouten-Initiative EU-Horn von Afrika“, als Reaktion auf die zunehmende Migration aus der Region am Horn von Afrika ins Leben gerufen. Konkret wurden Projekte in Bereichen wie Strafverfolgung, Grenzsicherheit und Schutz von Migrant*innen umgesetzt. Menschenrechtsorganisationen sahen die Kooperation zwischen Brüssel und Khartum kritisch. Denn mit ihrer Migrationspolitik soll die EU indirekt die Rapid Support Forces (RSF) unterstützt haben.
Sturz Omar al-Bashir
Ab Dezember 2018 kam es dann zu landesweiten Demonstrationen, zunächst gegen eine drastische Erhöhung der Lebensmittelpreise und gegen Korruption, dann aber zunehmend gegen den autoritär herrschenden Präsidenten Omar al-Baschir. Die RSF und die Generäle der SAF griffen die Forderungen der Demonstrierenden auf und stürzten den Präsidenten am 11. April 2019.
Übergangsregierung
Beide Gruppen bildeten anschließend den Militärischen Übergangsrat.
Im Juni 2019 kam es zu weiteren Protesten und die Demonstrierenden drängten auf die Errichtung einer vollständig zivilen Regierung. Die Proteste in Khartum werden v.a. von der RSF gewaltsam niedergeschlagen. Im Juli 2019 wurde dann eine Vereinbarung zur Einsetzung eines zivil geführten Übergangsrats getroffen. Diese Entwicklung führte zur Bildung des Souveränitätsübergangsrates, der sich sowohl aus zivilen als auch militärischen Führungskräften zusammensetzte und dessen Hauptaufgabe darin bestand, den Übergang zu einer demokratischen, zivil geführten Regierung zu ermöglichen.
Im Oktober 2019 begannen Verhandlungen in Juba und am 3. Oktober 2020 wurde ein umfangreiches Abkommen geschlossen. Es diente der Änderung der sudanesischen Verfassung aus dem Jahr 2019. Insbesondere sollte die Machtverteilung zwischen der Zivilregierung und der Herrschaft des Militärs geregelt werden. Es sollte außerdem dem Krieg in Darfur und anderen Regionen Sudans ein Ende setzen.
Allen regionalen Kräften wurde eine Beteiligung an der künftigen sudanesischen Regierung und an verfassungsgebenden Prozessen zugesprochen.
Schwächen des Abkommens
Der Friedensprozess von Juba unterminierte von Anfang an demokratische Prozesse. Die Übergangsregierung sicherte den bewaffneten Gruppen zu, dass ein Übergangsparlament so lange nicht einberufen werde, wie die Verhandlungen liefen. Differenzen innerhalb der Forces of Freedom and Change (FFC) blockierten zudem nach dem Friedensabschluss die Bildung des Übergangsparlaments, das einen Gegenpol zum Sicherheitssektor hätte bilden können.
Die zwei wichtigsten Rebellengruppen die Sudan Liberation Movement (SLM-AW) unter Abdelwahid al-Nur und SPLM-Nord (al-Hilu) unter Abdel-Aziz Al-Hilu haben das Abkommen nicht unterschrieben Die Unterzeichner repräsentieren daher nur einen Bruchteil der Bevölkerung; einige marginalisierte Gruppen waren nicht an den Verhandlungen beteiligt. Die Ursachen der Spannungen wurden nicht ausreichend behandelt und die im Abkommen festgelegten Sicherheitsmaßnahmen waren unzureichend, denn in Darfur gingen die Kriegshandlungen weiter.
Anstatt die Macht vollständig an die zivile Regierung zu übertragen, putschte im Oktober 2021 das Militär unter Führung von al-Burhan erneut, setzte den zivilen Interimspremierminister Abdalla Hamdok ab und bildete den Übergangsrat ohne zivile Beteiligung neu. Über die Zeit verschärften sich die Machtkämpfe der beiden Generäle der RSF und der SAF. Zentral war dabei die Frage, auf welche Weise die RSF in die sudanesische Armee integriert werden sollten.
Sudankrieg Chronologie 2023- September 2025
Der Konflikt eskalierte und am 15. April 2023 brechen in Khartum und Darfur zwischen der SAF und der RSF heftige Kämpfe aus, bei denen wichtige Orte wie der Präsidentenpalast und der Flughafen eingenommen werden.
25. April 2023: Eine von den USA und Saudi-Arabien vermittelte 72-stündige Waffenruhe wird versucht, scheitert jedoch schnell, und auch nachfolgende Waffenruhen erweisen sich als unwirksam.
15. Juni 2023: Die RSF erobert El Geneina, die Hauptstadt von West-Darfur.
September 2024: Die SAF startet ihren größten Angriff auf Stellungen der RSF in Khartum seit Monaten.
Januar 2025: Die USA beschuldigen die RSF, in Darfur Völkermord begangen zu haben, und verhängen Sanktionen gegen den RSF-Anführer.
Im März 2025 gewannen die SAF die vollständige Kontrolle über Khartum zurück.
Die SAF behauptet, die letzten RSF-Hochburgen in Khartum gesäubert zu haben, und beginnt mit der Umsetzung von Plänen für eine gewählte Zivilregierung.
Im Sudan spitzt sich die humanitäre Krise 2025 zu, insbesondere in Darfur und Al-Fashir.
Friedensverhandlungen
Zwischen Mai 2023 und Dezember 2024 gab es insgesamt sieben bedeutendere Friedensverhandlungen, darunter die Jeddah-Verhandlungen (Mai - November 2023), die Manama-Verhandlungen (Januar 2024) und die zwei Genfer Gesprächsrunden (Juli und August 2024). Sie blieben aber alle ohne Ergebnisse und sind gescheitert.
Warum?
Ein wichtiger Grund war die mangelnde Bereitschaft der Kriegsparteien, eine Lösung zu finden.
Weitere Gründe:
- Die militärische und wirtschaftliche Unterstützung durch ausländische Akteure konnte nicht beendet werden.
- Die Vermittlung erfolgte durch nicht neutrale Akteure.
- Die Verhandlungen konzentrierten sich überwiegend auf die Reduzierung des Konflikts und die Beendigung des Machtkampfs zwischen den 2 Generälen.
- Die Vermittler übten zu wenig Druck auf die Kriegsparteien aus.
Damit zukünftige Initiativen mehr Erfolg haben, müssen die oben genannten Gründe durch eine stärkere Einbindung aller relevanten Akteure und durch eine bessere Koordination und Transparenz in den Verhandlungen berücksichtigt werden.
Quad-Friedensinitiative
Starke Meinungsverschiedenheiten zwischen den USA, Saudi-Arabien, Ägypten und den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) (Quad-Gruppe) führten dazu, dass die USA ein für Ende Juli 2025 geplantes Treffen absagen mussten. Bereits am 12. September vereinbarte die Quad-Gruppe einen neuen Fahrplan zur Beendigung des Bürgerkriegs im Sudan. In der gemeinsamen Erklärung wird ein sofortiger dreimonatiger humanitärer Waffenstillstand vorgeschlagen. Anschließend soll ein neunmonatiger politischer Prozess unter den Sudanesen folgen, um eine zivile Übergangsregierung zu wählen. Die zentrale Erklärung lautet: “Über die künftige Regierungsform entscheidet das sudanesische Volk in einem inklusiven und transparenten Übergangsprozess, der nicht von einer der Konfliktparteien kontrolliert wird“.
Ob jedoch die 2 Hauptakteure des Krieges, SAF und RSF, der Roadmap zustimmen bleibt fraglich.
Während der Generalversammlung der Vereinten Nationen in New York am 24. September berief die Afrikanische Union (AU), die Europäische Union (EU), Frankreich, Deutschland und das Vereinigte Königreich mit regionalen und internationalen Akteuren ein Ministertreffen ein, um die Lage im Sudan zu erörtern. Es wurden Bemühungen zur Koordination von Deeskalationsmaßnahmen und zum Schutz der Zivilbevölkerung besprochen.
Der Quad-Vorschlag wurde von der Runde ausdrücklich begrüßt.
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Die Antragsteller*innen regen an, den Antrag unter dem Punkt A Außenpolitik zu behandeln.