| Veranstaltung: | 51. Bundesdelegiertenkonferenz Hannover |
|---|---|
| Tagesordnungspunkt: | A Außenpolitik: Ukraine und Naher Osten |
| Antragsteller*in: | David Baltzer (KV Berlin-Kreisfrei) und 52 weitere Antragsteller*innen (Frauenanteil: 36%) |
| Status: | Eingereicht |
| Angelegt: | 13.10.2025, 23:38 |
A-07: Für eine Nahostpolitik, die unserer historischen und völkerrechtlichen Verantwortung gerecht wird
Antragstext
Wir haben uns in unserem Grundgesetz verpflichtet „dem Frieden der Welt zu
dienen“ und bekennen uns „zu unverletzlichen und unveräußerlichen
Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und
der Gerechtigkeit in der Welt.“
Wir können den durch Deutsche begangenen Völkermord, die Kriegsverbrechen und
Vertreibungen insbesondere an Jüd*innen nicht ungeschehen machen. Wir
verpflichten uns daher auf Dauer, einen Staat Israel zu unterstützen und zu
schützen, ihn als Demokratie zu stärken. Jegliche antisemitische Handlungen,
Vergehen und Verbrechen lehnen wir auf das Schärfste ab, sie müssen umgehend
strafrechtlich verfolgt und geahndet werden. Wir wenden uns allerdings auch
gegen Versuche, Kritik an der israelischen Regierung als Antisemitismus oder als
„antiisraelisch“ zu diskreditieren. Jüd*innen dürfen grundsätzlich nicht
pauschal für Handlungen der israelischen Regierung verantwortlich gemacht
werden, es ist sorgfältig zu unterscheiden zwischen ihrem Handeln und dem
verbrecherischen Handeln von Teilen der aktuellen israelischen Staatsführung.
Wir begrüßen den 20 Punkte Plan der US-amerikanische Regierung unter Donald
Trump und dass die diese ihr Gewicht jetzt entschieden genutzt hat, Israels
Regierung zu zwingen, diesem zuzustimmen. Ebenso begrüßen wir das Handeln
arabischer Staaten, die u.a. nach dem Militärschlag Israels gegen eine
Hamasdelegation in Katar deutlich gemacht haben, dass sie das Abraham-Abkommen
zu Disposition stellen werden, wenn der Gazastreifen weiter besetzt bleibt und
es ggf. dann zu einer Massenflucht in die angrenzenden Staaten käme. Ebenso
begrüßen wir die Initiativen von u.a. der französischen, ägyptischen,
jordanischen und türkischen Regierung für eine nachhaltigen Friedensprozess.
Wir begrüßen, dass als erster Schritt des 20 Punkte Plan, die Rückkehr der
Geiseln nach Israel vereinbart und umgesetzt werden konnte. Sowie die
Einstellung der Kämpfe und die Unterzeichnung der Waffenruhevereinbarung in
Scharm el Scheich. Da jedoch weitere Punkte offen sind und viele Detailfragen,
die einen nachhaltigen Friedensprozess betreffen würden offengeblieben sind,
insbesondere jene, die eine funktionierende Eigenstaatlichkeit für die
Palästinenser*innen betreffen, beschließt die BDK, dass Bündnis 90 / Die Grünen
den jetzt möglichen Friedensprozess weiterhin fördert und unterstützt mit
folgenden vordringlichen Punkten:
- die Anerkennung des Staates Palästina – auch und gerade durch Deutschland
– oder jedes andere - einvernehmlich verhandelte – Modell einer
Konföderation unverzüglich voranzutreiben. Die Staatengemeinschaft bei
allen diplomatischen Bemühungen zu unterstützen um eine nachhaltige
politische Dynamik für eine endgültige Statusregelung zu erzeugen
- den sofortigen Stopp aller Siedlungsneu- und ausbauten im Westjordanland,
die Beendigung jeglicher Unterstützung dieser völkerrechtswidrigen
Siedlungen, der Beginn eines Rückkehrprogramm für dort lebenden
Siedler*innen
- die mittelfristige Räumung bzw. Rückgabe aller im Westjordanland
errichteten israelischen Gebäude und Siedlungen
- die umfassende Entmilitarisierung des Gazastreifens und den Aufbau einer
palästinensischen Polizei
- eine sofortige, ausreichende und nachhaltige Aufstockung der Lieferung von
Nahrung, medizinischer Güter und ersten Notquartieren für die
Zivilbevölkerung von Gaza
- die Prüfung ob die UNRWA wieder als tragender Logistiker für Hilfe in Gaza
tätig werden kann
- in den kommenden Wiederaufbaukonferenzen darauf zu dringen, dass Israel
einen angemessenen Anteil am Wiederaufbau finanziert
- die Instandsetzung lebensnotwendiger Infrastruktur für Trinkwasser,
Abwasser und Strom sowie die Wiederinstandsetzung von Krankenhäusern,
Schulen, Friedhöfen
- die Unterstützung für einen umfassenden Aufbau erneuerbarer Energien und
Meerwasserentsalzungsanlagen
- darauf zu dringen, dass einen Großteil der zu vergebenden Aufträge an
palästinensische und arabische Firmen vergeben wird
- die umfassende Hilfe und Unterstützung für zivilgesellschaftliche
Initiativen, die helfen, Traumata abzubauen, Vertrauen zu stiften und eine
zukünftige Nachbarschaft zu ermöglichen
- die internationalen Institutionen aktiv und konstruktiv bei der
Untersuchung und Ahndung von Kriegsverbrechen aller beteiligten Seiten zu
unterstützen
Im Fall des erneuten Wiederaufflammens des Krieges im Gazastreifen oder weiterer
Eskalationen im Westjordanland fordern wir
- die EU zu unterstützen, ggf. mit der Aussetzung von Teilen des
Assoziierungsabkommen weiterhin Druck auf die israelische Regierung
auszuüben, damit diese sich konstruktiv am beginnenden Friedensprozess
beteiligt
- umgehend darauf zu dringen, bis auf Weiteres jegliche Zusammenarbeit mit
israelischen Firmen oder Regierungsstellen in jeglichen Waffentechniken
bzgl. Forschung und Fertigung einzustellen. Dies bezieht sich auch auf den
KI- und IT- Bereich, wie auch Überwachungstechniken im zivilen Bereich
- darauf zu dringen, umgehend den Kauf von israelischen Rüstungsgütern
auszusetzen. Ggf. wären Vertragsverletzungsverfahren hinzunehmen
- sich für einen scharfen Wirtschaftsboykott, vor allem für jegliche
technische Geräte – außer medizinischen – durch die EU Israel gegenüber
einzusetzen und im ersten Schritt die Zollfreiheit des Handels aufzuheben
Grundsätzlich fordern wir:
- jegliche Waffenexporte in das „Pulverfass“ Nahost auszusetzen und zu
beenden, ausgenommen davon ist die Unterstützung für die Abwehr von
Raketen- und Drohnenangriffe auf Israel und evtl. weiterer von Aggressoren
unverschuldet bedrohter Länder.
Langfristig ist daraufhin zu wirken, dass der Nahe Osten ABC-Waffen frei wird.
Die BDK ermutigt Bündnis 90 / Die Grünen innerparteilich und in die Gesellschaft
hinein einen Diskussionsprozess zur deutschen Staatsräson zu beginnen.
Begründung
Begründung: In Folge der Shoa und auch unabhängig von ihr zogen Jüd*innen ins damalige Palästina. Nach dem ersten Weltkrieg war dieses Gebiet Großbritannien als Treuhänderin zugesprochen worden. Dieses Mandat gab die britische Regierung in Folge verstärkter Konflikte zwischen den Zugezogenen und den dort lebenden Menschen und aufgrund von Terroranschlägen auf beiden Seiten zurück. Die UN beschloss mit Mehrheit gegen das Votum arabischer Staaten einen Teilungsplan, der deutlich zu Ungunsten der arabischen Bevölkerung ausfiel. Es folgte der erste von mehreren Kriegen Arabischer Staaten gegen das neugegründete Israel, die Nakba und die Teilung des damaligen Palästinas in Westjordanland (einschließlich Ostjerusalems) und Gaza. Der Landverlust, die Vertreibung, das Leben über Generationen in Flüchtlingslagern in den angrenzenden Staaten verpflichten die Weltgemeinschaft zum Einsatz für einen nachhaltigen Frieden in der Region. Deutschland hat über Jahrzehnte, neben seiner Unterstützung für Israel, Hilfe für die notleidende palästinensische Bevölkerung geleistet. Das Massaker der Hamas vom 7. Oktober 2023, die Morde und Geiselnahmen sind eine weitere, schreckliche Zäsur in diesem langen Konflikt. Die Terroranschläge der militant-islamistischen Hamas sind durch nichts zu entschuldigen. Der Krieg Israels gegen die Hamas, der dieser die militärische und politische Handlungsmacht nehmen soll, stellte die IDF vor große Anforderungen in Bezug auf das Kriegsvölkerrecht. Es wäre in den dicht besiedelten Gebieten von Gaza vermutlich unmöglich, die Hamas völkerrechtskonform vollständig militärisch zu besiegen. Zunehmend aber, befeuert von Teilen der rechtsradikalen Regierung Israels, ist dieser Feldzug in weiten Teilen ein massiver Verstoß gegen das Völkerrecht. Wir haben kein Vertrauen in die aktuelle israelische Regierung, die einen unabhängigen Staat Palästina ablehnt und wiederholt auf eine Vertreibung aller dort lebenden palästinensischen Menschen abzielte, anstatt an einem nachhaltigen Frieden mitzuwirken.
Weiteres folgt mündlich
