Veranstaltung: | 51. Bundesdelegiertenkonferenz Hannover |
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Tagesordnungspunkt: | V Verschiedenes |
Antragsteller*in: | Tjark Melchert (KV Gifhorn) und 69 weitere Antragsteller*innen (Frauenanteil: 31%) |
Status: | Eingereicht |
Angelegt: | 14.10.2025, 19:46 |
V-30: Gerechte Reform statt Illusion: Gute Renten für Nachkriegsgeneration, Baby-Boomer und Gen-Z!
Antragstext
Die gesetzliche Rentenversicherung ist eine große Errungenschaft unseres
Sozialstaats. Durch sie wird auch nach dem Berufsleben die Arbeit wertgeschätzt,
welche die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler während ihres Erwerbslebens
für sich und die Gesellschaft geleistet haben. Die gesetzliche
Rentenversicherung ist die zentrale Säule der Alterssicherung in Deutschland.
Sie ist unabkömmlich, damit die Menschen auch im Alter finanziell abgesichert
sind. Es ist wichtig, dass sich die Menschen auch in Zukunft auf die
Altersvorsorge verlassen können. Das gilt für alle – für die Auszubildene, für
den Lehrling, aber insbesondere auch für die Menschen, die schon jetzt ihre
Rente beziehen. Gleichzeitig ist es wichtig, dass möglichst viele Menschen von
den zusätzlichen Säulen profitieren können: Betriebsrenten und private Vorsorge
sind von großer Bedeutung für eine funktionierende finanzielle Alterssicherung.
Denn am Ende ist entscheidend, welches Alterssicherungsniveau abgebildet werden
kann.
Gute Löhne und ein funktionierender Arbeitsmarkt sind zentral, um die
Umlagefinanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung abzusichern. Aber der
demografische Wandel stellt unseren Generationenvertrag vor große
Herausforderungen. Immer weniger Erwerbstätige zahlen in das gesetzliche
Rentensystem ein. Gleichzeitig steigt die Lebenserwartung und mit ihr die Zeit
des Rentenbezugs. In den 1960er Jahren kamen auf eine oder einen
Rentenbeziehenden noch sechs Beitragszahlerinnen und Beitragszahler. Heute liegt
das Verhältnis bei zwei zu eins mit sinkender Tendenz. Die Beiträge zur
Rentenversicherung liegen aktuell bei 18,6%. In den 1960er Jahren waren es rund
14 Prozent. In den kommenden Jahren droht ein deutlicher Anstieg des
Beitragssatzes. Die Hälfte der Beiträge wird von den Arbeitgebern getragen. So
hat das System auch Einfluss auf die Standortbedingungen für Unternehmen.
Steigende Lohnnebenkosten sind eine Bedrohung für die Wettbewerbsfähigkeit
unseres Standorts. Insbesondere der Renteneintritt der Babyboomer stellt unser
Rentensystem vor große Herausforderungen. Wir müssen eine Überforderung der
jungen Generation verhindern. Deshalb ist es von zentraler Bedeutung, unser
Alterssicherungssystem jetzt zu reformieren.
Für unser gesetzliches Rentensystem ist eine hohe Beschäftigungsquote
essenziell. Eine zentrale Aufgabe zur Stabilisierung des Systems ist es
deswegen, die sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsquote weiter zu
erhöhen.
Noch immer übernehmen Frauen den Hauptteil der Erziehungs- und Pflegeaufgaben in
Familien. Noch immer arbeiten sie deswegen oft in Teilzeit. Dadurch ist ihr Lohn
dann oft niedriger. Starke Bildungsinstitutionen mit guten Betreuungsangeboten
und ein funktionierendes Pflegesystem würden gerade sie entlasten. Sie bekämen
Freiräume, stärker am Arbeitsleben teilzunehmen. Der Rechtsanspruch auf
Ganztagsbetreuung kann dabei helfen und muss entsprechend umgesetzt werden.
Angesichts der kommunalen Finanzlage ist der Bund hier gefordert, Städte und
Gemeinden dabei zu unterstützen.
Zusätzlich müssen wir stärker die Arbeitspotenziale heben, die durch Migration
entstehen. Besonders die qualifizierte Zuwanderung ist nicht nur für unsere
Wettbewerbsfähigkeit wichtig, sie entlastet auch die gesetzliche
Rentenversicherung. Die Hürden für Geflüchtete auf dem Arbeitsmarkt sind noch
immer zu hoch. Das betrifft insbesondere auch die Menschen aus der Ukraine. Sie
sind oft gut ausgebildet, aber die fehlende Anerkennung ihrer Abschlüsse und
eine schlechte Betreuungssituation hindern sie, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu
fassen. Wir setzen uns für Regelungen ein, die eine Anerkennung von beruflichen
Qualifikationen wesentlich erleichtern.
Eine höhere Erwerbsquote alleine wird die Kosten des gesetzlichen Rentensystems
nicht begrenzen. Schon heute fließt etwa jeder vierte Euro aus dem
Bundeshaushalt an die gesetzliche Rentenversicherung. Das sind über 120
Milliarden Euro. Die von CDU, CSU und SPD geplante Haltelinie des Rentenniveaus
bis 2031 und die Ausweitung der Mütterrente kosten weitere Milliarden. Die
Haltelinie kostet im Jahr 2040 gut 15 Milliarden Euro an zusätzlichen Zuschüssen
aus dem Bundeshaushalt. Eine weitere Stufe der Mütterente ist mit jährlichen
Kosten von fünf Milliarden Euro verbunden. Grundsätzlich ist es richtig, dass
eine Anerkennung der Erziehungsleistung unabhängig vom Geburtsjahr erfolgt.
Bisher müssen diese Kosten vor allem die jungen Generationen tragen. Nicht nur
beim wenig ambitionierten Klimaschutz handelt die schwarz-rote Koalition im Bund
gegen den Grundsatz der Generationengerechtigkeit. Auch mit ihrer Rentenpolitik
ignoriert sie die Interessen der jungen Menschen in unserem Land. Damit
gefährdet sie langfristig den bestehenden Generationenvertrag. Denn je mehr
Ausgaben für das Rentensystem im Bundeshaushalt gebunden sind, desto niedriger
sind die Spielräume für andere wichtige Aufgaben - Bildung, Forschung oder
Zukunftsinvestitionen. Deshalb brauchen wir strukturelle Reformen, die
sicherstellen, dass weder die Beitragssätze noch die Zuschüsse aus dem
Bundeshaushalt an die Rentenversicherung weiter dynamisch ansteigen und die
Rente gleichzeitig verlässlich bleibt. Die Wiedereinsetzung des
Nachhaltigkeitsfaktors im Altersvorsorgesystem ist ein erster Schritt für den
Interessenausgleich zwischen den unterschiedlichen Generationen. Demografische
und konjunkturelle Faktoren werden durch ihn stärker berücksichtigt. Darüber
hinaus sollte die steigende Lebenserwartung stärker bei der Lebensarbeitszeit
berücksichtigt werden.
Neben diesen Maßnahmen wollen wir die Anreize im System neu austarieren. Von
denjenigen, die die sogenannte Rente mit 63 bisher in Anspruch genommen haben,
war nur etwa jeder Dritte von harter körperlicher Arbeit belastet. Der
abschlagsfreie Eintritt in die Rente muss in Zukunft allein dieser Gruppe
vorbehalten bleiben.
Darüber hinaus gilt es die private kapitalgedeckte Altersvorsorge deutlich zu
stärken, um die langfristig hohen Renditen der Kapitalmärkte für ein
auskömmliches Einkommen im Alter stärker zu nutzen. Die nordischen Länder sind
hier gute Vorbilder. Wir benötigen einen öffentlichen Altersvorsorgefonds für
alle. Menschen, die bei ihrer Altersvorsorge nicht auf die Kapitalmärkte
zurückgreifen wollen, müssen eine Opt-Out-Möglichkeit für so einen Baustein der
Altersvorsorge bekommen.
Zusätzlich sollte die betriebliche Altersvorsorge transparenter und günstiger
werden. Mehr Wettbewerb zwischen privaten Anbietern, leichtere
Wechselmöglichkeiten zwischen Produkten und eine Begrenzung der Gebühren sind
wichtige Bausteine. Auch hier ist die Schaffung eines Basisprodukts möglich. Die
Absicherung für das Alter würde so für viele Menschen erleichtert.
Für diejenigen, die nach Erreichen ihres regulären Rentenalters weiterarbeiten
möchten, schlagen wir pragmatische Wege vor. So könnten diese Menschen
zusätzlich zu ihrem Lohn die Beiträge für Renten- und Arbeitslosenversicherung
ausgezahlt bekommen. Das wäre ohne erhebliche verfassungsrechtliche Risiken
möglich, wie sie die schwarz-rote Koalition für ihre Pläne für eine „Aktivrente“
in Kauf nimmt.
Außerdem gilt es, die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten
möglichst zu erhöhen. Zwar ist eine Bürgerversicherung auch im Bereich der
Alterssicherung unser langfristiges Ziel, allerdings braucht es dafür eine sehr
lange Übergangszeit. Zunächst gilt es, Verbeamtungen bei Bund, Ländern und
Kommunen auf die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse zu konzentrieren.
Für diejenigen, deren Rente trotz langjähriger Beitragszahler unter dem
Existenzminimum liegt, halten wir an der Idee einer Garantierente fest.
Menschen, die den größten Teil ihres Lebens gearbeitet oder sich um Kinder und
andere Familienangehörige gekümmert haben, sollten im Alter eine Rente oberhalb
der Grundsicherung beziehen. Dies kann sichergestellt werden, indem die
innerhalb einer Mindestversicherungszeit erworbenen Ansprüche höher bewertet
werden. Die Garantierente soll ohne Bedürftigkeitsprüfung auskommen und
betriebliche sowie private Altersvorsorge sollen nicht angerechnet werden.