Veranstaltung: | 51. Bundesdelegiertenkonferenz Hannover |
---|---|
Tagesordnungspunkt: | V Verschiedenes |
Antragsteller*in: | Schahina Gambir (KV Minden-Lübbecke) und 77 weitere Antragsteller*innen (Frauenanteil: 60%) |
Status: | Eingereicht |
Angelegt: | 14.10.2025, 17:11 |
V-31: Humanitäre Aufnahmeprogramme fortsetzen - Schutz für gefährdete Afghan*innen jetzt
Antragstext
Die Bundesregierung und die Landesregierungen tragen eine besondere
Verantwortung gegenüber den Menschen, die sich für Demokratie,
Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte in Afghanistan einsetzen und eingesetzt
haben. Insbesondere die Ortskräfte, die durch ihre Arbeit das Engagement der
Bundeswehr und ziviler Organisationen vor Ort in Afghanistan erst möglich
gemacht haben, verdienen unseren Schutz vor der Verfolgung durch die
islamistischen Taliban. Viele dieser Menschen haben sich unter höchster Gefahr
für ihr eigenes Leben und das ihrer Familien eingesetzt und zurecht nach der
Machtergreifung der Taliban Aufnahmezusagen von Deutschland und vielen anderen
Ländern erhalten.
Doch die aktuelle Bundesregierung lässt sie im Stich: Humanitäre
Aufnahmeprogramme werden beendet, bereits erteilte Aufnahmezusagen und damit die
Visavergabe zur Einreise nach Deutschland werden verschleppt oder gar
zurückgenommen. Rund 2.300 Afghan*innen, unter ihnen schwangere Frauen und viele
Kinder, warten auf ihre Ausreise nach Deutschland. Sie sind
Menschenrechtsaktivist*innen, Journalist*innen, Kulturschaffende, Angehörige
vulnerabler Gruppen wie LGBTIQ+, sowie ehemalige Ortskräfte. Während das
Bundesinnenministerium die Aufnahmen bewusst blockiert, verschlechtert sich die
Lage der Betroffenen in Pakistan dramatisch: Viele mussten aufgrund der
deutschen Aufnahmezusagen nach Pakistan fliehen und warten seitdem auf die
Genehmigung, nach Deutschland ausreisen zu können. Hunderte von ihnen wurden nun
in den letzten Monaten von pakistanischen Behörden inhaftiert und wieder nach
Afghanistan abgeschoben, weil Deutschland seine Verpflichtungen nicht erfüllt.
Die Abschiebungen, bei denen auch Familien und ihre Kinder auseinandergerissen
werden, sind für die Menschen lebensgefährlich. Denn sie sind von massiven
Repressionen durch die Taliban bedroht.
Deutsche Gerichte haben wiederholt festgestellt, dass die Bundesregierung
Menschen mit Aufnahmezusagen über das Bundesaufnahmeprogramm und ihre Familien
nach erfolgreichen Sicherheitsinterviews Visa erteilen und ihre Einreise nach
Deutschland durchführen muss. Bundesinnenminister Alexander Dobrindt offenbart
ein problematisches Rechtsstaatsverständnis, in dem er Gerichtsurteile teilweise
auch faktenwidrig in Frage stellt und rechtsverbindlichen Zusagen nicht einhält
oder die Zusagen sogar durch das BAMF zurücknehmen lassen will. So setzt er das
Leben dieser Menschen aufs Spiel.
Gleichzeitig legitimiert die Bundesregierung faktisch das Taliban-Regime, indem
sie dessen Vertreter als Konsularbeamte in Deutschland akkreditiert. Sie
kooperiert mit Islamisten und legitimiert so ein Regime, das international
geächtet wird und belastet auch konkret die deutsch-pakistanischen Beziehungen.
Dass die bisherigen Mitarbeitenden afghanischer Konsulate aus Angst vor dem
Einfluss der Taliban kündigen, zeigt unter anderem wie gefährlich es ist,
Gesandten des Terror-Regimes die Kontrolle über die Ausstellung von Pässen und
so die Möglichkeit zur Ausspähung und Einschüchterung von Exil-Afghan*innen.
Die Bundesregierung ordnet ihre Außenpolitik innenpolitischen Parolen von rechts
unter, lässt Partner im Stich und rollt Terroristen den roten Teppich aus. Sie
verrät so die afghanischen Frauen und Mädchen, die jeden Tag für ihre Freiheit,
Bildung und grundlegenden Rechte kämpfen müssen, die ihnen systematisch von dem
Terror-Regime der Taliban verwehrt werden. Das widerspricht allen
menschenrechtlichen, und außenpolitischen Grundsätzen und gefährdet das
Vertrauen in Deutschlands Verlässlichkeit.
5. Generell müssen Humanitäre Aufnahmeprogramme wie das Bundesaufnahmeprogramm
Afghanistan und Resettlement-Programme für besonders gefährdete Menschen wieder
aufgenommen und weiterentwickelt werden. Menschen, die sich für Demokratie,
Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte einsetzen, müssen unterstützt und
geschützt werden.
7. Die Diffamierung und Kriminalisierung von zivilen Organisationen, die sich
für die humanitäre Aufnahme und in Afghanistan engagieren und engagiert haben,
muss verhindert werden. Die Europäische Union, die Bundesregierung und die
Landesregierungen sollten humanitäre Hilfe in Afghanistan und
Entwicklungszusammenarbeit in der Region fördern, statt die Mittel immer weiter
zu kürzen.
Begründung
Die Menschenrechts- und Sicherheitslage in Afghanistan ist verheerend. Terroranschläge und bewaffnete Auseinandersetzungen prägen den Alltag. Die Folgen der Klimakrise und wiederkehrende Erdbeben – zuletzt mit über 2.200 Todesopfern – verschärfen die ohnehin dramatische Versorgungssituation zusätzlich.
Seit der Machtübernahme der Taliban im August 2021 hat sich die Lage der Menschenrechte massiv verschlechtert. Insbesondere Frauen und Mädchen, religiöse Minderheiten sowie die LGBTIQ+-Community sind von systematischer Entrechtung betroffen.
Die Taliban inhaftieren Menschen, die sich für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit oder Bildung einsetzen. Öffentliche Hinrichtungen und Körperstrafen wurden wieder eingeführt; willkürliche Verhaftungen, Folter und das Verschwindenlassen gehören zum Alltag.
Homosexualität und Transidentität sind gesellschaftlich geächtet und werden politisch verfolgt. Berichte über öffentliche Misshandlungen, Inhaftierungen sowie physische und sexuelle Gewalt zeigen, dass LGBTIQ+-Personen einer systematischen und existenziellen Bedrohung ausgesetzt sind.